| Glasmalerei
-.,. RE AUP nie oe |
Cooper-Hewitt Museum Library:
Elson Institwiion I
In Memoriam.
STEPHEN BRIDGES
1909 - 1977
President SGAA 1968-1970
Gwen by
THE STAINED GLASSASSOCIATION
OFAMERICA
1979
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HIERSEMANNS HANDBÜCHER:
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BAND VIll
JOSEF LUDWIG FISCHER
HANDBUCH DER GLASMALEREI
FÜR FORSCHER, SAMMLER UND KUNSTFREUNDE
WIE FÜR KÜNSTLER, ARCHITEKTEN
UND GLASMALER
MIT 48 TEXTABBILDUNGEN UND
151 ABBILDUNGEN AUF 135 TAFELN
6
KEIPZIG
VERLAG VON KARL W. HIERSEMANN
1914
HIERSEMANNS HANDBÜCHER — BAND VIll
HANDBUCH DER GLASMALEREI
FÜR FORSCHER, SAMMLER UND KUNSTFREUNDE
WIE FÜR KÜNSTLER, ARCHITEKTEN
UND GLASMALER
VON
JOSEF LUDWIG FISCHER
MIT 48 TEXTABBILDUNGEN UND
151 ABBILDUNGEN AUF 135 TAFELN
LEIPZIG
VERLAG VON KARL W. HIERSEMANN
1914
Geleitwort.
Die Eigenart vorliegenden Buches ist zunächst durch dessen
Einfügung in die Serie der Hiersemannschen Handbücher be-
stimmt. Es soll zeigen, einerseits, wie sich die Glasmalerei aus
den Anfängen buntgläsernen Fensterschmucks zu einem selbstän-
digen Glied des Kunstgewerbes entfaltet hat, und andererseits,
welche Stellung dieser Zweig des Kunstgewerbes in der allge-
meinen Entwicklung der Kunst einnimmt. Diese an sich selbst-
verständliche Forderung wird jedoch in der Glasmalerei von der,
in der Regel allerdings übersehenen Tatsache modifiziert, daß die
Glasmalerei in ihrer bescheidensten, wie glanzvollsten Erscheinung
durch den Charakter eines integrierenden Bestandteils des Bau-
programms, der Vollendung des Raumes, ihre eigentümliche Ge-
staltung erhalten hat. Von dieser architektonischen Bedeutung
der Glasmalerei ist nicht nur die Anlage dieses Buches beeinflußt
worden, es hat sich vielmehr als notwendig erwiesen, einen Haupt-
abschnitt zu schaffen, der den Schönheitsgedanken der Glasmalerei
in zusammenhängender Darstellung behandeln soll. Dieser Ab-
schnitt enthält somit in knappster Zusammendrängung ein Bild
davon, wie die Glasmalerei im Lauf der Zeiten ihrer monumentalen,
architektonischen und raumgestaltenden Aufgabe gerecht gewor-
den ist. Darum war es auch notwendig, den Faden der Ent-
wicklung der Glasmalerei in die Gegenwart hereinzuführen. Auf
einen erläuternden Text zu der Wiedergabe moderner Arbeiten
konnte verzichtet werden, da die äußeren Bedingungen dieser
Schöpfungen klar am Tag liegen, und da der Leser des Buches
oder wenigstens des genannten Abschnitts selbst zu beurteilen
vermag, inwieweit sich die moderne Glasmalerei über den mehr
zufälligen Charakter eines wohl originellen, aber lediglich um
seiner selbst willen komponierten Farbenspiels hinaus, auf die Stufe
VI
einer mit bewußter, innerer Notwendigkeit schaffenden Raumkunst
erhebt.
Wenn nun die architektonische Bedeutung des buntfarbigen
Fensterschmuckes für die Bearbeitung des Textes eine besondere
Rolle spielte, so war es bei dem Format vorliegenden Buches
natürlich nicht möglich, geschlossene Raumbilder zur Wiedergabe
zu bringen. Dies ist jedoch schon deswegen kein Mangel, weil
jeder Leser beim Besuch eines solchen Raumes, wie er noch in
zahlreichen Domen usw. erhalten ist, die mystische Stimmung
eines derartigen Raumbildes von selbst in sich lebendig machen
und verstehen kann, was in vorliegendem Buche mit Worten
darzustellen versucht worden ist.
Was die Abbildungen alter Glasgemälde betrifft, so wurde
in erster Linie bisher unbekanntes oder schwer zugängliches
Material wiedergegeben, während bereits öfter und gut publizierte
Glasgemälde nur dann erneut abgebildet wurden, wenn es zur
Erläuterung des Entwicklungsganges der Glasmalerei absolut un-
erläßlich war. Daß dabei in einigen Fällen schwächere Hand-
schriften berücksichtigt werden mußten, wird wohl ebensowenig
befremden, wie die Tatsache, daß für eine Reihe von Abbildungen
mehr oder weniger restaurierte Fenster als Vorlage dienen mußten.
Bei der Zusammenstellung des Abbildungsmaterials hatte sich
der Verfasser der weitgehenden Hilfe zahlreicher Persönlichkeiten
zu erfreuen, deren, außer im Texte, am Schlusse dieses Buches
eigens gedacht ist. Mit dem herzlichsten Dank an alle, die zum
Gelingen beigetragen haben, übergibt der Verfasser vorliegendes
Buch der Öffentlichkeit. |
Dr. Josef Ludwig Fischer
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Ele OT N a SE
I. Der Schönheitsgedanke in der Glasmalerei . . . . ı
I9BjerEntwieklung‘ des Stils "TI m2a. 200 u. a aeg
PoD)iesMonumentalelasıalenens re E38
AEDie nur literarisch\bezeuste, Vorzeit (u... ar ns
B)EDaswZeitaltensdessxeinenSRlächenstilsu a,
1. Die frühromanisch-deutsche Schule . . . ...2..2..45
2. Die frühromanisch-französischen Schulen . . . . 58
A)uDiesSchulesyon®Chartressn er 58
b)EDiesSchnlegvones= Denisp 7 rer 62
3. Die deutschen Glasgemälde der späteren romanischen
Schuler en : 04
4. Das Auftreten von need in de eaaleri 69
5. Die Glasmalerei während des Zeitalters der Frühgotik 76
6. Das System des gotischen Medaillonfensterss . . . 80
C) Die allmähliche Auflösung des Flächenstils in Bildwirkung
unter dem Einfluß des italienischen Trecentos . . . . 834
7. Der Kunstkreis zu Königsfelden EU ENTER ee
8. Die oberrheinischen und ostdeutschen Schalen des
TS Salhıknndertse rer . 100
9. Die französische Glasmalerei im Zeitalter der Gotik RZ
D) Die Vorherrschaft des Malerischen infolge Trennung zwischen
Va sterernndWwliechniker 128
10. Die kölnische und niederländischen Schulen . . . 128
11. Die süddeutschen Meistersschlen . . . ..... 132
ZEEDIEWKEIDImELLSElasınallenei 156
ı2. Die deutsche Kabinettsscheibe . . . .....2...156
Ta DiegSchyeizensS che ber a Er 172
Ze DiesKunstyerplasung Eu u a u. a 782
ApDiewEiinteralasınalerei ee 285
III. Die Wiederbelebung der monumentalen Glasmalerei im
10, alndamaeleri eo
VI
IV. Die Technik .
A) Das Material .
B) Die Malfarben
C) Die Bearbeitung des Mara:
V. Die auf Glasgemälden dargestellten Bi. \
VI. Die gesellschaftliche und materielle Lage des Glasmalers
VU. Das Glasgemälde als Sammelobjekt. — Echt und falsch
VII. Die Erhaltung und Wiederinstandsetzung alter Glas-
gemälde
IX. Die Glasmalerei als Begonetigd der kunstwissenschaft-
lichen Forschung .
Literatur-Verzeichnis .
Register
Seite
20I
20I
214
231
263
283
290
Verzeichnis der Textabbildungen.
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14.
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16.
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21.
22.
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Rekonstruktion eines Fensters aus dem Chor der Sankt Ulrichskirche
zu Augsburg. I1. Jahrh.. Be ß er
Blatt aus dem Evangeliar der Äbtissin Uta aus ee Um 1002
Mittelpunkt der großen Rose in der Kathedrale zu Lyon. 13. Jahrh.
Detail aus einem Fenster der Kathedrale zu Lyon. 13. Jahrh.
Detail aus einem Fenster des Westchors zu Naumburg. Mitte des
13. Jahrh. ap SW : ee
Detail aus einem spätromanischen Heheter der Alleabeiikinche zu Ne
Zweite Hälfte des 13. Jahrh.
Detail aus einem Flügel in dem Archiv der Flisabethkirche zu ee
Detail aus einem Zyklus des Klosters Seligenthal bei Landshut, jetzt
im Bayrischen Nationalmuseum zu München. Um 1330. Lands-
huter Schule
_ Die ägyptischen Plagen. Miniaturblatt aus dem Psalter Ludwigs des
Heiligen. Ms. lat. der Bibliotheque Nationale Paris. Um 1260
Standfigurenfenster in der Elisabethkirche zu Marburg. Anfang des
14. Jahrh. A Sn Re;
Teil eines Medaillonfensters im Ser des De Münsters. Anfang
des 15. Jahrh. ER a NEN
Scheibe aus den Fenstern der Bereit im Münster zu Ulm. Um 1420
Maßwerk aus einem Fenster der Bessererkapelle im Münster zu Ulm.
Um 1420 RER a er ee 2
Maßwerk aus einem Fenster der Bessererkapelle im Münster zu ln
Um 1420 RN BEN RE a ER RE N ER Een WER,
Glasgemälde im Rathaus zu Lüneburg. Erste Hälfte des 15. Jahrh.
Evangelist. Wohl aus Ulm stammend. Gegen Mitte des 15. Jahrh.
Detail aus einem Glasgemälde der Stadtkirche zu Friedberg
Detail aus dem Stammbaumfenster des Münsters zu Ulm
Chorfenster in der Kirche zu Evreux. Zweites Viertel des 14. Bo
Detail aus einem Glasfenster der St. Chapelle zu Riom. Um 1350
Geburt Christi. Glasgemäldein der FrauenkirchezuMünchen. 1480— 1490
Geburt Christi. Glasgemälde im Münster zu Ulm. Um 1420
Gemälde vom Münchener Petrialtar. Jan Pollack. Bayrisches National-
museum, München
Seite
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144
144
145
Abb. 24.
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26.
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28.
29.
46.
47-
48.
Gemälde vom Münchener Petrialtar. Jan Pollack. Bayrisches National-
museum, München . . . s N oe RE
Gemälde von einem Jan Pollack Gahesichenden Meisten Bayrisches
Nationalmuseum, München a rk
Scheibe mit der Meisterunterschrift des Münchener an Jakob
Kistenfeger. 1496—1532. Schloß Erdödy . . .
Oberteil eines Glasgemäldes in der Salvatorkirche zu München. Um 1500
Detail aus den Chorfenstern der Pfarrkirche zu Landsberg a. L. An-
fang des 16. Jahrh.. re, Vie ee
Fragment eines Glasgemäldes im Bayrischen Nationalmuseum zu München.
Ende des 15. Jahrh. RE no -
Detail aus einer Scheibe mit Johannes Ev. Hans Holbein d. Ä.
Augsburg. Nach einer Photographie von Höfle-Augsburg .
Ungarisches Glasgemälde. Anfang des 15. Jahrh..
Kartondetail zu den Glasgemälden in Gouda. Lukas von ey
Karton zu den Glasgemälden in Gouda. Lukas von Leyden(?)
Karton zu einem Glasgemälde von W. Crabeth. (1543—1595)
Scheibe mit dem Wappen von Matzenheim. Dem Hausbuchmeister
nahestehende oberrheinische Werkstatt. Um 1480
Rundscheibe aus einer oberrheinischen Werkstatt um I490 .
Rundscheibe mit der hl. Radegundis. Salzburg, datiert 1524 .
Rundscheibe mit den Wappen Welser und Schlüsselfelder. Schloß Hohen-
schwangau. Um 1525. Nürnberger Arbeit (Hans Springinklee)
Wappenscheibe Wildenberg. Arbeit des Daniel Lindtmeyer von Schaff-
hausen een Sr Be ee Tore PS Re
Wappenscheibe Siuner. 1719. Historisches Museum zu Bern.
Wappenscheibe Messerlin. 1783. Historisches Museum in Bern .
Teppichmuster. Dom zu Regensburg. 14. Jahrh. 5
Glasgemälde in Maursmünster. ]J. D. Danegger aus Straßburg a
Glasgemälde in der Mariahilfkirche zu München. Karton von Josef
Anton Fischer. 1838 . Meets ee a ei ee
Glasgemälde in der Kirche zu Lennewitz. Entworfen und ausgeführt
von R. Linnemann, Frankfurt 5.8 eo. -
Glasgemälde, eütworfen undausgeführt vonder Glesmale Beer e Trier
Monolithscheibe in Schwarzlot und Silbergelb, entworfen und ausgeführt
von Glasmaler BC Gläsche, Stultgarb. 2 Se
Entwurf zu einer Kunstverglasung von Prof. Julius Diez, München .
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3
4
5
Verzeichnis der Tafeln.
j2. Prophetengestalten. Dom zu Augsburg. Mitte des Iı. Jahrh.
IO.
II.
12.
15.
16.
17:
18.
20.
21.
22.
Teil einer Prophetengestal. Dom zu Augsburg. Mitte des Iı. Jahrh.
Teil der Gestalt des Königs David. Dom zu Augsburg. Mitte des Lı. Jahrh.
Madonna. Glasgemälde im Schweizerischen Landesmuseum zu Zürich. Aus
Flums. Anfang des 12. Jahrh.
Miniatur aus einer Salzburger Handschrift; codex lat. 15812 der Münchener
Hof- und Staatsbibliothek. Um IIso.
Detail aus einem Glasgemälde der Kathedrale zu Poitiers. Zweite Hälfte
des 12. Jahrh.
Fenster in der Kirche zu Le Champ (Isere). Zweite Hälfte des 12. Jahrh.
Nach einer Photographie von L. Begule.
Glasgemälde in der Kirche zu Chateauroux. Anfang des 13. Jahrh.
Detail aus der großen Rose (mit Monatsbildern) in der Kathedrale zu Lyon.
13. Jahrh.
Glasgemälde in Varennes. 13. Jahrh.
Glasscheibe im Historischen Museum zu Frankfurt. Drittes Viertel des
13. Jahrh.
Flügel aus einem Glasgemälde in Schloß Heiligenberg. Gegen 1330. Nach
einer Photographie von Frl. Dr. Hertha Wienecke.
Flügel in. der Altertümersammlung zu Karlsruhe. Gegen 1330. Photo-
graphiert von W. Kratt, Karlsruhe.
Detail aus einem Fenster der Stephanskirche zu Mülhausen i. E. Um 1340.
Detail aus einem Glasgemälde der Stephanskirche zu Mülhausen i.E Um 1340.
Detail aus dem Fenster der Tugenden und Laster in der Stephanskirche zu
Mülhausen i. EE Um 1340.
Teil aus dem Passionsfenster in der Klosterkirche zu Königsfelden. Erstes
Viertel des 14. Jahrh.
Teil aus dem Franziskusfenster in der Klosterkirche zu Königsfelden. Erstes
Viertel des 14. Jahrh.
Teil aus dem Täuferfenster in der Klosterkirche zu Königsfelden. Erste
Hälfte des 14. Jahrh.
Christus am Kreuz. Burg Karlstein (Prag). Zweite Hälfte des 14. Jahrh.
Glasgemälde einst in der Pfarrkirche zu Culm, jetzt in der Marienburg,
Ende des 14. Jahrh.
XI
Tafel 23.
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28.
Teil einer Verkündigung. Nationalmuseum zu Krakau. Ende des 14. Jahrh.
Zu Tafel 24 gehörig.
Teil einer Verkündigung. Nationalmuseum zu Krakau. Ende des 14. Jahrh.
Zu Tafel 23 gehörig.
Detail aus einem Glasgemälde der Minoritenkirche zu Regensburg, jetzt im
Bayrischen Nationalmuseum zu München. Um 1360.
Einzelblatt aus einer Regensburger Handschrift. Hof- und Staatsbibliothek
zu München. Um 1350,
Teil eines Fensters der Minoritenkirche in Regensburg, jetzt im Bayrischen
Nationalmuseum zu München. Um 1360.
Teil des Katharinenfensters im Dom zu Regensburg. Letztes Viertel des
14. Jahrh.
Teil eines Medaillonfensters im Bayrischen Nationalmuseum zu München.
Anfang des 15. Jahrh.
Zusammengestellte Szenen aus einem mariologischen Fenster. Frauenkirche
zu München. Um 1430.
Zwei Scheiben aus den Glasfenstern in der Bessererkapelle des Münsters
zu Ulm. Um 1420.
Glasgemälde vom Meister der Bessererfenster in Ulm. Münster in Freiburg.
Um 1420.
Teil eines Glasgemäldes in der Kirche zu Markterlbach. Letztes Viertel
des 14. Jahrh.
Teil aus einem Glasgemälde in der Blasiuskirche zu Mühlhausen in Thüringen.
Zweite Hälfte des 14. Jahrh.
_ Teil aus dem Helenafenster im Dom zu Erfurt. Um 1400.
Apostelkopf in einem Fenster des Domes zu Erfurt. Nach. 1400.
Mannahlese. Detail aus einem Fenster der S. Jakobskirche zu Rothenburg
o.d. T. Erste Hälfte des 15. Jahrh.
Detail aus einem Glasgemälde der S. Jakobskirche zu Rothenburg o.d.T.
Erste Hälfte des 15. Jahrh.
Teil eines Fensters im Dom zu Stendal. Stiftung Friedrichs II. von Branden-
burg (?) (1440—71). Nach einer Photographie von Dr. J. Engel.
Evangelist Johannes. Detail eines Glasgemäldes im Dome zu Halberstadt.
Anfang des 15. Jahrh.
Detail aus einem Glasgemälde in der Tillykapelle zu Altötting. Datiert 1426.
Detail aus dem Stammbaumfenster in Münster zu Ulm. Signiert Hans
Wild. 148o.
Detail aus einem Glasgemälde von Hans Wild im Ulmer Münster. Um 1480.
Teil eines Glasgemäldes in der Stadtkirche zu Friedberg. Ende des
15. Jahrh.
Rundscheibe in farbigem Hüttenglas‘" 'Schloß zu Erbach. Ende des
15. Jahrh.
Rundscheibe in farbigem Hüttenglas. Schloß zu Erbach. Ende des
15. Jahrh.
Chorfenster in der Kirche zu Evreux. Zweites Viertel des 14. Jahrh.
XI
Tafel 48. Teil eines Fensters in der Kirche zu Ambierle. Stil der französischen
Spätgotik.
49. Detail eines Glasgemäldes in der Kirche zu Montmorency, im Stil der
französischen Frührenaissance. .
50. Fenster im Dom zu Troyes. Anfang des 16. Jahrh. Nach einer Photo-
graphie von G. Lancelot.
5I. Detail aus einem französischen Renaissancefenster.
52. Glasgemälde aus einer englischen Kirche. 15. Jahrh. Mittelbild restauriert.
53. Teil eines Glasgemäldes im Dom zu:,Metz, von Valentin ‚Busch.
54. Teil eines Glasgemäldes im Dom zu :Metz, von Valentin Busch. >
55.. Detail;aus einem Glasgemälde in der Kathedrale zu Chalons: “ Ende des
15. Jahrh. i
56. Detail aus einem niederrheinischen Fenster, jetzt im. Kunstgewerbemuseum
zu Köln. Ende des 15. Jahrh,
57. Teil eines Fensters im Dome zu Köln. Anfang des 16. Jahrh.
58. Teil eines Glasgemäldes in der Kirche zu Xanten. Anfang des 16. Jahrh.
"59. Teil eines Fensters in der Wallfahrtskirche zu Wilsnack, im Stil der
niederrheinischen Spätgotik. Nach einer Aufnahme von Dr. ]J. Engel.
60. Rundfenster im Dom zu Florenz. Nach einer Zeichnung von L. Ghiberti.
61. Glasgemälde im Kloster S. Croce zu Florenz. Erste Hälfte des ı5. Jahrh.
62/63. Glasgemälde auf der Veste Koburg. Hirsvogelwerkstatt. Anfang des 16. Jahrh,
64. Detail aus einem Glasgemälde in der Schwanenritterkapelle zu Ansbach.
Dürer-Hirsvogelwerkstatt. 1520.
65/66. Detail aus einem Fenster in der Marienkirche zu Hanau. Art des
Matthias Grünewald. Um 15Io. Nach einer Aufnahme von der
Glasmalerei Linnemann.
67. Glasgemälde aus der ehemaligen Kartause bei Freiburg. Stil Hans Bal-
dung Griens. Zwischen I5Io und 1520.
68. Glasgemälde in der Kgl. Residenz zu München. Stil Hans Baldung Griens.
Nach einer Photographie von Oskar Zettler, München.
69/70. Heinrich von Handschuhsheim als Stifter. Glasgemälde in der Kgl. Re-
sidenz zu München. Stil Hans Baldung Griens. Nach einer Photo-
graphie von Oskar Zettler, München.
Margarethe von Staufenberg als Stifterin. Glasgemälde in der Kgl. Re-
sidenz zu München. Stil Hans Baldung Griens.. Nach einer Photo-
graphie von Oskar Zettler, München.
71. Detail aus: einem Glasgemälde in dem Münster zu Freiburg i. B. Stil
Hans Baldung Griens. Um 1515. Nach einer Aufnahme von Pro-
fessor Fritz Geiges.
72. ‚Detail aus einem Glasgemälde der Frauenkirche zu München. Um die
Mitte des 15. Jahrh.
73. Vier Flügel aus einem typologischen Cyklus in der Frauenkirche zu
München, 1480— 1490.
74. Vier Flügel aus einem typologischen Cyklus in der Frauenkirche zu
München. 1480— 1490.
XIV
Tafel 75.
”
76.
77-
78.
79-
80,
81.
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103.
104.
105.
Bethlehemitischer Kindermord. Detail aus einem Glasgemälde in der
Frauenkirche zu München.
Detail aus einem Glasgemälde in der Frauenkirche zu München, um 1495.
Allegorisches Fenster in der Salvatorkirche zu München. Um 1500,
Oberteil eines Fensters in der Salvatorkirche zu München, Um 1500.
Detail aus den Chorfenstern der Pfarrkirche zu Landsberg a. L. Anfang
des 16. Jahrh.
Scheibe aus einem Passionscyklus in der Kirche zu Blutenburg bei
München, Gegen I500.
Detail aus einer Anbetung der Könige. Hans Holbein d. Ä. Augsburg.
Nach einer Photographie von Höfle-Augsburg.
Detail aus einem Fenster in der Kirche zu Tölz. Beispiel für den Über-
gang der Gotik in die Renaissance. I1510—151I5.
Fenster in der Kirche S. Gudule in Brüssel. 1537.
Detail aus der Abbildung Tafel 83.
Detail aus der Abbildung Tafel 33.
Vierpaßscheibe des Deutschmeisters Dieter von Cleen. Um 1525. Nürn-
berger Arbeit.
Scheibenriß eines fränkischen Meisters um 1480,
Rundscheibe nach einem Riß von Jörg Breu, vielleicht ausgeführt von dem
Glasmaler Hans Braun in Augsburg. München, Bayrisches Nationalmuseum.
Rundscheibe nach einem Riß von Jörg Breu, vielleicht ausgeführt von dem
Glasmaler Hans Braun in Augsburg. Salzburg, Museum.
Wappenscheibe aus dem Jahre 1598. Nürnberger Arbeit.
Wappenscheibe mit Wappen der Stadt Ulm. 1663, von Johann Schaper
in Nürnberg.
Wappenscheibe des Kantons Schwyz. Gegen ISIO.
Wappenscheibe Basel. Historisches Museum zu Basel. Anfang des 16. Jahrh.
Oberteil einer Wappenscheibe des Glasmalers Jeronimus Lang aus Schaff-
hausen. 1542. Im Öberlicht Legende der hl. Ida.
Scheibe aus dem Cyklus: Der verlorene Sohn, von Chr. Murer.
Wappenscheibe Mülinen. Historisches Museum in Bern. Monogramm I. B.
Züricher Standesscheibe. Nüschelerwerkstatt, Zürich. 1628.
Wappenscheibe mit Fortuna. Nüschelerwerkstatt, Zürich. 1631,
Wappenscheibe Buecher. 1719. Historisches Museum zu Bern.
Glasgemälde in der Certosa von Florenz. 1560. Giovanni da Udine,
Örnament der Asharmoschee in Kairo. Um 1000.
Ornamentscheibe in Heiligenkreuz. Um I200.
Ornamentscheiben in der Abtei Heiligenkreuz im Wienerwald. Um 1200,
Ornamentscheiben in der Abtei Heiligenkreuz im Wienerwald, Um 1200.
Rundscheiben später eingesetzt.
Berner Standesscheibe aus dem Jahre 1576, erneuert im Jahre 1621 von
dem Glasmaler Hans Rudolf Lando. Historisches Museum in Bern.
Detail eines Teppichfensters für den Dom zu Altenberg. Entworfen und
ausgeführt von Prof. Alex. Linnemann, Frankfurt, 1892.
Tafel 106.
107.
108.
109.
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128.
129
XV
Glasgemälde, als Stiftung des Deutschen Kaisers, entworfen und ausgeführt
von Prof. C. de Bouche, München.
Glasgemälde von J. Drake, Exeter.
Detail aus einem Glasgemälde von C. E. Kempe, London.
Glasgemälde in der Westminsterabtei von J. N. Comper, London.
Glasgemälde, entworfen und ausgeführt von der Glasmalerei H. Oidtmann,
Linnich.
Glasgemälde, entworfen von Becker-Tempelburg, ausgeführt von der Glas-
malerei G. Heinersdorff, Berlin. :
Glasgemälde, entworfen und ausgeführt von der Hofglasmalerei F. X. Zettler,
München.
Kunstverglasung in Schwarzlot und Silbergelb, entworfen und ausgeführt
von der Hofglasmalerei Ostermann und Hartwein, München.
Detail aus der Abbildung Tafel 112.
Glasgemälde von Professor Josef Huber-Feldkirch, Düsseldorf.
Detail aus einem Glasgemälde von Professor Josef Huber-Feldkirch, Düsseldorf.
Detail aus einem Glasgemälde von Professor Josef Huber-Feldkirch, Düsseldorf.
Glasgemälde, entworfen und ausgeführt von Wilh. Pütz, Köln.
Glasgemälde, entworfen und ausgeführt von Wilh. Pütz, Köln.
Glasgemälde nach einem Entwurf von Thorn-Prikker, ausgeführt von der
Glasmalerei G. Heinersdorff, Berlin.
Details aus einem Glasgemälde, .entworfen von Thorn-Prikker, ausgeführt
von der Glasmalerei G. Heinersdorff, Berlin.
Glasgemälde von Professor Josef Goller, Dresden.
Karton zu einem Glasgemälde von Stanislaus Wyspianski, Krakau.
Kunstverglasung: Die 6 Sommermonate; für die Berliner Kunstausstellung
19I3. Entworfen von Professor Rich. Böhland, ausgeführt von der
Glasmalerei J. Schmidt, Berlin.
Glasgemälde von Professor Josef Goller, Dresden.
Kunstverglasung für das Krematorium zu Breslau. Entwurf von Wenzel
Oswald, Wien, ausgeführt von J. Schmidt, Berlin.
Freya. Glasgemälde, entworfen von Horst-Schulze, ausgeführt von der
Glasmalerei Richter & Römer, Leipzig.
Glasgemälde, entworfen von Professor Josef Goller, Dresden, ausgeführt
von der Glasmalerei J. Schmidt, Berlin.
Buntverglasung in geschliffenen, geätzten Überfanggläsern mit facett. weißen
Glasstücken, entworfen von C. ©. Czeschka, Hamburg, ausgeführt von
der Glasmalerei Eckhardt, Charlottenburg.
Glasgemälde für den Zirkus Sarasani; entworfen von Ludwig Kainer,
Berlin, ausgeführt von der Glasmalerei Eckhardt, Charlottenburg.
Glasgemälde nach einem Entwurf von J. Mehoffer, Krakau, ausgeführt von
der Glasmalerei Zelenski, Krakau.
Glasgemälde, entworfen von J. Würstl, München, ausgeführt in der Glas-
malerei Jos. Kreuzer, München.
xVI
Tafel 130.
TaT.
232.
133.
134.
135.
Glasgemälde für das Kulturbaus in Marosvasarhely. Entworfen von Sandor
Nagy, ausgeführt von der Glasmalerei M. Roth, Budapest.
Detail aus den Trausaalfenstern des Spandauer Rathauses. Entworfen und
ausgeführt von R. Linnemann, Frankfurt.
Glasgemälde, unter Verwendung antiker Motive entworfen und ausgeführt
von der Hofglasmalerei F. X. Zettler, München.
Glasgemälde, unter Verwendung antiker Motive entworfen und ausgeführt
von der Hofglasmalerei F. X. Zettler, München.
Glasgemälde, entworfen von Karl Kernstock, ausgeführt von Gedeon Walther
in Budapest.
Ornamentfenster. Entworfen und ausgeführt von der Glasmalerei Zentner,
Wiesbaden.
Ornamentscheibe. Entworfen und ausgeführt von II. Mühlenbein, Hannover.
EN
BORIAG
Tafel 1/2
Prophetengestalten. Dom zu Augsburg. Mitte des ır. Jahrhunderts.
Tafel 1/2
7
s Be z
LO
Mitte des ır. Jahrhunderts.
Dom zu Augsburg.
Prophetengestalten.
T.
DerSchönheitsgedanke in der Glasmalerei.
Wehl! steck’ ich in dem Kerker noch?
Verfluchtes, dumpfes Mauerloch!
Wo selbst das liebe Himmelslicht
Trüb’ durch gemalte Scheiben bricht.
So jammert Dr. Faust in Goethes Drama, und Heine ver-
gleicht die gemalten Scheiben gar mit Blut und Eiter. Wenn
so unsere größten deutschen Dichter den bunten Fensterschmuck
nur als Beispiel für Abschreckendes zu nennen wissen, so kann
man fragen: „Liegt denn in gemalten Fensterscheiben irgend
etwas, was das menschliche Gemüt erheitern und erheben kann?“
Wir wollen nicht mit schulmeisterlicher Interpretationskunst zu
erklären versuchen, aus welchem Zeitgeschmack heraus derlei Ur-
teile zu begreifen und entschuldigen sind, wir wollen aber auch
nicht vergessen, daß derselbe Goethe sich auf seiner Schweizer-
Reise im Jahre 1797 einen mehrstündigen Aufenthalt im Gast-
hause zu Bülach mit der Bewunderung und dem Studium von
ein paar Glasgemälden verkürzte. Er wußte also die Farben-
pracht und den Schönheitsgehalt buntfarbigen Fensterschmuckes
wohl zu schätzen. Es ließen sich sogar noch mehr Zeugnisse zu-
sammenstellen, aus denen mit hinreichender Klarheit hervorgeht,
daß Goethes dichterische Freiheit allem Schönen gegenüber das
dem buntfarbigen Fensterschmuck innewohnende, verwandte
Schöne wohl gefühlt und geschätzt hat. Wir könnten also über
Fausts Unmut sorglos hinweggehen, wenn darin nicht der letzte
Grund verborgen läge, warum die Glasmalerei verschiedene Male
mißachtendem Vorurteil begegnet ist. Zur Zeit, als Goethe und
Heine jene Sätze niederschrieben, war das Zeitalter der Auf-
klärung über die westlichen Völker Europas hereingezogen. Die
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. I
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meisten Menschen verstanden zwar nicht, was die führenden
‚Geister wollten, bekundeten aber u. a. ihren Eifer dadurch, daß
sie die Losung: „Mehr Licht!“ nur allzu buchstäblich auffaßten
und aus Kirchen und Privathäusern die herrlichen Glasmalereien
alter Zeiten hinausschlugen. Eine seltsame Ironie wollte, daß sich
die Freigeister mit den Jesuiten dabei im Einklang fanden, die
für ihre Bauten nach dem Vorbild von St. Peter in Rom jed-
weden buntfarbigen Fensterschmuck mit rücksichtsloser Strenge
ausschlossen. Abermals wurde der Bestand jener kostbaren,
alten Kunstwerke bedeutend gelichtet, dem die Reformation schon
arg geschadet hatte. Granze Fenster fielen dem Lichtbedürfnis
zum Opfer. Nur vor den Stifterwappen machte man Halt, da
man sich hütete, das Wappen eines mächtigen Geschlechts zu
zerschlagen und sich so die Ungnade desselben zuzuziehen. Jede
andere Rücksicht lag zu Boden, der Gedanke an den edlen Sinn
früherer Geschlechter war erloschen, vorab jedoch das Verständnis
für das Wesen der Kunst erstorben. Vereinzelt ist freilich das
Gefühl für die hohe Ästhetik eines Glasgemäldes erhalten ge-
blieben, so z. B. bei dem Fürsten Leopold Friedrich von Anhalt-
Dessau, und diesem erlauchten Manne ist es zuzuschreiben, daß
das Gotische Haus in Wörlitz eine der schönsten Sammlungen
von Glasgemälden darstellt, oder was uns hier mehr interessiert,
daß eine Reihe der wichtigsten Zeugen machtvollen Kunstschaffens
erhalten ist. Seit der Periode der Aufklärung hat sich das krank
gewordene Verhältnis zur Glasmalerei bis zur Stunde nie mehr
so recht ganz erholt, wenn auch, wie wir im Lauf dieses Buches
sehen werden, wiederholt ernste Anläufe zu gerechter und ver-
nünftiger Würdigung der Glasmalerei gemacht worden sind.
Steigen wir an dem breiten Strom christlichen Kunstschaffens
hinauf zu dessen frischen Quellen, so bietet sich ein ganz anderes
Bild, als jene düstere Stimmung, die wir eben verlassen haben.
„In den runden Bogen der Fenster der Basilika erstrahlte viel-
farbiges Glas, gleich der Pracht einer Frühlingswiese.“ Es ist
der christliche Dichter Prudentius (348—413), der diese lapidare
Inschrift an den Beginn der Entwicklung des buntfarbigen Fenster-
schmucks gesetzt hat. Kaum war also das Christentum aus den
Katakomben, in denen es allerdings keiner Glasfenster bedurfte,
an das Tageslicht einer Staatsreligion emporgestiegen, kaum war
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dadurch eine rege Bautätigkeit entstanden, da tritt auch der
buntfarbige Fensterschmuck in den Kreis der übrigen Künste.
Zweierlei sagt uns der kurze Spruch des Prudentius, nämlich
daß und warum bunte Glasfenster in den ersten christlichen Basi-
liken Aufnahme gefunden haben. „Vielfarbiges Glas erstrahlte
gleich der Pracht einer Frühlingswiese.“ Das herrliche Farben-
spiel ist es also, das einst das unbefangene Gemüt der ersten
christlichen Baumeister und Dichter gefangen hielt, wie auch das
unverdorbene kindliche Gemüt von dem schillernden Schmuck
einer Frühlingswiese am mächtigsten ergriffen wird. Jener un-
befangene Sinn hat gleich zu Beginn des christlichen Altertums
ein Bauprogramm geschaffen, von dem man niemals abwich, wo-
fern nur die finanziellen und technischen Hilfsmittel zur Aus-
führung vorhanden waren. Um nicht mißverstanden zu werden,
wollen wir gleich zu Beginn anmerken, daß wir mit der Charakte-
risierung der Glasmalerei als einer christlichen Kunst nicht den
engen Begriff eines kirchlich-religiössen Ausdrucksmittels an-
gewendet wissen wollen. Als das Christentum das Abendland
eroberte, fand es andere Kultur- und Kunstbedingungen, andere
Menschen als jene Künstler, die einst den Tempel der Athene
Parthenos, das Heiligtum des Juppiter Capitolinus schufen. Ob
in jene monumentale Bauten aus Marmor Glasgemälde gepaßt
hätten, können wir nicht entscheiden, davon abgesehen, daß den
Künstlern weder Fensteröffnungen noch Glas zur Verfügung ge-
standen sind. Das Christentum brachte mit der Eigenart seines
Gottesdienstes ganz andere Anforderungen an den Grund- und
Aufriß seiner Gotteshäuser, verlangte ein anderes Raumbild, hatte
anderes Baumaterial und verfügte über das Glas. Durch die
Jahrhunderte zieht sich seit Prudentius die ständige Erwähnung
buntfarbigen Fensterschmuckes, aber nicht in nüchtener Prosa,
sondern in den begeisterten Worten der Poesie: So warm ist es
den Schriftstellern ums Herz, wenn sie von dem munteren Spiel
berichten, das die Sonnenstahlen auf den farbigen Fenstern
treiben. Zwar dürfte während der ganzen merowingischen Zeit
der gläserne Schmuck wohl kaum über Buntverglasung hinaus-
gegangen sein, allein das Wichtigste bildet die Tatsache, daß
die christlichen Kulturvölker sich einen Raumgedanken ohne
buntfarbigen Fensterschmuck gar nicht zu Ende denken konnten.
IF
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Die Technik der Bemalung des Glases mit einbrennbaren Farben,
an sich ein großer Fortschritt des 9. Jahrhunderts, bildet für die
ästhetische Grundlage des farbigen Fensterschmuckes eine un-
bedeutende Nuance in der Gesamtentwicklung. Als sich im Jahre
1134 das Greneralkapitel der Zisterzienser gegen die figürliche
Glasmalerei wandte, da ließ es den Ordensbrüdern die Möglich-
keit offen, sich an Kunstverglasung, Grisaillen und Teppich-
fenstern schadlos zu halten; der beste Beweis, wie stark das
ästhetische Behagen an buntfarbigen Fenstern gewurzelt war.
Auch die arabische Kunst hat sich diesem nicht entzogen. Man
war der Anschauung, daß die Sonnenstrahlen einen viel ener-
gischeren Glanz bekommen, wenn sie durch gemaltes Glas fielen.
Den Alten war ja das Greheimnis des Prismas nicht bekannt;
aber trotzdem versuchten sie das Naturspiel, das sie nur im
Regenbogen oder an klaren Wassern bestaunten, auf den Fenstern
zu wiederholen. So hoch war farbiges Glas geschätzt, daß man
sich vor Begeisterung in wahre Phantome hineinlebte. So glaubte
man schon im 6. Jahrhundert, besonders schönes Glas sei nicht
auf dem sonst üblichen Wege hergestellt, sondern ein Erzeugnis
geschmolzener Edelsteine. Als Wolfram von Eschenbach die
Pracht der Gralsburg zu beschreiben hatte, und an die gemalten
Fenster kam, sagte er:
adamas und ametiste
diu aventiure uns wizzen lat
thopazie und granat
crisolte und rubine
smaragde und sardine
sus warn diu venster rühe.
Er teilt also mit dem Pfaffen Lambrecht die Meinung, daß
die Gläser durch Edelsteine prachtvollere Farben bekämen.
Nebenbei bemerkt, war es wirkliche Glasmalerei:
Der tjoste venster was gesniten
mit der glavine wit
alsus malet der strit:
wer gultes den schiltären
ob ir varwe alsus wären?
Diu glasevenster waehe von vremden listen riche
ich waen ie man gesaehe und ouch ie gehörte dem geliche
sie waren nit mit aschenglas verspannen,
ez waren licht cristallen; swachiukost was gar nicht verjaget dannen.
Berillen und cristallen ward da vür glas gesetzet
da durch begunde vallen des tages sovil, daz liht da waer geletzet
ein ouge, ob ez die lenge vrevellichen
daz werk da wolt schowen, daz wart erwant mit listen meisterliche.
Verwierens niht entwalen wold man, uf die berillen
entwerfen unde malen da mit man möht den brehnden glast gestillen
und och der richen kost zu einer zierde
got und dem gral zu eren wan er den tempel richlich konduwierde.
Swaz die meister garwe da uf diu glas entwürfen
swelherleie varwe si mit dem pensel wolten dar bedürfen
daz war verwieret mit edelem gesteine
der ie dieselben varwe het nach der art, lieht luter unde reine.
Es war also nicht bloß die Farbe allein, sondern noch mehr
der magische Glanz, der sich durch buntes Glas auf den Raum
goß. Eben die Vervollkommnung des Raumbildes durch bunten
Fensterschmuck hat die naive Freude an der Farbe schon in
frühester Zeit zu einem überlegten, auf ästhetischer Grundlage
beruhenden Kunstprinzip erweitert. Die alten Schriftsteller deuten
dies schon dadurch an, daß sie den Fensterschmuck immer in
Verbindung mit dem übrigen Bau- und Ausstattungsprogramm
der Kirche bringen. Es war also nicht Zufall und Laune, sondern
überlegter Plan von Bauherrn und Baumeistern. So heißt es,
um nur ein Beispiel anzuführen, von der karolingischen Prin-
zessin Bertha, die den Bau des Kleinmünsters in Zürich voll-
endete: „Sie ließ das Gotteshaus in einem schönen Aufbau her-
stellen, mit hohen erhabenen und geplätteten Säulen ausstatten
und darum ließ sie auch Fenster, Wand und Decke kunstvoll
bemalen, so daß davon alles übertroffen wurde, wie wenn sie
selbst durch bunte Blüten gefallende Blumen die Natur besiegt
hätte.“ Die Glasmalerei war also ein unumgänglicher Bestand-
teil des Bauprogramms, eben wegen ihrer dekorativen und raum-
gestaltenden Eigenschaften. Man darf nicht glauben, die Alten
hätten die Glasmalerei nur kirchlichen Gebäuden reserviert,
während die Profangebäude niemals glasmalerischen Schmuck
aufgewiesen hätten. Man verkennt dabei, daß die Wohnung im
Mittelalter überhaupt keinen künstlerischen Schmuck zu be-
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kommen pflegte; ein paar Zinnkannen auf dem Geschrenz, ein
paar Pergamentblätter an der Wand, höchstens noch ein be-
scheidenes Hausaltärchen, das war neben dem notwendigen Ge-
brauchsmobilar die Gesamtausrüstung des Innenbildes. Als aber
seit dem Eindringen der Renaissance die Kunst auch weltliche
Zwecke verfolgte, da hielt unter den ersten die Glasmalerei ihren
Einzug in das Bürgerhaus und verschwand nicht mehr daraus,
bis der Zusammenbruch des künstlerischen Geschmacks alle
Zweige der Kunst ihres frischen Blütenschmucks beraubte.
Zur Ausstattung einer Basilika gehörte in alten Zeiten Mosaik-
schmuck in der Tribuna und im Hochschiff, Marmormosaik am
Fußboden und bunte Fenster in den Wänden. In Deutschland
trat an die Stelle des Wandmosaiks das Freskogemälde. Ob
dieses oder jenes, jedenfalls bildete das bunte Fenster die orga-
nische und harmonische Fortsetzung des Wandschmucks. Es
ist hier der Ort, an dem mit einem Wort die törichte Erklärung
abgetan werden muß, als hätten die „bunten Sonnenstrahlen“,
deren Schein auf dem Fußboden das angenehme Farbenspiel
erzeugte, ihre „Buntheit“ nicht durch ein farbiges Fenster be-
kommen, vielmehr habe der bestrahlte Mosaikboden in ver-
schiedenen Farben geschimmert, oder das Licht sei auf die
gegenüberliegenden Wandmosaiken gefallen. Wer so interpretiert,
hat noch nie eine vom Sonnenschein beleuchtete Kirche mit
und ohne Glasgemälde bzw. Mosaiken gesehen; und wer sich
von dem herrlichen „Farbenspiel“ überzeugen will, das ein durch
farbloses Fensterglas einfallendes Sonnenlicht auf einem früh-
christlichen Mosaikboden erzeugt, der mag zunächst dieses Schau-
spiel in S. Clemente zu Rom bewundern; jedenfalls wird er her-
nach jener merkwürdigen Interpretation niemals mehr zustimmen.
Manchesmal hört man auch den Einwand, bunte Fenster hätten
bei der geringen Ausdehnung des Fensterbaues den an sich schon
dunklen Raum niemals des Tageslichts froh werden lassen. Was
hätten zudem Fresken und Mosaikschmuck genützt, wenn kein
oder höchstens ein ungenügendes Licht sie erhellten? Dagegen
ist zu bedenken, daß die ersten Christen, solange Glasfenster noch
nicht Allgemeinbrauch waren, ihre Fensteröffnungen mit Teppichen,
bunt geschnittenem Alabaster oder sonstigen Transparenten
verschlossen, also unter allen Umständen zweierlei erreichten:
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Abdunkelung des Raumes und Buntfarbigkeit. Diese zwei Punkte
löst ein buntes Fenster geradezu in idealer Weise, und darum
ist es kein Wunder, daß sich der Gebrauch dieses ebenso prak-
tischen wie schönen Abschlußmittels so unverhältnismäßig schnell
und nachhaltig eingebürgert hat.
Wie nun die ältesten bunten Fenster ausgesehen haben,
dafür laßt sich kein Beleg mehr finden. Wenn wir jedoch den
Sinn der alten Schriftsteller und den Geist der alten Bauten recht
verstehen, so tritt wenigstens einiges mit ziemlicher Klarheit aus
aus dem Dunkel der Zeiten hervor. Es hat Jahrhunderte ge-
dauert, bis man dazu gekommen ist, Figuren auf Glasgemälden
darzustellen, obwohl das Christentum der Wiedergabe der mensch-
lichen Figur und heiliger Personen stets großes Interesse ent-
gegenbrachte. Freilich war die Voraussetzung der figürlichen
Glasmalerei die Kenntnis des Bleis und des Schwarzlots; unum-
gänglich kann das Schwarzlot indes nicht genannt werden, da
man mit geschickter Führung der Bleikontur sehr wirkungsvolle
Darstellungen von Figuren zu erreichen imstande ist. Mag sein,
daß man sehr spät auf die Entdeckung des Bleis und des Schwarz-
lots gekommen ist, allein das Bedürfnis darnach erschien gar
nicht so vordringlich, da der durch bunten Fensterschmuck er-
strebte ästhetische und architektonische Zweck auch ohne diese
beiden Hilfsmittel zu erreichen war. Die mit Fresken und
Mosaiken geschmückte Basilika verlangte gar keine Figuren in
den Fenstern. Im Gegenteil bei völliger Durchführung des alten
Austellungsprogramms wären stark betonte Figurenfenster des
Guten zu viel gewesen. Nachdem Wände und Säulen mit figür-
lichem Schmuck reich beladen waren, hätte ein Figurenfenster,
dem das durchflutende Licht eine größere Wirkung sichert, die
Ausdruckskraft der Wandmalereien behemmen müssen. Anderer-
seits hätte der vollendete Schönheitssinn der alten Baumeister
bei Verzicht auf farbiges Glas die Fensteröffnung als eine störende
Unterbrechung des auf der Wand gesponnenen Dekorations-
gedankens empfunden, und da bot sich die Kunstverglasung von
selbst als das geeignetste System, indem die „Glaser“ wohl sehr
schnell eine außerordentliche Fertigkeit errungen haben. Die
Entstehung des buntfarbigen Fensterschmucks fiel in eine frucht-
bare Zeit. Die Künstler des Sassanidenreichs hatten die pracht-
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vollsten Ornamente entwickelt, wie auf ihren Messinggefäßen,
die sich noch ziemlich zahlreich erhalten haben, zu bemerken
ist; sowohl das christliche Morgenland, wie die arabische Kunst
übernahmen die sassanidischen Anregungen und bildeten sie in
charakteristischer Weise aus. Ursprünglich faßte man die farbigen
Gläser in Holz- und Steinrahmen, die nach einem ornamentalen
Muster gefügt waren. Diese Tradition hat sich bei den Arabern
jahrhundertelang erhalten und wer auf der Ausstellung von
Meisterwerken der mohammedanischen Kunst in München 1910
die reizenden Moscheebuntfensterung gesehen, der konnte sich
ein Bild von der buntschillernden Farbstimmung machen, die in
den alten Kulträumen des Morgen- und Abendlandes von den
Fenstern herableuchtete. Gegen die Stein- und Holzgerippe
bilden Bleilamellen einen technisch großen, ästhetisch aber un-
bedeutenden Schritt. Wie wir bei dem Kapitel Kunstverglasung
sehen werden, hat sich von der Hakim- und Asharmoschee in
Kairo (um 1000) noch eine Reihe unvergleichlich schöner Fenster-
ornamente erhalten, die als unmittelbare Vorlage aller Kunst-
verglasungen zu Heiligenkreuz im Wiener Wald angesprochen
werden könnten. Die Geschichte schließt daraus, daß sich die
mit Blei arbeitende Kunstverglasung und Glasmalerei, soweit sie
nach den ältesten Denkmalen erfaßt werden kann, in der Tat
aus dem Stein- und Holznetz entwickelt hat, die Ästhetik aber,
daß die alten Baumeister die Buntverglasung zu ausschließlich
ornamentalen Zwecken, zur harmonischen Fortsetzung des Wand-
schmucks herangezogen haben. Das Aussehen der alten Bunt-
verglasungen war also von dem Gedanken geleitet, die Fenster-
öffnungen dem Ausstattungsprogramm dienstbar zu machen und
zu verhindern, daß der Wandschmuck durch klaffende Fenster-
lücken zerrissen wird. Fortsetzung der Wand ist das älteste,
aber auch entscheidende Prinzip der Glasmalerei. Die Technik
konnte keinerlei Schwierigkeiten bieten, da die „vitrearii“ bei
den Goldschmieden reiche Erfahrungen vorfanden. Das System
der Kastenfassung ist bereits in der spätrömischen Periode zu
meisterhafter Vollendung gediehen. Die Stege, in die der Edel-
steinfasser die einzelnen Steine legte, boten ein ungezwungenes
Vorbild für die Kunstverglasung. Es ist nicht recht verständ-
lich, wie man immer die Technik des Mosaiks in den Zusammen-
I
hang mit der alten Buntverglasung als Vorbild der letzteren
bringt. Das Mosaik kennt keine farbtrennenden Stege, setzt
vielmehr in kleinen oder größeren Würfelchen Farbe an Farbe
und erreicht bzw. erstrebt Bildwirkung. Das Mosaik verbindet,
die Kunstverglasung trennt die Farbwerte.e Wohl aber kann
man die umgekehrte Feststellung machen, daß das Mosaik durch
die Buntverglasung beeinflußt wurde. In der Martorana zu
Palermo befinden sich prächtige Mosaiken, Zeugen der großen
Hofkunst König Rogers II. von Sizilien: Auf ihnen trennen breite
Stege aus dunklen Würfelchen die einzelnen Farbwerte, genau
wie das Bleinetz die farbigen Gläser, die Gold- und Kupferstege
auf Fassungen der edlen Steine. Wohl zeigen die Mosaik-
gemälde des Mausoleums der Galla Placidia bereits Ähnliches,
zu einer Zeit, in der buntfarbiger Fensterschmuck sich im ersten
Stadium seiner Entwicklung befand. Daß aber der Anstoß dazu
von byzantinischen Emailleuren und Edelsteinfassern gekommen
ist, beweist ein Blick auf die Mosaiken in der Kirche S. Constanza
zu Rom, die im Stil der pompejanischen Wangemälde ausgeführt,
sich niemals zu den zeichnerischen Arbeiten in dem Mauso-
leum der Galla Placidia, oder in der Martorana zu Palermo ent-
wickelt hätten. Wenn nicht von der Kunstverglasung, so war
dieses System des Mosaiks, das als das seltenere dasteht und
wegen seines aparten Charakters in der Gegenwart wieder gern
nachgeahmt wird, von den Edelsteinfassern beeinflußt, die auch
den alten vitrearii manch praktischen Wink gegeben haben.
Noch im Io. Jahrhundert ist die Erinnerung an die Zusammen-
gehörigkeit von Glasmalern und Emailleuren frisch in Theorie
und Praxis. Wie Sackur!) berichtet, bestand in Cluny während
des Io. und Iı. Jahrhunderts eine gemeinsame Werkstätte für
Goldschmiede, Edelsteinfasser und Glasmacher.
An der allgemeinen Entwicklung des Stils, besonders des
Ornaments läßt sich also mit ziemlicher Genauigkeit ablesen,
welche Durchgangsreihen die Buntverglasung erlebt hat, bis wir
auf die ersten erhaltenen Denkmale stoßen. Es sind geometrische
und Pflanzenornamente in jener stilisierten Zubereitung, die auf
Mosaiken, in Handschriften und späterhin auf Teppichen und
1) Sackur, die Cluniacenser bis zur Mitte des ır. Jahrhunderts, II, S. 401.
Io
Paramenten noch heute zu uns reden. Die Farben müssen äußerst
kräftig und bunt gewesen sein, denn nur unter dieser Voraus-
setzung gibt das Bild des Prudentius von den Blumen der Früh-
lingswiese den Eindruck solcher Buntverglasung richtig wieder.
Je leichter das Material des die Zeichnung führenden Gerippes
wurde, desto näher lag der Gedanke, die Zeichnung ins Detail
auszuarbeiten. Das Schwarzlot hatte also zunächst eine durchaus
dienende Stellung, indem es zur bescheidenen Andeutung von
Einzelheiten verwendet wurde. Erst als sich im 9. und Io. Jahr-
hundert das Dekorationssystem in den diesseits der Alpen ge-
legenen Kirchen änderte und man die Anbringung von figür-
licher Glasmalerei in den Fensteröffnungen dem rein ornamentalen
Sujet vorzog, da wurde das Schwarzlot ein willkommenes und
unentbehrliches Hilfsmittel zu Konturierung und, allerdings in
bescheidenem Maße, zur Modellierung wie zur Angabe von Licht
und Schatten. Die ältesten uns erhaltenen Denkmale der Glas-
malerei in Deutschland und Frankreich verleugnen ihre Herkunft
aus der Kunstverglasung nicht. Wenn auch die auszufüllende
Fensteröffnung sehr klein ist, so nimmt doch die aus Blättern
und Blumenelementen gebildete Umrahmung einen breiten Raum
ein, davon abgesehen, daß auch der figürliche Teil ganz in der
Handschrift des Kunstverglasers erscheint. Am wichtigsten ist
die Beobachtung, daß jene ältesten erhaltenen Glasmalereien
nur zwei Ausdehnungen im Raum kennen, nämlich Höhe und
Breite, alles Körperliche aber, Perspektivische, kurzum, das was
man unter der dritten Dimension begreift, sorgfältig ausschließen.
Man kann für diesen flächigen Charakter keineswegs die Ent-
wicklung der Miniatur allein verantwortlich machen, obwohl diese
jahrhundertelang für den Glasmaler die vollbesetzte Tafel der
Stilistik bildet. Der Zweck des Fensters, mit seiner Buntverglasung
Fortführung der Wand zu sein, der bis ins I5. Jahrhundert die
Ästhetik der Glasmalerei beherrschte, lag den Künstlern so tief
im Gebein, daß sie gar nichts andres wußten und versuchten.
Mochten sie daher auch noch so arm an Erfindung, noch so un-
beholfen in der Zeichnung, noch so fern von Naturwahrheit und
Charakteristik sein, jenes sichere Gefühl für die flächige Art der
Glasmalerei behütete sie stets vor Entgleisungen.
Breit und massig steht auf den ältesten Glasgemälden das
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Schwarzlot, als wolle es nichts anderes sein wie ein zu äußerster
Handlichkeit verflüchtetes Blei. Wozu bedurfte es der Modellierung
für einen Künstler, der nicht Menschen von unserm Fleisch und
Bein, sondern lediglich prägnante Symbole geben wollte, der
sich für die hellsehende Mystik des Mittelalters mit Andeutungen
begnügen und verständlich machen konnte? In keiner anderen
Kunst vermochten die Ästhetik und der religiöse Zweck sich so
in die Hände zu arbeiten, wie gerade in der Glasmalerei. Darum
konnte der Künstler nicht bloß in der Zeichnung von der Natur-
wahrheit absehen, sondern auch in den Farben. Was verschlug
es, wenn die Schuhe grün, die Heiligenscheine blau, ja sogar die
Bäume rot und blau dargestellt wurden. Es waren ja nicht wirk-
liche Bäume. Wer gläubigen und verständigen Herzens zum
Fenster aufschaute, der verstand, was der Künstler sagen wollte,
genau so wie die ersten Christen in dem Wort Fisch, gleich
einem stenographischen Sigel, die ganze Wissenschaft des Christen-
tums erfaßten. Und wenn wir heute mit dem strengen Auge des
Ästheten auf ein solches Farbenzeugma blicken, so haben wir
erst recht keinen Grund, unzufrieden zu sein. Denn aus der jahr-
hundertelangen Tradition geschmackvoller Farbenakkorde hatte
‚sich ein so sicheres Empfinden für Kolorismus entwickelt, daß
alle Zusammenstellungen schön und dem Zweck der Glasmalerei
dienstbar sind. Freilich können wir uns keine Vorstellung mehr
machen, wie die Glasgemälde ausgesehen haben, als sie die Werk-
statt verließen, denn auf alle hat die Zeit ihren Schatten ge-
haucht, so daß die Patina, mag sie noch so ehrwürdig und
stimmungsvoll sein, die Deutung der absoluten Farbwerte wesent-
lich erschwert. So viel aber steht fest, daß sich die Alten nicht
scheuten, die schärfsten Kontrastfarben in ihrer völligen Nackt-
heit gegeneinander zu stellen und sich nicht einfallen ließen, wie
es heute leider zu häufig geschieht, durch allzu kräftigen Über-
zug den absoluten Wert einer Farbe abzuschwächen. Die einzige
im Wesen der Buntverglasung liegende Abdunklung reguliert
sich durch die größere oder geringere Weitläufigkeit des Blei-
netzes, namentlich wenn die Bleie recht breit und der heutigen
Praxis entsprechend durch Schwarzlot verstärkt sind. Je älter
die erhaltenen Denkmale sind, desto weniger wird das durch die
Zeichnung vorgeschriebene Bleinetz zugunsten kleinerer Glas-
®
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flächen überschritten. Große Figuren haben auch große Glas-
‚Hächen, so z.B. auf den Fenstern im Dome zu Augsburg. Dazu
kommt, daß der zu Ausgang des klassischen Altertums sich aus
dem Malerischen loslösende zeichnerische Stil, der besonders in
-germanischen Gebieten Aufnahme fand, keinerlei Parzellierung
kleiner Farbflecke zuläßt. Im ı1. und ı2. Jahrhundert macht
sich zum erstenmal eine wahrnehmbare Scheidung zwischen
deutscher und französischer Glasmalerei geltend. Die Unter-
schiede beziehen sich jedoch weniger auf die Technik als auf die
Zeichnung. Dies hängt mit der allgemeinen Verschiedenheit der
Kunstrichtung beider Länder zusammen. Während sich das leb-
hafte Temperament des Keltoromanen an der malerisch drama-
tischen Gestaltung erfreut, folgt der bedächtige Sinn des Germanen
jenem monumental-zeichnerischen Charakter, der sich am Ende
der Antike als Ableger der romanischen Buchillustration ent-
wickelt hat. Darum zieht auch die deutsche Glasmalerei die
Einzelfigur der durchkomponierten Scene vor, wenngleich die
französische Glasmalerei die Einzelfigur ebenfalls in ihr Programm,
aber nicht aus ästhetischen, sondern theologischen Gründen, auf-
nehmen muß. Trotz der oft bizarren Körperhaltungen und Glied-
verrenkungen, die mangels einer Charakterisierungsmöglichkeit
seelische Erregungen schildern sollen, fällt auch die französische
Glasmalerei nicht aus der Rolle, hält vielmehr durchweg an dem
flächigen System der Glasmalerei fest.
Den stärksten Beweis für den Zweck der Buntverglasung,
die künstlerisch ausgestattete Wand fortzusetzen, bildet der
Kolorismus der Augsburger Fenster. Trotz der ihnen anhaftenden
Patina leuchtet ihr heller Grundcharakter sieghaft durch. Das
Licht sollte nicht behindert, sondern für die übrige Ausstattung
reguliert, auf das Raumbild gestimmt sein. Farbenakkorde wie
grün-rot, namentlich in großen Flächen, sind um ihrer selbstwillen
gar nicht denkbar. Dagegen begreifen sie sich, wenn man an
ihren Zweck denkt, aus bedeutender Höhe herab selbst das
Natürlichste was es gibt, das Tageslicht, künstlerisch zu erheben
und so bis zum äußersten den Kunstcharakter des Baus zu voll-
enden. Zu viel Bleie und zu viel Modellierung hätten in An-
betracht der kleinen Fensterflächen Verdunklung statt Stimmung
hervorgerufen. Darum beschränkten sich die alten Meister so-
13
wohl im Blei wie im Schwarzlot. Um so kräftiger und um so
beredter mußte es aber sein, was durch diese beiden Ausdrucks-
mittel gesagt werden sollte. Vor allem hatte jede Hauptkontur,
sei es Blei- oder Schwarzlotkontur, einen wichtigen Gedanken
zu versinnbildlichen. Mit logischer Strenge hat der Meister der
Augsburger Fenster die breiten massigen Schwarzlotstriche ge-
zeichnet, sie aber mit drei bis vier immer dünner werdenden
Parallelstreifen verbunden. Man hat dies der sich von der Buch-
illustration herleitenden Strichmanier zugeschrieben. In Wirk-
lichkeit wollte der Glasmaler damit in großzügiger und echt
monumentaler Weise die Schattierung angeben, was ihm aus-
gezeichnet gelungen ist, nachdem er für Fernwirkung (Hochschiff-
fenster) entwerfen mußte. Auch die eigenartige Schraffierung
der Haare und des Bartes, die Striche in den inneren Hand-
flächen, die Alterslinien auf der Stirne, dienen dieser Berechnung
auf Fernwirkung. Was für das in der Nähe betrachtende Auge
als scharfe Trennung zwischen schwarzem Strich und hellem
Zwischenraum erscheint, das zieht sich für die Fernbetrachtung
zu einer harmonisch abschattierten Kontur zusammen. Die
organische Verbindung von Kontur und Schattierung ist von
. den Künstlern der Augsburger Domfenster bereits in vollendeter
Form gehandhabt worden. Verwandte dieser Augsburger Fenster
auf französischem Boden finden sich in den etwa 50— 100 Jahre
jüngeren Fenstern der Kathedralen zu Chälons-sur-Marne und
Le Mans. Die Schraffierung der Haare, die Parallelisierung der
Schwarzlotkonturen stimmen beidesmal genau überein. Ja die
interessante Art, bei zusammenstoßenden Schwarzlotkonturen den
einen Schenkel über den Scheitel zu verlängern, die wir auf den
Augsburger Fenstern beobachten können, kehren mit genauer
Gleichmäßigkeit auf den genannten Arbeiten wieder. Diese Eigen-
art zeigen besonders häufig Salzburger Miniaturen, wohl als Aus-
druck gebrochener Falten.
Wenn wir von dem auf einem französischen Friedhof vor
einigen Jahren gefundenen Reliquienschrein, der die älteste Ver-
bindung des Bleis mit Glas darstellt, absehen, so bildet die eben
besprochene Gruppe von Glasgemälden die älteste, geschichtlich
greifbare Stufe des buntfarbigen Fensterschmucks. Der Künstler
will unter allen Umständen rein ornamental wirken. Darum hat
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er die Farben ohne Rücksicht auf die Wirklichkeit gewählt.
‚Durch kräftige Töne, kontrastreiche Zusammenstellungen wendet
er sich an die naive Farbenfrohheit der Beschauer. Alles ist mit
zeichnerischer Klarheit verteilt, scharf scheiden die Konturen,
sei es durch Schwarzlot oder Blei die einzelnen Farbinseln von
einander und unter sich. Breit und kraftvoll ist die Angabe der
einzelnen Körperteile, man vergleiche z. B. die Darstellung des
Auges. Trotz dieser monumentalen Starrheit verzichtet der
Künstler nicht auf das Lieblingsgericht der Zeit, das Ornament.
Dem Ornament dient die Anbringung und insbesondere Aus-
führung der Schriften, breiter Bordüren, prächtiger Palmetten.
Auf zwei Scheiben ist sogar das ganze Untergewand mit Vier-
passen gemustert. In der Technik dieser Ornamente wie beson-
ders der Schriftbänder hält sich der Künstler teils an die Vor-
schrift des Rugerus (Theophilus), indem er die Zeichnung bzw.
die Buchstaben aus dem aufgetragenen Überzug ausradiert, teils
trägt er sie mit dem Malpinsel auf das Glas auf. In der Sicher-
heit der Ornamentbehandlung liegt eben noch ein Stück Tradi-
tion aus dem Zeitalter der Kunstverglasung. Auch die Einblei-
ung von farbigen Glasstückchen auf Gewandsäumen, Kronen,
die selbstverständlich gefaßte Edelsteine nachahmen sollen, ist
eine Erinnerung an jene Periode des buntfarbigen Fensterschmucks
in der Edelsteinfasser und Glaser in einer Werkstätte zusammen
arbeiteten. Während die deutschen Glasgemälde mehr am zeich-
nerischen Stil haften blieben und auch in ihren Farben die
scharfe Logik walten ließen, hat sich Frankreich so schnell wie
möglich dem flüssigen Stil seiner Buchillustrationen ergeben.
In der Verwendung des rot-blauen Grundakkords, in der Grup-
pierung anderer Töne um diesen Zweiklang, sind die Franzosen
von Anfang an während der ganzen romanischen Periode, un-
erreichte Meister geblieben. Unter dem Einfluß der immer frisch
anbrandenden byzantinischen Wogen entwickelte sich rasch ein
üppiges Faltensystem für Gewänder, wie auch architektonische
Bauglieder verhältnismäßig früh in die französische Glasmalerei
eindringen. Dazu kommt die begeisterte Hingabe an die Scho-
lastik, die bereits im ı2. Jahrhundert ein geschlossenes System
schuf, nicht mehr streng für den Theologen wie für den Künstler.
Dadurch bildete sich das sogenannte Medaillonfenster aus. Und
15
wiederum begegnen wir dabei einer Rückerinnerung an die
Kunstverglasung. Das Fenster wird streng ornamental kompo-
niert. Die Hauptfelder sind wohl bestimmt, die einzelnen Dar-
stellungen aus der Heilsgeschichte aufzunehmen. Allein die
Nebenfelder bieten ein ebenso wichtiges Glied, indem sie Orna-
mente aus Blumen und Blättern tragen. Die Figuren werden
kleiner und nachdem sich auf die Außenseiten die Patina gesetzt
hat, verlieren sie an Übersichtlichkeit und sind manchmal mit
dem bloßen Auge überhaupt kaum erkenn- oder deutbar. Allein
der Hauptreiz liegt, wie auf jedem Glasgemälde und hier be-
sonders, in der Wahl und Zusammenstellung der Farben. Nach-
dem seit dem 12. Jahrhundert auch der Hintergrund ein ornamen-
tales (meistens ausradiertes) Muster bekommen hat, ist die An-
passung des figürlichen Glasgemäldes an seinen dekorativen
Zweck fertig. Daß bei steigender Größe des Fensters, die nur
auf Kosten der Wandflächen und der darauf wiedergegebenen
Wandmalereien entstehen konnte, das Glasgemälde auch vom
Prediger mehr in Anspruch genommen und dem oben skizzierten
System der Theologen untertan wurde, spielt für die ästhetische
Betrachtung nur eine nebensächliche Rolle, da es in diesem
. Zusammenhang gar nicht auf das Was, sondern nur das Wie der
Darstellung ankommt. Bis tief ins ı3. Jahrhundert bleibt dem
Kartonzeichner wenig zu tun. Die Figuren sind noch immer
Symbole für die Wirklichkeit, ähnlich wie die Noten für die
Wirklichkeit des Tons. Das religiös geschulte Publikum versteht
zu sehen, begreift den Sinn der Abbreviaturen. Mit ein paar
kräftigen Konturen oder breiten Radierungen sind Ornamente,
Tiere und Menschen hingeworfen. Nicht sorgsam geglättetes
Detail will geboten werden, um womöglich von dem Hauptthema
abzulenken. Der Zeichnung haucht erst die Farbe den Odem
des Lebens ein. Auch die Sprache der Farbe wurde von dem
Beschauer verstanden. Denn in der christlichen Religion gab es
auch eine Symbolik und Mystik der Farben. Genau wie das Rot
des priesterlichen Gewandes noch heute dem christlichen Volke
über die Bedeutung des Tages etwas anderes kündet, als wenn es
den Priester in Violett einherschreiten sieht, so hatte auch das
christliche Altertum und Mittelalter seine eigene Farbenmystik,
die nur nachgefühlt, nicht aber kritisch analysiert werden kann.
16
Was uns die geringen geschichtlichen Überlieferungen über
das Ausstattungsprogramm einer Basilika sagen (vgl. nochmals
den Bericht über den Bau des Kleinmünsters in Zürich), das be-
statigt der Befund an den noch erhaltenen Denkmalen alter
Glasmalereien. Die Farbe beherrschte von Anfang an das Raum-
bild. Selbst kleine Kapellen, auf die man nicht viel verwenden
konnte, zeigen diese Tendenz (Flums!) und beweisen, daß man
die Mystik der Farbe der Mystik des christlichen Gottesdienstes
anpassen wollte. Wände und Decken boten Flächen genug, um
den Raum warm und symbolisch zu stimmen. Wo man des
Mosaiks oder des Freskos entbehrte, da konnte man sich mit
farbigen Teppichen und Stoffen behelfen. Wie ungeheuer hätte
ein unverkleidetes Fensterloch, und wenn es noch so klein war,
den fortlaufenden Wandschmuck zerrissen, die feierliche Stim-
mung des Raumes, durch die man das Gotteshaus aus dem
nackten Licht des Alltags emporheben wollte, vernichtet! Darum
war buntfarbiger Fensterschmuck unerläßlich und die ärmlichen,
aber doch so charakteristischen Vorläufer wie Teppiche, farbige
Transparente zeigen, daß man nach bunten Fenstern unbewußt
so unendlich heiß dürstete. Darum der sich überstürzende Wort-
schwall, mit dem der Abt von Tegernsee seinem gräflichen
Gönner den Dank eines ästhetisch befriedigten Herzens stammelt,
dafür daß die „goldhaarige Sonne nunmehr durch bunte Fenster
in das Gotteshaus ihre Strahlen sende“. In der Farbe mußte
das Fenster die Wände fortsetzen und den Ton des Interieurs
bestimmen; für die Zeichnung aber lag die Übereinstimmung mit
dem Bau in der primitiven Ausdruckskraft, durch die alles nur
angedeutet und dem Beschauer überlassen wurde, sich in die
Mystik des Dargestellten einzuleben. Das Primitive war aber
den Künstlern nicht Selbstzweck und dadurch unterscheiden sie
sich von manchen Modernen, die ihnen in Primitivheit den Rang
ablaufen möchten. Ihre Primitivheit stimmte mit dem naiven
Gottes- und Christusglauben zusammen, der ihr ganzes künst-
lerisches Empfinden regelte.e Darum ist ihre Handschrift echt
und wahr; man glaubt ihr. Die größte weltgeschichtliche Be-
wegung, wie z. B. die Kreuzzüge, sind ebenso Ausdruck jener
naivgläubigen Weltanschauung, wie das kleinste Scheibchen in
einer Landkapelle. Gegenüber dieser Glaubenskraft des christ-
17
lichen Abendlandes verschwinden die kleinen stilistischen Unter-
schiede, die eine französische oder deutsche Schule bestimmen.
Die Idee zu dienen, zu erbauen, schafft hier wie dort ein voll-
kommenes und zusammengestimmtes, von dem allzeit gegen-
wärtigen Gott in Besitz zu nehmendes Raumbild. Das war die
Mystik des frühen Mittelalters, die dem Glasgemälde eine so
glühende Ausdruckskraft verlieh. Es geht ihre höchste Blüte-
zeit durchs Land, ihre unsterbliche Kraft erfährt keine Steige-
rung mehr. Noch ist sie imstande, alle Anforderungen, die von
der Architektonik an sie gestellt.werden, aus Eigenem zu befrie-
digen. Wo sie schafft, ist sie erfinderisch, im Ornament, wie in
der Figur. Sie braucht dem Baumeister nichts abzugucken; nicht
das bescheidenste Bauglied erscheint auf dem Glasgemälde als
Hilfsornament und doch ist ihr Gesamtcharakter, ihre Komposi-
tion in schönster Beziehung zum Bau.
Langsam ändert sich dieses Aussehen des Glasfensters seit den
ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts. Zwar bleibt der flächige,
zweidimensionale Ton noch über ein Jahrhundert lang gewahrt,
aber je langer desto mehr dringt die Architektur in das Fenster
ein. Die Glasgemälde der frühromanischen Periode umsäumt ein
Kranz von stilisierten Blattornamenten, die girlandenartig ange-
bracht sind und eine deutliche Rückerinnerung an die Zeit der
Kunstverglasung darstellen. An deren Statt tritt nun, gleichwie
in der Miniatur, die Beiziehung von säulengetragenen Bögen und
sonstigen architektonischen Formen. Man hat dafür die immer
stärker hervorgetretene byzantinische Beeinflussung verantwort-
lich gemacht, die sich über Sizilien her, zum Teil als Folge der
‚Kreuzzüge in die Kunstzentren Frankreichs ergoß. Die Miniatur
des karolingischen und ottonischen Zeitalters verfügt über einen
reichen Schatz architektonischer Formen, die mit der byzanti-
nischen Stilistik aufs engste verwandt sind. Durch die Kreuz-
zuge wurde dieser Gedankenkreis wieder aufgefrischt und mit
ritterlicher Eleganz versehen. Die Klosterkunst wurde zur Hof-
kunst, ähnlich wie die schwesterliche Muse der Poesie in den
Dienst des höfischen Epos getreten war. Frankreich huldigte
dieser Mode und beeinflußte auch das westliche Nachbargebiet.
Die neue Bewegung geht von Chartres aus und hat in dem
Salomofenster des Straßburger Münsters. seinen südwestlichsten
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. 2
18
Ausläufer. Bei der Glasmalerei fallt diese Mode besonders auf,
‚da sie fast unvermittelt sich an jene Stufe gliedert, die nur
Pflanzen- und geometrische Ornamente kennt. Die Architektur-
formen sind leere Schemen, die fast gar keine Beziehung zu der
Wirklichkeit hatten, wie sie ein Studium am Bau ergeben hätte.
Sie dienen daher lediglich als Dekorationselement, von den
Fällen abgesehen, in denen die Szene irgendwelche Andeutung
von einem Haus oder einer Stadt notwendig machte. Außerdem
vervielfältigen sich die Medaillonrahmen, die sich aus dem Kreis
in allerlei paßförmige Gebilde auflösen. Auch jetzt ist der Zu-
sammenhang der Glasmalerei mit dem übrigen Ausstattungs-
programm noch keineswegs gelockert. Je mehr sich die Wände
verkleinern und dafür die Fensterflächen vergrößern, desto mehr
Aufgaben treten an das Glasgemälde heran. Ihm fällt mit dem
Fortschreiten des Jahrhunderts immer mehr die führende Rolle
zu. Ganze Legenden, ja das gesamte Leben und Lehren Jesu
muß auf den Fenstern wiedergegeben werden. Dadurch ent-
stehen für die Figuren sehr bedeutende Dimensionsbeschränkungen
und es erfordert vom Glasmaler ein großes Geschick, die da-
durch bedingten weit kleineren Glasstücke harmonisch zu ver-
teilen. Immer stärker tritt der Charakter eines bunten Teppichs,
einer farbigen Wiese hervor. Da sich der Glasmaler für die
darzustellenden Gegenstände in der theologischen Literatur, wie
sie besonders in den miniaturreichen Handschriften ihren Nieder-
schlag gefunden hat, Rats erholen mußte, war eine größere Ab-
hängigkeit des Glasgemäldes von der Miniatur die unvermeid-
liche Folge. Seitdem Mäle in seinem unvergleichlichen Buche
L’art religieux du XII. siecle en France, klargelegt hat, wie das
ganze Bau- und Ausstattungsprogramm im 13. Jahrhundert aufs
genaueste mit dem Lehrsystem der kirchlichen Wissenschaft
übereinstimmt, ist nicht bloß der Inhalt, sondern auch der Stil
so manchen Glasgemäldes ohne weiteres verständlich. In deut-
schen Landen hat man sich im wesentlichen auf die Biblia
Pauperum (Armen-Bibel) und das Speculum humanae salvationis
beschränkt. Nur in einem Falle ist es möglich, Miniaturenvorlage
und ausgeführte Glasmalerei miteinander zu vergleichen, nämlich
bei den Fenstern der Stefanskirche zu Mühlhausen. Dieser Ver-
gleich aber lehrt, daß sich der Glasmaler bei aller Abhängigkeit
19
in Komposition und Stil, für die Farben und die Ausführung
vollste Freiheit gewahrt hat. Auch auf deutschem Boden sind
die Farben nunmehr satter und dunkler geworden. Der deutsche
Glasmaler versucht ebenfalls mit dem Zweiklang rot-blau als
Grundakkord zu arbeiten. Auch taucht, zunächst ganz bescheiden,
das Silbergelb auf, eine Lasurfarbe, mit der man Gewandsäume,
Heiligenscheine, Buchdeckel und sonstiges Detail tönen konnte.
Das Silbergelb ist gegen Ausgang des 13. Jahrhunderts in Ge-
brauch gekommen. Trotz gewisser farbenästhetischer Grund-
regeln, die, wie wir später ausführlich sehen werden, in eigenen
Werkstattbüchern, z. B. von Antonio da Pisa, kanonartig nieder-
gelegt waren, ist der allgemeine Charakter der Farbenzusammen-
stellung in hervorragendem Maße das selbständige Betätigungs-
feld des einzelnen Glasmalers. Darum kommt es nicht selten
vor, daß bei Glasgemälden, die man auf eine gemeinsame
zeichnerische Vorlage zurückführen kann, große Unterschiede
in der Stellung der einzelnen Figuren findet, was nur aus dem
verschiedenen Farbgefühl des einzelnen erklärt werden kann.
In jener glücklichen Zeit, in der Entwurf und Ausführung in
einer Werkstätte vereint waren, dachte und empfand man schon
bei dem ersten Gedanken an den Entwurf glasmalerisch. Die
Zeichnung war von der Farbe beeinflußt. Da es keinerlei Schutz
der geistigen Arbeit gab, da man die Meister verschiedenemale
direkt anhielt, anerkannte Vorbilder zu studieren und zu kopieren,
was auch Antonio als das sicherste Hilfsmittel im Notfall vor-
schreibt, da man nicht auf künstlerische Originalität, sondern
auf das dargestellte Lehrobjekt und die Gesamtwirkung für den
Kirchenraum sah, waren Seitensprünge, wie aber auch starke
zeichnerische Konzeptionen ausgeschlossen.
Um 1260 entsteht in Frankreich das sogenannte Psalmbuch
Ludwigs des Heiligen (le psautier de S. Louis). Es ist ein Gebet-
buch dieses französischen Königs, ein Vorläufer der ı50 Jahre
später so reichlich ausgestatteten Stundenbücher der burgundi-
schen Herzöge, die ebenfalls auf die Entwicklung der Glas-
malerei von großem Einfluß sein sollten. In jenem Psalter sind
die einzelnen Szenen unter gotische Wimperge gestellt (siehe
Abbildung 9). Die Anlage und die dünnen Säulen erinnern noch
an die Doppelrundbögen der Fenster von Chartres. Dagegen
2
20:
ist der Übergang zur Kirchengotik bereits vollzogen. Rasch
dringt dieses System auf die Fenster von Kathedralen und ein-
facheren Kirchen, als Zeuge engsten Zusammenarbeitens des
Architekten mit dem Glasmaler. Wir wissen aus der Geschichte
der gotischen Baukunst, daß man sich während der Periode der
Frühgotik sehr häufig französische Baumeister nach deutschen
Bauhütten kommen ließ oder wenigstens die einheimischen
Steinmetzen nach Nordfrankreich sandte, damit sie daselbst das
Wesen des neuen Stils studieren sollten. Diese Tatsache übte
auf die deutsche Glasmalerei eine eigenartige Wirkung aus.
Man konnte sich in deren Werkstätten der neuen Mode, die
von der Bürgerschaft mit Begeisterung aufgenommen wurde,
nicht entziehen, darum gab man sich dem Lehrvortrag des
fremden Baumeisters hin, der das gotische Umrahmungssystem
zunächst vielleicht persönlich zu Pergament brachte Für die
darin eingefügten Personen aber verblieb der Glasmaler bei
seinem spätromanischen Stil. Denn in diesem Punkt konnte ihm
der Architekt nicht an die Hand gehen. Darum finden wir in
verschiedenen deutschen Kathedralen, wie z. B. in Straßburg, Glas-
gemälde, die romanische Figuren unter gotischen Baldachinen
wiedergeben. Das neue Architektursystem verließ die Glas-
malerwerkstätte nicht mehr. Was der Psalter Ludwigs des
Heiligen vorgebildet hat: Wimperg vor Lichtgaden, das wurde
während der ersten Hälfte des ı4. Jahrhunderts in den ala-
mannischen Glasmalereiwerkstätten, bis zur stereotypen Formel
erstarrt, getreulich nachgeahmt und festgehalten.
Es ist begreiflich, daß man dieses sich von selbst ergebende
Hilfsmittel um so weniger sich entgehen ließ, als mit der stetigen
Erweiterung der Fensterflächen an das Kompositionstalent des
Glasmalers immer stärkere Ansprüche gestellt wurden. Je
höher die Fenster emporstiegen, desto weniger war es möglich
mit kleinen Szenen zu arbeiten, da man sie mit bloßem Auge
ja doch nicht gesehen hätte. Man zog daher vor, Einzelfiguren
darzustellen und die hauptsächlichsten Lehren der Religion, be-
sonders die Kreuzigung, die hinter dem Hochaltar ihre Stelle
hatte, auf die ganze Fensterbreite hin zu komponieren. Dadurch
kam dem Hintergrunde wieder eine erhöhte Bedeutung zu. Er
wechselte harmonisch zwischen rot und blau, und war mit Rauten,
21
Kreisen, Vierpässen, später unter südlicher Einwirkung mit
Damasten gemustert. Mit dieser Anlage erfüllte man das Haupt-
gebot des gotischen Baumeisters, himmelstürmende Höhen-
wirkungen zu erstreben. Wenn man daher das unermeßliche
Fialen-Wimperg-Baldachinsystem auf Glasgemälden mit Recht als
stilisiertee Wiedergabe der gotischen Kirchenplastik, ähnlich wie
bei dem Chorgestühl, erklärt, so darf man als den letzten Beweg-
grund des Glasmalers seinen Sinn für das Architektonische, das
ihn stets mit dem Baumeister verbunden hielt, hinnehmen. Die
deutsche Bauweise empfand die Mystik des Horizontalen in der
Gotik viel stärker als die sich gern nach vertikaler Gliederung
zersplitternde französische Hochgotik. Darum setzten die deut-
schen Baumeister an Stelle der breiten Fensterrosen, da wo sie
ganz aus Eigenem schufen, gerne ein in die Höhe strebendes
Fenster. Mit dieser Eigenart der deutschen und französischen
Bauart in der Gotik stimmt auch die Entwicklung in der Glas-
malerei überein. Die großen, nur dem Drang in die Höhe folgen-
den Glasgemälde, wie wir sie beispielsweise im Dom zu Köln,
im Münster zu Freiburg bewundern, gehören in Frankreich zu
den Seltenheiten. Vergleiche z. B. die Fenster zu Evreux und
Riom. Sehr bald weicht die zeichnerische Schlankheit der
Architekturformen einer massigeren, plastischen Fülle. Der sehn-
süchtige Drang nach oben, der auf den deutschen Fenstern, wie
ungelöscht weiter strebt, ist auf den französischen im behaglich
Breiten gesättigt. Schon versuchen die Glasmaler Frankreichs mit
keckem Schritt die Schranken des Flächigen, Zweidimensionalen
zu durchbrechen und in gemessenen Abständen folgt die Kölner
Schule. Der Übergang zur reinen Nerspelstiye vollzieht sich je-
doch auf schweizerischem Boden.
Die zweite Stufe der Entwicklung buntfarbigen Fenster-
schmucks bringt also im äußeren Aufbau die völlige Angliederung
an die Architektur und bejaht so aufs entschiedenste den Ge-
danken der Zusammengehörigkeit mit dem Bau. Der Glasmaler
holt seine Kompositionsglieder aus der Hütte des Steinmetzen
und vervollständigt was der Architekt anstrebt. Die vergoldeten
Fialen, die vom Hochaltar emporstreben, finden ihre Fortsetzung
auf dem Glasgemälde, das mit seinem Maßwerk zu den bemalten
Rippen und Kappen des Gewölbes überleitet. Derselbe Ge-
22,
danke pflanzt sich über das Chorgestühl in das von hohen Säulen
getragene Schiff, um daselbst ein Raumbild von höchster Steige-
rung zu schaffen. Aber in die gigantische Größe dieses Raum-
bildes bringt die Farbe des Glasgemäldes die Stimmung, die
Mystik, die sofort beim Eintritt den ganzen Menschen gefangen
nimmt. Mitten in die Blütezeit der Glasmalerei fällt der be-
kannte Beschluß des Zisterzienserkapitels, in den Gotteshäusern
des Ordens keinerlei Buntverglasung zuzulassen. Dieser puri-
tanische Gedanke war von der Besorgnis eingegeben, die bunte
Farbenpracht der Glasgemälde und die auf ihnen wiedergegebenen
Szenen könnten von dem Blick auf den Altar, von der Betrach-
tung des Überirdischen ablenken. Bei der Straffheit der Disziplin
und bei der Bedeutung des Gelübdes des unbedingten Gehor-
sams unter die geistlichen Oberen wird dieses Verbot, so muß
man annehmen, jede Hinneigung zu glasmalerischem Schmuck
erstickt haben. Was geschah aber in Wirklichkeit? Das Verbot
wurde teils als überhaupt nicht bestehend angesehen, teils zögerte
man seine Befolgung so lange hinaus, bis ein neues Gewohn-
heitsrecht ihm die Kraft nahm. Wo es aber Beachtung fand,
z. B. in Heiligenkreuz im Wiener Wald, da schuf es die sogenannte
Grisaille, die nur mit Schwarzlot und farblosem Glas arbeitende
Kunstverglasung. Hier waren die Künstler noch einmal in ihrem
Element. Eine Fülle von prachtvollen Ornamenten entstand und
sehr schnell schlich sich farbiges Glas wieder ein, um das sogenannte
Ornamentfenster zu höchster Vervollkommnung zu führen').
1) Vergl. Saur, Josef, Der Cisterzienserorden und die deutsche Kunst des Mittel-
alters in „Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner
Zweige‘, 1913, IV. Quartalheft, S. 668ff.: „Die Gläser seien weiß, ohne Kreuze und
Malereien.‘ Verordnung des Jahres 1134. Im Jahre 1182 mußte ein neues scharfes
Gebot gegen die Glasgemälde erlassen werden: Glasgemälde müssen innerhalb zweier
Jahre ausgenommen werden, widrigenfalls der Abt, der Prior und Kellermeister jeden
Freitag bei Wasser und Brot zu fasten haben, bis die Glasgemälde herausgenommen
sind. 1240 wird die Vorschrift abermals wiederholt. Wenn bei der Strenge des geist-
lichen Gehorsams so einschneidende Gebote immer wieder übertreten bezw. (durch
Grisaillen) umgangen werden, so ist dies der stärkste Beweis, wie tief der ästhetische
Genuß buntfarbigen Fensterschmucks in den Herzen der Mönche gewurzelt war. „Die
Verbote waren ein Verstoß gegen eine Naturanlage der menschlichen Seele selbst, und
eine solche läßt sich auf die Dauer nicht unterdrücken. Sie bricht sich mit Gewalt
Bahn.‘ a. a. O., S. 690.
23
E47
Wer einmal einen mit solchen Ornamentfenstern geschmückten
Raum betreten hat, wird zugestehen, daß hier der buntfarbige
Fensterschmuck sich am vollkommensten ausgelebt hat. So un-
befleckt rein, so vollkommen frei von allen lehrhaften Rück-
sichten ist der Schönheitsgehalt des buntfarbigen Fenster-
schmuckes nie mehr in Erscheinung getreten wie eben in solchen
Ornamentfenstern; denn sein Zweck zu dienen, war vollig er-
reicht. Darum hat auch die figürliche Glasmalerei sich dem Reiz
des Ornamentfensters nicht entziehen können, sondern mit der
Szenendarstellung verbunden, indem es selbe in Teppiche hinein-
komponierte oder aber das Ornament als Fortsetzung des Figür-
lichen verwendete. Die deutschen Glasmaler gehen mit dem
Ruhm durch die Geschichte, die stimmungsvollsten und wärmsten
Muster geschaffen zu haben, während die sonst so häufig ton-
angebenden Franzosen nur zu sehr am Öberflächlichen, mehr
vom Zirkel Hervorgebrachten haften blieben. Je weiter wir vom
Westen weg südlich und östlich in die alamannischen Gebiete
vordringen, desto zahlreicher werden die Ornamentfenster, desto
schöner wird das Muster. Man vergleiche z. B. die Glasgemälde
in Blumenstein, Köniz,in der Konstanzer Gegend, die aus Bayern
stammenden Scheiben Nr. 14 bis 88 des Bayrischen National-
museums in München. Die frische Naturbeobachtung und der
prachtvoll stilisierte Reichtum der Pflanzenblätter erinnert an die
durch und durch deutsche Arbeit an den Kapitellen und Friesen
des Domes zu Naumburg. Da die französische Glasmalerei damit
nicht konkurrieren konnte, hat sie sich sehr schnell auf die An-
- wendung von Rautenmustern aus farblosem Glas zurückgezogen,
was ihr die Kölner Schule bald nachgemacht hat.
Da tritt verhältnismäßig unvermittelt eine Wendung in dem
Grundcharakter der Glasmalerei ein. Sie geht von jenen Künst-
lern aus, die im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts den Glas-
gemäldeschmuck des Klosters Königsfelden geschaffen haben.
Zum Verständnis bedarf es der geringen geschichtlichen Auf-
frischung, daß dieses Kloster zur Sühne der Ermordung König
Albrechts im Jahre 1308 an dem Ort der Tat, unweit des Stamm-
sitzes der Habsburger, erbaut und von den Mitgliedern dieses
Geschlechtes mit reichlichem Schmuck ausgestattet wurde.
Während weniger Jahrzehnte wurden die elf großen Chorfenster
24
aus Stiftungsmitteln der Habsburger Familie vollendet. Trotz
ihrer zeitlichen Nähe gehen die Fenster im Stil weit auseinander.
Neben dem bereits skizzierten System der flächigen Kirchen-
gotik steht das dreidimensionale, perspektivische System voll-
kommen fertig da. Das Ideal Giottos ergreift das Körperliche,
seine dem Profanbau entlehnten Architekturen treten an die
Stelle der Kirchengotik. Mit unglaublicher Schnelligkeit ver-
breitet sich die neue Mode, einen Hauptstrahl nach dem Elsaß
und nach Regensburg aussendend, der zum Anstoß weiter Ent-
wicklung wird. Nebenher dringt eine andere italienische Welle
nach Norden durch die Berufung des Thomas von Modena an
den Hof Kaiser Karls IV. nach Prag, und um das Maß der Be-
ziehungen zum Süden voll zu machen, gehen deutsche Kleriker
und Studenten nach Öberitalien und bringen selbstverständlich
von dort nicht bloß ihre gelehrte Bildung, sondern auch einen
italienisierenden Kunstgeschmack mit. Darum finden die Arbeiten
der im italienisierenden Stil von Prag schaffenden Glasmaler in
Brandenburg und in den Deutschordensburgen so begeisterte
Aufnahme. An den Fürstenhöfen Nordfrankreichs aber und Bur-
gunds sproßt eine Hofkunst, die zunächst in der Miniatur ihre
schönsten Blüten treibt. Es entstehen jene obengenannten Gebet-
bücher (Livres d’heures), Stundenbücher, von denen jedes ein
Kunstwerk für sich ist, und die eine große Anzahl deutscher
Künstler nach Westen ziehen. R Es mag dahingestellt bleiben,
wie sich diese französisch-burgundische Hofkunst zu den ober-
italienischen Schulen des Trecento verhält; Tatsache ist, daß in
beiden Kunstrichtungen dasselbe verfolgt wird, nämlich völlige
Auswertung der perspektivischen Errungenschaften und mög-
lichst genaue Anpassung der Kunst an die Wirklichkeit in Zeich-
nung und Gewandung der Figuren. Da nach dem Charakter
dieser Kunst als einer Hofkunst vor allem die fürstlichen Per-
sonen zur Darstellung kamen, entwickelte sich das Portrait, wie
die Sitte die neuesten Kleidermoden mit größter Treue wieder-
zugeben. Diese beiden großen Kunstgebiete wirkten mit aller
Macht auf die Glasmalerei ein; die deutschen Meister konnten
sich den neuen Reizen am wenigsten entziehen. Merkwürdiger-
weise hat sich die Glasmalerei in Italien und Frankreich von
der genannten Kunstrichtung fast gar nicht beeinflussen lassen.
25
Im Elsaß aber, am Bodensee, an der Donau ergeben sich die
deutschen Künstler in all ihren Arbeiten dem neuen Formen-
schatz. Jeder will den andern in der Kühnheit der Perspektiven,
in der Kraft des Realismus und in der Lebhaftigkeit der Be-
wegung übertreffen. So entstehen die Fenster zu Ravensburg,
Eriskirch, Schlettstadt, Lenzburg, Bern. Nebenher geht der
Versuch, die Profanarchitektur mit der Kirchengotik zu ver-
sohnen. Es kommt so zu Fenstern, die neben den breiten, in
Kreuzblumen endigenden Eselsrücken und Kreuzgewölben giot-
teske Profanbaldachine und Konsolen aufweisen, keineswegs ein
Bild schöner Harmonie, vielmehr oft genug uneinheitlich und
zerrissen. Dazu kommt, daß die Künstler das lebhafte Interesse,
das man den geistlichen Spielen entgegenbrachte, auch auf Glas-
gemälde übertrugen. Die reiche Beiziehung von Engeln als Zu-
schauern stammt ursprünglich auch aus Italien. Deren lebhafte,
schauspielerische Aktionen aber können nicht anders, denn als
Umdeutung einer Regievorschrift aufgefaßt werden. Regensburg
erscheint am frühesten im Vollbesitz jener perspektivischen W eis-
heit. Die Regensburger Schule war einem doppelten Andrängen
italienischer Ideen ausgesetzt. Einerseits hat Königsfelden seine
Ausläufer, wie an den erhaltenen Denkmälern nachweisbar ist,
hierher entsandt, sodann aber hat die Prager Kunst verständnis-
volle Aufnahme in den Werkstätten der Regensburger Glasmaler
gefunden. Von hier aus wanderten die Ideen weiter; bald direkt,
bald indirekt vermittelt treffen wir sie in Straubing, Nürnberg,
Ulm, Erfurt, Stendal. Wir dürfen vermuten, daß Nördlingen eine
besondere Rolle in dieser Verbreitung der Mode gespielt hat.
Die Verwendung zahlreicher Bauglieder, die der zweiten
Periode der Glasmalerei einen so charakteristischen Ausdruck
gibt, ermöglicht an sich die strenge Zentralisation der Kom-
position und deren Unterordnung unter die Gesamtkomposition
des Raumes. In der deutschen Vorliebe für die Einzelfigur und
die Beschränkung auf die unbedingt nötige Zahl von Teilnehmern,
wenn es sich um Szenendarstellungen handelte, lag eine große
Erleichterung der kompositionellen Anlage. Die französischen
Glasmaler jedoch waren von Anfang darauf gewiesen, die dra-
matische Lebhaftigkeit des heimischen Geschmacks in die richtige
Ordnung: zu bringen. Bereits die ältesten Arbeiten sind nach
26
einem festen Kompositionssystem ausgeführt, das den strengen
Regeln der Symmetrie folgt. Man vergleiche zu diesem Zweck
‘die Tafeln 8, 9. Bei dem Reichtum an Figuren war die
französische Glasmalerei genötigt, mehr in die Breite zu kom-
ponieren, als die deutsche. Dabei liebte sie aber einen aus-
gesprochenen Parallelismus, der sich nach der Mittelaxe orientiert.
Rechts und links wird womöglich die gleiche Anzahl von Personen
gruppiert, die in Haltung und Anordnung einander vollständig
entsprechen. Ihr oberer Abschluß folgt einer geometrischen
Linie, die, mit ihrer meistens nach oben sich zuneigenden Scheitel-
ausbiegung die Tendenz der Mittelaxe und überhaupt des ge-
samten Fensters, in die Höhe zu streben, wesentlich unterstützt.
Die Kreisform ist an sich kein geeignetes Mittel für die Kom-
position eines Fensters. Darum hat man die einzelnen Kreise in
Ellipsen verdehnt, oder miteinander durch sich kreuzende Ranken
verbunden, oder die Zwickel mit vertikalstrebenden Ornamenten
ausgestattet, stets aber in der Szene selbst auf die aufstrebende
Pflicht des Glasfensters Rücksicht genommen. Das Fenster zu
Champ (Isere) bildet das vollkommenste Beispiel der eben dar-
gelegten Praxis: Symmetrie um eine Mittelaxe, die nach dem
Scheitel des ganzen Fensters strebt; im oberen Medaillon wo-
möglich vertikales Übergewicht über die horizontale Gliederung,
was durch die Figur des in den Himmel auffahrenden Christus
vortrefflich zum Ausdruck gebracht ist. Dem Parallelismus ent-
sprach, nebenbei bemerkt, auch eine Symmetrie der Farbeinteilung.
Die Rundscheibe mit Christus als Weltenrichter, die auf Tafel 9
abgebildet ist, zeigt, wie das Gesetz der Symmetrie bis ins
Kleinste befolgt, nahezu mathematisch zur Formel entwickelt
ist. Wo sich die einzelnen Szenen über größere Flächen er-
streckten, war dieser Parallelismus auch ein nicht zu unter-
schätzendes Hilfsmittel für die Einordnung der Windeisen, der
Mauerwerksrippen und Ränder. Die französischen Glasmaler
sind dem Gesetz der Symmetrie auch während der gotischen
und Renaissanceperiode treu geblieben.
In Deutschland dagegen verhielt man sich diesem Prinzip
gegenüber wesentlich freier und selbständiger. Man empfand
die große Überlegenheit der unter vertikal angelegtes Architektur-
werk gestellten Einzelfigur über alle Gruppensysteme. Darum
en
teilte man im Zeitalter der Gotik, das dem Glasmaler erhöhte
didaktische Pflichten auferlegte, die einzelnen Szenen unter Bal-
dachine und zwischen Säulen, hielt sich jedoch bei der Gruppierung
nicht sehr streng an die Herrschaft von harmonisch angebrachten
Linien der Symmetrie. Nur in dem ornamental gehaltenen
architektonischen Beiwerk gönnte man der Symmetrie ihr altes
Recht und da dasselbe manchmal bis mehr als zwei Drittel des
verfügbaren Raumes einnahm, so war für eine Ineinandergliederung
und Symmetrie mehr wie hinreichend gesorgt. Beispiele symme-
trischer Linien und Akzente im Figürlichen sind selten, so auf
einem Fenster zu Münnerstadt, Erfurt, Regensburg. Umgekehrt
findet man desto häufiger Fenster, auf denen Gruppensymmetrie
ganz außer acht bleibt, ja direkt umgangen wird z. B. auf dem
Fenster mit Mariae Tod zu Regensburg, wo die in den Himmel
fahrende Maria, die als oberstes Glied der Komposition aus dem
Scheitel der Architektur nach der Seite hin verrückt wird. Ein
herrliches Beispiel horizontaler Gliederung bietet die Szene der
Fußwaschung im Dome zu Erfurt und aus späterer Zeit die
Darstellung von Mariae Heimgang zu Landsberg a. L.. Die An-
lehnung an die höfische Kunst hatte für die Glasgemälde noch
eine andere Folge. An die Stelle der idealen Gewänder trat
mehr und mehr das Zeitkostüm; ja gewisse geckenhafte Aus-
wüchse der Mode, unnatürliche Körperhaltungen fanden getreue
Kopie. Für dies alles entschädigt aber die auch in dieser
Periode vortreffliche Farbenzusammenstimmung, sorgfältige und
den alten Traditionen treue Ausführung der Glasbemalung. Die
Schwarzlotkonturen werden zwar dünner, die Anwendung von
Modellierung reichlicher, allein die Formen sind nicht minder
kräftig und ernst, wahrhaftig und eindrucksvoll. An jene un-
geheure Monumentalität, mit der uns die romanischen Glas-
gemälde entgegengetreten sind, reicht die gotische Glasmalerei
nicht heran. Das Denken und Fühlen ist ein anderes geworden.
Aus dem naiven, poetisch gläubigen und kindlichen Gemüt reifte
in der christlichen Kultur und Kunst allmählich ein ernstes
Denken, ein Erfassen des Göttlichen mit der Vernunft. Soviel
Darstellungen auf den Glasgemälden, soviel Glaubenssätze. Auch
jetzt noch sind die dargestellten Figuren Symbole, die dem
Kundigen das Mysterium mitteilen. Trotz der strengen Abhängig-
28
keit der Künstler von den Theologen war ihnen vom Inhalt des
Darzustellenden abgesehen, eine große Freiheit eingeräumt: „Les
artistes tres surveilles quand ils devaient exprimer la pensee
religieuse de leur temps, furent laisses libres d’orner la cathedrale
a leur guise, d’innocentes fleurs. Heureuse liberte, combien leur
naif amour de la nature nous touche plus que le symbolisme des
clercs noble sans doute, mais sterile.“ So sagt Mäle, der beste
Kenner der mittelalterlichen Typologie. In diesem eigenartigen
Verhältnis der Künstler zu den Theologen, der Ausführung zu
der Vorlage liegt der Grund für das merkwürdige Bild der
mittelalterlichen Kunst, insbesondere der Glasmalerei. Die Künstler
wiederholten den gleichen Stoff, der zudem in Evangelien- und
sonstigen liturgischen Büchern oder in der biblia pauperum und
dem speculum humanae salvationis darstellerisch bereits fixiert
war. Darum die allgemeine Gleichheit im Gesamteindruck; den
tieferen mystischen Sinn einer traditionellen Darstellung neu oder
gar persönlich zu durchleben und daher mit subjektivem Gehalt
zu erfüllen, war gar nicht Sache der Künstler. Diese hatten
überhaupt nur zu sagen, was die Theologen ihnen vorsagten. In
der Handschrift aber, in dem Verhalten gegenüber der Natur
waren sie völlig frei und darum herrscht unter dem überkommenen
Denkmalschatz, selbst unter nahverwandten Gruppen, doch eine
erfrischende Mannigfaltigkeit und Abwechslung. Dazu kam, daß
die Glasmaler, um den Meistertitel zu erlangen, nicht bloß tech-
nische Fertigkeiten aufzuweisen hatten, sondern imstande sein
mußten, nach einer kleinen Skizze sich die Werkzeichnung selbst
zu fertigen. Es ergab sich so von selbst eine leichte Variante
und eine gewisse persönliche Note in dem ewigen Einerlei der
Themata und ihrer Behandlung.
Die Übernahme der Perspektive, des Dreidimensionalen, hatte
in die Glasmalerei etwas ihrem eigentlichen Wesen Fremdes
hineingetragen. Zur Abhängigkeit von der Tafelmalerei führte
nurmehr ein kleiner Schritt. Am frühesten tat die Kölner
Schule diesen Schritt. Seitdem sich die Kölner Glasmaler von
der Nachahmung der französischen Gotiker losgemacht hatten,
war den Einflüssen der Niederländer Tafelmaler jede Werkstatt-
tür offen und es macht keinen Unterschied, ob dieser Einfluß
direkt vom Niederländischen kam oder durch heimische Künstler
29
von ihrer Wanderschaft nach Köln gebracht wurde. Fast allen
bedeutenden Kölner Tafelmalern wird eine nahe Beziehung zu
irgendeinem noch erhaltenen Glasgemälde zuerkannt. Die strenge
Zugehörigkeit zu dem Stil der Tafelmalerei macht die Kölner
Glasmalerei etwas langweilig, weil ihr die originale Frische fehlt;
die Gefahr wird um so größer, als sich mit der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts in Köln, wie übrigens auch in anderen
Kunstzentralen, Werkstätten mit Großbetrieb entwickeln. Nürn-
berg bekommt seine Hirsvogelwerkstatt, und Straßburg, Freiburg
die Ropsteinwerkstatt usw. Dieser Großbetrieb erleichtert zwar
die kunstgeschichtliche Forschung, für die Entwicklung der Glas-
malerei konnte er sehr bedenklich werden. Obwohl die ganz
großen Meister wie Dürer, Holbein, Baldung, Jerg Ziegler,
Grünewald auf die Gestaltung der Visierung einen entscheidenden
Einfluß nehmen, werden die Werkstattarbeiten doch recht unter-
schiedlich in der Qualität und Durchbildung. Die Großwerkstatt
hatte die Lokalschulen wirtschaftlich zentralisiert. Als ältester
Großbetrieb erscheint die Hans Wild-Werkstatt. Dieser Name
bedeutet die gewaltigste Repräsentation des vom oberrheinischen
Holzschnitt beeinflußten und in der manierierten Mode des
letzten Drittels des 15. Jahrhunderts auffrisierten Glasmalerstils.
Wilds Kompositionen leiden unter dem Prunkmäßigen, das er
seinen Glasgemälden auflegt. Die großen architektonischen
Glieder mit ihren riesigen Baldachinen zerstören das gerade
Streben nach oben, fallen auch in der Farbe aus der bisherigen
Praxis der Unterordnung unter den Raumgedanken heraus. Der
Einfluß Dürers, Baldungs hat das Gleichgewicht wieder hergestellt,
obwohl die Helldunkeltechnik, die im Gefolge dieser Männer
für die Farbgebung der Glasgemälde von Bedeutung wurde, auch
den alten Traditionen nicht mehr entsprach. Die Anlehnung an
die Tafelmalerei hätte mit der Zeit der süddeutschen Glasmalerei
zum Verhängnis werden müssen; ähnlich wie die niederländische
Glasmalerei, die sich am längsten weitergeführt hat, schließlich
in völlige Entartung versank und mit der echten Glasmalerei
nichts mehr gemein hatte, als den Namen und die Zufälligkeit
farblosen Glases, die an Stelle der weißen Leinwand stand.
In der Technik hat die Monumentalmalerei an den alten
Traditionen festgehalten. Was bedeuten die geringen Neuerungen,
30
die das Rotlot brachte gegen den festen Bestand der Gläser und
ihrer Behandlung. Auch die verschiedenen Praktiken zur Er-
zeugung der Lichter und Schatten sind Zufälligkeiten, die in
nichts sich mit den Neuerungen messen können, die die Visie-
rung um die Wende des Mittelalters erlebte. Die Figuren hören
auf Symbole zu sein. Das Symbol ist Fleisch geworden. Nicht
bloß jene Figuren, die Fleisch von unserem sündigen Fleisch
darstellen, auch die Heiligen, ja das Göttliche selbst, steigt in
die irdische Hülle, bekommt Hände, mit denen es greifen, Füße,
mit denen es gehen, ein Gesicht, mit dem es die tiefsten seelischen
Erlebnisse wiederspiegeln kann. Porträt und Charakterkopf, das
Konkrete tritt an Stelle des Symbols und des Abstrakten. Auch
die Architekturglieder kehren von ihrem Wesen in Stein zurück
zu dem, wovon sie ausgegangen sind, zu der Natur. Trotz dieser
veränderten Stilistik bleibt auch diese Art von Glasmalerei
monumental. Es ist ein Zeichen von dem großen ästhetischen
Gehalt der Glasmalerei, daß auch die weiteste Entfernung von
ihrem ursprünglichen Wesen ihr nichts geschadet hat, solange
sich große Künstler mit ihr beschäftigten. In der herrlichen
Pieta zu Hanau, deren Karton vom Schreiber dieser Zeilen erst-
mals dem Aschaffenburger Meister Matthias Grünewald zuge-
schrieben werden konnte, erhebt sich die ausklingende monu-
mentale Glasmalerei zu einer unerhört hohen Ausdruckskraft
seelischer Affekte, gibt mit beinahe unfaßlicher Virtuosität die
ergreifendsten Momente wieder (siehe Taf. 65,66). Die Glasmalerei
hat nie mehr ein Werk von solcher Größe hervorgebracht. Die
Kunst des Meisters von Messkirch, Jerg Zieglers, bildet zwar
noch eine beträchtliche Summe von ausgezeichneten glasmale-
rischen Qualitäten, aber mit ihm erlischt die monumentale Glas-
malerei Süddeutschlands. Das späteste, was mir in diesem
Charakter bekannt geworden ist, bilden die wenigen aber sehr
wertvollen Reste von Glasgemälden, die im Jahre 1556 für
Reichenau-Mittelzell geschaffen wurden und dem eben genannten
Jerg Ziegler nahestehen. Der Baumeister des Chors ist Jakob
Ross aus Straßburg, wie aus der Umschrift eines Schlußsteins
im Gewölbe hervorgeht. Es wäre also möglich, daß die Glas-
gemälde ebenfalls aus Straßburger Ateliers stammen würden.
Jedenfalls bilden die Reichenauer Fensterreste ein ästhetisches
31
Gegengewicht gegen die in völliger Verflachung des Glas-
malerischen versunkenen, nur noch vom Standpunkt des Tafelmalers
interessanten kölnischen und niederländischen monumentalen
Arbeiten aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Die acht Mittel-
zeller Glasgemälde, deren Photographie leider unmöglich war,
sind eine glanzvolle Beendigung der süddeutschen Glasmalerei.
Sie bestätigen aufs neue, daß der plötzliche Untergang der
Glasmalerei hauptsächlich den Wirren der Reformation zuzu-
schreiben ist. Wo diese auch nicht vorübergehend Fuß fassen
konnte, hat sich die große Tradition erhalten. Die Stadt Straß-
burg hat auch allein unter allen Städten Deutschlands die Technik
der Monumentalglasmalerei bewahrt und zu einer Zeit Glas-
gemälde hervorgebracht, die im seichtesten Nachrokoko, sonst
nichts für so ernste Künste übrig hatte.
Das Zeitalter der monumentalen Glasmalerei ist vorüber. In
die Geschichte ist sie gleich als ganz große, fertige Kunst ein-
getreten und hat sich im Laufe der vier Jahrhunderte, die ihr
zur Auslebung ihres ästhetischen Gehalts vergönnt waren, sehr
reich entwickelt. Im Stil ist sie in enger Fühlung mit der Ge-
samtentwicklung von Kunst und Kultur geblieben, bald gebend,
bald nehmend, meistens das letztere. Miniatur und Emailkunst
standen zu Gevatter, als sich buntgläserner Fensterschmuck aus
allerhand Vorläufern zu einem integrierenden Bestandteil des
Bauprogramms und Raumbildes herausschälte und im Laufe der
Zeit zur figürlichen Glasmalerei weiterbildete. Mit einer starken
Anleihe aus der Tafelmalerei hat sie im 16. Jahrhundert ihre
Wirksamkeit beendet. Die Fortschritte im Material und in den
Ausdrucksmitteln (Silbergelb, Rotlot) sind für die Gesamtentwick-
lung der Glasmalerei ganz unbedeutend und auch die Gläser
zeigen in ihren geringen Tonwandlungen die uns für das ganze
Mittelalter geläufige Stabilität der Werkstattradition. Die Ver-
schiebungen, die im äußeren so sinnenfällig sind, daß sie bei
einseitiger Betrachtung zu den bedenklichsten Schlüssen ver-
führen können und auch verführt haben, hängen lediglich mit
der Entwicklung der Baugeschichte zusammen, die ihrerseits
wieder Ausdruck des immer mehr reifenden Volksempfindens
ist. Vom Westen und vom Süden haben fremde Formen an
dem Paradies der Glasmalerei geklopft und auch Einlaß gefunden.
32
Allein sie konnten in den zufälligen Eigenschaften wohl beein-
flussen, das Wesentliche aber niemals alterieren. Stets war der
Sinn auf die Seele, das heißt auf die Auswirkung der Ornamental-
kraft der Glasmalerei gerichtet. Symbol und Kraft machen das
Wesen dieser Kunst aus. Darum die Beschränkung auf wenige
aber massige Farben, der Verzicht auf verwässerte, süßliche
Mitteltöne, und strenge Unterordnung des Details. Wenn also
die Männer um König Ludwig I. glaubten, die Neurenaissance:
im 19. Jahrhundert an ihre Glasgemälde der Mariahilfkirche zu
München, in dem Dome zu Regensburg und Köln knüpfen zu
können, so war dies in jedem Punkt ein Irrtum. Sie hatten
weder das Glas der Alten, das mit seiner rauhen, gebläselten
Oberfläche die Prosa und nüchterne Zweckmäßigkeit zur Poesie,
zur Kunst erhebt und auch von keiner modernen Glassorte irgend-
wie erreicht oder gar übertroffen wird, noch das Verständnis für die
ornamentale und symbolische Bedeutung der Glasmalerei. Gleich
den Kölnern und Niederlandern des 16. Jahrhunderts war die
Übertragung von Tafelmalereien in und auf Glas nicht eine
logische und ästhetische Umdeutung in die ornamentale Sprache
der Glasmalerei, vielmehr eine sklavische Kopie, die dadurch
nicht interessanter wird, daß sie für die Ausführenden Gelegen-
heit zu allerlei technischen Kunststückchen gab. Diese Richtung
sollte gleichzeitig eine Reaktion gegen die Kabinettsglasmalerei
sein, und doch verdanken wir dieser Manier die Erhaltung glas-
malerischer Gedanken und technischer Traditionen.
Die Kabinettsglasmalerei wird in der Regel als eigner Zweig‘
des buntfarbigen Fensterschmucks betrachtet. Sie ist indessen
nichts anderes, wenigstens für die erste Zeit ihres Bestehens, als.
eine Anpassung des glasmalerischen Grundgedankens an einen
kleinen und modifizierten Raum. Ihre Technik leitet sich so von
der Monumentalglasmalerei her. Die Kabinettsscheibe tritt niemals-
allein auf, ist vielmehr der farbige Pol in der weiten Fläche farb-
losen Glases. Was sie jedoch von der Einglasung einer farbigen
Scheibe in gemustertes farbloses Glas unterscheidet, ist ihre
kompositionelle Geschlossenheit, durch die sie zu einem Fenster‘
im Kleinen wird. Man hat gerne die Schweizerscheibe als Urbild
der Kabinettsmanier angesehen. Jene bildet allerdings einen
wesentlichen Bestandteil und gehört auch der Zeit ihrer Entstehung
8
nach zu den wichtigsten Erscheinungsformen der Kabinettsscheibe.
Lehmann hat die Anfänge der Schweizerscheibe bis in die erste
Hälfte des 15. Jahrhunderts hinauf verfolgt. Seitdem im Anschluß
an die italienische und französisch-niederländische Renaissance
die Sitte aufkommt, die Wohnung des Privatmanns behaglich
und künstlerisch auszustatten, war das Bedürfnis nach buntfarbigem
Fensterschmuck gegeben, und die Kabinettsglasmalerei hatte also
nichts anderes zu tun als den Raum zu stimmen und dem Raumbild
die Vollendung zu geben. Es war derselbe Zweck, den die
monumentale Glasmalerei für große Räume verfolgte, und darum
ist es sehr verkehrt, wenn man die Glasmalerei als eine einseitig
religiöse Kunst darstellen will. Für den Architekten einer Kirche
bildete nicht der Inhalt das Feld seines Interesses, diesen über-
ließ er willig dem Theologen, für ihn kam nur der Farbakkord
als ornamentale Kraftquelle in Betracht, was ebenso für den kirch-
lichen wie für den profanen Raum von Bedeutung war. In
letzterem Falle stellte er Stoff und Technik dem Glasmaler an-
heim und verlangte nur Rücksicht des Gesamttons auf den Raum.
Die Schweizerscheibe aber hatte außer ihrer ästhetischen Be-
deutung noch einen anderen Zweck. Sie war die sinnfällige Be-
stätigung, daß sich ihr Inhaber der Unterstützung zum Bau und
der besonderen Gunst eines mächtigen Mannes oder einer Körper-
schaft zu erfreuen gehabt habe. Dieser außerhalb des Künstlerischen
liegende Charakter hatte der Schweizerscheibe ihre besondere
Kompositionsart verliehen. Das Wappen des Wohltäters mußte
möglichst augenfällig den Hauptraum der Scheibe einnehmen,
und damit man über den Namen des Wappeninhabers nicht im
Zweifel sei, nannte ihn ein Inschriftensockel. Das gab für
die Komposition ein sehr willkommenes Mittel. Als Gegenstück
zur Basis entstand das Öberlicht, das mit Szenen aus der eid-
genössischen Geschichte oder mit Beziehungen auf den Stifter
geschmückt war. Die selbständige Geschlossenheit der Kabinetts-
scheibe kam in der Einfügung des Ganzen in einen architektonischen
Rahmen zum Ausdruck. Diese Grundanlage wurde niemals ver-
lassen, mochte die Ausführung im Laufe der Zeit auch noch so
großen Wandlungen unterworfen sein. Die deutsche Kabinetts-
scheibe ging jedoch von rein ästhetischen Grundsätzen aus und
ließ sich von der Schweizerscheibe nur in sehr beschranktem
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. 3
34
Maße beeinflussen. Bei ihr war die Darstellung des Themas
‚die Hauptsache, sie lehnte sich daher in der Komposition an das
monumentale System an. Ihre Stoffe entlehnte sie teils der
Legende, teils der Sage und der klassischen Geschichte. Seltener
sind Szenen aus dem täglichen Leben. Wo die Kabinettsscheibe
zur reinen Wappenscheibe wurde, da nimmt man gerne zu wappen-
haltenden Figuren Zuflucht. Das Wappen wird niemals Hauptsache.
Darum war der deutschen Kabinettsscheibe eine viel reichere
Kompositionsmöglichkeit eröffnet als der Schweizerscheibe. Ähn-
liche Ziele der Darstellung verfolgte die am Oberrhein zu üppiger
Blüte emporgeschossene Stech- und Schnittkunst. Darum ent-
lehnte die Kabinettsscheibe Stoff und Darstellungsart von den
großen Meistern der graphischen Künste. Besonders. beliebt
waren der Meister E. S., der Meister des Hausbuchs, Martin
Schongauer, Tobias Stimmer, Jörg Breu, Jost Amman. Auch
der Stil des Stichs wirkte auf die Kabinettsglasmalerei ein, indem
er die Entwicklung der feinen Lineartechnik begünstigte. An-
fanglich hatte auch die Kabinettsglasmalerei die Farbwerte nur
durch farbiges Hüttenglas auszudrücken vermocht. Mit der Zeit
aber gesellten sich sogenannte Emailfarben dazu. Dies sind Glas-
flüsse, die auffarbloses Glas, wie der Ausdruck heißt, aufgeschwemmt
und gleich dem Schwarzlot im Brande mit der Oberfläche des
Glases verbunden werden. Am frühesten kam Kobaltblau auf,
dann Bischofsrot, im 17. Jahrhundert ein prachtvolles aber sehr
seltenes Grün. Am längsten hat sich rotes Hüttenglas erhalten.
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts stellte man ein Zinnoberrot
als Schmelzfarbe her, das jedoch nicht in allgemeine Übung kam.
Das System der eingebrannten Farben’bot der Glasmalerei Ge-
legenheit, in das Gebiet der Kleinkünste einzudringen. Es gab
auch in der Handhabung dieser Farbflüsse große Meister. Trotz-
dem wurde der Charakter, dem Raum eine bestimmte Tönung
zu geben, immer mehr geschädigt, bis im 18. Jahrhundert auch
die Kabinettsmanier völlig verflachte und sich in Äußerlichkeiten
auflöste. Bezeichnenderweise hat erst die Prunkkunst des Rokoko
auf buntfarbigen Fensterschmuck prinzipiell verzichtet, obwohl
Scheiben aus Schwarzlot und Silbergelb dem Raumbild keinerlei
Schaden zufügen konnten. Die ängstliche Sorge, alles vom Fenster
fernzuhalten, was dem Glanz des üppigen Weiß und Gold Eintrag
35
tun konnte, wurde der Glasmalerei gefährlich, und mit dem öden
Grau des Fensterglases trat das an Poesie und Kunst ärmste
Jahrhundert seinen Anfang an. Man hatte das Verständnis für
ein geschlossenes, harmonisches Raumbild verloren. Als vor etwa
20 Jahren für die Baukunst eine etwas bessere Zeit anbrach, da
regte sich allerdings in sehr bescheidenem Maße das Gefühl für
die unerschöpfliche Schönheitsquelle des buntfarbigen Fenster-
schmucks. Dieses Gefühl setzte sich durch, obwohl manche als
Baukünstler, die während eines Teils oder der ganzen Dauer
ihres Lebens groß gefeiert wurden, ihrer nur aus der völligen
Verständnislosigkeit für die ästhetische Bedeutung der Glasmalerei
im Raumbild erklärbaren Abneigung gegen buntfarbigen Fenster-
schmuck unverhohlen Ausdruck gaben. Die um Anerkennung
der Glasmalerei als gleichberechtigter Ausstattungskunst ringenden
Glasmaler waren daher auf sich selbst angewiesen zu einer Zeit,
in der sich der Geschmack läutern und aus der Umklammerung
greulichster Mißgestalten befreien sollte. Mit aufdringlicher Be-
redsamkeit und süßer Innigkeit traten jene älteren Arbeiten auf,
die vom Raum, für den sie bestimmt waren, nur die Fenstermaße
und den Baustil zu wissen brauchten. In neuerer Zeit geht aber
. Frühlingswehen durch das Land. Symbol und Kraft bestimmt
wieder Zeichnung und Technik, und auf die sieben mageren Kühe
folgt wieder die goldene Fruchtbarkeit, freilich nicht ohne Kampf.
Schon hat es in diesem ästhetischen Ringen zahlreiche Tote ge-
gegeben: Konventionelle Formeln, blutleere Schemen, geistlose
Kopien. „Kunstwerk ist etwas nur, insofern es, aus dem Geist
entsprungen, die Taufe des Geistigen erhalten und dasjenige dar-
stellt, was nach dem Anklange des Geistes ist“, sagt Hegel in
seinen „Vorlesungen über Ästhetik“. Jede Szene aus der Ge-
schichte oder Gegenwart kann, ihres zufälligen Charakters und
Sinnes entkleidet, als Geistiges aufgefaßtund wiedergegeben werden.
Dieser ästhetische Grundsatz ist lange verborgen gelegen, am
längsten in der Glasmalerei. Jahrzehntelang wurden im ver-
gangenen Säculum Versinnlichungen weitergegeben, die als
alte Formeln in den Ateliers der Glasmaler ein verstaubtes
Kittelchen bekamen. Wohl wurden auch sie als Symbole auf-
gefaßt, aber als träge kraftlose Symbole, die keinen Inhalt hatten.
Das Geistige an der Kunst, das Hegel verlangt, bezieht sich: in
SZ
36
der Glasmalerei auf die geheimnisvolle mystische Glut der Farben
und auf die einfache, wuchtige Kraft der Formen. Breit und
massig muß das Schwarzlot die leicht faßbare Kontur zeichnen.
Denn es ist nichts Kompliziertes, das die Glasmalerei zu sagen
hat. Ein verschieden gekörnter Überzug regelt die Lichter und
gibt dem Glas das Ungleichmäßige des Lichtdurchtritts, was den
spezifischen Charakter echter Glasmalerei, den gedämpften und
doch so kräftig leuchtenden Ton, schafft. Klein ist die Zahl der
farbigen Gläser, aber nur die kräftigsten Farben sind gerade gut
genug. Mit Zwischentönen und süßen Farben mag sich abgeben
wer will, echte Kunst gehen sie nichts an.
In bunter Mannigfaltigkeit werden nun die Gestalten ver-
gangenen und gegenwärtigen Kunstschaffens an unserem Auge
vorüberziehen, Werke hoher Kunst wie Arbeiten von handwerk-
licher Mittelmäßigkeit. Alle werden in irgend einer Form den
Schönheitswert der Glasmalerei beleuchten. Es ist bekannt, daß
man gegen die Glasmalerei des 19. Jahrhunderts die schwersten
Anklagen geführt und sie nur als Gegenbeispiel echter Glas-
malerei gelten lassen will. Allenthalben erhebe sich, so hört
man, eine scharfe Reaktion gegen jenen „Stil“, den sogar die
kirchliche Behörde als „Süßlichkeit“ verurteilt habe. Gemeint
ist damit der Hirtenbrief des Regensburger Bischofs von Henle,
der gegen Ende vorigen Jahres erschienen ist und sich scharf
gegen das „Süßliche“ in der Kunst wendet‘). Jeder pflichtet
dem Bischofswort bei; wie soll aber die Reform betätigt werden?
Einige gehen soweit, daß sie die kirchliche Glasmalerei für völlig
unfähig halten, sich von sich selbst aus zu erneuern, vielmehr
einen Umweg über die profane Glasmalerei für unerläßlich er-
klären, gleichzeitig aber doch die Periode der Gotik als das
Ferment bezeichnen, das die Glasmalerei neu beleben soll. Ob
Gotik oder romanische Periode, bleibt sich völlig gleich. Denn
in beiden Zeitaltern hat die Glasmalerei ihre hohe Würde und
Bestimmung restlos zum Ausdruck gebracht. Sie war Vollendung
und Abstimmung des Raumbildes, vergab sich nichts an ihrer
Monumentalität. Wer heute im gotischen oder romanischen Stil
1) Vgl. darüber Fischer, Das „Süßliche‘‘ in der Glasmalerei, Zeitschrift für alte
und neue Glasmalerei, 1913, S. 133.
37
arbeitet, verhält sich zu dem Geist der Alten wie derjenige, der
sich an Fasching ein romanisches Kettenhemd umhängt oder
eine gotische Gugel aufsetzt. Nur die Mittel der Alten, ihr Be-
griff von der Wirkung des Glasmalerischen, ihre Koloristik dürfen
der Gegenwart vorbildlich sein, da diese Elemente, dem Wesen
der Glasmalerei immanent und unzeitlich, für alle Geschlechter
gelten. Nur wer die ewig herrschenden absoluten Ideen in neue
Formen zu gießen weiß, wer aus dem Innern seines Herzens
bildet, wird ein Kunstwerk schaffen können. So einfach dieser
Grundsatz ist, so muß er doch eine völlige Revolution in den
gegenwärtigen Verhältnissen der Glasmalerei erzeugen; denn so
wenig befriedigen diese den Begriff des ästhetisch Schönen in
der Glasmalerei. Nur wo die unerhörtesten inneren Erlebnisse
eines Mystikers in die flüssige Glut kräftigster Farben gegossen
werden und in den monumentalsten Formen erstehen, kann man
von echter Glasmalerei, von einem Kunstwerk reden. Denn
„Kunstwerk ist nur das, was aus dem Geistigen entsprungen und
die Taufe des Geistigen erhalten hat“.
ae
Die Entwicklung des Stils.
1. Die Monumentalglasmalerei.
A) Die nur literarisch bezeugte Vorzeit.
Das Kindesalter der Glasmalerei ist, wie das so vieler anderer
Künste, in das undringliche Dunkel der Poesie eingebettet. Als
die Bibel der Glasmalerei, die schedula des Theophilus (Rugkerus)
vollendet war, da hatte sich der Übergang vom Mythologischen
zum Tatsächlichen bereits vollzogen. In zahlreichen Basiliken
mußte der Schimmer buntfarbigen Fensterschmucks in Form
figürlicher Glasmalerei erglänzt haben; und doch sind im besten
Falle eine Hand voll von Arbeiten erhalten, die in die Zeit des
Theophilus hinaufragen. Was war, bevor im Dome zu Augs-
burg die Propheten aus den Hochschiffenstern zum Volke pre-
digten? Kaum daß das Christentum aus den Katakomben an
das helle Sonnenlicht einer Staatsreligion emporgestiegen war, da
öffnen sich schon die Lippen der christlichen Schriftsteller, um
das Lob der Glasfenster zu besingen. „Verius et manifestius est
mentem esse, quae per oculos ea quae sunt opposita transspiciat,
quasi per fenestras lucente vitro aut speculari lapide obductas“
sagt Lactantius, der Erzieher von Konstantins Sohn Crispus.
Prudentius rühmt von Kaiser Konstantin: „camuros hyalo insigni
varie cucurrit arcus, sic prata vernis floribus renident.“ ') Die rund-
bogigen Maueröffnungen durchzog er mit herrlichem Glas mannig-
faltig; so erstrahlen die Wiesen im Glanz der Frühlingsblumen.
Die abendländischen Christen hatten sich im Schmuck ihrer
1) Opera: carmina liber peristephanon hymn. 12.
39
Basiliken naturgemäß an das römische Altertum angeschlossen;
jedoch war dieses Altertum seit dem 3. Jahrhundert infolge der
Herrschaft syrischer Cäsaren, durch den steten Austausch orien-
talischer und abendländischer Religiosen zum ausgesprochenen
Eklektizismus geworden. Wir können uns daher keine Vorstel-
lungen machen, wie die Glasfenster des christlichen Altertums
ausgesehen haben. Für unsere Betrachtung genügt auch zu
wissen, daß der Gebrauch des buntfarbigen Glases als Fenster-
verschluß in das christliche Altertum hinaufreicht. Der Schritt
von dem weit verbreiteten sehr beliebten System antik-christ-
licher Kunstverglasung zur figürlichen Glasmalerei scheint jedoch
erst in dem Herrschergebiete Karls des Großen gemacht worden
zu sein. Zwei Voraussetzungen waren dazu notwendig. Es mußte
möglich sein, einzelne Glasstücke in leicht biegsame, mit Bogen
versehene Stücke zu schließen, und außerdem ein Gemisch her-
zustellen, das auf Glas gemalt, im Brande mit der Oberfläche
zusammenschmilzt. Die früheste Verwendung des Bleies zeigt
ein Reliquienschrein, der auf dem Friedhof von Sery-les-Mezieres
bei St. Quentin gefunden wurde. Dieser Reliquienschrein dürfte
in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts entstanden sein und
bildet jenes Stadium der Entwicklung, in dem das Blei nicht
bloß dienendes Verbindungsmittel, sondern motivführende Kontur
darstellt. Gesellte sich dazu das Bedürfnis nach einer bescheidenen
Modellierung, nach einer mäßigen Andeutung von Licht und
Schatten, und war das dazu nötige Malmittel (in dem Schwarz-
lot) gefunden, so war von selbst der Schritt zur Glasmalerei
gemacht. Es versteht sich leicht, daß dieser Übergang, trotz-
dem er die bedeutende Grundlage der gesamten viele Jahrhun-
derte geübten Glasbemalung bildet, doch, nach rückwärts be-
trachtet, ein verhältnismäßig kleiner Schritt ist. Denn die Ent-
wicklung war auf jenen hohen Punkt angelangt, auf dem das
an sich so unkünstlerische Mittel wie die Bleirute eine vollstän-
dige Zeichnung ersetzen konnte und auch tatsächlich ersetzt hat.
Das 9. Jahrhundert war offenbar die Zeit jener Weiterbildung.
Aus diesem Sakulum ragen verschiedene Nachrichten von Glas-
gemälden in die Geschichte dieses Kunstzweiges herein, die, in
ihrem Gesamtwert betrachtet, einen ziemlich sicheren Schluß auf
die Tatsache wirklicher Glasmalerei zulassen. Zwar ist die viel
40
zitierte Stelle aus dem Festgedicht des Mönches Ratpertus, das
er anläßlich der Weihe des Frauenmünsters in Zürich an seinen
Mitbruder Notker in S. Gallen sandte, etwas unklar. Sie lautet:
Sicque fenestrarum depinxit plana colorum
pigmentis laquear pigmentaque arte manuque
artifici et fucis, quadrato ex orbe petitis. :
„Sie ließ auch die Fensterflächen mit farbigen Zeichnungen
bemalen, auch die Decke, und zwar den Farbenschmuck mit
kunstfertiger Hand, sowie mit Rötel, den man allenthalben her-
vorgeholt hatte.“ Es handelte sich um Bertha, die Tochter Kaiser
Ludwig des Frommen, die den Bau des Kleinmünsters vollendet
hat. Während nun die einen, z. B. Sepp, in dieser Stelle höch-
stens eine Bemalung der Scheiben nach Art der Kaltmalerei er-
blicken, sehen andere in ihr ein vollgewichtiges Zeugnis für eigent-
liche Glasmalerei. Jedenfalls konnte sich fucus (die aus Seegras ge-
wonnene, hauptsächlich zur Rotschminke gebrauchte Farbe) so-
wie das pigmentum (Farbe) nicht, wenigstens nicht im wörtlichen
Sinne des Ausdruckes, auf die Fenster beziehen, da die Glas-
malerei, wenn sie schon in dieser Zeit geübt wurde, nur die eine
Farbe, das sogenannte Schwarzlot kannte. Wahrscheinlich wollte
Ratpertus die Wirkung der farbigen Fenster nach Art der Decken-
und Wandgemälde beschreiben. Wie dem auch sei, jedenfalls
kommt diesem ungenauen Bericht eine andere Stelle sehr geschickt
zu Hilfe. Die von Nordhoff') publizierte Vita II Sancti Ludgeri,
episcopi Monasteriensis (entstanden kurz nach 864; Ludger starb
809), erzählt von einem blinden Mädchen, das auf Fürbitte des
hl. Ludger in der Abteikirche zu Werden geheilt wurde und be-
merkt: aurora iam rubescente et luce paulatim per fenestras irra-
diante imagines in eis factas monstrare digito coepit’. „Schon
rötete sich der Morgen und allmählich erstrahlte das Licht durch
die Fenster, da begann sie mit dem Finger auf die Bilder zu
zeigen, die auf ihnen dargestellt waren.“ Wenn der Verfasser
der Vita auf die Glaubwürdigkeit des Wunders Wert legte, so
mußte er an äußere Punkte anknüpfen, die dem Leserkreis von
vornherein bekannt waren. Hätten also die Scheiben der Stifts-
1) Repertorium für Kunstwissenschaft III, S. 460.
?) Urkunde für S, Amand. Bouquet Rec. VIII, 587.
41
kirche zu Werden nur Buntverglasung enthalten, so hätte der
Autor statt imagines in eis factas wohl colores in eis micantes
oder wenigstens figuras gesagt, da figura im Gegensatz zu imago
geometrische und höchstens stilisierte Pflanzenmotive bezeichnet,
niemals menschliche Darstellungen, für die der Ausdruck imago
angewendet wurde. Der Übergang von der Kunstverglasung
zur Glasbemalung ist demnach um die Mitte des 9. Jahrhunderts
vollzogen. Wir vermögen uns nicht die geringste Vorstellung
zu machen, wie diese Glasmalereien der karolingischen Epoche
ausgesehen haben. Dagegen dürfen wir das forschende Auge
auf die noch erhaltenen Wandmalereien z. B. in Goldbach, auf
der Reichenau, im Schweizerischen Landesmuseum hinweisen,
da der glasmalerische Schmuck nichts als eine Fortspinnung der
künstlerischen Motive der Wanddekoration war. Wohl haben
auch Teppiche, mit denen einstens die Lichtöffnungen behangen
waren, befruchtend auf die Entwicklung der Glasmalerei einge-
wirkt, indeß bleibt es angesichts des völligen Mangels an derlei
Arbeiten aus der romanischen Zeit beim bloßen Zitat der beider-
seitigen Verwandtschaft. Nur die noch erhaltenen Miniaturen,
die allen dekorativen Künsten zu Grunde lagen, dürften am
relativ vollständigsten andeuten, in welchen Bahnen die Glas-
malerei während ihrer ersten Entwicklungsstufe gewandelt ist.
Aus dem Gesagten erhellt, daß die Entstehung der Glas-
malerei durch eine örtliche Definition nicht zu bestimmen ist.
Denn sie bildet einen, für das was vorausging unbedeutenden,
für die Folgezeit allerdings sehr wichtigen Punkt in der Gesamt-
entwicklung des buntfarbigen Fensterschmucks, der durch die
Anwendung des einbrennbaren Schwarzlots markiert wird. Da-
gegen habe ich schon in der Gelegenheitsschrift: „Vierzig Jahre
Glasmalkunst“ darauf hingewiesen, daß alle Kirchen, für die uns
in der Frühzeit Glasmalereien bezeugt waren, Stiftungen der
Benediktiner sind: Das Kleinmünster in Zürich, in dem Bertha,
Ludwig des Frommen Tochter, Äbtissin war, Werden, St. Denis,
Reims, Sanct Gallen, Reichenau, Tegernsee sind von den
Söhnen des hl. Benedikt gegründet. Die Benediktiner haben
die antike und byzantinische Technik und Kunstübung innerhalb
ihres Ordens, dessen Regel der Kunstpflege äußerst günstig
war, weitergegeben und gebildet. Leichte Beweglichkeit und
42
Ideenzirkulation wurde durch die Praxis der Zentralkapitel und
des Scholarenaustauschs ermöglicht und sorgte für eine prompte
Ausbreitung der einzelnen Kunstzweige. Da sich aber innerhalb
des gemeinsamen ÖOrdensrings einzelne Klöster zu Kongrega-
tionen zusammenschlossen, so war von vornherein die Möglich-
keit einer Schulenbildung im kunstgeschichtlichen Sinn gegeben,
was wir auch an der Entwicklung der Glasmalerei bestätigt
sehen. Der Faden reicht also zurück bis in das christliche Alter-
tum, so daß bei der stetigen Weiterbildung der alten Idee bunt-
farbigen Fensterschmucks eine sprunghafte Erfindung von vorn-
herein ausgeschlossen ist. Darum hat die lange über Gebühr
aufgebauschte Mitteilung, daß um das Jahr 1000 die Glasmalerei
in dem bayrischen Kloster Tegernsee erfunden worden sei, ihren
Nimbus verloren. Die alten Tegernseer Mönche haben auch
niemals den Anspruch erhoben, die Erfinder und Begründer der
Glasmalerei zu sein, vielmehr sagt der Abt Gozbert in seinem
Briefe‘) an einen adeligen Gönner, es möge dem Konvent ver-
gönnt sein, die Scholaren, die mit der neuen Kunst nach dem
Kloster gekommen seien, zu prüfen und wenn sich ein Mangel
an ihrer Kunst zeigen sollte, zurückzusenden. — Wohin? —
Hören wir zunächst den Abt Gozbert: Dem Erlauchten Grafen
Arnold, dem durch den Ruhm seiner vielfachen Eigenschaften
überall berühmten Herrn, senden Abt Gozbert und der Konvent
der ihm unterstellten Brüder den Ausdruck anhaltender Fürbitten
und Gruß im Herrn. Die Dienste frommer Andacht, die Ihr
solange Zeit uns und den unsrigen unaufhörlich durch die mannig-
faltigen Leistungen und großen Dienste erwiesen habt, möge
Gott, der alles lohnt, auf die Bitten seines heiligen Zeugen
Quirinus, mit seinem Lohn unzähligemal vergelten vor der ganzen
himmlischen Heerschar! Mit Recht bitten wir Gott für Euch,
die Ihr unser Kloster mit solch ehrenden Werken verherrlicht
habt, wie wir weder früher geschaut haben, noch in Zukunft zu
sehen hoffen durften. Die Fenster unserer Kirche waren bisher
mit Tüchern verhängt, in Eueren glücklichen Zeiten aber strahlte
die goldhaarige Sonne zum erstenmal durch verschiedenfarbige
Gläser von Gemälden auf den Fußboden, und alle die dies sehen
!) Petz, Thesaurus anecdotum, Tom VI, Pars I, pag 122.
43
erfüllt große Freude, die sich über die Mannigfaltigkeit des un-
gewohnten Werkes wundern. Weil nun dieser Ort durch einen
solchen Schmuck ausgezeichnet ist, wird Euer Namen dem Tag-
und Nachtgebet einverleibt. Damit in der Folge das Gedächtnis
aller Eurer Verwandten hier begangen werde, laßt die Namen,
soviele Ihr wollt, auf Pergament aufsetzen und uns durch gegen-
wärtigen Boten übermitteln. Eurem Gutdünken stellen wir die
Prüfung der jungen Männer anheim, ob sie zu dem genannten
Werk schon derart geeignet sind, wie es für Euch ehrenvoll, für
uns aber nötig ist, oder wenn ich irgend einen Mangel an ihnen
entdecke, so möge es mir erlaubt sein, sie zwecks Vervollkomm-
nung zurückzusenden. Lebet wohl!
Daß ‚die verschiedenartigen Gläser von Gemälden‘ disco-
loria picturarum vitra““ wirkliche Glasmalereien darstellen, kann
als einwandfrei gelten. Jedoch bietet der Brief sonst eine Reihe
von Unklarheiten. Woher kamen die Fenster? Woher die noch
nicht erprobten Glasmaler? Warum soll der Graf prüfen? Wie
kann Abt Gozbert seinerseits untersuchen, ob die Künstler noch
irgendwie einen Mangel aufweisen, wenn er doch selbst von der
neuen Kunst keine Ahnung hatte? Endlich, wohin dürfen die
Scholaren gesandt werden, um die letzte Ausbildung zu bekom-
men? Eines steht von vornherein fest: Tegernsee kann nicht der
Ursprungsort der Glasmalerei sein, vielmehr ist diese Kunst an
einem anderen Ort gepflegt worden, und zwar schon so intensiv,
daß Schüler an andere Klöster abgegeben werden konnten. Daß
das Kloster S. Emmeram zu Regensburg diese Herberge der Kunst
war, ist sehr wahrscheinlich. Abt Gozbert wie sein Nachfolger Be-
ringer waren vordem Mönche in S. Emmeram. In den Regens-
burger Klosterstuben gedieh und blühte eine hochberühmte Mini-
atorenschule und eben der Zusammenhang zwischen Miniatur und
Glasmalerei, den wir für die entwickelte Tegernseer Glasmaler-
schule nachweisen können, läßt auch auf die Beziehung der
Tegernseer Filiale zu dem Regensburger Mutterkloster im
Falle der Glasmalerei einen Schluß zu. Dazu kommt, daß
Regensburg der feste Punkt war, über den der Levantehandel, der
Import byzantinischer Kunstwerke und Kunstformen wanderte.
In Münchener Privatbesitz befinden sich Reste von Glasmalereien,
die auf dem Dachboden der alten Emmerambasilika verborgen
44
lagen. An ihnen ist mit Sicherheit zu erkennen, daß sie !n die
allererste Zeit der romanischen Periode gehören. Das zeigt die
Eigenart der Glasfärbung und der breite Auftrag des Schwarz-
lots. Wir hören nun von Regensburger Glasmalerei nichts. Offen-
bar hat S. Emmeram die Führung auf diesem Gebiet dem Kloster
Tegernsee überlassen, und somit erscheint es wahrscheinlich, daß
jene Glasmalereireste aus dem 1o. Jahrhundert stammen. Nur
für den Fall, daß Regensburg die Heimat der Tegernseer Glas-
malerschule ist, erklärt sich Gozberts Äußerung, er wolle die
Scholaren prüfen. Als ehemaliger Mönch von S. Emmeram hatte
er die Übung der Glasmalerei stets vor Augen und die Vorbe-
dingungen, überhaupt prüfen zu können; jedenfalls hat ihn diese‘
Kunst besonders interessiert und er hat dann als Abt, den Gönner
des Klosters, den Grafen Arnold gebeten, wenn er dem Kloster
ein Geschenk machen wolle, so würden Glasfenster dem Abt und
Konvent eine besondere Freude bereiten. Auch muß zwischen
Regensburg, dem Grafen Arnold, dem Abt Gozbert bereits ein
Meinungsaustausch stattgefunden haben, ob man die Zentrale der
Glasmalerei nicht nach Tegernsee verlegen solle, ähnlich wie den
Glockenguß nach Freising, und es war offenbar schon zu einer
Einigung gekommen. Der letzte Satz des Briefes se:zt vieles vor-
aus und wäre für sich allein betrachtet, dem Grafen Arnold nicht
recht verständlich. Auch die unmittelbare Folgezeit beweist die
Richtigkeit unserer Annahmen: Sofort nach der Gründung der
Tegernseer Glasmalerschule laufen Bestellungen von Freising und
einer (unbekannten) Äbtissin ein. Freilich hat Gozbert sehr mit
Schwierigkeiten zu kämpfen. Er kann die Lieferzeit nicht ein-
halten und nur Teile senden, weil es an Glas fehlt. Ein Mönch des
Klosters Tegernsee, namens Godehard, verließ um 1002, also zu
einer Zeit, in der die Glasmalerei mit Begeisterung im Kloster auf-
genommen worden war, Tegernsee und gelangte nach einem
langen Aufenthalt in Heersfeld und Kremsmünster, 1022 auf den
bischöflichen Thron von Hildesheim. Aus der Zeit dieses Gode-
hards stammen ein paar Notizen, die allenfalls auf Pflege der
Glasmalerei in Hildesheim gedeutet werden können. Es ist die
Rede von ‚„pictoribus et eis qui vitro fenestras componebant',
sowie von einem „Glaser und Maler Liudiger“. Ob damit die
ersten Regungen glasmalerischer Tätigkeit in Hildesheim zum
45
Ausdruck kommen, oder ob schon unter Godehards Vorgängern
die Kunst in der alten Bischofsstadt geübt wurde, wissen wir nicht,
jedenfalls steht fest, daß die Regierung eines ehemaligen Tegern-
seer Mönches einen besonderen Einfluß auf die Entwicklung der
Glasmalerei ausübte.
Daß von den genannten Orten glasmalerische Tätigkeit be-
zeugt ist, von anderen dagegen nicht, hängt lediglich vom Zufall
ab. Nur das Ereignis in Tegernsee ist zu dem eigenen Thema eines
Briefes gewählt worden, während alle übrigen Erwähnungen Ge-
legenheitsnotizen sind. Darum ergibt sich für das ı. christliche
Jahrtausend folgendes Bild: Die Kunstverglasung hat sich auf
dem Boden des römischen Imperiums- entwickelt; sie erscheint
sofort nachdem das Edikt von Mailand im Jahre 313 eine ge-
steigerte Bautätigkeit für die christlichen Gotteshäuser geschaffen
hat. In die außeritalischen Gebiete kam die Sitte hauptsächlich
durch Vermittlung des Benediktinerordens auf dem Boden des
fränkischen Reiches. Von da aus gelangt sie durch Vermittlung
französischer ‚‚vitri factores‘‘ ım letzten Drittel des 7. Jahrhunderts
nach England und die übrigen nordischen Gebiete, so daß man
die Regierungszeit Karls des Großen als jene Periode bezeichnen
kann, in der sich die Sitte buntfarbigen Fensterschmucks über
alle Kulturreiche des Abendlandes verbreitet hat. Das 9. Jahr-
hundert bildet den mittleren Zeitpunkt, an dem die Entwicklung
von der Buntverglasung zu der mit Schwarzlot arbeitenden Glas-
malerei fortgeschritten ist.
B) Das Zeitalter des reinen Flächenstils.
l. Die frühromanisch=deutsche Schule.
Die ältesten, heute noch erhaltenen Glasmalereien befinden
sich, wie bekannt, im Dome zu Augsburg. Dieses ehrwürdige
Gotteshaus, das mit seinen ältesten Bauteilen noch in die früh-
romanische Zeit hineinragt, berühmt durch sein Portal, birgt in
den Hochschiffenstern den kostbarsten Schatz, den uns die Glas-
malerei hinterlassen hat, fünf Fenster mit Figuren von alttesta-
mentlichen Personen. Freilich war die Hochschätzung der Fenster
nichts weniger wie allgemein. Im Gegenteil, sie werden häufig
46
als primitive, fast rohe Erstlingsarbeiten angesprochen. Diese
niedrige Einschätzung hängt zunächst mit dem sehr verbreiteten,
aber irrigen Vorurteil zusammen, die Glasmalerei sei eine spon-
tane Erfindung des Io. Jahrhunderts, weswegen die Augsburger
Fenster selbstverständlich den Charakter des Primitiven, Unfer-
tigen an sich tragen müßten.
Die ungenügenden Reproduktionen der Fenster auf dem
Wege des lithographischen Verfahrens, die sich durch alle kunst-
geschichtlichen Werke hindurchzogen, haben der gerechten Be-
urteilung ebenfalls sehr geschadet. Erst vor einigen Jahren hat
der Verfasser dieses Buches die Glasgemälde auf Grund erstmaliger
photographischer Aufnahmen bekannt gegeben (siehe die Gelegen-
heitsschrift: Vierzig Jahre Glasmalkunst, Festschrift der Hofglas-
malerei Zettler, München 1912). Daß auch nach dieser Bekannt-
gabe von einer „unbeholfenen Haltung“ und einer „schwerfälligen
Technik‘ gesprochen wird, muß befremden. Auf den ersten Blick
vermag der Beobachter an Ort und Stelle zu erkennen, daß er es
nicht mit primitiven Erstlingswerken, sondern mit Höhenpunkten
glasmalerischer Entwicklung zu tun hat. Es sind fünf Figuren-
fenster mit einer Durchschnittshöhe von ca. 230 cm und einer
Breite von 54 cm, so daß die Figuren selbst die Höhe von unge-
fähr 210 cm haben. Der Rahmen, der sie umkleidet, ist spät.
Wahrscheinlich sitzen die Scheiben noch an ihrem ursprünglichen
Platz, nur daß die Scheiben bei einer späteren Erweiterung des
Fensterraums umrahmt werden mußten. Die ganze Technik dieser
überlebensgroßen Figuren ist, wie wir später sehen werden, für
Höhenwirkung berechnet. Sie stammen aus einem größeren Pro-
gramm, von dem noch erhalten sind:
I. Moses. Mit Leibrock, Mantel, Judenhut, den beiden Tafeln,
darauf .X..P. (decem praecepta) und Spruchband; darauf
-AUDI- ISRL - PRECEPTA - DN. (audi, Israel praecepta Domini).
Über dem Kopf die Umschrift ...OYSES (Moyses).
2. König David. Mit Krone und Zepter, und Spruchband,
darauf BEATI-Q-HAB...I-DOMO - TVA.DM. (Beati qui
habitant in domo tua, Domine. Über dem Kopf die Umschrift
DAVID - REX.
3. Der Prophet Daniel. Auf dem Spruchband die Schrift:
OSTEMNE : DM - FACIE-TVÄA.SVP.SEVRIV TVV. (Ost-
Tafel 3
mm cc!
oe UL
IT;
Teil einer Prophetengestalt. Dom zu Augsburg.
Mitte des ıı. Jahrhunderts.
47
ende domine faciem tuam super servum tuum). Das Wort SERV
ist während einer späteren Restauration verdorben worden. Über
dem Kopfe die Umschrift: DANIEL - PP. Daniel propheta.
4. Der Prophet Osee. Auf dem Spruchbande die Schrift:
EC... ERVDITOR - OMNIV.DS. (ecce eruditor omnium dominus).
Über dem Kopfe die Umschrift OSEE-PP. Osee propheta.
5. Der Prophet Jonas. Auf dem Spruchband die Schrift
RVRSVM - VIDEBO - TEPLV - SEV- DI-MI- rursum videbo
templum sanctum domini mei. Diese Stelle findet sich in dem
Buch des Propheten Jonas Kap. 2, Vers 5, so daß die Reste der
Umschrift richtig auf IONAS ergänzt sind. Bei einer Restauration
sind die Schriftteile, wie der Judenhut in Unordnung gekommen.
(Tafel 1—4.)
Die Scheiben waren im Lauf der Zeit verschiedenen Restau-
rierungen unterworfen. So erscheinen besonders die Hüte zum
srößten Teil aus späterem Glase hergestellt, wobei Fragmente
von den anderen, leider verlorenen Scheiben verwendet wurden.
Aus den letzten Jahrhunderten mit seinem glatten Glase sind nur
wenige Stücke zu bemerken. Die alte Bleifassung, das sog. ge-
hobelte Blei, ist noch an drei Flügeln (den beiden Flügeln der
‚ Mosesscheibe und dem unteren Flügel der Danielscheibe) not-
dürftig erhalten. Die Bleiruten erscheinen hoch und stark, sind
aber nur 5 cm breit. Auf der Jonasscheibe ist das Blei ungefähr
150 Jahre alt, während die übrigen Teile um 1870 mit Zinnruten
versehen wurden.
"Es ist erstaunlich, wie gut erhalten der größte Teil des Glas-
materials und der Konturen noch heute ist; diese stehen frisch auf
dem Glase und selbst der zu einer bescheidenen Modellierung
und einer leichten Angabe von Licht und Schatten verwendete
dünne Auftrag hat die zerstörenden Einflüsse langer Jahrhunderte
prächtig überstanden. Die außerordentlich einfache Technik, die
sich zurLinienführung und Erklärung derForm auf die notwendigste
Schwarzlotmalerei beschränkte, hat die gute Erhaltung begünstigt.
Was künden uns die stummen Prediger über die Verhältnisse
ihrer Entstehung? Wann haben sie zum erstenmal den Blick der
Gemeinde auf sich gelenkt? Wer sind die Künstler, unter deren
Händen sich so einfache Mittel zu so großen Wirkungen gestaltet
haben? Nachdem über sie keinerlei literarische Kunde auf uns
48
gekommen ist, können sie nur selbst und etwa noch der Bau, den
sie zu schmücken bestimmt waren, Aufschluß geben. Nach Schild-
hauer sind am Dom hauptsächlich drei Bauperioden zu unter-
scheiden, deren mittlere für uns in Betracht käme. Im Jahre 995
wurde mit einem Neubau begonnen und im Jahre 1006 fand eine
feierliche Weihe statt. Sechs Jahrzehnte später (1065) hören wir
abermals von einer Domweihe. Darum haben jene Autoren, die
den Fenstern eine relativ frühe Entstehungszeit zubilligten, auf die
Mitte des ıı. Jahrhunderts, etwa I050—60 erkannt. Im Jahre 1012
kamen unter Abt Reginbald Mönche von Tegernsee zu den Gräbern
der hl. Afra und des hl. Ulrich in Augsburg. Diese Siedlung brachte
eine große Blüte für das Kloster. Im Jahre 1064 wurde der Neubau
aufgeführt und bereits 1071 fand die feierliche Weihe statt. Es
wäre nun sehr seltsam, wenn die Tegernseer Kolonie nicht alle
Traditionen der Heimat nach dem neuen Wirkungskreis mitge-
bracht hätte, darunter vor allem die schöne Kunst der Glas-
malereı. Nicht minder seltsam, wenn man ın S. Ulrich auf den
Schmuck verzichtet hätte, den man so reichlich in dem nahe-
liegenden Dom anwandte. Tatsächlich hat S. Ulrich einst Glas-
malereien besessen, wie uns Prior Wilhelm Witwer in seinem
catalogus abbatum monasterii St. Ulrici et Afrae (um 1500) er-
zählt. Ich habe in der ‚‚Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei“
(1912, S. 4) die betreffende Stelle ins Deutsche übertragen, um
die Beurteilung des Fensters einem weiteren Kreise zugänglich
zu machen. Witwer sagt: „Im Chor der Kirche befindet sich ein
Fenster, das mit verschiedenen Figuren und Farben nach altem
Brauch hergestellt und bemalt ist. In der Mitte, und zwar im
oberen Teil des Fensters, ist ein Kreis, in dem die selige Jungfrau
Maria dargestellt ist mit folgender Inschrift: Omnibus ecce modis
ornat me gracia prolis. Auf der nördlichen Seite des Fensters —
aus dieser Bezeichnung ergibt sich, daß das Fenster nach Osten
schaute, dementsprechend in der Mitte des Chores sich befand;
für den Beschauer war die linke Seite der Fenster gegen Norden,
die rechte gegen Süden gewendet und in diesem Sinne: links und
rechts vom Beschauer, sind die Ausdrücke nördlich und südlich
zu verstehen — ist ein Engel mit Spruchband: Que est ista que
ascendit, auf der südlichen ebenfalls ein Engel mit Spruchband:
Pulchra ut luna, electa ut sol. Ferner sind beim unteren Teile
Tafel 4
Teil der Gestalt des Königs David. Dom zu Augsburg,
Mitte des ır. Jahrhunderts. Ku
Sg erehen
ee ee Te
ee
49
jenes Kreises zwei andere Kreise, der eine gegen Norden, in dem
ein Bild dargestellt ist, Virginitas benannt, mit einem Spruchband
quer über die Brust: Veni de Libano, und mit einer dreiblättrigen
Rose in der Rechten. Gegen Süden ist ein gleicher Kreis mit dem
Bilde Daniels und folgender Inschrift: Veni coronaberis. Ferner
ist in der Mitte des Fensters ein anderer Kreis, ähnlich dem vor-
her erwähnten, in dem drei Bilder von Frauen enthalten sind,
in der Mitte die heilige Afra, unsere Patronin, mit dem Spruch-
band: Est in sorte bona michi reposita iusta corona ; gegen Norden
ein Bild mit dem Spruchband: Unus accıpit pravium, in der Linken
ein kleines Kistchen; gegen Süden ein Bild mit dem Spruchband:
In tribulacione pascentes. Sodann befinden sich hier ebenfalls
zwei kleine Kreise: im. ersten, dem nördlichen, ist ein Bild, Mar-
tirum, mit der Schrift: Plantacio rose in Jericho, in der Rechten
das Zepter des Martyriums, in der Linken ein Strauß von drei
Rosen; im andern, dem südlichen, ist das Bild Jobs, in der Rech-
ten ein Stab, in der Linken das Spruchband: Odientes malum.
Schließlich aber ist im unteren Teile des Fensters in der Mitte
ein dritter Kreis, gleich groß wie die vorher beschriebenen; in
ihm sind drei Bilder heiliger Bischöfe, des Dyonisius, des ersten
Bischofs dieser Stadt, des Narzissus und des Ulrich. Von ihnen
hat nur der heilige Ulrich eine Schrift, die folgendermaßen lautet:
Officio fungor, quo sanctis ordine iungor. Sodann sind wiederum
zwei Kreise bei den Füßen der Bischöfe, rechts und links; nörd-
lich ist ein Bild, die Perseverancia, im Kreise auf der südlichen
Seite ein Bild, die Patientia, beide ohne Schriften. Am Rande des
Fensters sind zwei Halbkreise: nördlich das Bild Sacerdotium,
mit dem Spruchband in der Hand: Qui docet in doctrina, in der
Linken eine dreiblättrige Lilie; südlich das Bild Noes mit der
Schrift: Qui preest in solicitudine — doch halten es einige für
das Bild des Apostels Paulus. Am unteren Rande des Fensters
ist das Bild des Abtes Heinrich, kniend und mit erhobenen, nach
Art einesBetenden gehaltenen Händen, der diesesFenster renoviert,
bzw.ausgebessert und geschmückthat. Ferner sind enthalten folgen-
de Verse, bzw. eine Schrift auf dem Fenster im Kreise an den Seiten:
Ordo beatorum sub ymagine ponitur horum.
Dum No& rectores, Job sanctus signat angores,
Daniel et mores castos niveosque pudores.“
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. 4
50
Nach dieser Beschreibung dieses Buches ist vom Verfasser dieses
Buches eineRekonstruktion des Fensters versucht worden (s. Abb. ı).
Mit den Domfenstern hat dieses Glasgemälde scheinbar nun nicht
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Abb. 1. Rekonstruktion eines Fensters aus dem Chor der
Sankt U’richskirche zu Augsburg. I1. Jahrhundert.
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die geringste Verwandtschaft, dagegen eine um so innigere mit
einem Blatt des Uta-Evangeliars, das im Jahre 1002 angefertigt
wurde. Hier wie dort findet sich die Einteilung in Kreise, ‘” denen
' allegorische oder heilige Gestalten mit Spruchbändern einge-
51
zeichnet sind. Geradezu parallel erscheinen die das Knie beugende
und betende Äbtissin Uta und der das Knie beugende und betende
Abt Heinrich. Betrachtet man den durch Mauerwerk und einge-
bleite Kreise gegebenen Grundriß des Fensters von Ste Ulnichs
Abb. 2. Blatt aus dem Evangeliar der Äbtissin Uta
aus Regensburg. Um 1002.
so erkennt man darin sofort eine von den „Urformen frühchrist-
licher Fensterverschlüsse. Miniatur und Architekturglied sind
sich so auf halbem Wege begegnet, um den Rest bis zur Ent-
‚stehung: eines Glasgemäldes gemeinsam zurückzulegen. Über die
EntsAungszeit des Fensters haben wir außer dem Vergleich mit
der eben genannten Handschrift, den Baudaten der Kirche, noch
4*
52
eine Notiz Witwers zu befragen. Der Prior sagt von dem Abt
Heinrich III. (1183—1187): renovavit hanc fenestram, sive me-
lioravit ac decoravit. Im Jahre 1183 hatte nämlich ein Brand das.
Kloster und die Kirche heimgesucht, durch den das Fenster nicht
zerstört, sondern nur beschädigt wurde. Die Entstehungszeit des.
Glasgemäldes liegt also zwischen 1002 und 1183. Nun heißt es,
wie oben bemerkt, am unteren Teil des Fensters sei das Bild des.
Abtes Heinrich angebracht. Mit Namen Heinrich gab es drei
Äbte, Heinrich I. (1031— 1044), Heinrich II. (1171—1177) und
der eben genannte Heinrich III. Wahrscheinlich kann nur Abt
Heinrich III. in Betracht kommen. Sein Bild wäre also, wie das.
eines Stifters, in die untere Fläche .des restaurierten Fensters ge-
kommen. Es spricht kein Grund gegen die Annahme, daß das.
von Heinrich III. restaurierte Fenster aus der Zeit des ersten
Kirchenbaus nach Einwanderung der Tegernseer Benediktiner, also:
spätestens in die Zeit unmittelbar vor 1071, fällt.
Wie dem auch sei, der von selbst sich ergebende Hinweis.
auf die Buchmalerei muß die Untersuchung des Stils beider Ar-
beiten auf diesen Gesichtspunkt hin veranlassen. Äußerlich bietet
eben das unter Abbildung 2 wiedergegebene Blatt des Uta-Evan-
geliars eine direkte Parallele zu dem nicht mehr erhaltenen Fenster
aus S. Ulrich. Für die Domfenster vermag aus der noch vor-
handenen Miniaturengruppe der Regensburger Schule nichts als.
unmittelbares Spiegelbild in Betracht zu kommen. Wenn wir aber
auf der Miniatur die streng linear geführten Federstriche, durch
die die Konturen angegeben sind, mit den Schwarzlotkonturen
der Domfenster vergleichen, so werden wir ohne weiteres zum
Schlusse gedrängt, daß beiden Arbeiten das gleiche stilistische
Prinzip zugrunde liegt. Swarzenski hat in seinem ausgezeichneten
Buche ‚Die Regensburger Buchmalerei usw.‘ die Ottonische Buch-
malerei einer eingehenden Analyse unterzogen. Dabei stellte er
fest, daß sich noch am Ende der Antike in der Buchmalerei eine
‘Scheidung vollzog. Der antike Buchschmuck entlehnte seine Sti-
listik der Monumentalmalerei, so daß die Miniaturen auf plastische.
Gestaltung im Raum und impressionistische Gesamtwirkung hin-
zielten. Da dieser Eindruck dem eigentlichen Wesen der Buch-
malerei nicht entsprach, bildete sich noch in den Zeiten der An-
tike ein mehr zeichnerischer Stil, der zur bewußten Herausent-
5
wicklung einer spezifischen Kodexillustration führte. Der mehr
malerische, aus der Antike geradlinig übernommene Stil herrschte
vornehmlich in Lothringen und Frankreich, während der zeich-
nerische seine Pflege ın Süddeutschland in Fulda, auf der
Reichenau, später in Regensburg fand. S. Emmeram hat den
Charakter der rein zeichnerischen Kunstdarstellung im Gegen-
satz zu den dramatisch bewegten Kompositionen Westdeutsch-
lands (Triers) bewahrt und an seine Filiale Tegernsee weiterge-
geben. Trotz der kompositionell reichen Ausstattung des Uta-
evangeliars, wie des Fensters von S. Ulrich, ist auf dem Blatt
durchweg jener rein zeichnerische, fast nur mit Geraden arbeitende
Stil deutlich zu erkennen. Am strengsten sind die Fenster im Dome
gehalten. Bringt die Übertragung einer Miniatur auf Glas an sich
schon eine Verschärfung des Zeichnerischen und eine Minderung
des Malerischen mit sich — wofern der Charakter der Glasmalerei
als einer reinen Flächenkunst nicht alteriert wird — so haben die
Künstler der Domfenster in weiser Berechnung des Zwecks die
Monumentalität noch besonders betont. Die Glasgemälde waren
von vornherein auf Höhenwirkung, auf monumentalen Eindruck
berechnet. Darum der breite Auftrag des Schwarzlots, der fast
völlige Verzicht auf die Angabe von Details: Geringe Verzierungen
auf den Schuhen, kleine Kreise an den Gewandsäumen, Palmetten
auf dem Boden, Rosetten als Gewandschließen waren mit Schwarz-
lotmalerei dargestellt. Nur die Tunika Osees, die Beinlinge des
Moses tragen durchweg Verzierung, aber in geometrischer Ein-
fachheit, ein in Rauten gestelltes Vierblatt, das,"wie die darunter
befindlichen Kreise, in Radiertechnik ausgeführt ist. Wo sonst
ein Ornament angezeigt schien, wie an der Krone und den Gewand-
säaumen Davids, da griff der Künstler zu dem ebenso einfachen,
wie kräftigen Mittel der Einbleiung verschiedenfarbiger Glasstücke,
einer deutlichen Anleihe von’ der Emaillierungskunst.
In der Handschrift lassen sich bestimmt zwei Künstler unter-
scheiden. So stammen die Figuren des Daniel, Moses, Osee von
einer Hand, während die Figuren des David und Jonas im Charak-
ter des Strichs auf einen anderen Künstler schließen lassen. Ent-
gegen der streng zeichnerischen Schwarzlotführung biegt die Kon-
tur an den Knien der Jonas- und Danielfigur plötzlich in eine drei-
geschwänzte Spirale um. Man hat diese Seltsamkeit nie beachtet,
54
da sie offenbar als stilistische Spielerei angesehen wurde. Nur
Geiges kommt in seinem gründlichen Werke: „Der alte Fenster-
schmuck des Freiburger Münsters‘‘ darauf zu sprechen und zieht
zum Vergleich einzelne Werke der Plastik (in Ve&zelay), der Malerei
(in Montmorillon), des Emails (im ungarischen Nationalmuseum
und in der Reichen Kapelle zu München) heran und hält sie für
eine „starr schematische Darstellungsweise des Knochengerüstes“',
die sich bei den Augsburger Fenstern ‚zu einer vollständigen
Loslösung von der eigentlichen Gestalt der Körperteile auswächst“.
Geiges hat mit diesen Vergleichen völlig recht. Allein, da die
Augsburger Fenster als älteste Arbeit am Anfang der Entwick-
lung stehen, erhebt sich die Frage: Aus welchem Kunstempfinden
heraus ist dieses seltsame Motiv entstanden? Meines Erachtens
hat erst die „Ausstellung von Meisterwerken mohammedanischer
Kunst‘ Licht in die dunkle Herkunft jener Kunstsprache gebracht.
Die Fenster des Domes zu Augsburg waren auf meine Veranlas-
sung hin eben photographiert, da öffneten sich die Tore der Aus-
stellungshallen in München und zahlreiche, bisher kaum oder gar
nicht bekannte Kunstwerke konnten zum Vergleich und zur
Hilfe beigezogen werden. Am reinsten fand sich das Spiralmotiv
auf einem Stoff, der zwei Löwen darstellte. Die Knöchel zeigten
die nämliche Spirale, wie wir sie auf den Fenstern des Augsburger
Doms erblicken. Dieser Stoff aber stammte aus dem sassanidisch-
persischen Kunstkreis. Daß diese Tatsache nicht vereinzelt oder
wenigstens nicht ohne inneren Zusammenhang mit der Augsburger
Formensprache erscheint, geht daraus hervor, daß sich die ge-
samte Formgebung und das gesamte Empfinden für Ornament
und Zeichnung der Augsburger. Fenster aus dem sassanidisch-
persischen Kunstkreis erklären läßt. Man braucht nur die Bronze-
gefäße zu betrachten, die auf der Ausstellung zu sehen waren und
jetzt in dem prachtvollen Werk Sarre-Martin, Meisterwerke mo-
hammedanischer Kunst, München 1912, abgebildet sind. Siehe
z.B. Tafel 129. In Persien hat sich das Spiralmotiv erhalten und
in die byzantinische, wie mohammedanische Kunst eingenistet.
So begegnen wir ihm auf einer Bronzekanne des 6. Jahrhunderts,
(siehe Tafel 129), auf dem Bruchstück einer Fließe (Tafel 110), auf
Elfenbeinstücken (Tafel 253). Es wurde beibehalten auf spanisch-
maurischen Brokaten, wie einer im Domschatz zu Würzburg sich
Tafel 5
Madonna. Glasgemälde im Schweizerischen Landes-
museum zu Zürich. Aus Flums. Anfang des 12. Jahrh.
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befindet, auf sarazenischen Brokaten (Tafel 187), auf der Schließe
eines deutschen Kaisermantels (Geiges, S. 47). Die Kunst des
Ostens ist also auf dem Weg über Byzanz nach dem Westen in
die Glasmalerstuben gedrungen. Für Süddeutschland kommt als
Vermittlungsstation die alte Zentrale des Levantehandels, Regens-
burg wie auch Salzburg in Betracht. An die Salzburger Minia-
turenschule erinnert die eigentümliche Ausbiegung der Falten-
konturen, von der noch im folgenden Kapitel die Rede sein wird.
Ein besonders gütiges Geschick hat noch zwei Glasgemälde
der Nachwelt überliefert, die dem Charakter der Augsburger
Scheiben nahe stehen. Das eine ıst das Timotheusfenster aus Neu-
weiler ım Elsaß, das andere eine Madonnenscheibe im Schweize-
rischen Landesmuseum zu Zürich (siehe Tafel 53). Das Timotheus-
fragment befindet sich jetzt im Clunymuseum zu Paris und ist
von Robert Bruck (Elsässische Glasmalerei) bekannt gemacht wor-
den. Die Madonnenscheibe im Züricher Landesmuseum aber war
bis zum Jahre 1834 an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort, der
S. Jakobkapelle zu Flums unweit Walenstadt. Es bildet die nächste
uns bekannte Stufe nach den Augsburger Fenstern und stellt vor
farblosem Hintergrund die sitzende Maria mit Kind dar. Das
Kınd schaut nach einem großen roten Apfel, den Maria in der
Rechten hält. Über dem Haupte Marias schwebt der Heilige Geist
in Gestalt einer Taube. Das Ganze ist in eine mäßig breite Gir-
lande von stilisierten weißen Blättern auf schwarzem Grunde ge-
rahmt. Marias Kleid zeigt, ähnlich wie die Figur des Propheten
Osee, durchgehende Musterung. Auch sonst tritt die Verwandt-
schaft zwischen den Augsburger Fenstern und der Flumser Madonna
offen zutage. Über das Timotheusfenster in Neuweiler handelt
ausführlich Robert Bruck, und bemerkt, daß dasselbe in die Zeit
zwischen den Augsburger Domfenstern und der Entstehung des
Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg, einer Handschrift
aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, falle. Wir können
Bruck recht geben und halten die Timotheusscheibe für eine
Weiterentwicklung gegenüber der Flumser Madonna, wobei wir
die Frage zunächst unerörtert lassen können, wo sich die Weiter-
entwicklung vollzogen hat und ob nicht der Meister des Timotheus-
fensters von S. Denis beeinflußt war. Davon im nächsten Kapitel.
Die Faltenzeichnung, trotz ihrer freien Linienführung, die Stellung
56
und Ausführung der Hand, die Einbleiung der Nacktpartie des
Kopfes in die Haare, das Ornament der Palmette — das alles
beruht auf dem Prinzip der Augsburger Domfenster, dem, wie ge-
zeigt, auch die Flumser Madonna folgt. Diese steht entwicklungs-
geschichtlich zwischen Augsburg und Neuweiler. Der Auftrag
des Schwarzlots ist völlig identisch mit dem Stil auf den Augs-
burger Fenstern. Breit und massig steht es auf dem Glas. Fast
keine Spur von Modellierung oder Andeutung von Licht und
Schatten. Demgegenüber versucht der Meister des Timotheus-
fensters bereits eine zielbewußte Modellierung, z. B. in der Hand-
fläche, am Hals, um die Nase; mit leicht aufgetragenem Überzug
deutet er starke Schatten an.
Man kann die Fenster zu Augsburg, Flums in gewissem Sinn
als Arbeiten der Tegernseer Schule bezeichnen, insofern sie den-
selben Gestaltungsprinzipien folgen. Es ist die älteste Gruppe, die
wir kennen, und wir nennen sie am ehesten die frühromanische
deutsche Schule; damit soll selbstverständlich nicht behauptet
werden, daß das Fenster zu Flums in Tegernsee angefertigt wurde,
obwohl der Betrieb daselbst sehr ausgedehnt und der Versand
fertiger Glasgemälde außerordentlich weite Gebiete aufsuchte.
Einmal in Übung gekommen, erfreute sich die Glasbemalung
großer Beliebtheit, und begreiflicherweise bildeten sich an Kultur-
und Kunstzentren des Benediktinerordens Filialen der Tegernseer
Schule. Im wesentlichen beschränkt sich der Kanon der Tegern-
seer Schule auf die bayrisch-alamannischen Gebiete. Elsaß, das
Bindeglied zwischen Deutschland und Frankreich, öffnete sich
sehr bald französischen Einflüssen. Diese überstiegen sogar den
Schwarzwald, wie die im Museum zu Stuttgart erhaltene Scheibe
aus dem ehemaligen Kloster Alpirsbach lehrt. (Abgebildet bei
Balet, Schwäbische Glasmalerei). Die frühromanische deutsche
Schule liebte die Einzelfigur und zog sie der in Frankreich ge-
schätzten Szenendarstellung vor. Das erklärt sich zum Teil aus
einer besonderen ästhetischen Neigung für das Monumentale,
Architektonische in der Glasmalerei. Es ist oft bemerkt worden,
daß die deutsche Kunstübung die Vertikale bevorzuge. Diese Be-
obachtung trifft für die Glasmalerei vollkommen zu. Die Fenster
erzielen ihren gewaltigen, monumentalen Eindruck eben durch
diese Betonung der Vertikalen, durch die Füllung des ganzen
Tafel 6
1:
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Labeı].e)
Miniatur aus einer Salzburger Handschrift; codex lat. 15812 der
Münchener Hof- und Staatsbibliothek. Um 1150.
57
Fensters mit einer ein..gen Figur. Es ist möglich, daß um die
Figur ein ornamentaler Rahmen, wie in Flums und Neuweiler,
gezogen war. Immerhin aber wollen die Fenster durch Gesamt-
eindruck, durch Monumentalität wirken, nicht bloß, ja nicht ein-
mal in erster Linie, durch augenerfreuende Buntfarbigkeit, wie
die französischen Glasgemälde. Die Farben sind im Gegenteil
höchst einfach und im Gegensatz zu den französischen Glasmale-
reien in großen Glasflächen wiedergegeben. Die deutschen Glas-
fenster ordnen sich streng dem tektonischen und religiösen Ziel
des Gebäudes unter, das sie zieren, sie erbauen und lenken auf
das Wort des Predigers und die Symbolik des Gottesdienstes; die
französischen ergötzen und lenken ab. Darum die große Feind-
schaft des heiligen Bernhard und der Cisterzienser gegen die fran-
zösische Glasmalerei, überhaupt gegen die figürliche Glasmalerei.
Wir wissen wohl, daß auch auf französischem Boden Einzelfiguren
dargestellt wurden, ja direkt in ein festes Ausstattungsprogramm
gehörten, das Emile Mäle (L’art reiigieux du XII. siecle en France)
im einzelnen gezeigt hat. Allein aus den ersten Jahrzehnten der
französischen Glasgemälde, die zudem reichlich nach den bayrisch-
alamannischen Arbeiten entstanden sind, findet sich stets die Szene
an Stelle der Einzelfigur. Dieser Beobachtung widerspricht auch
nicht das oben gekennzeichnete Fenster von S. Ulrich und S. Afra,
da dieses auch im zeichnerischen Charakter der Tegernseer Mini-
aturen gehalten war.
Es ist ein kleiner Bruchteil, der sich aus dieser ersten, der
frühromanischen deutschen Schule erhalten hat. Daß sehr viel
verloren gegangen ist, besagen uns nicht nur vereinzelte Nach-
richten über Feuersbrünste, Zerstörungen durch Hagelschlag, son-
dern noch beredter die Tatsache, daß zu Beginn des ı2. Jahr-
hunderts kleine Pfarreien wie Neuweiler, ja sogar einsame Berg-
kirchlein wie Flums, glasmalerischen Schmuck aufwiesen. Sollte
eine Kathedrale, ein Münster buntfarbiger Fenster entbehrt haben,
wenn sich die bescheidensten Gotteshäuschen im Dorfe bereits
eines solchen Schmuckes erfreuten? Von diesem Gesichtspunkte
aus gewinnen die paar zerstreuten Notizen über alte Glasmaler,
so über den vitrearius Stracholfus, servus Sancti Galli, dem Lud-
wig der Fromme einen Anzug schenkte, über den Fenestrator Otto
in Köln um 1140 und einige andere neue Bedeutung. Wie frei-
58
lich die ältesten Glasmalereien Kölns ausgesehen haben, läßt
sich nicht einmal vermuten; denn bis zu dem ältesten erhaltenen
‚Werk sind es noch mehr wie hundert Jahre.
2. Die frühromanisch-französischen Schulen.
a) Die Schule von Chartres.
Zwei bis drei Menschenalter mögen seit der Entstehung der
Augsburger Fenster verflossen sein, als die bischöfliche Kirche
zu Chälons-sur-Marne einen großen Glasgemäldeschmuck bekam
und damit die lange Reihe noch erhaltener französischer Glas-
malereien eröffnet. Sie stehen nicht mehr, wie die Augsburger
Domfenster an ihrem ursprünglichen Platze, sondern sind ver-
schiedene Male versetzt worden. Dabei mag manches verloren
gegangen sein. Immerhin aber ragen die 19 erhaltenen Überreste
als mächtige Zeugen französischer Primitive in die Gegenwart
herein. Um nicht mißverstanden zu werden, möchten wir betonen,
daß die Glasgemälde zu Chälons-sur-Marne natürlich nur insofern
französische Primitive genannt werden, als sie die ältesten erhalte-
nen Arbeiten auf französischem Boden darstellen, denen vielleicht
zahlreiche, aber nicht mehr vorhandene Glasgemälde vorange-
gangen sind. Der Unterschied zwischen diesen Glasmalereien
von Chälons und der deutschen frühromanischen Schule springt
sofort in die Augen. An die Stelle der Einzelfigur ist die Szene,
an die Stelle der Vertikalen das Medaillon getreten. Auf dem einen
Medaillon sehen wir in vier Szenen die Legende Gamaliels und
des Priesters Luzian, ein anderes zeigt die symbolischen Gestalten
der Kirche und Synagoge, ein drittes enthält die Kreuzigung
während von einem vierten Glasgemälde nur mehr die linke Seiten-
figur erhalten ist. Gegenüber der von allem Wirklichen abge-
wendeten Übersinnlichkeit der deutschen Schule, deren eisernen
Ruhe, zeichnet die französischen Arbeiten ein bemerkenswertes
Streben nach Realismus, insbesondere nach Versinnlichung des
inneren Lebens, aus. Dies geschieht aber nicht etwa durch den
Gesichtsausdruck, als vielmehr durch Aktionen und Körper-
bewegungen, die gerne bis zu unnatürlichen Verdrehungen aus-
arten, wie auf den Glasgemälden zu Le Mans zu erkennen ist. Die
Gewänder sind an den unteren Teilen faltiger und bewegter, Hände
Tafel 7
Detail aus einem Glasgemälde der Kathedrale zu Poitiers.
Zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts.
rn ng ame A an an een Ermeren eeneers
>
werden nicht sklavisch streng auf der Brust gehalten, sondern
entfernen sich vom Leibe. Dies alles soll dem Streben nach Ver-
äußerlichung des Pathos, dem frischeren Naturalismus dienen.
Ganz besonders fällt die Wiedergabe anatomischer Kenntnisse
an dem Körper Christi auf. Trotz dieser gewaltigen Unterschiede
in der Auffassung finden sich andererseits sehr viele Berührungs-
punkte zwischen der deutschen und französischen Schule. Die
Führung des Schwarzlots, die charakteristische Verlängerung des
einen Schenkels bei in Winkelform zusammenstoßenden Schwarz-
lotstrichen, die Schrafhie-
rung der Haare ist dieselbe
geblieben. Diese merk-
würdige Verlängerung des
einen von zwei zusammen-
stoßenden Schwarzlot-
strichen über den Schnitt-
punkt hinaus ist ein Über-
bleibsel aus der Technik
der Miniatur zur Andeu-
tung gebrochener Falten
undführt unsindieSchreib-
stuben der alten Mönche.
Insbesondere die Salz-
burger Schule liebt diese
Gewohnheit (siehe Tafel 6). Abb. 3. Mittelpunkt der großen Rose in der
Modellierung und Angabe Kathedrale zu Lyon. 13. Jahrhundert.
von Licht und Schatten
sind kaum über die Technik des Timotheusfensters hinaus ge-
schritten. Dagegen erscheint die Zeichnung freier und lebhafter.
Was wollen wir mit unseren Hinweisen auf die deutsche Schule
und gar auf die Schreibstube in Salzburg sagen? Wollen wir da-
mit indirekt behaupten, daß die frühromanisch-französische Schule
von der deutschen Technik beeinflußt gewesen sei? Gewiß, das
wolien wir. Deutschland und Frankreich sind gemeinsam von dem
byzantinischen Formenschatz bedient worden, der seinerseits wie-
der eine Weiterbildung der sassanidisch-persischen Kunst ist. Das
meint auch jene Legende, die sagt, byzantinische Emailleure seien
die Lehrer der Glasmalerei gewesen. Entsprechend dem verschie-
60
denen Nationalcharakter verarbeiteten dıe beiden Länder den
gleichmäßig überkommenen Bestand in verschiedener Weise
weiter. Deutschland liebt den zeichnerischen, Frankreich den male-
rischen Stil. Die Technik aber und die Ausdrucksmittel blieben
während der frühromanischen Periode hüben wie drüben gleich.
Darum aber, nur darum ist es erklärlich, wie eine Lieblingsgewohn-
heit der Salzburger Schreibstube auf fast allen Glasgemälden des
ı1. und ı2. Jahrhunderts wiederkehrt und der Gedanke gewinnt
große Wahrscheinlichkeit, daß sich in der Südostecke des deut-
schen Reiches die Technik und Stilistik der Glasmalerei zu einem
festen Kanon ausgebildet hat, der auch im Westen Europas un-
beschadet der Eigenart des keltoromanischen Naturells Eingang
gefunden hat. Darum ist es auch erklärlich, daß sich die uns aus
der persisch-byzantinischen Kunst, dann auf den Augsburger Fen-
stern geläufige Spirale an den Knieen, auch auf dem Himmel-
fahrtsfenster der Kirche zu Champ (Isere) (Tafel 8), allerdings
in einer freieren Form wiederfindet. Eben dieses Fenster, auch
ein Medaillon, zeigt eine Umrahmung, die auf denselben Pal-
mettenmotiven beruht, wie das Neuweiler Glasgemälde. Es ließe
sich also daran denken, daß die frühromanisch-französische Schule
eine direkte Weiterbildung der frühromanisch-deutschen Schule
im national-keltoromanischen Sinn ist!). So wie die Verhältnisse
sich aus dem jetzt noch vorhandenen Material erfassen lassen,
hat sich die Entwicklung der Glasmalerei in folgender Weise voll-
zogen: Formenschatz und Technik stammen von Byzanz, indirekt
noch weiter von Osten, wie wir im vorausgehenden Kapitel ge-
zeigt haben, — Rom kann bei dem gänzlichen Mangel originaler
Glasmalereien während des ıı. und 12. Jahrhunderts nicht in
Betracht kommen. — Je weiter die Kunst nach Westen vordringt,
desto mehr verblaßt die byzantinische Eigenart; zudem trifft sie
fast überall in ihren natürlichen Haltepunkten, den Klöstern, auf
entwickelte, mit eigenen Stil arbeitende Schreibstuben, so Salz-
burg, Regensburg. Dadurch reift eine neue Formensprache für
die Glasmalerei heran, die die Elemente der byzantinischen Ein-
t) Mäle sagt, die Schule von Reims, l’&cole champenoise, habe etwas „Byzan-
tinisches, Germanisches an sich‘. Ursprung und Chronologie dieser Schule seien nicht
erklärbar. Die Beobachtung Mäles, daß die Ecole champenoise etwas Germanisches
an sich hat, ist richtig und erklärt gleichzeitig die Provenienz der Schule.
Tafel 8
Fenster in der Kirche zu Le Champ (Isere).
Zweite Hälfte des ı2. Jahrhunderts.
Nach einer Photographie von L. Begule.
erg
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61
wanderung mit den Grundsätzen der lokalen Schreibstube or-
ganisch verbindet. Es entsteht ein Kanon von festen Formen über
den Auftrag des Schwarzlots, der einzigen spezifischen Neuheit
der neuen Kunst, und dieser Kanon greift bei allen Ausstrahlungen
von den östlichen Zentralen nach den verschiedenen westlichen
Punkten über. Auch in diesen Klosterschulen trifft dieser Kanon
auf bestimmte Lokaltradi-
tionen in Auffassung der
Kunst im allgemeinen, und
so entstehen gleich von An-
fang, trotz aller gemein-
samen Ursprungsmerkmale,
scharf von einander unter-
schiedene@Glasmalerschulen.
Wir lesen zwar in dem be- -!
rühmten Buch von Hucher:
„Ce qui est admis par tout
le monde c’est que la pein-
ture sur verre est uns art
tout frangais; que c’est en.
France qu'il a pris naissance
ou au moins son plein ac-
croissement“, und dieser Lre-
dankengang hat sich bis zur
Stunde in fast allen franzö- °
sischen Werken unversehrt
und. mackellos erhalten.
„L'’art du vitrail est un art Abb.4. Detail aus einem Fenster der Kathedrale
aussi frangais que Tarchitec- zu Lyon. 13. Jahrhundert.
ture dite gothique.“ Mit E
diesem Glaubensbekenntnis eröffnet L. Begule im Jahre 1911 sein
sonst sehr verdienstliches Werk über die Glasgemälde der Gegend
von_Lyon. Allein, wenn auch noch so oft wiederholt, hält dieser Satz
vor der Wahrheit nicht stand. In der spätern, besonders gotischen
Periode, gingen von Frankreich viele Anregungen auf dem Gebiete
der Glasmalerei aus, allein in der frühromanischen Zeit konnte
Frankreich nichts bieten, da es nichts hatte. Vergleicht man die
frühromanisch-deutsche Schule mit der frühromanisch-französi-
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62
schen Schule, so fällt der Vergleich in Hinsicht auf die Qualität
entschieden zugunsten der deutschen Glasmalerei aus. In Deutsch-
land wurde man mit dem monumentalen, alles Detail, alle Auf-
'regung vermeidenden Stil, dem Charakter der Glasmalerei weit
mehr gerecht, als in Frankreich mit dem unbeholfenen, mißglück-
ten Versuch, Lebenswahrheit und Temperament auf den Glas-
fenstern wiederzugeben. Zwar hatte man in Frankreich eine schär-
fere Witterung für die unbeschreiblichen koloristischen Möglich-
keiten, die der Glasmalerei innewohnten, allein der Kolorismus
war erst dann in der richtigen Bahn, wenn er einer der Eigenart
des Materials entsprechenden Zeichnung diente. Die Legende von
Frankreich, als Lehrmeister der Glasmalerei, mag zum Teil sich
aus der Tatsache erklären, daß die Franzosen als Stamm den be-
zaubernden Wohllaut farbiger Glasfenster mit größerer Lebhaftig-
keit aufnahmen, als der etwas bedächtigere Deutsche, daß daher
während des ı2. und 13. Jahrhunderts Glasmalerschulen wie eine
Kadmossaat aus dem Boden sproßten, und daß französische Ar-
beiten hart an, ja über die Grenzen des bayrisch-alamannischen
Gebiets gedrungen sind, werden wir in den nächsten Kapitel sehen.
b) Die Schule von S. Denis.
Ungefähr zu gleicher Zeit, wie die Glasgemälde zu Chälons-
sur-Marne entstanden sind, hat Abt Suger von S. Denis seine
neue Abteikirche mit einem Fensterschmuck versehen lassen.
(Zwischen 1140— 1144.) Von diesem Schmuck ist nicht mehr viel
erhalten geblieben; dagegen besitzen wir eine genaue Beschrei-
bung, die der Abt selbst in seinem berühmten Buch de rebus in
administratione gestis aufgezeichnet hat: „Wir haben auch die
herrlichen neuen Fenster von dem ersten mit dem Stammbaum
Jesse im Chor der Kirche bis zu dem, das über dem Hauptportal
steht, durch die kundige Hand vieler Meister aus verschiedenen
Nationen malen lassen. Eines von ihnen, das vom Sinnlichen zum
Übersinnlichen aufruft, stellt den Apostel Paulus dar, wie er eine
Mühle dreht, während die Propheten Säcke zur Mühle tragen.“
Darunter befindet sich eine erklärende Inschrift. Diese Szene will
sagen, daß das Alte Testament nach der Lehre des heiligen Paulus
sich ganz ins Neue auflösen mußte, und während es sich umbildete,
63
wurde es gereinigt; die Spreu, die Unvollkommenheiten des alt-
testamentlichen Gesetzes ist verschwunden, geblieben ist nur das
reine Mehl. Diese Szene war in ein Rundmedaillon komponiert
und bildete noch mit drei anderen ein Fenster. Nach Sugers Be-
richt enthielten die drei Medaillons, mit einer einzigen Ausnahme,
Darstellungen aus dem Leben und Lehren des Moses, dem noch
ein zweites, ebenfalls mit vier Medaillons ausgestattetes Fenster,
gewidmet war. Unmittelbar an die Gesetzesmühle schloß sich
.die symbolische Szene, wie von dem Gesichte des Moses der Schleier
genommen wird. Das nächste Medaillon ist noch erhalten und
stellt dar, wie das Kreuz aus der zum Triumphwagen erweiterten
Arche herauswächst und vom Vater gehalten wird. Auf dem an-
deren Fenster ließ Suger aus der Mosesgeschichte anbringen:
Moses ım Binsenkörbchen, Moses vor dem brennenden Dornbusch,
den Untergang der Ägypter im Roten Meer und endlich die Ge-
setzgebung auf dem Berge Sinai. Außerdem war noch ein Stamm-
baum Jesse dargestellt. Emile Mäle hat in seiner geistreichen
Abhandlung über die französische Glasmalereil) Saint-Denis als
Ausgangspunkt aller französischen Glasmalerschulen des ı2. und
3. Jahrhunderts bezeichnet. Woher aber stammt die Schule von
Saint-Denis? Suger sagt, er habe die Glasmaler aus verschie-
denen Nationen zusammenkommen lassen. Man dürfte unter an-
deren wohl an Deutschland denken, wenngleich der Begriff natio-
nibus nicht im heutigen Sinn zu fassen ist. Für S. Denis bildeten
Burgunder, Bewohner des Lyonnais ebenso diversas nationes,
wie etwa Rheinländer oder Alamannen. Aber daß deutsche Meister
an den Glasgemälden von S. Denis mit beschäftigt waren, kann
als ebenso wahrscheinlich gelten, als die Mitarbeit von Künstlern
aus Chälons-sur-Marne und Le Mans. Mäle sagt über die Künst-
ler von S. Denis nur, daß sie auf den Schultern von hervorragen-
den Meistern der Technik gestanden sein müßten. Wir werden
darauf später zurückkommen. Von S. Denis ging die Schule zu-
nächst nach Chartres, wo die drei Fenster der Westfassade ( Stamm-
baum, Kindheit und Passion) angefertigt wurden. Auch nach
York in England schlug ein Strahl aus mit den Fenstern des Jahres
1159, wobei dahingestellt sein mag, ob die Yorker Fenster ein-
t) In Andre Michel, Histoire de l’art I, 2 S. 783 ff.
64
fach Import aus S. Denis oder Chartres sind. Für Vendöme
schufen die Künstler von S. Denis eine Kopie der Scheibe wie
Gott Vater den Sohn trägt. Auch Le Mans weist nach Mäle eine
große Verwandtschaft mit S. Denis auf. Über Chartres gehen die
Traditionen von S. Denis nach Angers und Poitiers. Die Wind-
eisen auf den Fenstern von Poitiers gehen noch gerade mitten durch
die Fenster, während die Schule von Chartres die Windeisen mit
den Medaillonkonturen zusammengehen läßt. Es wäre also mög-
lich, daß die Schule von S. Denis direkt auf Poitiers gewirkt hat.
3. Die deutschen Glasgemälde der späteren romanischen Schule.
Oidtmann!) und Schmitz’) stellen eine rheinische Gruppe
von Glasgemälden zusammen, die aus der zweiten Hälfte des
ı2.und dem Anfang des 13. Jahrhunderts stammen. Dazu
gehört ein kleines Rundbogenfenster in S. Segolena zu Metz,
zwei solche Fenster von Peterslahr (jetzt in Bonn), eine Kreuzi-
gungsgruppe im Kgl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin und als
Glanzpunkt die Glasgemälde von Cappenberg-Nassau. Als Haupt-
charakteristikum dieser Gruppe wird vor allem der fein aus-
radierte Damast angegeben, der auf Hintergründen, Bordüren,
Kreuzesstamm, Thron Gottes angebracht ist und in der Aus-
führung mit den Rugerus-Vorschriften über die Radiertechnik
“übereinstimmt. Die Kreuzigungsszene in S. Segolena steht am
Anfang der genannten Gruppe, was wir allerdings nur mit der.
Einschränkung behaupten, daß uns nichts älteres erhalten ist.
Sie stellt im üblichen Sinn Christus am Kreuze mit Maria und
Johannes dar. Über dem Kreuz sind Sonne und Mond eingebleit.
Nach Oidtmann haben wir in dieser Kreuzigungsgruppe echt
deutsche Arbeit. Und doch besteht eine so innige Verwandtschaft
mit den Glasmalereien in S. Denis, daß sie kaum zu übersehen
ist. Der feine Damast kommt oftmals auf den Fenstern des
Sugerus vor. Man betrachte den Rand und das Innere der zum
Triumphwagen erweiterten Arche, sowie die Balken des aus der
Arche wachsenden Kreuzes. Dazu kommt die merkwürdige
1) Rheinische Glasmalerei I, S. 7off. Dort sind auch die entsprechenden Ab-
bildungen einzusehen.
2) Die Glasgemälde des Kgl. Kunstgewerbemuseums in Berlin, S. 6ff.
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Glasgemälde in der Kirche zu Chateauroux. Anfang des ı3. Jahrhunderts.
65
Führung des Schwarzlots, die Verlängerung des einen von zwei
zusammenstoßenden Schenkels, was eine Rückerinnerung an die
frühromanische Schule bedeutet. Ferner beachte man die eigen-
tümliche Ikonographie. In Peterslahr finden wir den thronenden
Vater zwischen den vier Symbolen der Evangelisten, was un-
verkennbar an die Rundscheibe von S. Denis erinnert, auf der
das aus der Arche wachsende Kreuz dargestellt ist. Noch mehr.
_ Die Cappenberger Fenster weisen einen Stammbaum auf, in
dem Christus zwischen den sieben Gaben des hl. Geistes sitzt,
ahnlich wie wir es auf dem Jessefenster in Chartres, ebenfalls einem
Abkömmling der Schule von S. Denis, sehen. An S. Denis er-
innern ferner die drei Mosesszenen, die in Cappenberg erhalten
sind. Wir haben also in den Cappenberger Fragmenten Teile
eines Zyklus, der nach Mäle lediglich in S. Denis vorkommt und
wahrscheinlich den gelehrten Abt Sugerus selbst zum Urheber
hat. Stil und Technik der skizzierten rheinischen Gruppe weisen
also auf S. Denis. Wohl führt Schmitz zum Vergleiche eine
Reihe von Miniaturen an, die in Deutschland entstanden sind,
so das Evangeliar aus Hardehausen in Kassel, das Evangeliar
des Mönches Heriman von Helmwardshausen an der Diemel,
endlich das Fraternitätsbuch von Corvey bei Höxter. Allein bei
der Stileinheit, die ebenso den Illuministen wie Glasmaler, wie
überhaupt alle Insassen eines Klosters beherrschte, muß man
diese Übereinstimmung als gemeinsame Stämme aus derselben
Wurzel bezeichnen. S. Segolena steht, wie gesagt, am Anfang der
Gruppe. Die Personifikation der auf dem Fenster dargestellten
Sonne ist männlichen, die des Mondes, wie man deutlich aus
dem Schleier sieht, weiblichen Geschlechts, was den französischen
Worten le soleil und la lune entspricht, während auf deutschen
Scheiben, wie wir später sehen werden, das Verhältnis um-
gekehrt ist, wobei die Möglichkeit offen bleibt, daß sol und
luna dem Künstler vorschwebte. Die rheinische Gruppe, die mit
S. Segolena in Metz, dem Übergangspunkt, beginnt, geht von
der Schule S. Denis’ aus und entfaltet am Rhein eine reiche und
eigenartige Tätigkeit. Wie weit die von Suger zusammen-
gerufenen Künstler deutsche Stilelemente mitgebracht haben
und wie weit daher die Abwanderung nach dem Rhein eine
Zurückleitung des Heimatlichen darstellt, ist nicht mehr zu er-
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. 5
66
mitteln. Schmitz weist endlich noch, mit Recht, auf die koloris-
tische Verwandtschaft dieser Rheingruppe mit einigen Rund-
‚scheiben hin, der Simsonscheibe aus Alpirsbach und den zwei
im Kgl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin befindlichen Glas-
gemälden. Diese Scheiben sind jedoch wie einige im Germani-
schen Museum in Nürnberg (M. M. 1—3) unseres Erachtens eben-
falls von Frankreich aus beeinflußt, wenn nicht direckt von dort
importiert.
Was nun die einzelnen Glieder dieser rheinischen
Gruppe betrifft, so hat sich der Meister der Cappenberger Fenster
am höchsten und selbständigsten entfaltet. Oidtmann hat diese
herrlichen Arbeiten um die Mitte der neunziger Jahre im Stein-
schen Schloß zu Nassau aufgefunden, restauriert und in der Zeit-
schrift für Christliche Kunst, später in seinem Werk „Die
Rheinische Glasmalerei“ veröffentlicht. Die Fenster sind in
einem von Ranken gebildeten Saum eingerahmt, der in vielem
an das Timotheusfester von Neuweiler, und an das Fenster zu
Champ (Isere) erinnert. Auch in der Zeichnung des Schwarzlots
an den Knieen der sitzenden Figuren des Jessefensters wieder-
holen sich leise, unseres Erachtens, Motive des Meisters, der das
Timotheusfenster geschaffen hat. Auf einem der Cappenberger
Fenster, das den brennenden Dornbusch darstellt, ist das höchst
interessante Brustbild des Stifters Gerlach, der nach den Attri-
buten, die er trägt, Maler war; ob er auch Glasmaler und daher
Verfertiger der Fenster war, erscheint sehr wahrscheinlich. Da
das Brustbild ein unverkennbares Streben nach Ähnlichkeit, nach
Selbstporträtierung aufweist, ist Gerlach, wenn wir in ihm tat-
sächlich den Verfertiger der Cappenberger Fenster vor uns haben,
seiner Kleidung nach (weißer Habit und schwarzer Mantel)
Prämonstratenser, was zu Oidtmanns Vermutung, die Glasgemälde
würden der ehemaligen Prämonstratenserabtei Arnstein an der
Lahn entstammen, sehr gut passen würde. Der Kopf ist ein
prachtvolles Beispiel, wie sich in der Glasmalerei innerhalb der
Grenzen der Stilisierung das Proträt verwenden läßt.
Wir haben im vorhergehenden Kapitel gesehen, wie die
von S. Denis nach Chartres berufenen Künstler an ihrem neuen
Wirkungsort auf starke byzantinische Kunstwellen stoßen. Das-
selbe gilt von Le Mans, überhaupt der gesamten Maine. Auch
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Detail aus der großen Rose (mit Monatsbildern) in der Kathedrale zu Lyon.
13. Jahrhundert.
67
in Deutschland ist die rheinische Gruppe, die sich aus den An-
regungen von S. Denis zu einem eigenen Stil entwickelt hat,
‘sehr rasch den byzantinischen Einflüssen erlegen. Unseres FEr-
achtens kamen diese Einflüsse über Frankreich; denn auf dem
Donauweg oder über die Alpen sind sie nicht nach Deutschland
gedrungen, da die süd- und ostdeutsche Glasmalerei der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts völlig darniederliegt und also keines-
falls in führender Eigenschaft Einflüsse vermitteln konnte. Schmitz
‚stellt Soest in den Mittelpunkt dieser byzantinisierenden Schule
in Nordwestdeutschland. Die Fenster aus Lohne, die sich jetzt
im Münsterer Landesmuseum befinden, stellen einen Übergang
von der rheinischen Schule zu den neuen Stilelementen dar.
Noch sind die Schwarzlotkonturen, die als Ausdruck der Gewand-
falten dienen sellen, in zeichnerischer Manier gehalten; sie endigen
stets in verdünntem meist umgebogenen, einem Schwänzchen
ähnlichen Strich. Dagegen verraten sie freiere Linienführung
und größere Annäherung an die Wirklichkeit. Die Art, wie der
Künstler an den unteren Gewandteilen das Flattern der Kleider
andeutet, entspricht noch genau dem System, das der Meister
der Cappenbergerfenster auf dem Flügel mit der Gesetzgebung
auf dem Berge Sinai anwendet. Auch die Scheibe im Darm-
städter Museum gehört noch in diesen Übergangsstil.
Da ändert sich plötzlich die Lage. Im Jahre 1237 wurde
der Dom zu Bamberg eingeweiht. Wer immer von weltlichen
und geistlichen Fürsten konnte, nahm an diesen Festen teil.
Auch Bischof Engelhard von Naumburg war nach der fränkischen
Bischofstadt gepilgert. In seiner Residenz wurde eben an dem
prachtvollen Dome gebaut, einem Meisterwerk des spätromani-
schen Stils. Nach der Rückkehr des Bischofs wurde mit einem
Schlage der romanische Stil verlassen und der durch franzö-
sischen Einfluß in Bamberg bereits zu einer gewissen Blüte ge-
diehene gotische Stil angewandt. In diese letzten fünf Jahre
Naumburger Bautätigkeit fallen auch die daselbst noch zahlreich
erhaltenen Glasgemälde (Abb. 5). Sie sind die ersten und zu-
gleich kräftigsten Äußerungen des von der französischen Portal-
und Reliefplastik beeinflußten Stils in Deutschland. Der Glas-
maler deutet die Falten nicht mehr in zeichnerischem Sinne an,
er führt sie aus. Das Schwarzlot ist nicht mehr allein Kontur,
5
68
es wird in hervorragendem Grad Angabe von Licht und Schatten.
Die in Frankreich sehr beliebte
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Abb. 5. Detail aus einem Fenster des West-
chors zu Naumburg. Mitte des13. Jahrhunderts.
Medaillonform, eigentlich als
Einrahmung von Szenen be-
stimmt, hat nunmehr äuch
die Darstellung der Einzel-
figur ergriffen und sich auf
die verschiedensten Abwand-
lungen paßförmiger Gebilde
erweitert. Auch die Farben-
skala ist um ein beträchtliches
gewachsen. So lassen sich
an den Naumburger Fenstern
beilaufig fünf verschiedene
Grün, drei Violett feststellen.
Das paßförmige Medaillon-
system wird nunmehr so be-
liebt, daß es selbst da Ver-
wendung findet, wo noch
die alte Fenstereinteilung
herrscht, wie in den Fenstern
von S. Kunibert in Köln mit
der Darstellung der hl. Cäcilia
Katharina, Kordula, Ursula.
Die von Frankreich impor-
tierte Paßform ist seit za. 1240
eine so strenge Mode, daß
sie der Künstler der genann-
ten Fenster von S. Kunibert
verwendet,obwohlsienament-
lich auf dem Kordula- und
Ursulafensters nichts weniger
als gut aussieht. Im übrigen
hat die deutsche Empfindung
trotz des modischen Beiwerks
in den Fenstern von S. Kuni-
bert den Ausdruck außerordentlich vertieft, so daß man von dem
französischen Einfluß nicht mehr viel merkt, und daß man mit
Recht von einer westfälisch-rheinischen Schule um 1245 sprechen
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Glasgemälde in Varennes. 13. Jahrhundert.
69
kann, deren Hauptleistung eben in den Standfiguren von Kunibert
zu erblicken ist. Im Süden wird Regensburg in der 2. Hälfte
des 13. Jahrhunderts Sitz eines weithin arbeitenden Exports,
soweit der eigene Bedarf befriedigt ist. Im Jahre 1275 wurde
am Regensburger Dom der Bau des Chors in Angriff genommen
und aus der sich daran anschließenden Bauperiode stammen eine
Reihe von Glasgemälden, die im Stil der Naumburger Fenster
gehalten sind. Ein jeder Flügel enthält in einer länglich ge-
zogenen Paßform eine Heiligenfigur. Von Regensburg aus
wanderte um 1290 ein Glasmaler Eberhard nach Heiligenkreuz
im Wiener Wald, wo in den folgenden Jahren die Babenberger
Fenster entstanden. In zwei Fenstern sind die Bildnisse des
Stifters, Georg Leopolds III, seiner Gemahlin und seiner sechs
Söhnen dargestellt. Für diese mit den Chorfenstern in Naumburg
zum erstenmal greifbare Schule der länglichen Paßformen ist
auch charakteristisch, daß sie die lange, bis dahin unbestritten
herrschende, stilisierte Ranke in das natürliche Blatt aufgelöst
hat. In die Regensburger Gruppe gehören verschiedene auf
österreichischem Boden entstandene Glasgemälde, so die jetzt im
Germanischen Museum zu Nürnberg befindlichen Tafeln aus Graz
(Katalog Nr. 16—20).
4. Das Auftreten von Architekturgliedern in der Glasmalerei.
Bereits auf den Fenstern, die unmittelbar nach S. Denis
von den eingewanderten Künstlern in Chartres angefertigt worden
waren, finden sich zahlreiche Architekturteile, die in die Rund-
medaillons hineinkomponiert sind. Nicht daß allen solchen Szenen,
bei welchen ein städtischer Hintergrund verlangt ist, ausge-
dehntes Häuser- und Bauformenmaterial zuteil wird, auch andere
Darstellungen bekommen nicht selten Architekturteile, die keines-
wegs von der Szene selbst gefordert werden. Könige sitzen
unter säulengetragenen Rundbogen, Maria sogar (bei der An-
betung der Magier) in einem leicht vertieft gezeichneten Raum.
Diese Beiziehung des Architektonischen war in S. Denis noch
nicht bekannt. Sie drang durch den byzantinischen Geist, der
in der Maine und den angrenzenden Gebieten herrschte, in die
Glasmalerei ein. In Deutschland gelangt die Sitte erst in dem
79
zweiten Viertel des dreizehnten Jahrhunderts zur Anwendung.
Wo von Frankreich unbeeinflußte Lokaltraditionen fortleben,
kommt sie noch später in Übung. Zu den ältesten erhaltenen
Arbeiten mit Architektur gehören die Prophetenscheiben aus
Lohne, von denen wir im vorigen Kapitel gesprochen haben.
Mit großer Ausführlichkeit tritt die neue Mode auf den Legenden-
fenstern der rheinisch-westfälischen Gruppe auf, insbesondere auf
Abb. 6. Detail aus einem spätromanischen Fenster der Elisabethkirche zu Marburg.
Zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts.
den von französischem Geist beeinflußten Fenstern mit der
Kunibert- und Klemenslegende in S. Kunibert zu Köln, und den
Fenstern der Maternianikirche zu Bücken an der Weser. Ein
lehrreiches Beispiel bieten drei prachtvolle Scheiben im Histo-
rischen Museum zu Frankfurt (Taf. ı2), die Geburt, Geißelung
und Auferstehung darstellend. Christus, der an die Geißelsäule
gebunden ist, steht unter einem Bogen. Rechts und links tragen
zwei mit zierlichen Laubkapitälen versehene, schlanke Säulen den
Bogen. Hier ist also die Langpaßform mit Architekturgliedern
verbunden. Dieser Sitte begegnen wir seit dem zweiten Drittel
Tafel 12
Glasscheibe im Historischen Museum zu Frankfurt.
Drittes Viertel des 13. Jahrhunderts.
7ı
des 13. Jahrhunderts zu wiederholten Malen. In der Ausführung
sind die Frankfurter Scheiben mit den Naumburger Fenstern ver-
wandt. Der Schwarzlotauftrag auf dem Lendentuch und den
Gewändern Marias erscheint der Naumburger Formsprache so
3
Abb. 7. Detail aus einem Flügel in dem Archiv der Elisabethkirche zu Marburg.
ahnlich, daß man versucht ist, die Frankfurter Scheiben dem
Künstlerkreis der Naumburger Domfenster zuzuschreiben.
Eine eigene Gruppe bilden die Glasgemälde der Elisabeth-
kirche zu Marburg (Abb. 6, 7). Der Bau dieser Kirche wurde im
Jahre 1235 begonnen und wie die, um diese Zeit noch unvollen-
deten Bauglieder des Naumburger Domes, in frühgotischem Stil
ausgeführt. Haseloff weist darauf hin, daß die ältere Gruppe der
72
Marburger Glasgemälde im Gegensatz zu dem französischen
Charakter des Baues, noch völlig ungotisch sei, vielmehr dem
eigentümlichen Stil der deutschen Malerei und Plastik des frühen
13. Jahrhunderts angehöre, die durch den engen Anschluß an
byzantinische Vorbilder und besonders reiche Ausbildung des
Faltenentwurfs charakterisiert werde. Die Heimat dieses Stils,
so sagt Haseloff, sind die thüringisch-sächsischen Lande. Die be-
kannten Werke der Malerei sind die Illustrationen des Psalters
des Landgrafen Hermann von Thüringen und des Gebetbuches
seiner Schwiegertochter, der hl. Elisabeth. Zu den ältesten
Werken der Marburger Glasmalerei gehören einige Standfiguren
und vier Legendenfenster mit Szenen aus der Schöpfungsge-
schichte und aus dem Leben der hl. Elisabeth. Auf diesen Glas-
gemälden offenbart sich der architektonische Gedanke der franzö-
sischen Glasmalereien am mächtigsten. Diese allgemeine An-
regung sowie die Anlehnung an byzantinische Vorbilder haben
die sächsisch-thüringischen Glasmaler gleichmäßig: wie alle anderen
Schulen des 13. Jahrhunderts von Frankreich aus-bekommen, da-
gegen haben sie sich in der Ausführung und insbesondere im
Detail vielleicht am selbständigsten von allen deutschen Schulen
entwickelt. Mit der rheinisch-westfälischen Gruppe haben die
Marburger Fenster die Rankenmotive gemein. In den Stand-
figurenfenstern wird dieses Prinzip zugedrängt und durch Mäander-
und Damaststreifen ersetzt, wie es zum erstenmal auf den Glas-
malereien von Lohne zum Ausdruck kommt.
Im Südosten Deutschlands, den altbayrischen Stammlanden,
scheint die Glasmalerei ziemlich rasch von der Blüte abgefallen
zu sein, die sie mit der Tegernseer Schule des ıı. und 12. Jahr-
hunderts erreicht hat. Das bayrische Nationalmuseum besitzt
Reste eines Glasgemäldezyklus, der angeblich aus dem Kloster
Tegernsee stammt. Wir erkennen auf ihm einen in langer
handwerklichen Tradition erstarkten, ohne fremde Einflüsse er-
frischten Provinzialismus. Merkwürdig, wie sicher auf diesen
Glasgemälden die Technik gehandhabt ist, die für den arm-
seligen Formenschatz mehr wie entschädigt! Diese Tradition
erstreckt sich noch weit in das Zeitalter der Frühgotik hinein.
Gegen Neuerungen ist die bayrische Schule bedächtig. Man ver-
gleiche z.B. den Glasgemäldezyklus, der aus dem Kloster Seligen-
703
thal bei Landshut stammt und sich jetzt im Bayrischen National-
museum zu: München“ befindet (Abb. 3).
Straßburg und Freiburg sind bis zur Zeit der Spätgotik die
beiden wichtigsten Zentren der südwestdeutschen Glasmalerei ge-
blieben. Was den heutigen Bestand an altem Material in Straß-
burg betrifft, so bietet er für die kunstgeschichtliche Erfassung
Abb. 8. Detail aus einem Zyklus des Klosters Seligenthal bei Landshut, jetzt im
Bayrischen Nationalmuseum zu München. Um 1330. Landshuter Schule.
einige Schwierigkeit, da in der zweiten Hälfte des vorigen Jahr-
hunderts eine entscheidende Änderung in der Anordnung und
eine durchgreifende „Restauration“ einen heillosen Wirrwarr ge-
schaffen haben. Das romanische Münster war im Jahr 1175 ein
Raub der Flammen geworden, und genau ein Jahrhundert später
setzte jene gewaltige Bautätigkeit ein, die den ersten ganz
gotischen Bau auf deutschem Boden schuf. Aus der Zeit bis nach
74
Mitte des 13. Jahrhunderts sind noch verschiedene Reste er-
halten. Zu den ältesten, aus dem romanischen Bau übernommenen
Arbeiten gehören die Glasgemälde, die im südlichen Querschiff-
arm ihren Platz haben. Es sind drei das salomonische Urteil
darstellende Szenen in dem bekannten Stil der französischen
. Medaillonfenster. An S. Denis erinnert der Damastgrund, so-
weit er noch alt ist, an Chartres die Gruppierung und Ausführung
der Szenen. An Chartres gemahnen ferner die beiden Gruppen
David und Salomo, Salomo und die Königin von Saba. Die zwei
von einer Säule getragenen Rundbögen, unter denen die könig-
lichen Personen stehen, bzw. sitzen, sind zum erstenmal auf den
Fenstern zu Chartres verwendet worden. Von dem Fenster mit
dem Urteil Salomos abgesehen, hat die Straßburger Schule durch-
weg an der Einzelfigur festgehalten und zwar in streng zeich-
nerischer Fassung. Von irgend welcher Neigung zu Paßformen
hat sich nichts bemerkbar gemacht. Am vollständigsten ist das
Christophorusfenster im südlichen Querhaus erhalten. Es hat
allerdings durch einen „Restaurator“ argen Schaden genommen.
Da dieser nach der Zahl der reparierten Stücke bezahlt wurde, zer-
schnitt er die alten Stücke in viele Teile. Das Fenster gehört in die
Zeit um 1240 und damit noch der alten Münsterperiode an. Aus
dieser Epoche sind außerdem erhalten eine Verkündigung, ein
Engel, jetzt in der Krypta, sowie die beiden Fensterrosen, die
eine gewisse Verwandtschaft mit dem hortus deliciarum der
Herrad von Landsberg aufweisen. Um diese Zeit muß auch jene
Gruppe entstanden sein, die sich durch Anwendung eines von
kräftigen Säulen getragenen Rundbogens charakterisiert, ferner
die alten Teile der Matthias- und Bartholomäusscheiben im süd-
lichen Querhaus, der beiden Johannes im nördlichen Querhaus,
des Königs Heinrich des Hl. in der Apsis. Den eigenartigsten
Schmuck des Straßburger Münsters bildet die in der romanischen
Zeit begonnene und während der gotischen Zeit weitergeführte
Reihe der deutschen Könige und Kaiser. Dehio hat gemeint,
daß diese Königsreihe als eine Manifestation der Straßburger
Bürgerschaft gegen die bei Oberhausbergen im Jahre 1262 ge-
brochene bischöfliche Macht zu erkennen sei. Wir können nicht
glauben, daß der Bischof von Straßburg ausgerechnet das ihm
am eigensten gebliebene kirchliche Gebäude der Bürgerschaft
75
zur Verfügung stellte, um sich darin verspotten zu lassen. Daß
in so früher Zeit weltliche Personen auf Glasgemälden dargestellt
wurden, ist ohne Zweifel etwas sehr Seltenes und jedenfalls durch
einen besonderen Anlaß hervorgerufen. Wir kennen eine so
vollständige Serie nur in Reims, wo wir die französischen Könige
in langer Reihe dargestellt finden‘). Allein da sie alle in der
Szene wiedergegeben sind, wie sie eben mit Öl gesalbt werden,
so ist die Ursache der Darstellung als Beziehung auf die Krö-
nungsstadt Reims von vornherein klar. Mäle erblickt darin den
Hinweis, daß die mit Öl gesalbten Könige nicht mehr gewöhn-
liche Menschen seien, sondern einen Teil der göttlichen Welt-
regierung zum Ausdruck brächten. Wir bezweifeln, ob rein
weltliche und gar noch vom bischöflichen Standpunkt so wenig
ideale Gründe die Schaffung dieser eigenartigen Königsserie
veranlaßt haben. Aus der älteren Reihe ist nicht mehr viel er-
halten. Die Figur König Heinrichs I, der Rumpf Friedrichs Il, der
Kopf Ottos IL, Teile des Königs Heinrich II. des Heiligen, sowie
der Torso mit Kinderfigur, die jetzt in das Fenster des sogen.
Conrads und Heinrichs III. eingefügt sind. Nach dem Brande
von 1298 und leider auch im 19. Jahrhundert wurden diese alten
Teile neu montiert, so daß jetzt altes und neues, wie Karten
untereinander gemischt ist. Jedenfalls gehören die alten Teile
der spätromanischen Bauperiode an. Hans Kunze hat darauf
hingewiesen, daß die Köpfe dieser älteren Serie über dem Nim-
bus mit einem Halbkreis versehen sind, wie an den beiden ein-
zigen alten Köpfen, dem des heiligen Laurentius und des Königs
Heinrich I. beobachtet werden kann. Außerdem macht Kunze’)
in hohem Grade wahrscheinlich, daß zu der älteren Königsreihe
auch noch ein Phrophetenzyklus gehörte, von dem sich ein von
Kunze zum erstenmal publiziertes Stück erhalten hat. Es stellt
den Propheten Ezechiel dar und stimmt in Maßen und Ausführung
mit dem Königszyklus völlig überein; zu dem im südlichen Seiten-
schiff als Gegenstück zu der Königsserie des nördlichen Seiten-
1) Fischer, Königsdarstellungen auf romanischen und frühgotischen Glasgemälden.
Zeitschr. f. alte u. neue Glasmalerei, Jahrgang 1913, S. 73 ff. Die in Köln (Hoch-
schiffenster des Doms) dargestellten Könige sind Repräsentanten der jüdischen Könige
und darum in den religiösen Symbolismus einzubeziehen.
2) Straßburger Münsterblätter 1913.
76
schiffs hat nach Kunze auch der Rumpf des heute mit dem
Kopf des Henricus Babinbergensis versehenen Figur gehört, die
den König David darstellte. Der Bestand an romanischen Glas-
malereien im Straßburger Münster ist also nicht groß, aber er
reicht hin, um zu beweisen, daß auch die Straßburger Schule
zweimal enge Verwandtschaften mit Frankreich, das eine Mal mit
S. Denis, das andere Mal mit Chartres aufweist. Je mehr sie
sich dem Ende der romanischen Periode nähert, desto selb-
ständiger wird sie und betont, vielleicht am stärksten von allen
deutschen Schulen, den monumentalen zeichnerischen Charakter
der Glasmalerei. Darin liegt ihre Eigenart, die sie auch bei-
behielt als seit dem Jahre 1275 und seit dem Brande des
Jahres 1298 die gotische Baubewegung mit Macht einsetzte.
5. Die Glasmalerei während des Zeitalters der Frühgotik.
Um die Wende des 13. Jahrhunderts taucht plötzlich eine
Gruppe von Glasmalereien auf, die durch ihre eigenartige Archi-
tektur ein gemeinsames Band umschlingt. Es ist ein mit Krabben
versehener Kielbogen, der auf zierlichen Säulchen ruht und vor
einer Fensterbank in eine Kreuzblume endigt. Diese Fenster-
bank konnte ich mir nie recht erklären, da sie keinen rechten
Sinn zu haben schien. Betrachten wir aber den Psalter Ludwigs
des Heiligen, der ca. 1260 entstanden ist, so erhalten wir hin-
reichend Licht, um diese dunklen Punkte zu erfassen (s. Abb. 9).
In der genannten Handschrift finden sich ca. IO0 Szenen aus
dem Alten Testament, die fast sämtlich unter die gleiche Archi-
tekturbekrönung komponiert sind. Diese Architektur besteht in
der Hauptsache aus zwei wimpergartigen Bögen, die an den
Rändern von zwei Halbsäulen und in der Mitte von einer sehr
dünnen Säule getragen werden. Jeder Bogen teilt sich in zwei
Dreipaßbögen, über denen eine Fensterrose steht. Die beiden
durch eine Fiale von einander getrennten Hauptbögen heben sich
von einem Hintergrund ab, der das Dach, die Hochschiffwand und
Strebepfeiler eines kirchlichen Gebäudes darstellt. Kein Zweifel,
dieses Architektursystem ist aus der Portalskulptur hervor-
gegangen, indem der Künstler seinen Standpunkt vor dem
Seitenportal eines Domes dachte. Der Psalter Ludwigs des
Tafel 13
Flügel aus einem Glasgemälde in Schloß Heiligenberg. Gegen 1330.
Nach einer Photographie von Frl. Dr. Hertha Wienecke.
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Heiligen ist gleichzeitig mit der Entwicklung der französischen
Hochgotik entstanden, so daß wir wohl in dieser Handschrift die
erste Verwendung des genannten Architektursystems sehen dürfen.
Es wurde rasch sehr beliebt, drang in die französische und mit der
Jahrhundertwende in die deutsche Glasmalerei ein. Insbesondere
die Schweiz, der
Oberrhein, Schwa-
ben, aber auch
Köln nahmen die
neue Mode mit
Begeisterung auf.
In Deutschland
war die Erinne-
rung an die Ent-'
stehung des Sy-
stems rasch ver-
gessen, und es ent-
stehen Gebilde, die
das Architekto-
nische um das
Lebenswahre ver-
kürzen und einen
einfachenRahmen
übrig lassen, wie
z. B. auf den Fen-
stern zu Blumen-
stein (Kant. Bern),
Köniz (Kanton
Bern), Kappel,
Eßlingen, Köln
(Kunstgewerbe-
museum),Freiburg:
i. B.e Konstanz hebt sich mit den Fenstern von Oberkirch
bei Frauenfeld, einigen Scheiben in dem Großherzoglichen
Museum zu Karlsruhe und den Fenstern- in der Schloßkapelle
auf dem Heiligenberg (Tafel 13, ı4) als eigene Schule ab.
Sie wird durch die eigentümlichen Kleeblättchen, die an
Stelle von Krabben die Bögen besetzen, durch helle Töne
Abb. 9. Die ägyptischen Plagen. Miniaturblatt aus dem Psalter
Ludwigs des Heiligen. Ms. lat. der Bibliotheque Nationale
Paris. Um 1260.
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Abb. 10. Standfigurenfenster in der Elisabeth-
kirche zu Marburg.
Anfang des 14. Jahrh.
charakterisiert. Ein im gleichen
Stil hergestelltes Fenster befin-
det sich heute im Freiburger
Münster und soll nach Geiges
ausKonstanz stammen. DieKon-
stanzer Schule scheint im dor-
tigen Dominikanerkloster ihren
Sitz gehabt zu haben!). Übrigens
ist zu beachten: Je weiter die
französische Architekturmode
nach Osten dringt, desto mehr
verliert sie den horizontalen
Charakter der französischen
Gotik und macht sich den ver-
tikalen Charakter der deutschen
Gotik zu eigen. Darum ver-
schwindet mehr und mehr die
Rose aus den Baldachinen, die
in französischen Arbeiten, z. B.
in den Riches heures du duc de
Berry stets in Übung blieb. Die
Verteilung der einzelnen Szenen
auf ein ganzes Fenster findet
sich schon seit Anfang des
14. Jahrhunderts, am frühesten
in Köln, später in der Freiburger
und Konstanzer Schule.
Den ganzen Reichtum goti-
scher Architekturornamente
bringt zum erstenmal die Kölner
Schule in Anwendung. In Köln
war in dem zweiten Jahrzehnt
des 14. Jahrhunderts nach dem
Muster von Amiens der Chor
vollendetworden. Um ihn würdig
1) H. Wienecke hat diese Schule in
ihrer Dissertationsschrift (Konstanzer Male-
reien des I4. Jahrhunderts. Halle 1912)
sehr gründlich behandelt.
Tafel 14
Flügel in der Altertimersammlung zu Karlsruhe. Gegen 1330.
Photographiert von W. Kratt, Karlsruhe.
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zu schmücken, überboten sich die ersten Geschlechter Kölns an
Fensterstiftungen. Vermutlich nahmen die Stiftungen mit der
Verlobung des Grafen von Jülich mit der Tochter des Grafen
von Holland im Jahre 1317 ihren Anfang. Daran schlossen sich
die alten Patrizier Kölns, so daß der Chor in kürzester Frist
einen reichhaltigen Schmuck von Glasgemälden bekam. Zu-
nächst interessiert an ihnen ihr Inhalt. Wir finden nämlich auf
den Fenstern eine Anzahl von Königen dargestellt. Oidtmann
ist geneigt, in ihnen deutsche Könige und Kaiser zu sehen.
„Die Gestalten tragen unverkennbar deutsches Gepräge: Deutsch
ist die Farbe, deutsch der Schnitt des Haars.“') Wir hätten also
zu der Straßburger Königsreihe eine Parallele. Auch die Straß-
burger Könige schlossen sich an eine Anbetung der Magier an,
wie diese Szene im Mittelpunkt der Kölner Königsweihe steht.
Der Hinweis auf Amiens lehrt uns indessen etwas anderes. Auch
an dieser Kathedrale waren Könige dargestellt. Aber es sind
keine christlichen Könige, sondern die jüdischen Könige, als
Stammväter Christi. Wahrscheinlich verhielt sich die Sache in
Köln wie in Straßburg; der aus Frankreich herbeigerufene Bau-
leiter brachte auch die Ideen für das Ausstattungsprogramm
mit. Darum auch die reichliche Verwendung des gotischen
Architekturornaments. Andererseits traf der vom Westen ge-
kommene Architekt auf feste Schulen, und so ist es begreiflich,
daß französische Anregungen Annahme fanden, daß aber die
Ausführung nach den überkommenen Lokaltraditionen erfolgte.
Die Glasgemälde des Kölner Domes bilden nicht bloß in der
gleichzeitigen Entwicklung der Glasmalerei, sondern selbst in der
niederrheinischen Schule eine eigene Gruppe. Ihr ungewöhn-
licher Reichtum an architektonischen und Pflanzenornamenten
hebt sie aus allem heraus. Auch die Zeichnung weicht von den
näheren und entfernteren Schulen ab. Die Kölner Figuren sind
bis zu einem gewissen Grade lebenswahrer und malerischer,
während der Süden an dem streng stilisierten Ideal der zeich-
nerischen, dem Irdischen entrückten Gotik festhält. Den Dom-
fenstern gegenüber charakterisieren sich die übrigen Kölner
Arbeiten durch größere Einfachheit, durch reinere Gotik in der
2) Die rheinische Glasmalerei I, S. 181. Vergleiche auch oben Seite 75.
80
Zeichnung. Man vergleiche die Glasgemälde im Hause Oppen-
heim und die Glasfenster in der Viktorskirche zu Xanten, die
in den Jahren 1350—1360 von dem Vitrifex Jacobus in Köln ge-
fertigt wurden.
Ohne jeden Zusammenhang mit den Kölner Glasmalereien
steht das überaus prächtige Westfenster in der Zisterzienserabtei
Altenberg. Es ist eine Stiftung des Grafen Wilhelm von Berg
und seiner Gemahlin Anna von Pfalz-Bayern. Nach einer erst-
mals im Jahre 1640 aufgetauchten Notiz hat Bruder Raynold
„super omnes lapicidas rex“ das Fenster gefertigt. Oidtmann
hält auf Grund dieser Notiz den Bruder Raynold für den Archi-
tekten des Baues, der gleichzeitig das Westfenster mindestens
gezeichnet, wenn nicht direkt auch ausgeführt hat. Andererseits
besteht eine nicht zu leugnende Verwandtschaft mit den Glas-
malereien im Dome zu Metz, die dem 1398 'gestorbenen Her-
mann von Münster ihre Entstehung verdanken. Wahrscheinlich
war der Altenberger Meister der Gebende und Hermann der
Empfangende. Ohne Beeinflussung wäre die eigentümliche
Behandlung der Architektur auf den Metzer Fenstern nicht zu
erklären. Es ist jedoch zu bedenken, daß in Frankreich ver-
schiedentliche Anregungen vorhanden waren, und daß die Technik
weißer Figuren, wie sie auf den Altenberger Fenstern zum ersten-
mal auf einem Glasgemälde zu Chartres 1328 vorkommt.
6. Das System des gotischen Medaillonfensters.
Es bedarf wohl keines Beweises, daß dieses System seine
erste Ausbildung in Frankreich bekommen und von diesem Lande
aus seinen Weg nach Deutschland gefunden hat. Die früheste
Verwendung der Medaillons findet sich auf den Fenstern zu
Hauterive, die der oberrheinischen Schule zugeschrieben werden,
die aber Ausläufer südfranzösischer Arbeiten sind. Die Form des
Medaillons, eine Art Mandel, ist sehr selten und kommt gegen
Mitte des Jahrhunderts in der Liebfrauenkirche zu Eßlingen und
zu Westhofen im Elsaß und gegen Ende in Niederhaslach vor.
Im Laufe des ı4. Jahrhunderts wandeln sich die Medaillons zu
den merkwürdigsten Rund- und Paßformen und es entstehen
über ganz Deutschland hin die verschiedensten Schulen.
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Detail aus einem Fenster der Stephanskirche zu Mülhausen i. E. Um 1340.
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Detail aus einem Glasgemälde der Stephanskirche zu Mülhausen i.E. Um 1340.
8ı
Die oberrheinische Schule ist nur noch spärlich ver-
treten. Das älteste dürfte das Fenster zu Weißenburg im Elsaß
sein, das seine Verwandtschaft mit französischen Arbeiten nicht
verleugnen kann. Vielleicht hängt das spärliche Vorkommen
von Medaillonfenstern am Oberrhein mit der Tatsache zusammen,
daß daselbst schon sehr früh eine Modifikation des Systems vor-
genommen wurde, die in der Mitte zwischen den Architektur-
fenstern und Medaillonformen steht; während dashöchst wahrschein-
lich aus dem Dominikanerkloster in Konstanz stammende und
jetzt im Schloß Heiligenberg befindliche Fenster die Szenen aus
dem Leben Jesu unter die im vorigen Kapitel charakterisierte
Architektur stellt, erscheint in Mülhausen und im Münster zu
Straßburg ein neues System. Der Spitzbogen wird zwar zu-
nächst noch beibehalten, aber in sehr feinem Geäst vor einer
Fensterwand. Sehr rasch wird der Ast in ein breites Band er-
weitert, das ab und zu über die Spitze hinausgeführt wird und
in zwei Kreise endigt. Dieses System scheint von den Domini-
kanern erfunden worden zu sein. Wir begegnen ihm in der
Eßlinger Schule wieder (Taf. 15—17).
Die schwäbische Schule hat die Glasmalerei über Wimpfen
bekommen und wurde wie die übrige gotische Kunst durch die
Bettelorden importiert. Sie hat ihre Abhängigkeit von Frank-
reich weniger verleugnet als andere Schulen. Ihr Hauptsitz ist
Eßlingen. In dieser Stadt haben sich noch erhebliche Reste er-
halten, die über verschiedene Jahrzehnte hin verteilt sind. Wahr-
scheinlich brachten die Dominikaner die Kunst der Glasmalerei
nach Eßlingen. Wir finden daselbst alle möglichen Paßformen
vom einfachen Rundmedaillon bis zum komplizierten Achtpaß.
Die kräftigen Farben des Westens sind verblaßt, namentlich das
Blau und das Grün. Je weiter die Schule in das Fränkische
vordringt, desto verwaschener werden die Farben, desto provinz-
artiger der Stil. Vergleiche dazu die Fenster der Katharinen-
kirche zu Hall. Balet hat den Zusammenhang der Eßlinger
Schule mit Frankreich richtig vermerkt, es ist aber zu kon-
statieren, daß die Einwanderung über Straßburg ging, da in
dieser Schule die eigenartige Umrahmung einzelner Szenen ge-
schaffen worden ist, die wir oben beschrieben haben, und die
sich auch auf einem Fenster in Eßlingen findet.
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. 6
82
Am Niederrhein hat sich eine eigene Richtung ausgebildet,
die in den Legendenfenstern in der Stephanskapelle des Kölner
‚Doms, in München-Gladbach und in Xanten ihren Ausdruck ge-
funden hat. In der äußeren Anordnung treffen wir bei all-diesen
Fenstern auf ein festes System. Die Fenster sind zweiteilig, ent-
halten auf der linken Seite Szenen aus dem Alten und auf der
rechten Seite Szenen aus dem Neuen Testament. Während nun die
Szenen der linken Seite in Teppiche gestellt, keinen engeren Zu-
sammenhang miteinander aufweisen, sind die auf rechter Seite
befindlichen Medaillons in ein sich über jedem Medaillon kreuzen-
des Geäst, in dessen Gezweig nach Art der Jessefenster Pro-
pheten angebracht sind, komponiert. Bei dem Fenster in der
Stephanskapelle des Kölner Doms wird das Geäst an einen durch
das ganze Fenster sich ziehenden Stamm angeschlossen. Diese
niederrheinische Gruppe, zu der noch verschiedene Reste in
rheinisch-westfälischen Kirchen gehören, hat ihren Ausgang vom
Elsaß genommen. Denn das mittlere Chorfenster zu Weißen-
burg im Elsaß hängt aufs engste mit der genannten Gruppe zu-
sammen. Die Weißenburger Fenster enthalten in Stil und Aus-
führung noch viel Romanisches, während die niederrheinische
Gruppe vollständig gotisch ist. Ausläufe dieser Schule sind die
Glasgemälde zu Limburg an der Lahn.
Mitteldeutschland wird hauptsächlich durch die Regens-
burger und thüringische Schule bedient. Es ist mir wiederholt
aufgefallen, wie eng verwandt diese beiden Gruppen sind und
wie sehr Erfurt in diese Verwandtschaft einzubeziehen ist. Man
betrachte z. B. die Fenster aus der Minoritenkirche im Bayrischen
Nationalmuseum und die Glasgemälde in der Blasiuskirche zu
Mühlhausen in Thüringen. Diese Verwandtschaft zieht sich auch
in die Entwicklung des neuen (perspektivischen) Stils der zweiten
Hälfte des 14. und des 15. Jahrhunderts hinein.
Um die gleiche Zeit regt sich auch in Italien das glasmale-
rische Leben. Man hat Italiens Glasmalereien nie so recht in
den allgemein-geschichtlichen Entwicklungsgang der Glasmalerei
einbezogen. Fern von der Vergleichung mit den Arbeiten Deutsch-
lands und Frankreichs hielten die italienischen Gelehrten ihre
heimischen Glasmalereien für bodenständig. Zu den ältesten
Glasgemälden gehören die Fenster in der berühmten Basilika des
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Detail aus dem Fenster der Tugenden und Laster in der Stephanskirche
zu Mülhausen i. E. Um 1340.
83
hl. Franziskus zu Assisi. In einer jüngst erschienenen Mono-
graphie über diese Fenster erklärt sie der gelehrte Verfasser
P. Egidio Giusto für Arbeiten Cimabues und seines Kreises. Die
eigentlichen Glasmaler, fast durchweg Mönche des Franziskaner-
ordens, hätten in Murano und Venedig das Glasmalen erlernt und
nach den Kartons von Cimabue die alten Kirchen und Klöster
Italiens mit Fenstern geschmückt. Nichts hindert uns zu glauben,
daß Venedig tatsächlich als früheste Pflegestätte der Glasmalerei
in Betracht kommt. Allein wenn wir das Medaillonsystem, die
Anordnung usw. der Fenster von Assisi betrachten, so können
wir uns der andern Tatsache auch nicht verschließen, daß deutsche
Einflüsse es gewesen sind, die den italienischen Glasgemälden ihr
Aussehen gegeben haben. Ist nicht ein „Frater Theutonicus“
in hervorragender Stellung als Glasmaler um die Wende des
13. Jahrhunderts in Venedig tätig gewesen? Er hat, wie wir
wissen, die Kirche dei Frari mit Glasgemälden geschmückt. Auch
Venturi!) sagt: „Die ältesten Glasmalereien Italiens sind deutsche
Arbeiten.“ Das rechte Apsidenfenster in der Basilika zu Assisi
erinnert direkt an das Weißenburger Fenster. Freilich haben die
Italiener die herbe Gotik der deutschen Figuren in die weichere
Modellierung der italienischen Frührenaissance aufgelöst (Taf.60,61).
Spanien hat seine Impulse zusammen mit der gotischen
Baukunst von Frankreich, teils auch von Belgien und Köln be-
kommen. Zu den ältesten Glasfenstern in Spanien’) gehören
sicherlich einige der 230 Scheiben der Kathedrale von Leön. Diese
Fensterscheiben, die, durch feines Steinstabwerk geteilt, in den
Seitenschiffen vom Sockel bis knapp unter die Gewölbekappe
reichen, sind im Hauptschiff, zwischen aufs Äußerste reduzierten
Bündelpfeilern durch ein zartes Netzwerk aus Stein gefaßt und
füllen, über dem Scheitel der Mittelschiffbogen beginnend, bis zu
12 Meter Höhe Triforien und Hauptschiffwände. Was zum ersten-
mal im Chor der Kathedrale von Amiens erscheint, ein mit bunten
Fenstern versehenes Triforium an Stelle eines einfachen, ist hier
in Spanien bald nachher, etwa am Ende des 13. Jahrhunderts
1) La basilica d’Assisi pag. 143
”) Für die Bearbeitung der spanischen Glasmalerei hat mir Herr Architekt A.
L. Merz, Stuttgart, sein reiches in Spanien gewonnenes Studienmaterial in dankenswerter
Weise zur Verfügung gestellt.
6*
84
wiederholt worden. Schon bei Betrachtung der Außenarchitektur
des Domes von Leön, die zum Zerissensten gehört, was je zu
sehen ist, ahnt man das lichte Innere. Alles hier scheint wie
nirgends nur für die Glasgemälde gemacht und wir müssen es
in Kauf nehmen, daß der außergewöhnlichen Steigerung eines
untergeordneten Architekturgliedes zulieb, das Bauwerk — im
Ganzen — eine äußerst schlechte unstatische Wirkung ausübt.
An diesem Dom in Leön ist das Unarchitektonische das
Interessanteste: Das ist's, was dem Beschauer schon von Außen
auffällt. Und tritt er dann aus der grellen spanischen Sonne hin-
ein und fühlt sich zurückgeschlagen und angezogen zugleich von
der Fülle farbigen Lichts, die ihm entgegenquillt, nachdem er
den dunklen Vorraum durchschritten hat, dann weiß er, daß
einiger Wert darin steckt, auf Kosten der Gesamtheit die Wirkung
eines einzelnen Teils zu steigern.
Die noch erhaltenen ältesten Fenster, die der „Capilla de
Santiago“ und einige andere sind ihrer Entstehungszeit nach
nicht genau zu datieren, da alle Angaben fehlen. Sie stammen
aber ihrem Stil nach sicherlich aus dem 13. Jahrhundert.
Andere sind im 14., 15. und 16. Jahrhundert entstanden. Neben
den Fenstern der Hauptkapelle, der „Capilla de Santiago“, und
den anderen noch erhaltenen ältesten Fenstern sind besonders
bemerkenswert die großen Rosenfenster der Westseite des Haupt-
schiffs und die im nördlichen Querschiff. Hervorzuheben sind
noch die Fenster der Seitenschiffe, die alle mehr romanischen
Charakter haben. Während die ebengenannten Fenster mit Aus-
nahme der Rosenscheiben mehr figürlichen Charakter zeigen,
treten bei den Fenstern der Seitenschiffe Eichenlaub, Weinlaub
und andere Pflanzenmotive frei stilisiert in köstlich satter Farb-
tönung auf. Obgleich diese seitlichen Fenster eine Ergänzung später
Zeiten sind, gehören sie doch zu den besten in ganz Spanien.
c) Die allmähliche Auflösung des Flächenstils in Bild-
wirkung unter dem Einfluß des italienischen Trecentos.
7. Der Kunstkreis zu Königsfelden.
Der Stoß, den Italien von Deutschland empfing, blieb nicht
unbeantwortet. Ein paar Dezennien nach den Arbeiten zu Assisi,
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Teil aus dem Passionsfenster in der Klosterkirche zu Königsfelden.
Erstes Viertel des 14. Jahrhunderts.
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mit dem ersten Flügelschlag des 14. Jahrhunderts, setzt eine
Richtung in der Glasmalerei ein, die mit dem bisher geübten
Prinzip der Glasmalerei als Flächenkunst bricht und die Perspek-
tive in die Glasmalerei einführt. Das hängt hauptsächlich mit
dem Aufkommen der Tafelmalerei zusammen. Seit der Auf-
stellung der französischen Primitive zu Beginn dieses Jahrhunderts
ist der Streit über die Priorität Frankreichs bzw. Italiens auf
dem Gebiete der Tafel- und auch Miniaturmalerei nicht verstummt.
Am schärfsten vertritt Bouchot in seinem Buche „Les primitifs
frangais 1292—1500“ den französischen Standpunkt. Bouchot
unterscheidet drei Hauptschulen, die Schule von Paris seit Beginn
des ı3. Jahrhunderts mit den Hauptnamen Jean Pinon, Jean
d’Orleans, Etienne d’Auxerres, Evrard d’Orleans. In diese Schule
gehören der Psalter Ingeburgs, das Skizzenbuch des Villard
von Honnecourt, die Manuskripte Ludwigs des Hl., die Glasfenster
der Sainte Chapelle. Als zweite Schule führt Bouchot die Gruppe
von Hesdin auf, genannt nach den Arbeiten für Hesdin, einem
Sitz der Mathilde von Artois (f 1329). Die Glasmaler dieser
Schule sind in Arras seit 1299, Othon, der wahrscheinlich von
Burgund kam, Hue d’Arras, Noel d’Arras, Jeanets Coqueles,
Huart. Auf diese Schule führt Bouchot auch den Meister E. S.
zurück. „Au nombre des orfevres en 1329 figure un certain
Etienne de Salins dont la descendänce fut illustre, je crois. Je
conseillerais en tout cas aux historiens du celebre Maitre E.-S.
de 1466 — dont on fait un allemand, mais que des gens plus
avisees ont dit &tre de Salins — la recherche approfondie dans
ce sens. Les ascendances soi-disant flamandes, mais surtout
bourguignonnes, du celebre graveur seraient plus facilement,
explicables par Mahaut d’Artois (78). Von den anderen Schulen
wird im nächsten Kapitel zu reden sein. Unter diese für Bouchot
sehr klaren Ereignisse fällt die merkwürdige und etwas myste-
riose Reise eines französischen Hofmalers nach Öberitalien, sowie
der Aufenthalt verschiedener italienischer Künstler in Frank-
reich. Die durch solche Berührung von selbst sich ergebende Ver-
wandtschaft der italienischen und französischen Primitive weist
Bouchot mit der Bemerkung ab, daß die Italiener höchstens die
Lernenden gewesen seien. Uns könnte dieser Prioritätsstreit an
sich gleichgültig sein, wenn er seine Schatten nicht auf die Glas-
86
malerei der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts werfen würde.
Königsfelden, unweit der Habsburg, der Ort schmerzlindernder
Sühne für die Schreckenstat des Jahres 1308, besitzt eine Reihe
herrlicher Glasgemälde, Stiftungen der Habsburger an ihren durch
Mörderhand gefallenen Ahn, Albrecht. Nach Lehmann sind sämt-
liche Fenster spätestens bisEnde des 4. Jahrzehnts, vollendet worden,
während Lübke, dem auch Schmitz folgt, eine successive Ent-
stehung bis über die Mitte des Jahrhunderts (etwa bis 1368) ver-
teidigt (Taf. 18—20). Nach äußeren Anhaltspunkten läßt sich das
Klarafenster (Fenster L nach Lübke) am genauesten datieren.
Es trägt die Aufschrift: Domina Katherina dvcissa Avstrie pro
Leopoldo dvce Avstrie. Dieser Herzog Leopold ist im Jahre
1326 gestorben, während seine Frau, die genannte Herzogin
Katharine, noch bis zum Jahre 1337 gelebt hat. Das Klara-
fenster ist also spätestens in der 2. Hälfte der dreißiger Jahre
des 14. Jahrhunderts entstanden. Man müßte somit von der
Technik und dem Stil dieses Fensters ausgehen, wenn man
Schlüsse auf die Entstehungszeit der übrigen Fenster ziehen wollte.
Es ist dem Beschauer viel zugemutet, wenn er auf den ersten
Blick hin glauben soll, sämtliche ıı Fenster seien in dem kurzen
Zeitraum von höchstens zwei bis drei Jahrzehnten entstanden.
Im wesentlichen stehen sich zwei Gruppen von Fenstern gegen-
über, die Fenster C, E, G, L als Repräsentanten des in der
üblichen Kirchengotik komponierten Flächenstils und die übrigen
Fenster, die bereits den perspektivischen Gedanken in Verbindung:
mit der Profanarchitektur zur Anwendung bringen. Die Fenster
mit Szenen aus dem Leben Jesu und die Apostelfenster, die den
Konstanzer Arbeiten, in manchem sogar den frühgotischen Glas-
malereien der Kölner Schule ähnlich sehen, scheinen einen un-
überbrückbaren Gegensatz zu den malerisch-plastisch gehaltenen
Fenstern mit den Legenden des hl. Franziskus und der hl. Klara
zu bilden. Eines steht jedenfalls fest: auch wenn Lübke und
Schmitz mit ihrer Datierung Recht haben, so muß mindestens
ein einheitlicher Ausschmückungsplan vorhanden gewesen sein.
Denn die Fenster bieten nicht bloß in der allgemeinen Anord-
nung, in der Verteilung der koloristischen Grundakkorde eine
auffallend korrespondierende Wechselwirkung, sie weisen viel-
mehr auch in Einzelheiten geradezu überraschende Ähnlichkeiten
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Teil aus dem Franziskusfenster in der Klosterkirche zu Königsfelden.
Erstes Viertel des 14. Jahrhunderts.
87
auf. Zunächst stimmen die Farbenskalen auf allen Fenstern
unter sich überein. Sie bestehen aus einem Weiß, einem Kohlen-
gelb, zwei Rot, zwei Grün, einem Rotviolett, einem Blauviolett,
einem Rotbraun, zwei Fleischtönen und einem Blau. Das Silber-
gelb wird sehr sparsam verwendet, kommt aber bezeichnender
Weise fast auf allen Fenstern vor und zwar im gleichen Ton
und in der schulmäßig gleichen Behandlung. Durchweg in
schwefelgelbem Kolorit tönt es Beinschienen, Armreife (Fenster G,
DH, E), Umschläge ven Büchern (Fenster F, D), eine Agraffe
(Fenster D), einen Schwertknauf (Fenster 14), eine Harfe (Fenster L).
Auf dem Schweißtuch eines Schergen (Geißelung Christi in
Fenster F) ist es sogar in höchst feiner und origineller Weise
zu einer leichten Modellierung und Schattierung verwendet. Die
beiden Apostelfenster C und I zeigen die fortschrittlichere An-
wendung des Silbergelbes: weitgehende Tönung der Architektur
und insbesondere der Haare. Der Gebrauch des Silbergelbes
schließt sich also genau an die Technik an, die Lehmann auf
dem um 1300 entstandenen Fenster zu Blumenstein bei der
Tönung von Fischen mit Silbergelb festgestellt hat. Die Ver-
wendung des Silbergelbes zur ergiebigen Tönung der Haare auf
den Königsfeldener Fenstern steht in der Entwicklung dieser
Farbe einzig da. Würde also diese Tatsache die Vermutung auf
relativ späte Entstehungszeit der beiden Apostelfenster wach-
rufen, so ist andererseits zu bemerken, daß gerade diese Glas-
gemälde ihrem Charakter nach zu den unbestritten ältesten Be-
standteilen des Chorschmuckes in Königsfelden gehören. Die
Farben der Hüttengläser und die Verwendung des Silbergelbes
lassen also bis jetzt den Schluß zu: Sämtliche Fenster müssen
unter denselben Werkstattsbedingungen entstanden sein. Dazu
kommt die auffallende Übereinstimmung in der Zusammenstellung
von Farbenakkorden namentlich von den Zweiklängen Rot-Grün
(einer nicht häufigen Kombination in dieser Zeit), Rot-Gelb,
Rotviolett-Grün. Auf dem Fenster A ist Anna, auf Fenster D
Katharina, auf E Maria je als Hauptperson gleichmäßig in grünes
Kleid und rotvioletten Mantel gekleidet, eine Zusammenstellung,
die wir auch auf Fenster L finden. Und doch bilden Fenster A
und E so ziemlich die Grenzpunkte der Datierung von Lübke.
Daß diese Tracht nicht eben auf religiöse, sondern nur auf ge-
88
meinsame Werkstattradition zurückzuführen ist, möge nur neben-
bei bemerkt sein und darauf hingewiesen werden, daß auch Jesse
auf Fenster A in den gleichen Farben gekleidet ist.
Der architektonische Aufbau der Fenster ist für die Datierung
ebenfalls sehr lehrreich. Der Fußboden wird auf allen Glas-
gemälden durch eine mit gotischen Vierpässen gezierte Bank ab-
getrennt, an sich ein ziemlich unbeholfener aber in seiner
schlichten Originalität um so charakteristischerer Ausweg. Auf
dem Mittelfenster (F), den Fenstern A und L ist diese Bank rein
zeichnerisch, flächig dargestellt, während sie auf den Fenstern B,
E, H, I, auf perspektivisch angebrachten Balken ruht, also eigent-
lich das Gegenteil, was man nach Lübkes Datierung erwarten
muß. Auch in der Ausstattung der unter der Bank freiliegenden
Fläche ist Wechselwirkung erstrebt. Diese Zwickel füllt im
Mittelfenster ein schreitender Löwe, auf B eine grün gekleidete
Figur, auf A und L die Halbfigur eines Engels. Schließlich mag
noch auf die Darstellung des Grabes auf Fenster G hingewiesen
sein. Das Grab wird durch einen langen, frontal gestellten und
mit gotischen Fenstern versehenen Kasten gebildet, dessen
Deckel auf der Vorderseite dachschuppenartig vorgelagert und
von perspektivisch gezeichneten Balkenkonsolen getragen wird.
Derselbe Aufbau des Grabes findet sich aber auch auf dem
Mittelfenster. Wäre die Entwicklung des Kostüms und der
Waffen in lückenloser und chronologisch auch nur annähernd
genauer Weise erforscht, so ließe sich aus den interessanten
Kriegs- und Friedenskleidern, die auf den Königsfeldener er-
scheinen, manches über die Datierung ermitteln. Zwar zieren
die Trachten des Klarafensters in farbigen Nachzeichnungen die
Tafel IV (Nr. 1—4) von Hottenroths bekanntem Werke über die
„Trachten etc. der Völker“. Allein in der Anmerkung fügt der
Verfasser bei: „Nach den 1358—1364 entstandenen Glasgemälden
von Königsfelden“ (S. 310. Auf Grund dieser durch nichts be-
wiesenen falschen Datierung werden nun die weiteren Schlüsse
über die Entwicklung der Tracht gezogen. Die Trachten auf
dem Klarafenster bestehen aus der enganliegenden Hose, dem
bis an die Knie reichenden und halbseitig aus zwei Farben zu-
sammen gesetzten Wams, einer Kragenkapuze (Gugel) mit lang
herabhängender Spitze und einem Lendengürtel mit Tasche
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Teil aus dem Täuferfenster in der Klosterkirche zu Königsfelden.
Erste Hälfte des 14. Jahrhunderts.
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(Dusing). Unter den weiblichen Gewändern tritt nur das Grebende
(auf dem Annafenster) besonders hervor. Die Waffenbekleidung
aber setzt sich aus den Kettenrüstungen zusammen, über die
ein Waffenrock aus Tuch gezogen ist, teils mit Kniekappen und
Beinschienen, teils ohne dieselben, sowie Beckenhauben oder
Eisenhüten und Dreiecksschilden, die an den oberen Enden ge-
rundet sind. Solche Krieger finden sich auf Fenster G, H, L
also wiederum auf den zeitlich am weitesten auseinander datierten
Fenstern. Die Mode der Kürzung aller Oberkleider soll nach
den Darlegungen in Trachtenbüchern in Burgund zu Beginn des
14. Jahrhunderts aufgekommen sein. Indeß führt Hottenroth
(2. A. Tafel 83, 7) einen italienischen Edelmann auf, der in ähn-
licher Mode, wie die Eltern der hl. Klara gekleidet ist. Zu Be-
ginn des 14. Jahrhunderts macht sich in der vornehmen Welt
der romanischen Länder das Bestreben geltend, das Oberkleid
zu kürzen, die Beinlinge zu verengen. An dem Grad, in dem
sich die Kleider den Körperformen anschmiegen, läßt sich der
Verlauf der neuen Mode im einzelnen fixieren. In dem um 1350
entstandenen Gebetbuch der Herzogin Blanca von Mailand hat
sich die Mode bereits zu den bekannten karnevalistischen Aus-
wüchsen spitzer Schuhe, korsettartigem Schnitt in die Taille bei
Waffenroek und Wams, Verkürzung des Oberkleids bis knapp
über den Oberkörper entwickelt. Diese Auswüchse kennt der
Königsfeldener Zyklus noch nicht, er steht vielmehr am Anfang
der Mode, so daß nichts hindert, die Glasgemälde in das erste
Drittel des Jahrhunderts zu verlegen, denn daß Künstler, die im
Dienst eines so hohen und natürlich mit der Mode gehenden
Fürstengeschlechts stehen, nicht in provinzieller Weise Altes
nachschleppen, sondern jeweils das Neueste sehen und kopieren,
ist selbstverständlich.
Wenn nun der Befund der Königsfeldener Fenster auf eine
allerdings reiche und unter dem Drängen der fürstlichen Bau-
herren, sowie dem unausgesetzten Fluß von Stiftungen zu raschem
Arbeiten gezwungene Gesamtwerkstatt schließen läßt, so weisen
doch die Fenster trotz der zahlreichen Ähnlichkeiten große stili-
stische Unterschiede auf. Da ist es zunächst die erste Haupt-
gruppe, die im großen und ganzen im System der flächigen
Kirchengotik arbeitet und die Fenster E—G, C—I umfaßt. Die
90
Fenster E und G sind Arbeiten eines Künstlers, der in den früh-
gotischen Traditionen gelernt und geschaffen hat, der ebenso die
Konstanzer, überhaupt oberrheinischen Glasgemälde kennt, wie
die niederrheinischen speziell die von Köln. Die Geburt Christi
ist noch ganz. nach dem byzantinischen Kanon dargestellt. Das
andere Fensterpaar C-I mit der Wiedergabe der Apostel, be-
deutet gegen die beiden genannten eine Fortentwicklung zum
System der Hochgotik. Freilich ist dieser Schritt unbedeutend
im Hinblick auf die Kluft, welche die andere Hauptgruppe scheidet,
die den neuen perspektivischen, aus der Malerei Giottos und
seiner Schule hervorgequollenen Stil mit Profanarchitektur, in
die Glasmalerei Königfeldens und überhaupt in die glasmaleri-
sche Praxis einführt. Und zwar muß der ganze Ideenkreis am
Platz gewesen sein, noch bevor die Meister der Fenster E—G,
des Fensters F ihre Arbeiten zum Abschluß gebracht haben.
Anders läßt sich die Zeichnung des Grabes nicht erklären, die
eine Konzession an die neue Richtung darstellt. Am zwang-
losesten deutet sich das Königsfeldener Problem dahin: Infolge
der Beschleunigung des Chorbaues und der zahlreichen Stiftungen
der Habsburger wurde von der Bauleitung nach den besten
Kräften ausgesandt. Das zunächstliegende war der Oberrhein
und Konstanz. Bezeichnenderweise findet man auf einem Fenster
eine Umrahmung einzelner Figuren und Szenen, die in dem
ersten Drittel des 14. Jahrhunderts im Elsaß (näherhin wohl in
Straßburg) ausgebildet und auf den Fenstern von S. Wilhelm-
Straßburg, auf den Fenstern von S. Stephan (gegen 1340) zu
Mülhausen (Bruck, Tafel 35—38, 41) häufig verwendet wurde.
Wir müssen daher auf Grund des stilisch-technischen Befunds,
der trotz der weitgehenden Restauration mit Leichtigkeit abge-
lesen werden kann, jene Datierung für richtig halten, zu der
Lehmann durch seine chronologisch-biographischen Untersuchun-
gen der Stifter gekommen ist und sämtliche Chorfenster der
Kirche zu Königsfelden in die ersten vier Dezennien des 14. Jahr-
hunderts verlegen.
Innerhalb der neuen — nennen wir sie bis zur näheren
Charakterisierung mit Perspektive und Profanarchitektur — ar-
beitenden Schule von Königsfelden spalten sich verschiedene
Kräfte, denen eine Übertragung der giottistischen Körper- und
91
Kompositionslehre in deutsches Empfinden gemeinsam ist. Auf
dem Mittelfenster herrscht eine Beschränkung der Figuren vor,
der Hintergrund (getüpfeltes Kreismuster von blauem Hütten-
glas) nimmt mindestens zwei Drittel des gesamten Raumes ein.
Die Körper sind noch schlank, die Gesichter von trockenem,
monotonem Ausdruck. Diesem Fenster stehen am nächsten das
Fenster mit der Legende der hl. Katharina und des hl. Johannes
des Täufers (D) und das korrespondierende Fenster mit den
höchst originellen Darstellungen von Szenen aus dem Leben des
Apostels Paulus (H). Daran schließt sich das Klarafenster (L)
an. Die Personenzahl vermehrt sich, wie auch die Figuren selbst
größer gezeichnet sind. Das Fenster besteht aus fünf Rund-
medaillons, deren Kreis im unteren Teil des Fensters in eine
Gerade ausgezogen wird, die ihrerseits Stifter und Stifterin, sowie
zwei musizierende Engel trennt. In die Zwickel sind ebenfalls
Engel komponiert und in den drei unteren Medaillons hat der
Künstler noch eine besondere Teilnahme von Engeln an der
Szene eingefügt, die aus einer Wolkenumrahmung eine Krone
herabreichen. Die Zeichnung dieser Engel stimmt mit dem en
face gehaltenen und perspektivisch verkürzten Engel überein,
der die (neue) Verkündigungsszene auf Fenster E (unterste Zeile)
bekrönt. Das Klarafenster ist am reichlichsten mit ornamental
angebrachten Engeln ausgestattet und bildet so einen merkwür-
digen Vorläufer des später in Bayern, Schwaben und dem Elsaß
wirkenden sogenannten Medaillonmeisters um 1400—1420. Im
übrigen wird auf dem Klarafenster mit den Grundsätzen der
Perspektive voller Ernst gemacht, wenn auch die Zeichnung und
Ausführung des Figürlichen noch stark an den gotischen Schema-
tismus erinnert. Der Künstler, der die Figuren des Klarafensters
gezeichnet hat, war auch an den Zwickelfiguren des Annafensters
(A) beteiligt. Diese Figuren, die eine Reihe weiblicher Heiligen
darstellen, scheiden sich von denen, die innerhalb der Medaillons
Aufnahmen fanden und einen weicheren, von italienischen Vor-
bildern angeregten Gesichtsausdruck, rundlichere Formen und
natürlichere Körperhaltung aufweisen. Während die Architektur
des unteren Medaillons genau wie jene auf dem Medaillon der
Enthauptung des Johannes in profanem Charakter gelöst ist, er-
scheint auf den übrigen der höchst interessante Versuch, das
92
perspektivische italienische Motiv mit den Formen der deutschen
Gotik zu vereinen. Am stärksten ist das Franziskusfenster von
‚italienischem Geist beeinflußt. Die Szene mit der Basilika zu
Assisi konnte nur ein Künstler zeichnen, dem jene Atmosphäre
in und um Assisi genau bekannt war, und einen so lebenswahren
Charakterkopf, wie ihn der im Gefolge des Papstes Innozenz
befindliche Kardinal zeigt, konnte nur ein Künstler entwerfen,
der sich im Leben und Treiben italienischer Prälaten genau um-
gesehen hatte.
Wenn nun in Niederhaslach (Johannesfenster, Bruck Tafel 42,
Marienfenster Tafel 43, III, Passionsfenster 44, V, die Fenster
mit dem Meßopfer, den Werken der Barmherzigkeit und der
Darstellung des Apostels Johannes Tafel 44, IH u. Il) eine stil-
verwandte Gruppe zu den Königsfeldener Fenstern erscheint, so
ist es nicht notwendig, den Sitz und den Ausgang der ganzen
Schule in Straßburg zu suchen. Frankreich bietet nichts, was
der Königsfeldener Schule hätte als Vorbild dienen können. Die
Szene der Hinrichtung des Johannes Baptista auf dem Nieder-
haslacher Fenster hat allerdings in dem Miniaturblatt einer fran-.
zösischen Handschrift (Grandes Chroniques de France. Bibl. nat.
man. fr. 2813) eine gewisse Parallele‘). Allein die Niederhaslacher
Fenster stammen aus den Jahren 1360— 1370, während die be-
treffende Handschrift erst 1375—1379 hergestellt wurde. Der
Hinweis auf die Altardecke von Narbonne, die mit der Kreuzi-
gungsgruppe des Niederhaslacher Fensters Ähnlichkeit hat, wirkt
im entgegengesetzten Sinne, denn die Narbonner Altardecke ist
erst in den siebziger Jahren, also wiederum erst nach den Nieder-
haslacher Fenstern entstanden. Man beachte ferner die merkwür-
dige Verwandtschaft, die zwischen den rautenförmig gemusterten
Hintergründen der Königsfeldener Fenster und den genau so ge-
musterten Teppichhintergründen besteht, die sich auf Fresken
A.Lorenzettis im Palazzo pubblico zu Siena finden. Diese Fresken
sind ungefähr 1338 entstanden. Ähnliches suchen wir auf franzö-
sischen Miniaturen und Gemälden vergeblich. Auch weisen die
überhängenden Baldachine, die vorspringenden Konsolen, kurz
1) Für die hier und im folgenden genannten Miniaturen vgl. A. Michel, Histoire
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die ganze Weisheit der Perspektive, die uns auf den Königs-
feldener Fenstern zum erstenmal begegnet, eine weitgehende
Übereinstimmung mit den Gemälden der oben angeführten
italienischen Trecentisten auf. Ich möchte endlich auf eine
scheinbar unbedeutende, aber gleichwohl interessante Tatsache
hinweisen. Auf dem Bibelfenster der Südseite in Niederhaslach
findet sich in der untersten Reihe die Szene der Verkündigung,
aber nicht in der gewohnten Art und Weise. Es ist vielmehr
die Idee des Ausgehens des Sohnes vom Vater versinnbildlicht.
Vom Munde des Vaters geht der Sohn als Knäblein aus, um
in einem Strahl in den Schoß Mariae hinabzusteigen. Eine gleich-
artige Darstellung fand ich auf dem Rundmedaillonfenster der
Benedictuskirche in Freising, ebenso in der Frauenkirche zu
München, dem Verkündigungsfenster der Nordseite des Augs-
burger Domes, das dem Hans Wild zugeschrieben wird, wie in
etwas erweiterter Form auf einem Glasgemälde zu Friedersbach
in Österreich. Hermann von Fritzlar, der im Jahre 1349 eine
Legende der Heiligen schrieb, sagt, diese Sitte komme von
Italien. (Das Nähere siehe Bruck S. 74.) Ein Glasgemälde zu
Pistoja soll dieselbe Darstellung enthalten, und ich fand sie jüngst
auch in einer italienischen Handschrift der Münchener Hof- und
Staatsbibliothek (cod.lat. 23215). Es ist ein Gebetbuch, das um
1350 für Branca von Savoyen, die Gemahlin Galeazzo II. Visconti in
Mailand, gemalt wurde. Ähnliches hat die französische Kunst so
früh nicht aufzuweisen, so daß auch diese Erscheinung für Beein-
flussung der Königsfeldener Künstler durch italienische Trecen-
tisten spricht. Die Schule nahm also in Königsfelden ihren An-
fang mit Künstlern, die Giotto und seinem Kreis angehört haben.
Sie wurde von dem Hause Habsburg berufen, wanderte nach
Erledigung ihrer Arbeiten zu Königsfelden nach dem Oberrhein
und natürlich in die neuen Habsburger Lande an der Donau
(z. B. S. Florian, Wien. Auch nach Regensburg schlug ein
Strahl aus, wie die Fenster zeigen, die einst die dortige Mino-
ritenkirche schmückten und nunmehr im Bayrischen National-
museum verwahrt werden.
In Prag auf der Burg Karlstein ist noch ein Rest alter
Glasmalereien, die sehr zahlreich und bedeutend gewesen sein
müssen (Taf. 21). Kaiser Karl IV., ein Verwandter des franzö-
94
sischen Königshauses, hat für Prag eine besondere Kunstblüte
geschaffen. Als Maler wirkten an seinem Hof hauptsächlich
‚Thomas von Modena, der unter dessen Einfluß stehende Theo-
derich und Nikolaus Wurmser aus Straßburg. Schmitz glaubt,
daß die Berufung des Nikolaus Wurmser für die Glasgemälde
der Burg Karlstein von Bedeutung gewesen sei, da sich Ähnlich-
keiten zwischen dem Prager Glasgemälde und dem Florentius-
fenster in Niederhaslach (Bruck, Tafel 42) feststellen ließen. Das
Prager Glasgemälde, die Kreuzigung darstellend, hat Verwandt-
schaft mit einem ebenfalls auf der Burg Karlstein befindlichen
Wandgemälde, das nach Neuwirth') nicht von Thomas von
Modena stammt. Darum glaubt Schmitz, daß das gegen 1330
entstandene Glasgemälde über die Straßburg-Königsfeldener
Schule nach Frankreich führt. Eine Ähnlichkeit mag ja zwischen
der Altardecke von Narbonne und den Prager Bildern wohl be-
stehen; wenn aber aus dem Auftreten des Damastgrundes (Karl-
steiner Glasgemälde) Schlüsse zugunsten einer Beeinflussung von
französischen Miniaturen, die seit der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts den Karrohintergrund durch Damaste ersetzt hätten, ge-
zogen werden, so muß konstatiert werden, daß das sogenannte
Gebetbuch Ludwigs des Bayern bereits den Damasthintergrund
kennt. Diese mit zahlreichen Miniaturen geschmückte Hand-
schrift ist in Italien, wahrscheinlich auf dem Römerzug des
Kaisers, 1327/28 angefertigt worden. (Codex lat. 6116 der
Münchener Hof- und Staatsbibliothek.) Auch Thomas von Modena
verwendet bereits den Damast als Hintergrund wie in Heiligen-
scheinen, während der Meister des Prager Tafelgemäldes für den
Hintergrund fliesenartige Musterung, in den Heiligenscheinen aber
die alten Motive der gotischen Formenwelt gebraucht. Auch
ist dieser Meister von den Erinnerungen an die deutsche Gotik
noch nicht frei, wie die Haltung Marias und insbesondere die
des Johannes zeigt. Der Prager Glasmaler aber beherrscht die
italienische Freiheit der Haltung und Bewegung der Körper,
ahmt in seinen rundlichen Formen den Thomas von Modena
nach. (Vgl. Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei 1914, S. 17.)
1) Mittelalterliche Wandgemälde und Tafelbilder auf der Burg Karlstein S. 47,
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Tafel 22
Glasgemälde einst in der Pfarrkirche zu Culm, jetzt in der Marienburg.
Ende des 14. Jahrhunderts.
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Die Arbeiten des Thomas von Modena siehe bei Neuwirth a. a. O.,
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In der Pfarrkirche zu Kulm befanden sich alte Glas-
gemälde, die in neuer Zeit restauriert und in die Marienburg
übertragen wurden. Es sind Reste eines Zyklus des Lebens und
Leidens Christi, in Paßform komponiert. Unseres Erachtens
hängen sie mit den Fenstern in Prag zusammen und sind eine
provinzielle, aber in der Wirkung sehr rassige und kräftige Ver-
arbeitung des in der Metropole Gesehenen. Ihre Entstehung
dürfte dem Ende des 14. Jahrhunderts angehören (Taf. 22). Auf
Prager Einfluß gehen auch die polnischen Glasgemälde des
Domes zu Krakau zurück (Taf. 23, 24).
Die Fenster der Regensburger Minoritenkirche (Taf. 25—27)
haben ihre Ausführung höchstwahrscheinlich in der Glasmaler-
schule bekommen, die für den Dom arbeitete. Wenigstens findet
sich noch heute im südlichen Seitenschiff des Domes ein Fenster,
das in vier Medaillons das Martyrium der hl. Katharina darstellt
und ein bis zwei Dezennien jünger sein dürfte als die Glas-
gemälde der Minoritenkirche (Taf. 28). Die Hauptsache ist, daß
dieses Fenster unverkennbar Verwandtschaft mit dem Stil der
Fenster der Minoritenkirche hat, und andererseits wieder zu einer
Gruppe von Glasgemälden weiter leitet, deren Urheber man
neuerdings mit dem Sammelnamen „Medaillonmeister“ bezeichnet').
In die Gruppe dieses Meisters bezieht Frankl je ein Glas-
gemälde zu Freising, im Dome zu Augsburg, in der Frauenkirche
zu München, im Münster zu Ulm und in der Kirche von Alt-
thann; als Ausgangspunkt der Schule ist nach Frankl eben
Regensburg anzusehen, und zwar der Glasgemäldeschmuck der
Minoritenkirche. Unseres Erachtens steht das Katharinenfenster
im Dom, eine Fortentwicklung der Glasgemälde der Minoriten-
kirche, jener Gruppe näher. Die Paßform ist in den großen
Kreis aufgelöst, den wir auf allen Fenstern der genannten Gruppe
finden. Der Kreis auf den Medaillons des Katharinenfensters
wird von einem Rosettenband gebildet, das wir auch auf einem
Ulmer Medaillon antreffen. Man betrachte ferner die noch durch
und durch fließenartige Behandlung des Hintergrundes. Das
1!) Die Glasmalerei des 15. Jahrhunderts in Bayern und Schwaben S. 7ff.
96
Klarafenster in Königsfelden weist zum erstenmal jene auf-
fallende Beteiligung von Engeln an der Szene auf, die im Laufe
‚der Entwicklung zu den Engelskränzen des Medaillonmeisters
geführt haben mögen. Am nächsten steht der Idee des Medaillon-
meisters ein Tympanonfries an dem Portal der Kirche zu Vicenza,
das im Jahre 1344 ausgeführt wurde. Um das Tympanon zieht
sich ein breiter mit Engeln und Heiligen ausgefüllter Halbkreis
genau in der Art des Medaillonmeisters. Das Tympanon hat,
nebenbei bemerkt, bereits jenen sternbesäten Grund, den wir auf
so vielen Glasgemälden des 15. Jahrhunderts finden. Es ist daher
nicht unmöglich, daß der Medaillonmeister durch eine italienische
Reise über Königsfelden zu seinen Entwürfen angeregt wurde.
Wir konnten bereits feststellen, daß die Fenster der Regens-
burger Minoritenkirche von der Königsfeldener Schule beeinflußt
sind, und daß das Katharinenfenster des Doms eine Weiterent-
wicklung der Minoritenfenster bedeutet. Wenn nun nach Frankl
Regensburg den Ausgangspunkt für den von ihm benannten
Medaillonmeister bildet, so kann das zunächst nur in dem Sinn
verstanden werden, daß der Medaillonmeister Stilformen ver-
wendet hat, die von Königsfelden nach Regensburg gelangt sind.
In den Heiligen, die auf dem Annafenster in Königsfelden die
Rundmedaillons umgeben, erkenne ich eine Anregung für den
späteren Medaillonmeister. Vor Freising steht immer noch Rosen-
weiler (Bruck, Tafel 47). Girodie hat dieses gegen 1400 zu-
datierende Glasgemälde einer „Ecole d’Alsace vers 1400, sous
Vinfluence de l’&cole de Cologne“ zugeschrieben, wobei er die
Verwandtschaft des Rosenweiler Fensters mit den Königsfeldener
und Niederhaslacher Fenstern übersah und den italienisierenden
Charakter der Rosenweiler Glasgemälde, den er sich nicht er-
klären konnte, für Kölner Einfluß hielt. Schon die Logosdar-
stellung allein auf dem Freisinger Fenster spricht für dessen Ab-
leitung aus italienischen Anschauungen. Die letzten Wurzeln
des Freisinger Fensters und seiner nächsten Verwandten liegen
also bloß da und es bleibt nur die Frage offen, ob der einmalige
Stoß, den die Regensburger Schule (Minoritenkirche und Katha-
rinenfenster im Dom) von der Königsfeldener Schule erhielt,
stark genug war, um bis nach Freising usw. weiter zu wirken,
oder ob ein zweiter dazu notwendig war. Der Engelkranz, der
Tafel 23
Teil einer Verkündigung. Nationalmuseum zu Krakau.
Ende des 14. Jahrhunderts. Zu Tafel 24 gehörig.
Tafel 24
Teil einer Verkündigung. Nationalmuseum zu Krakau.
Ende des 14. Jahrhunderts. Zu Tafel 23 gehörig.
Tafel 25
Detail aus einem Glasgemälde der Minoritenkirche zu Regensburg,
jetzt im Bayrischen Nationalmuseum zu München. Um 1360.
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Treil eines Fensters der Minoritenkirche in Regensburg, jetzt im Bayrischen Nationalmuseum
Um 1360.
zu München.
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Tafel 28
Teil des Katharinenfensters im Dom zu Regensburg.
Letztes Viertel des 14. Jahrhunderts.
97
die Medaillonkreise
umgibt, hat eine
Parallele in dem el-
sässischen Hang für
dramatische Be-
lebung. Man beach-
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Teil eines Medaillonfensters im Chor des Ulmer
Engelkranz und die Münsters. Anfang des 15. Jahrhunderts.
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. 7.
98
auf allen Medaillons wiederkehrende Wolkenbank am Scheitel
des Medaillons, von der Engel oder meistens Gott Vater in sehr
bewegter Weise ihre Teilnahme an den Ereignissen bekunden.
Zu beidem konnte Königsfelden namentlich das Klarafenster als
Anregung dienen. In einem für S. Emmeram in Regensburg
1406 hergestellten Missale (München, Hof- und Staatsbibl. cod.
lat. 1445) findet sich eine ähnliche Wiedergabe der Wolkenbank
mit Gott Vater. Der Stil weist trotz seiner Verwandtschaft mit
den übrigen Werken der Regensburger Lokalschule auf den
Oberrhein, überhaupt den Westen, wie schon die perspektivische
Fließenverkleidung der Baldachine zeigt.
Auf dem Schriftband des Münchener Rundmedaillons steht
zu lesen: anno dni mccelxxxxv, vii diis octobris. obit. ... paravit
hoc vitra?)m. Mit dem Tod des (unbekannten) Stifters ist also
dieses Glasgemälde einigermaßen datiert und zwar auf die Zeit
nach 1395. Das Fenster enthielt mehrere Medaillons, ein weiteres
Fragment von ihnen ist vielleicht in den von Schinnerer unter
Nr. 97 seines Katalogs aufgeführten Scheibenresten im Bayrischen
Nationalmuseum enthalten (Taf. 20). Daß diese einen anders
gefärbten Hintergrund haben als das Medaillon in der Frauenkirche,
beweist nicht gegen ihre Zusammengehörigkeit, da die Tinktur des
Hintergrunds erfahrungsgemäß sehr häufig in korrespondierender
Weise gewechselt wurde. An die Medaillons von München schließen
sich die Scheiben der Benedictuskirche in Freising zwischen
1400— 1410, daran die von Augsburg. Leider sind nur noch zwei
letzte Repräsentanten des Zyklus erhalten, ein Fenster in Ulm und
einesin Thann. Mit diesen Konstatierungen sind wir bei den höchst
merkwürdigen Beziehungen zwischen Ulm und Thann angelangt
(Abb. ı1). Zum erstenmal tauchen diese in den letzten Dezennien
des 14. Jahrhunderts auf und zwar in der Reliefplastik. Das
Südwestportal des Münsters zu Ulm weist bei Darstellung der
Dreikönigslegende Szenen auf, die nur noch in Thann, im Drei-
königsfenster zu Bern und zum Teil am Tympanon des West-
portals in Haßfurt vorkommen. Es sind die drei Wunder, durch
die jeder einzelne der drei Könige zu seiner Reise nach Jerusalem
angeregt wurde. Diese Wunder sind in dem Gedichte des ala-
mannischen Dichters Walther von Rheinau auf Grund einer aus
Italien stammenden Bearbeitung in metrische Form gefaßt worden
Aafeln29
Teil eines Medaillonfensters im Bayrischen Nationalmuseum zu München.
Anfang des ı5. Jahrhunderts.
9
und bilden die Quelle, aus der der Bildhauer von Thann und
Ulm geschöpft hat. Im Stil schließen sich die beiden Relief-
plastiken direkt an Giovanni Pisano (Pisaner Domkanzel) an. Wir
begegnen also auch hier dem italienischen Einfluß, den ich seit der
Königsfeldener Schule, die u.a. nach Regensburg Ausläufer sandte,
während des 14. Jahrhunderts auf oberrheinischen und schwäbisch-
bayrischen Glasmalereien fand. Ob nun Ulm oder Thann zuerst
sein Medaillonfenster bekommen hat, müßten urkundliche und bau-
geschichtliche Funde lehren, da eine stilkritische Untersuchung
schon deswegen zu keinem Ziele führt, weil von beiden Fenstern
viel zu wenig erhalten ist. Jedenfalls hat das Ulmer Fenster,
wie schon die Umrahmung und der Hintergrund zeigt, in einem
Achtpaß-Fenster der Frauenkirche zu München einen letzten Aus-
läufer gefunden, dessen Meister allerdings auch schon die Glas-
gemälde der Bessererkapelle im Ulmer Münster kennt (Taf. 30).
Frankl erklärt dieses Münchener Fenster für die Darstellung der
fünf Freuden Mariae und rechnet zu den vier erhaltenen Szenen
noch eine in einem anderen Fenster eingesetzte Verkündigung
— die bezeichnenderweise wieder mit der Logosdarstellung aus-
geführt ist. — Nun gibt es allerdings nicht fünf, sondern sieben
Freuden Mariae, als Pendant zu den sieben Schmerzen Mariae,
und wenn Frankl etwa die fünf Geheimnisse des freudenreichen
Rosenkranzes gemeint haben sollte, so würde zwar die Zahl, nicht
aber der Inhalt (Verkündigung, Heimsuchung, Geburt, Aufopferung
im Tempel, Wiederfinden des zwölfjährigen Knaben gegen Ver-
kündigung, Geburt, Anbetung der hl. drei Könige, Darstellung
im Tempel, Mariae Tod) auf den Münchener Fenstern stimmen.
Wahrscheinlich handelt es sich um die Reste eines mariologischen
Fensters. In den Kreis dieses Meisters gehört auch die Dreikönigs-
scheibe, die sichin Garmisch befand. Ich möchte auch auf die merk-
würdigen Berührungen des Fragments im Nationalmuseum mit
einer Scheibe hinweisen, die sich heute im Museum zu Genf be-
findet. Lehmann, der diese Scheibe bespricht und abbildet
(Nr. 83, a. a. O., S. 428, (274), hält sie für eine burgundische Arbeit.
Das 14. Jahrhundert war, wie wir im Vorausgehenden ge-
sehen haben, die Periode stärksten Einflusses des italienischen
Trecento auf die süddeutsche Glasmalerei. Dadurch bekommt
sie eine gewisse Frische gegenüber der in Köln allmählich ein-
ge
100
setzenden Gleichmäßigkeit und Langweile. Bouchots Ausfüh-
rungen, die in dem Versuch gipfelten, die Priorität der trecen-
tistischen Ideen und Formen für Frankreich zu Ungunsten Italiens
in Anspruch zu nehmen, haben uns nicht überzeugt, da die ganze
perspektivische Neuheit samt dem übrigen Realismus in Italien
seinen Ausgang genommen hat. Damit soll nicht übersehen
werden, daß sich die französische Hofkunst des 14. Jahrhunderts
außerordentlich kräftig und selbständig entwickelt hat. Wie dem
auch sei, bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts hat die süd-
deutsche Glasmalerei ihre Impulse von Oberitalien bekommen.
Das änderte sich mit der Jahrhundertwende.
8. Die oberrheinischen und ostdeutschen Schulen des
15. Jahrhunderts.
Die überaus glücklichen Verhältnisse, die den gesegneten
Landen rechts und links vom Oberrhein während des 15. Jahr-
hunderts eine so außerordentliche Blüte der Kunst und Kultur
gebracht haben, sind schon oft von kundiger Hand dargestellt
worden. Übereinstimmend weisen die Schriftsteller dieses schönen
Sakulums auf die günstige wirtschaftliche und exponierte politische
Lage, die Verbindungslinie zwischen Italien und Frankreich hin,
die ja auch den Städten Konstanz und Basel die stattliche Heer-
schau von Prälaten und Fürsten auf zwei Konzilien zugeführt
hat. In der Isle-de-France und in Burgund war die Kunst Luxus-
und Hofsache geworden. Die Künstler führten außer Pinsel und
Meißel in der Regel den goldenen Schlüssel eines Kammerherrn;
diese Einbeziehung in den Hofdienst brachte den Künstlern viele
Reisen, auf denen sie gaben und nahmen, wie dadurch anderer-
seits eine Zentralisierung und Schule, ja sogar die Ausbildung
einer starkgefärbten Persönlichkeit gefährdet war. Die Be-
dürfnisse der Fürsten an künstlerischer Arbeit waren, eben weil
es sich um höfischen Luxus handelte, sehr groß, man denke an
die verschwenderischen Ausstattungen der Mathilde von Artois,
des Herzogs von Berry, man denke an die Kartause von Dijon,
um nur das Bekannteste zu nennen. Kein Wunder, daß die
Fürsten alles an ihren Hof zogen, was künstlerisch irgendwie
bedeutend war; so treffen wir an französischen Höfen nicht nur
niederländische Namen, sondern auch gut deutsche, wie den des
Tafel 30
Zusammengestellte Szenen aus einem mariologischen Fenster.
Um 1430.
Frauenkirche zu München.
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Hänslein von Hagenau und Hermann von Köln. Die Folge ist, daßsich
vom Rheinknie bis Straßburg abwärts ein künstlerischer Meinungs-
austausch entwickelt, daß alle Fortschritte der Kunst, mögen sie
in den blühenden Städten Oberitaliens, an den Höfen pracht-
liebender Fürsten |
oder auf den breiten
Märkten aufstreben-
der Reichsstädte ge-
macht werden, sich
über die Geleitstraße
vermitteln. Den größ-
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mit ihren großen An-
regungen wenden,
überall streuen sie
den Samen zu Lokal-
schulen aus, sofern
sich ihnen großeZiele
bieten. Aber diese
Lokalschulen bleiben
nicht zurück, wie dies
früher des öfteren der
Fall war, sie ent-
wickeln sich vielmehr
so kräftig, daß sie
manchesan den Ober-
rhein zurückgeben,
was sie an der Stätte
ihresWirkensheraus- Abb. 12. Scheibe aus den Fenstern der Bessererkapelle
gebracht haben. Die im Münster zu Ulm. Um 1420,
Entwicklung der
Städte und des Zunftwesens, der vermehrte Bedarf an Kunst-
werken förderte jenes künstlerische Schaffen, so daß das
Kunstleben einem Blutkreislauf glich, der alle neuen Impulse
an die Peripherien führte. Schon beginnt auch der Einfluß
der Tafelmaler auf die Glasmaler, natürlich im Verein mit
102
der Einwirkung der Illuministen (enlumineurs). Von Moser
und den beiden Witz, von Tiefenthal und von dem Meister
‚Hermann von Köln gingen auf die Glasmalerei Einflüsse aus,
die zwar aktenmäßig nicht zu belegen, aber stilistisch ohne
Mühe nachzuweisen sind. Man hat der französisch-niederländischen
Miniatur des ausgehenden 14. Jahrhunderts den größten Anteil
an der Entwicklung der oberrheinisch-elsässischen Glasmalerei
zugeschrieben und weist zur Stärkung dieses Satzes auf die zahl-
reichen Miniaturen, die aus den Ateliers der Jean d’Orleans, Jean
Petit, Jean d’Artois, Jean de Beaumetz, Jan Malouel, Melchior
Broederlam, lauter Vertreter
der seit ca. 1370 blühenden
Burgunderschule hervorge-
gangen sind, sowie auf den
Kreisum den Herzog vonBerry.
In diesen Ateliers wurden zahl-
reiche Livres d’heures Stunden-
bücher (Gebetbücher) auch
Illustrationen von lateinischen
und italienischen Dichtern, so-
wie von Kalendern geschaffen,
die sich in einer relativ hohen
Abb. 13. Maßwerk aus einem Fenster
der Bessererkapelle im Münster zu Ulm. Anzahl erhalten haben. Auch
Um 1420. ich würde diese Abhängigkeit
der Glasmalerei von der franzo-
sischen Miniatur ohne weiteres anerkennen, wenn nur nicht das
Gebetbuch der Blanca Maria von Mailand wäre, das um 1350 alle
wesentlichen Eigenschaften des neuen Stils in behaglicher Fülle
Seite für Seite ausbreitet. Es soll damit nicht behauptet werden,
daß die französische Kunst ohne Einfluß auf die Glasmalerei ge-
wesen wäre. Aus dem französischen Kunstkreis stammen ins-
besondere die Fliesenbekleidung von Fußböden und Plafonds,
die sich bereits in einer Handschrift des Klosters S. Emmeram
in Regensburg finden, die im Jahre 1406, also zur Zeit des so-
genannten Medaillonmeisters angefertigt wurde. Aus Frankreich
stammt auch jener kräftige Realismus, der bei der Zeichnung
nichtheiliger oder gar roher Personen sich keineswegs an der
Wahrheit stoßt, sondern ins Häßliche und Abschreckende über-
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treibt. Dazu hat vor allem die Kunst des Claus Slüter mitge-
wirkt, die wir in Glasmalerei umgesetzt, auf verschiedenen Fenstern
zu Thann finden. Indes hat der Realismus erst durch deutsche
Meister seine volle Entfaltung bekommen. Aus der französisch-
niederländischen Schule stammt endlich die kräftige Betonung
der Landschaft. In der Beherrschung der
Landschaft haben sich unter den Deut-
schen besonders Konrad Witz und Lucas
Moser hervorgetan. Unter der Inspiration
des Lucas Moser mögen jene prachtvollen
Glasgemälde entstanden sein, die heute
noch die Kapelle der Familie Besserer im
Münster zu Ulm schmücken (Abb. 12— 14,
Taf. 31). Nach Ausweis der Hüttenbücher
des Ulmer Münsters bekommen in den
Jahren 1417— 1421 „maister Jakob der
mauler“ und der „mauler Lukas“ Zahlungen
für Glasgemälde. Einmal steht dabei „von
den venster zu bletzen (Plätzen) der Bier-
bruwer“'. Man hat unter dem mauler
Lukas wiederholt den Maler Lukas Mo-
ser erkennen und in den Zahlungen die
Ausgaben für die Bessererfenster sehen
wollen. Das letztere stimmt sicher nicht,
da die Bessererfenster als Stiftungen
dieser Familie auch von dieser bezahlt
wurden. Auch der Hinweis auf Multscher, Abb. 14. Maßwerk aus einem
als den Inspirator der Scheiben, den derBessererkapelleim Münster
Stadler in seinem Buch über H. Multscher zu Ulm. Um 1420.
gemacht, wird, soviel ich sehe, allgemein ab-
gelehnt. Es müßte erst einmal bewiesen werden, daß Multscher
wirklich Maler war und wenn er es war, dann würde ich seine
Hand im Einklang mit Stadler auch eher in den Glasgemälden
der Bessererfenster suchen, als auf den im Wert weit hinter
diesen Glasmalereien und den beglaubigten Bildhauerarbeiten
des Meisters stehenden Tafeln des Wolfegger und Sterzinger
2) Vgl. K. Habicht in Repertorium für Kunstwissenschaft 1910, S. 446.
104
Altars. Mehr Ansprechendes hat der Hinweis auf Lukas Moser.
Wenn man den Hintergrund der Anbetung der heiligen drei
‚Könige oder der Szene Christus als Gärtner auf dem Freiburger
Fenster, das, wie wir später sehen werden, ebenfalls von dem
Meister der Bessererfenster stammt, mit dem Flügel des Tiefen-
bronner Altars vergleichen, der die Meerfahrt der Heiligen dar-
stellt, so müssen wir die nahe Verwandtschaft beider Arbeiten
ohne weiteres anerkennen. Auch in der Behandlung perspek-
tivisch gezeichneter Räume berühren sich Tiefenbronner Altar
und die Glasgemälde der Besserer Kapelle. Ob aber Moser mit
jenem „lukas“ direkt identisch ist, scheint gleichwohl zweifelhaft.
Für den Ausgangspunkt des Meisters der Bessererfenster bietet
Melchior Broederlam einen Anhalt und zwar näherhin seine
Altarbilder für Dijon. Bei ihm erscheinen zum erstenmal per-
spektivisch vertiefte Frontansichten gotischer Kirchenräume, wie
dies auch auf den Scheiben des Abendmahls, der Fußwaschung,
Kreuztragung, Geißelung und den Wappenscheiben der Ulmer
Glasgemälde zu beobachten ist. Man vergleiche ferner die Zeich-
nung der Mutter Anna auf dem Gemälde Broederlams mit der
Anna auf der Ulmer Heimsuchungsscheibe. Von weiteren Werken
des Meisters der Bessererfenster ist mir nur ein Fenster in
Freiburg i. B. bekannt geworden. Es enthält drei biblische
Szenen: Christus als Gärtner, die Auferstehung und Himmelfahrt,
sowie Christus als Weltenrichter. Es sind kleine Varianten zu
den Ulmer Fenstern, von demselben Meister ausgeführt (Taf. 32).
Seit dem dritten Dezennium des 15. Jahrhunderts dringt in
die Glasmalerei ein außerordentlicher Reichtum von Architektur-
formen ein. Dabei scheiden sich zwei Klassen. Die eine über-
nimmt aus der italienisch-französischen Buchmalerei Elemente
und Raumdarstellungen, die sich mehr an profane Bauten an-
schließen, während die andere mit der monumentalen Kirchen-
gotik arbeitet und die in große Dimensionen erweiterten Archi-
tekturen mit zahlreichen Engeln bevölkert. Bis ein besserer
Beweis gelungen ist, halten wir Giotto für die Quelle, aus der
die Glasmalerei Perspektivenzeichnung und Raumvertiefung ge-
schöpft hat!). Unter den französischen Primitiven, die jetzt in
!) In dem „Handbuch der Kunstgeschichte‘ unternimmt Fr. Burger den Versuch,
die südfranzösische Kunst (Avignon) als das anregende Element in Anspruch zu nehmen.
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einer Prachtausgabe vorliegen, fand sich nichts, was diese An-
schauung erschüttern könnte. Andererseits war die Verbindung
mit Italien nicht so stark, daß sie allein vermocht hätte, die
Glasmalerei des ı5. Jahrhunderts zu befruchten. Darum stand
der Oberrhein, das Hauptzentrum glasmalerischen Schaffens, den
Einflüssen der französischen Miniatur völlig offen. Seltsamer-
weise hat die französische Miniatur und Malerei die heimische
Glasmalerei nicht in gleicher Weise angeregt, wie den Entwick-
lungsgang der deutschen Glasmalerei'). Das hängt mit dem aus-
gesprochen höfischen Charakter der französischen Kunst zusam-
men. Die Prachtliebe der Fürsten, das Bestreben sich vor den
übrigen Volksgenossen hervorzutun, die enge Verflechtung der
Künstler in den Hofdienst, laßt die Vermutung aufkommen, daß
die Fürsten nicht wünschten, daß ihre Künstler auch noch für
Gemeinwesen, oder sonstige Auftraggeber, arbeiteten. Damit
würde denn auch der schon besprochene Mangel einer eigent-
lichen Schulbildung zusammenhängen. Wie dem auch sei, jeden-
falls hat der Oberrhein von den Franzosen wiederholt Anregun-
gen empfangen, diese verarbeitet und nach den schwäbischen,
bayrischen und österreichischen Landen weiter gegeben. Nach
Girodie°) hat sich diese Beeinflussung im einzelnen folgendermaßen
abgewickelt: Um ı41o wurden die Glasgemälde in Thann auf
Kosten der Katharina von Burgund, der Tochter Karls des
Kühnen, begonnen. Möglicherweise verdanken sie ihre Ent-
stehung den Ateliers des Hans Witz und Hans Tieffenthal, Künst-
lern, die unter dem Einfluß der französischen - niederländischen
Vorläufer van Eycks standen. Wenn Girodie Recht hat, daß
während des Konstanzer Konzils an den Thanner Fenstern ge-
arbeitet wurde, so wäre damit auch die auffallende Verwandt-
schaft des von den Montforter Grafen gestifteten Glasgemäldes
zu Eriskirch, mit dem zwar späteren, aber allgemein dem Hans
Tieffenthal zugeschriebenen Katharinenfenster zu Schlettstadt
!) Dagegen hat diese französische Hofkunst, getreu den alten Beziehungen, die
englischen Künstler angeregt. Vergleiche z. B. die Fresken im Westminster Palast.
Diese Kunst hat dann wieder auf die nördlichen Gebiete Deutschlands zurückgewirkt,
wie die Glasgemälde im Rathaus zu Lüneburg zeigen. Siehe Abbildung I5.
*) Martin Schongauer et l’art du Haut-Rhin.
106
erklärt. Der Meister des Eriskircher Fensters hat die Kompo-
sitionsart und teilweise auch die Ausführung aus verschiedenen,
deutlich zu scheidenden Meistern entlehnt. So kennt er sicher
die Glasgemälde in Königsfelden, das Medaillon- und Marner-
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Abb. ı5. Glasgemälde im Rathaus zu Lüneburg. Erste Hälfte des ı5. Jahrh.
fenster in Ulm, wie schon der Hintergrund des Scheibenpaares
zeigt, auf dem der Stifter vor Maria kniet. Auch die Kunstweise
der überhängenden perspektivisch gezeichneten Baldachine, die
seit Beginn des Jahrhunderts am Oberrhein gepflegt wurde, ist
ihm geläufig. Wenn von verschiedenen Seiten Konstanz als die
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Teil eines Glasgemäldes in der Kirche zu Markterlbach. Letztes Viertel des
14. Jahrhunderts.
107
Heimat des Eriskircher Meisters angesprochen wird, so kann
dies höchstens mit der Einschränkung gelten, daß dieser Künstler
sich zufällig während des Konzils in Konstanz aufgehalten hat.
Von einer Bodenständigkeit der Kunst dieses Meisters in Kon-
stanz kann keine Rede sein.
Unter dem Einfluß van Eycks soll Tieffenthal nach Girodie
im dritten Dezennium des 15. Jahrhunderts die Glasgemälde in
Thann, hernach in Schlettstadt und endlich gegen 1435 die Glas-
fenster ausgeführt haben, die von der Gemahlin Philipps des
Guten von Burgund, von Isabella, der Kartause in Basel zum
Geschenk gemacht wurden. Das Katharinenfenster in Schlett-
stadt ist vor mehreren Jahren restauriert worden, jedoch so, daß
sich aus dem Fenster noch sehr vieles für die Entwicklung der
oberrheinischen Glasmalerei erschließen laßt. Die Baldachine er-
weitern sich zu völligen Hallendecken, die natürlich ebenfalls
perspektivisch gezeichnet sind. Das ganze Interesse ist auf diese
Raumdarstellung konzentriert, darum sieht der Meister von allem
Landschaftlichen ab und gibt auch für Szenen im Freien einen
Tapetenhintergrund. Das Figürliche ist im Stil der französisch-
niederländischen Miniatur gehalten. In den Kreis des Schlett-
stadter Fensters gehören auch zwei Glasgemälde in der Stadt-
pfarrkirche zu Ravensburg. In dieser Kirche befinden sich drei
alte Fenster; eines enthält sechs Vierpaßmedaillons mit je zwei
Aposteln und ist datiert (auf das Jahr 1415). Es hat im Aufbau
Ähnlichkeit mit den Resten eines Fensters in der Liebfrauen-
kirche zu Eßlingen, weicht aber im Detail und in der Ausführung
erheblich davon ab. Die Jahreszahl 1415 stimmt natürlich nur
für dieses Paßformfenster, die beiden übrigen sind mindestens
zehn Jahre jünger und gehören in den Kreis des Schlettstadter
Katharinen- und Agnesfensters. Auch dieser Kreis bevorzugt
die aus den Miniaturen bekannten Profanarchitekturen, kleidet
bereits auch heilige Personen nach der neuesten Mode und kann
so seinen Ursprung aus der höfischen Kunst der französisch-
burgundischen Residenzen nicht verleugnen. Nur in beschränktem
Maße werden Bauformen der ausgesprochenen Kirchengotik zu-
gelassen, zuerst in der Art des Melchior Broederlam. Bereits
bei dieser Richtung läßt sich eine merkwürdige Neuerung be-
merken, die gegen Mitte des Jahrhunderts unglaublich übertrie-
108
ben wird. Loggienartig bauen sich auf den Baldachinen Geschoße
auf, die sich immer mehr mit Engeln, seltener auch Heiligen
bevölkern. Am stärksten wird diese dramatische Belebung auf
Fenstern angewandt, die ihre Architektur aus der Kirchengotik
holen. Woher stammt diese eigenartige, in der Regel unange-
nehm wirkende Sitte. Man könnte daran denken, daß es eine
realistische Auflösung der auf Altären, einzelnen Miniaturblättern,
Goldschmiedearbeiten (Monstranzen) zahlreich dargestellten Hei-
ligenfiguren ist, die unter Baldachinen und Fialen stehen. Die
Miniatur hat keinen Geschmack an dieser der Glasmalerei eigenen
Sitte gefunden. Man kann allenfalls auf die Federzeichnung:
Hieronymus von Paul von Limburg hinweisen, die ähnliches, aber
in maßvoller Haltung zeigt (Bibl. Nat. zu Paris ms. fr. 166). Die
dramatische Lebhaftigkeit und theatralische Pose, die sich in
Körperhaltung und Handbewegungen ausdrückt, läßt mich die
Vermutung aussprechen, daß diese Regie auf Glasgemälden aus
den geistlichen Spielen stammt, die von den Künstlern be-
sucht, ja zum Teil arrangiert waren. Man betrachte z. B. die
Ulmer Fenster aus der Mitte des Jahrhunderts und man wird
erkennen, wie jede Aktion als Umdeutung einer Regievorschrift
aufzufassen ist. Auch die französische Glasmalerei hat sich der Mode
nicht entzogen, in den Architekturoberteilen Engel und Heilige
anzubringen; allein sie hielt sich an eine schlicht ornamentale
Verwendung und vermied, diese Figuren in eine so enge, thea-
tralische Teilnehmerrolle zu zwingen. Man vergleiche z. B. die
unter französischem Einfluß entstandenen Glasgemälde für die
S. Peterkathedrale in Genf, die in den Architekturteilen
reich mit Figuren ausgestattet, aber frei von allen erregten
Aktionen sind.
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts entstanden für die Kirche
Markterlbach bei Nürnberg eine Reihe von Glasgemälden, die
von dem Nürnberger Burggrafen Friedrich I. (f 1398) gestiftet
waren (Taf. 33). Sie leiten eine Gruppe ein, die man bequemer
Weise als fränkisch bezeichnet hat. Der Aufbau der Markterl-
bacher Fenster stellt eine Verbindung fortgeschrittener
Kirchengotik mit italienisierenden Bauformen dar. Es
sind die gewundenen Säulchen, die wir auch auf den Karlsteiner
Fresken finden, die perspektivischen, : fliesenartig gemusterten
Tafel 34
Teil aus einem Glasgemälde in der Blasiuskirche zu Mühlhausen in Thüringen.
Zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts.
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Decken, denen andererseits, namentlich nach der Höhe der
Fenster zu, ein ganzes System von Baldachinen, Fialen, Fenster-
maßwerken gegenübersteht. Den Hintergrund ziert feiner Damast,
die Figuren aber erinnern an südliche Vorbilder. Den Markterl-
bacher Fenstern folgt die Serie des Patriarchen-, der Passions-
und Josefsfenster
im Erfurter Dom,
die der gleichen
Schule angehö-
ren, wiedieMark-
terlbacher Fen-
ster‘). Im Jahre
1408entstand das
Marnerfensterim
Ulmer Münster,
dessen noch vor-
handene Reste
ebenfalls nahe
Verwandtschaft
mit Markterl-
bacher Fenstern
aufweisen. Teile
eines Passions-
fensters(um 1420)
finden sich in der
S. Jakobskirche
zu Straubing,
zwar zur Hälfte
erneuert, indeß Abb. 16. Evangelist. Wohl aus Ulm stammend.
noch deutlich als Gegen Mitte des I5. Jahrhunderts.
Glied der eben
besprochenen Gruppe erkennbar. Von wichtigeren Arbeiten
schließen wir noch die Chorfenster in der S. Jakobskirche in
Rothenburg und die gegen Mitte des Jahrhunderts entstandenen
1) Die Fenster zu Mühlhausen in Thüringen zeigen deutlich die Wanderung der
Elemente der Regensburger Minoritenfenster über Nördlingen, Rothenburg, nach Erfurt
und Stendal (siehe Taf. 34—36).
IIO
Arbeiten im Ulmer Münster und einige Fenster in Stendal an
(Taf. 37—39, Abb. 16).
Die genannten Glasgemälde verteilen sich auf den Zeitraum
von ungefähr einem halben Jahrhundert. Trotz der Entwicklung,
die daher innerhalb der Gruppe vor sich gegangen sein muß,
gehören sie doch eng zusammen; denn sie weisen alle Merkmale
auf, die bei der Beschreibung der Markterlbacher Fenster eben
skizziert wurde. Es fragt sich nur: Wo ist der Punkt, von dem
aus diese Gruppe in die allgemeine Entwicklungsgeschichte der
Glasmalerei eingereiht werden kann, wo ist das Zentrum dieser
Schule? Man spricht gerne von einer Nürnberger Schule, obwohl
von der Existenz einer solchen im weiteren nichts bekannt ist.
Zwar verwahrt das Germanische Museum eine Reihe von Scheiben-
resten, die aus Nürnberg und Umgebung stammen, allein sichere
Schlüsse können daraus nicht gezogen werden. Jedenfalls ist
von Interesse, daß in Ulm zahlreiche Fenster aus dieser „frankischen
Schule“ vorhanden waren), von denen sich ein beträchtlicher Rest
erhalten hat. Der auf allen Fenstern der Gruppe mehr oder
weniger deutliche böhmische Charakter ist bei dem weiten Ein-
flußgebiet der böhmischen Schule nicht weiter verwunderlich.
Er drang über Regensburg, Nürnberg, Gmünd bis Mülhausen a.N.
vor; während des Konstanzer Konzils ist er in Konkurrenz mit
der burgundisch-französischen Hofkunst; starke Ausläufer hat er
nach dem Maingebiet (Altar zu Schotten), nach den Deutsch-
ordensburgen des Nordens, überhaupt nach Brandenburg ent-
wickelt. Andererseits blieb die deutsche Kunst des Südens wie
Nordens in steter Berührung mit Oberitalien, da die geistlichen
wie auch weltlichen Berufe ihre Ausbildung zum großen Teil
an den italienischen Universitäten nahmen, was auf den Ge-
schmack und den Rückschlag auf die Künstler nicht ohne Ein-
wirkung blieb. Darum verschwinden auch die italienischen Remi-
niszenzen nicht, obwohl sich die Glasmaler alle Mühe gaben, die
Kirchengotik den Gesetzen der aus der italienischen Profan-
architektur entlehnten Perspektive anzupassen. Während das
Straubinger Fenster im figürlichen Teil Anklänge an österreichische
Arbeiten aufweist, entwickelt sich auf den übrigen Fenstern der
t) Einige prachtvolle Scheiben sind im Besitz des württembergischen Königshauses.
Tafel 35
Um 1400.
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Schule eine gewisse Selbständigkeit, die um so mehr wächst,
je weiter die Schule nach Westen wandert. Die Köpfe werden
länger, die Einzelformen rundlicher, was den scharfen Zeichnungen
der Regensburger Richtung gegenübersteht und z. B. auch auf
den Erfurter Fenstern zu beobachten ist. Die Schule ging jeden-
falls von Regensburg aus. Man vergleiche z. B. die enge Ver-
wandtschaft der Rothenburger Fenster mit dem Katharinenfenster
im Regensburger Dom. Allmählich bildet sich für den Aufbau
ein System. Es ist die
perspektivisch gezeich-
nete Innenansicht eines
gotischen Kirchenrau-
mes, bei dem besonders
die Gewölbe und die be-
krönenden Teile betont
sind. Die Rippen der
sternbesäten Gewölbe-
felder laufen gerne auf
einer Mittelsäule zu-
sammen. Esmögedaran
erinnert werden, daß der
Reliefgrund des Portals
zu Vicenza (1344) eben-
falls mit Sternen besät
ist. Die gedrehten oder
umwundenen Säulen Abb. 17. Detail ‚aus einem Glasgemälde der Stadt-
kirche zu Friedberg.
brachte zum erstenmal
Thomas von Modena nach Deutschland, wo sie sich lange großer
Beliebtheit erfreuten. Eben dieser eklektische Charakter macht
es schwer, die Schule irgendwo zu lokalisieren. Alles fließt in-
einander. Da nun Ulm und in Abhängigkeit davon Thann (siehe
Bruck, Tafel 53) besonders reichlich mit derlei Fenstern versehen
wurden, möchte man den Sitz der Schule dort suchen, wo sich
Beziehungen zu Ulm nachweisen lassen; das ist aber nur die
Stadt Nördlingen, so daß Nördlingen als Zentrum dieses Misch-
stils in Betracht kommen könnte In alten Notizen fand sich
ein Conrad dictus Fugelin pictor 1386. „Ein Maler, Friedrich
Walther von Dinkelsbühl, wurde 1460 Bürger allhier. Er war
Il2
Zeichner von zwar steifen Figuren in die Armenbibel. Er zog
von hier wieder ab nach Bern, wo in der dasigen Münsterkirche
‚und zu Freyburg‘) auf Glas gemalte Fenster von ihm zu sehen
sind, seine Nachkommen florieren noch in Bern als angesehene
Kaufleute.“ Diese kurze Notiz in der Literatur scheint auf Bey-
schlag zurückzugehen, der über die Kunstgeschichte Nördlingens
(Beyträge zur Kunstgeschichte Nördlingens von der Form-
schneiderey 1798) eingehende Untersuchungen über diesen
Maler Walter macht. Beyschlag sagt, daß er aus handschrift-
lichen Nachrichten vernommen habe, Friedrich Walter „der Glas-
maler“ sei mit dem Jahre 1472 aus Nördlingen verschwunden
und nach Bern gewandert. Des weiteren führt Beyschlag eine
Wappenscheibe der Stubengesellschaft an, die um 1430 in Nörd-
lingen entstanden ist. In dem Nekrolog der Franziskanermönche
findet sich zu Beginn des I5. Jahrhunderts der Eintrag obut
O. Fr. L. Luger laycus optimus ineisor lignorum. DBeyschlag
unternimmt im Anschluß an diese Notiz den Nachweis, daß sich
Nördlingen während des ganzen 15. Jahrhunderts im Holzschnitt
und den verwandten Gebieten, also auch Rissen für Glasmalerei
hervorgetan habe’). Sighart®) erweitert die von Beyschlag ge-
gebene Liste um ein Beträchtliches. Angefangen mit Heinz dem
Maler, genannt Schüttenhelm (I400—1432) setzt eine ununter-
brochene Reihe von mehr denn einem Viertelhundert Malern
ein und zwar während des einzigen 15. Jahrhunderts. Im Jahre
1414 tritt zum erstenmal die Glasmalerfamilie Deckinger auf,
später hören wir von Ulrich Glaser von Dünkelsbühl; um die
Mitte des Jahrhunderts tauchen die schon genannten Acker und
Deckinger auf, hernach die Familie der Daig, Martin und Bastian
Daig, aus deren Schule der Meister von Meßkirch, Jerg Ziegler,
!) Auch der Sohn des Hans Schäufelein geht später nach Freiburg i. Üchtgau,
ein Zeichen, daß die Nördlinger Künstler stets enge Beziehungen zu dieser Stadt hatten.
?) Es darf auch darauf hingewiesen werden, daß die Bistimer Bamberg und
Freising bis tief in Kärnthen und Steiermark Besitz hatten, was an die kleine Graf-
schaft Görz, die unmittelbare Grenznachbarin Venedigs, grenzte. Der Weg ging stets
über Salzburg, an dessen Südostgrenze Bamberger Besitz stieß, Nördlingen, Rothen-
burg. Tatsächlich hatte Nördlingen seit I400 mit Salzburg regen Künstleraustausch,
so daß der eklektische Charakter der spätgotischen Glasmalerei hinreichend erklärt ist.
®) S. 604 und 643.
Tafel 36
Apostelkopf in einem Fenster des Domes zu Erfurt. Nach 1400.
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Mannahlese. Detail aus einem Fenster der S. Jakobskirche zu Rothenburg o. d. T. Erste Hälfte des 15. Jahrhunderts.
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Detail aus einem Glasgemälde der S. Jakobskirche zu Rothenburg o. d. T.
Erste Hälfte des ı5. Jahrhunderts.
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hervorgeht. Dazu kommt die Schäuffeleinschule, deren letzte
Ausläufer ich in einem Glasgemäldezyklus aus den Jahren 1572
bis 1577 gefunden habe, der einst für das Kloster Urspring bei
Blaubeuren angefertigt wurde. Mit Beginn des 16. Jahrhunderts
treffen wir den Haimerand Daig und laut den Forschungen von
Ansgar Pöllmann‘) in den Rechnungsbüchern Nördlingens den
Conntz Mayinger, Baltasar Vennd, Matthys Freyhart, Lorenntz
Wattenhofer, Bastian Schnitzer, Martin Mülhofer und Lenhart
Müller. Freyhart und Wattenhofer üben Malerei und Glasmalerei
gleichzeitig aus, ganz im Einklang mit der oben charakterisierten
Entwicklung der spätgotischen Glasmalerei. Von Daig fand Pöll-
mann Glasgemälde in der Nähe von Nördlingen. Größer als der
Lehrer wurde der Schüler, der schon genannte Jerg Ziegler, der
Meister von Meßkirch®. Von ihm stammen laut Pöllmann eine
kleine Scheibe auf Schloß Heiligenberg, die berühmten Heilig-
kreuzthaler Scheiben im Stuttgarter Museum der Vaterländischen
Altertümer, und jüngst fand ich ein unvergleichlich schönes Stück
in der Sammlung des Königs von Württemberg). Seinen Ein-
fluß, bzw. seine Nachwirkung, glaube ich auch in den pracht-
vollen Fensterresten auf Reichenau-Mittelzell zu erkennen, die
im Jahre 1556 entstanden sind und das letzte Zeugnis süddeutschen
Kunstschaffens auf dem Gebiet der monumentalen Glasmalerei
darstellen. Der Chor der genannten Kirche wurde in den Jahren
1555—56 von dem Straßburger Baumeister Jakob Roß aufgeführt.
In dieser Zeit herrschte am Oberrhein ein aus Baldung- und
Jerg Zieglerelementen herausgewachsener Stil in der Glasmalerei.
Der Einfluß der böhmischen Schule nach Westen ging wahr-
scheinlich, wie oben bemerkt über Regensburg. Die im Chor
des dortigen Doms erhaltenen Fenster mit der Geburt Christi,
den drei Königen, und Mariae Tod gehen auf das böhmische
Dekorations- und Architektursystem zurück. Die zahlreichen
Konsolen und Plafonds findet man in den Fresken der Karl-
steiner Marienkirche wiederholt vorgebildet. Dieses System ist
1) Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei 1913, S. 32ff; 4ff.
2) Siehe über ihn Pöllmann in den Historisch-Politischen Blättern 1908, Heft 6
und in der Zeitschrift für christliche Kunst 1908, S. 263 ff.
3) Vgl. das unter der Presse befindliche Werk des Verfassers dieses Buches, über
Schwäbische Glasmalerei.
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. 8
II4
aus italienischen Motiven herausgewachsen. Ob freilich der
durch Thomas von Modena nach Prag gebrachte italienische
Formenkreis für die Entwicklung der Regensburger Miniatur
und Glasmaler hinreichend war, oder ob es neuer, direkter Ver-
bindungen mit dem Süden bedurfte, ist nicht festzustellen. Trotz
des äußerlich sehr veränderten Bildes der drei genannten Chor-
fenster bestehen doch noch unverkennbare Ähnlichkeiten mit
dem Medaillon-(Katharinenfenster).
In der Pfarrkirche S. Jakob zu Rothenburg finden sich Fenster,
auf denen der Medaillongrund des Regensburger Katharinen-
fensters mit dem Architektursystem vereinigt ist, das wir zum
erstenmal auf den Chorfenstern zu Erfurt und Ulm wahrnehmen.
Dieses System ist eine genaue Kopie der Kirchengotik und be-
tont im Gegensatz zu den früheren Frontansichten nunmehr die
Darstellung des perspektivisch gezeichneten Innern, sowie der
Gewölbekappen, deren Rippen wie schon erwähnt, häufig auf
eine Mittelsäule zusammenlaufen. Die Felder der Gewölbekappen
schmückt im Gegensatz zu den Fliesenplafonds der italienisch-
französischen Kunst, ein sterngeschmückter blauer Grund. Aller-
dings könnte auch diese Idee in italienischen Vorbildern be-
gründet sein. Denn das Tympanon über dem Portal der Kirche
zu Vicenza, das 1344 angefertigt wurde, weist ebenfalls einen
sternbesäten Hintergrund auf.
Rothenburg bildet übrigens den Übergang zu einem be-
sonders prächtigen Fensterschmuck, den Glasgemälden zu Münner-
stadt. Sie wird als eine eigene Gruppe, als Mainschule, aus-
geschieden. Dabei ist aber zu beachten, daß der Charakter der
Fenster keineswegs einheitlich ist, daß vielmehr Meister aus ver-
schiedenen Schulen an den Glasgemälden tätig waren. So hat
das Katharinenfenster unverkennbar Ähnlichkeit mit den Ar-
beiten, die dem Hans Noll in Bern zugeschrieben werden. Auch
von Regensburg ist ein kräftiger Strahl der heimischen Kunst nach
Münnerstadt gefallen. Das System der Kirchengotik bleibt bis
über die Mitte des Jahrhunderts, um welche Zeit es von dem
System der Spätgotik abgelöst wird. Im äußersten Südosten
Bayerns dauert der italienische Einfluß entlang der Innstraße unge-
schwächt fort, wie das 1426 von Hans (S?)ponhaumer gestiftete
Fenster für die Tillykapelle, das unter dem frischen Eindruck
Tafel 40
Evangelist Johannes. Detail eines Glasgemäldes im Dome zu Halberstadt.
Anfang des ı5. Jahrhunderts.
5
der italienischen Frührenaissance gezeichnet wurde, beweist
(ak am)
Durch die ständige Verbindung mit der französisch-nieder-
ländischen Kunst hat sich am Oberrhein eine Glasmalerschule
entwickelt, deren Arbeiten allerdings nur mehr in wenigen Kirchen
vorhanden sind, die aber das Eigenartigste während des 15. Jahr-
hunderts geschaffen hat und nur von dem Meister der Besserer-
kapelle überholt wird. Unter dem Einfluß Dierick Bouts entstand
das Fenster zu Zabern, das von Bruck dem Kaspar Isenmann
zugeschrieben wird. Isenmann war anscheinend ein Schüler des
Hans Tieffenthal und hatte sich auf seinen Wanderungen durch
Flandern eine genaue Kenntnis der niederländischen Kunst er-
worben. Bruck kommt durch Vergleichung der Zaberner Scheiben
mit den Altarbildern im Museum zu Kolmar zu seiner erwähnten
Zuschreibung. Unter dem Einfluß des Roger van der Weyden
bildeten sich die Schüler des Moser und Witz zu jener eigen-
tümlichen Gruppe, die hauptsächlich durch den Meister E S
charakterisiert wird. Zu dem szenischen Realismus gesellt sich
das Bestreben, das modische Benehmen und Sichkleiden der
vornehmen Welt getreu zu kopieren. Es sind dies die Um-
deutungen der fürstlichen Hofkunst Frankreichs und Burgunds
in den üppigen Luxus des städtischen Patriziats. Dies kam be-
reits auf dem Schlettstädter Katharinenfenster des Hans Tieffen-
thal zum Ausdruck. „Le maitre E S de 1466 aime la vie ele-
gante des cites du diocese de Bäle, ses bourgeois habilles a la
mode bourguigonne, leur robuste sensualite, l’assurance de leurs
gestes compares & ceux que la joie de vivre suggere aux com-
pagnes des jeux oü les surprend le vieux graveur“ (Girodie 92).
Neben dem Meister E S, den Bouchot zu einem Franzosen,
„de Salins“, macht, tut sich ein zweiter hervor, dem man die
Walburger Fenster zuschreibt (Bruck Taf. 56—59) und den Bruck
den Meister von 1461 nennt, weil die Walburger Glasgemälde eben
auf dieses Jahr datiert sind. Die Fenster enthalten in Legendenform
die Darstellung des Lebens Mariae, des Lebens Jesu, des Johannes
des Täufers, der Apostel und der Szene des Weltgerichts. Das
Atelier dieses Meisters und jenes des Meisters E S gingen, wie
Girodie (S. 200) glaubt, wahrscheinlich aus der Schule des Con-
rad Witz hervor. Sie haben offenbar das Atelier des Hans
5*F
116
Tieffenthal im Elsaß und in der Schweiz weitergeführt. Zwischen _
1430—1450 ist das Fenster mit dem Leben Jesu zu Altthann
gemalt worden. In Schlettstadt entstand das Agnesfenster, in der
Kathedrale zu Thann das Marienfenster und die Stifterscheiben,
in der Kirche S. Wilhelm zu Straßburg um 1460 das Katharinen-
und Wilhelmfenster, die Fenster mit dem Leben Mariae und mit
den Aposteln, in Altthann endlich die auf 1466 datierte Stiftung
des Pfarrers Johannes Müller und des Grutleutpriesters Nicolaus
Wolffach. Girodie fügt bei: „Das Leben Jesu und die Legende
des hl. Benedikt zu Biel, datiert auf 1457, weisen Analogien mit
den Fenstern zu Bern, einer gemeinsamen Schöpfung des Hans
Tieffenthal und des Meisters E S. Einige Figuren des Lebens
Jesu leiten sich von der Kunst des Hans Witz ab, die sich mit
der des Roger van der Weyden vermischt hat. Die Fenster zu
Staufberg, nahe bei Lenzburg (Schweiz), endlich sind eine Nach-
ahmung der Fenster von Altthann“ (S. 201). Dieser Anteil der
Meister Hans Tieffenthal usw. an den Berner, Bieler und Stauf-
berger Fenstern ist jedoch auf die Vorlagen oder höchstens den
Karton einzuschränken, da Lehmann (S. 129— 278) den Meister
Hans von Ulm, Meister Niclaus, Peter und Hans Noll und end-
lich Urs Werder als ausführende Künstler nachweist').
Infolge der reichen Beschäftigung, die den Künstlern am
Oberrhein zuteil wurde, beschränkte sich der Schulzusammenhang
nicht auf Vererbung fester Traditionen. Jeder Meister hatte
vielmehr das Bestreben, das auf der Wanderschaft Gesehene zu
einer eigenen Formensprache zu verarbeiten, wobei freilich die
Herrschaft der Mode keineswegs alteriert wurde. Das gemein-
same Ziel war die Verdeutschung der jenseits der Alpen und
jenseits des Rheins gewonnenen Eindrücke. Und da man die
Eindrücke nicht in Glasmalerstuben, vielmehr in den Ateliers
der Ölmaler bekam, überwog immer mehr der Charakter des
plastisch-malerischen über das flächig-zeichnerische. Nur eines
konnten die Visierer nicht von den Tafelmalern absehen, namlich
die Art, wie man verhältnismäßig kleine Szenen in großangelegte
Rahmen fügen könne. Von Italien hatten frühere Generationen
!) Siehe Lehmann, die Glasmalerei in Bern am Ende des 15. und Anfang des
16. Jahrhunderts. Anzeiger für schweizerische Altertumskunde 1912—-1914.
Tafel 41
Detail aus einem Glasgemälde in der Tillykapelle zu Altötting.
Datiert 1426.
117
die perspektivisch gezeichneten Architekturen nach Königsfelden
gebracht und von da aus waren diese neuen Gedanken, ein Erbe
Giottos, peripherisch nach Norden und Westen ausgestrahlt und
an verschiedenen Orten (Prag, Regensburg) durch neue Zuflüsse
aus dem Süden verstärkt. Daß sich aber die deutsche Glas-
malerei vom ersten Augenblick an nicht begnügte, diese italie-
nische, durch Frankreichs höfische Miniatur verstärkte, Architek-
turzeichnung beizubehalten, sondern mit der Kirchengotik zu
verbinden, ist ein Beweis für die unendlich mächtige Bedeutung
der Glasmalerei, als eines integrierenden Bestandteils des Bau-
programms. Nur wenige Fenster (Eriskirch, Ravensburg, Thann,
Bruck, Tafel 48), blieben an der italienischen Profanarchitektur
haften, alle sonst bekannt gewordenen Glasgemälde suchen mit
mehr oder weniger Geschick den Gedankengang des Baumeisters
mit den importierten Moden zu verbinden. Dem Meister der
Markterlbacher Fenster ist dies am frühesten und verhältnismäßig
gut gelungen. Eine vollständige und systematische Überwindung
des italienischen Prinzips zugunsten der Übereinstimmung mit
dem Charakter des zu schmückenden Baus fand in der eben
charakterisierten oberrheinischen (schweizerischen) Schule seit der
zweiten Hälfte des ı5. Jahrhunderts statt. Auf den Fenstern
der Pfarrkirche zu Zabern, und zwar auf den Scheiben der
Geißelung und Dornenkrönung kann man vortrefflich studieren,
wie der italienische Baldachin in den gotischen gewandelt worden
ist. Auf anderen Scheiben derselben Fenster hat Isenmann den
Baldachin durch einen von zwei schlanken Baumstämmchen als
Säulen getragenen Rundbogen ersetzt, der, ähnlich wie die zahl-
reichen gotischen Friese, mit Laubwerk belegt ist. Mit diesen
Glasgemälden ist das Zeitalter der Spätgotik eingeläutet. Im
Figürlichen machen die Glasmaler alle Moden der Tafelmaler
mit, was bei der nunmehr häufigen Trennung des Visierers vom
Techniker nicht verwunderlich sein darf, im Architektonischen
suchen sie ebenfalls alle Spielarten des spätgotischen Baustils
zu kopieren. Aus diesem Milieu ist der letzte große Meister des
ausgehenden Jahrhunderts hervorgewachsen, der Glasmaler Hans
Wild®). Girodie, der die Identität des Meisters der Fenster in S.
*) Frankl, P. der Ulmer Glasmaler Hans Wild, Jahrbuch der Königlich Preußischen
Kunstsammlungen 1912, S. 31ff.
118
Magdalena zu Straßburg mit dem Meister der Ulmer Chorfenster,
auf denen er sich verewigt hat, also den Hans Wild noch nicht
ı kannte, erklärt: Unter dem Einfluß M. Schongauers hat der
Meister der Passion in Alt Sankt Peter die Glasgemälde der
Magdalenenkirche gemacht (S. 205). Zum erstenmal wurde von
der Hofglasmalerei F. X. Zettler erkannt, daß die Kartons von
S. Magdalena in Straßburg fast genau mit den Chorfenstern
Abb. 18. Detail aus dem Stammbaumfenster des Münsters zu Ulm.
gleichen Inhalts in Ulm übereinstimmen. Diese Anstalt hat auch
genaue Aufnahme von beiden Zyklen machen lassen. In neuester
Zeit ist von Paul Frankl das umfangreiche Material gesammelt
worden, das eine Stileinheit mit den Ulmer Chorfenstern bildet
und daher unter dem Namen des Glasmalers Hans Wild geht
(Taf. 42—46, Abb. ı8). Das älteste Werk befindet sich in der Stifts-
kirche zu Urach aus dem Jahre 1471. Von da an umfaßt das Tätig-
keitsgebiet des Meisters Schwaben, Bayern bis Salzburg, Franken
Tafel 42
Detail aus dem Stammbaumfenster im Münster zu Ulm.
Signiert Hans Wild. 1480.
119
bis Nürnberg und nach Lehmann auch die Schweiz. Chronolo-
gisch folgen sich auf das Fenster in Urach die Glasgemälde in der
Stiftskirche zu Tübingen (1477), das Kramerfenster zu Ulm (1480),
das Ratsfenster ebendort, die Glasgemälde auf dem Nonnberg
zu Salzburg (1480)*), in der Magdalenenkirche zu Straßburg (1481),
im Dome zu Augsburg, das Scharfzandtfenster in der Münchener
Frauenkirche, das Volkamerfenster zu St. Lorenz in Nürnberg.
Außer diesen großen Arbeiten sind an verschiedenen Orten
kleine Reste erhalten, die man ebenfalls bei Frankl aufgezählt
findet. Obwohl nun die ältesten Arbeiten auf württembergisch-
schwäbischen Boden sich befinden, ist damit doch noch nicht
gesagt, daß Hans Wild aus Ulm hervorgegangen ist. Um die
Mitte des ı5. Jahrhunderts haben die Acker und Deckinger in
Ulm gearbeitet und Lehmann macht einen „Hans von Ulm“ be-
kannt, der im Jahre 1441 das Passionsfenster im Chor des Berner
Münsters anfertigte und dem Lehmann eine Scheibe in der Erlach-
kapelle desselben Münsters zuschreibt (Abbildung 44 bei Lehmann) 2).
In der Tat weisen sowohl die Passionsfragmente, als das Drei-
königsfenster, das ebenfalls aus der Mitte des Jahrhunderts stammt,
wie die genannte Scheibe Ähnlichkeiten mit dem Wildschen
Fenster des Ulmer Münsters auf. Dazu gehört besonders der
eigenartige aus Rotviolett geschliffene Damastmantel und ein
ganz pikantes Farbspielchen. Auf dem Stammbaumfenster im
Chor des Ulmer Münsters und auf der Scheibe in der Erlach-
kapelle erscheint in einer weiten Fläche von ganz dunklen Farben
als besonderer Farbenreiz ein kleines Stück Rot (Mütze). Diese
eigenartige Wirkung läßt sich weder mit Worten beschreiben
2) In Salzburg gab es um die genannte Zeit allerdings auch einheimische Glas-
maler. So bezahlt Probst Ludwig Ebner von S. Zeno-Reichenhall Glasgemälde nach
Salzburg: „ich hab an Meister Paulsen maler zu saltzburg ein glaß in mein capellen
angeben als geprannt von gueten Farben und pildwerch“ ... (Urkunde im Reichs-
archiv zu München, nach Mitteilung von Fr. Wolter).
?) Dieser Hans von Ulm war sehr wahrscheinlich im Gefolge des Vinzenz Ensinger,
der um I440 am Konstanzer Münster beschäftigt war. In einer Kapelle dieser Kirche
befindet sich der Rest eines Glasgemäldes mit dem Wappen des Bischofs Heinrich
von Höwen (I436— 1462), das außerordentlich viel Ähnlichkeit mit den von Lehmann
dem Hans von Ulm zugeschriebenen Glasgemälden im Berner Münster hat. Offenbar
ist also Hans von Ulm mit Vinzenz Ensinger über Konstanz nach Bern gewandert.
(Vgl. auch Diözesanarchiv von Schwaben 1896, S. 142).
120
noch auf einer Abbildung ablesen, ist aber so charakteristisch,
daß sie bei dem Ulmer Fenster nur aus Abhängigkeit von dem
‚ Berner Meister erklärt werden kann. Hans Wild hat, konkret
gesprochen, die Schule und Tätigkeit des Hans von Ulm ge-
kannt. Von dem Passionsfenster ist nur sehr wenig erhalten
und auch dieses Wenige stark restauriert. Trotzdem laßt sich
die Ulmer Provenienz noch heute erweisen, auch wenn die ur-
kundliche Notiz, die Lehmann veröffentlicht hat, nicht erhalten
geblieben wäre. Um die Ölbergszene zieht sich ein Halbkreis,
der den Umrahmungen von Portalreliefs entspricht; in ihm be-
finden sich sitzende mit Lesen beschäftigte Figuren. Diese all-
gemein gleiche Tätigkeit ist bei den verschiedenen Figuren
außerordentlich fein variiert, so daß man unwillkürlich an den
Archivoltenzyklus des Ulmer Hauptportals erinnert wird, in dem
die Schreibtätigkeit der 12 Apostel ebenfalls reich variiert er-
scheint. Auf dem Dreikönigsfenster findet sich in der Architektur
die Wiedergabe der Episoden, in denen das die drei Könige
zum Aufbruch nach Bethlehem mahnende Wunder geschildert
wird, jener Episoden, die uns am Südwestportal des Münsters
zu Ulm begegnen. Die Darstellung dieser Szenen, die auf das
Gedicht des Walther von Rheinau über das Leben Mariae zurück-
geht, ist so außerordentlich selten, daß man unbedingt an Ab-
hängigkeit denken muß, wenn man sie in Bern wiederfindet.
Aber auch technisch-stilistische Gesichtspunkte weisen auf Ulm.
Es sind jene landschaftlichen Hintergründe, ein eingenartiges
Rotbraun, das wir auf den Fenstern der Bessererkapelle im Ulmer
Münster kennen gelernt haben. Noch einmal taucht also die
Meistergestalt jenes Künstlers auf, dem wir den prachtvollen
Schatz der Bessererkapelle verdanken. Die Berner Glasgemälde
bilden den Übergang von diesem Meister zu Hans Wild. Jener
Hans von Ulm, mag er nun in die Familie der Acker oder
Deckinger gehört haben oder nicht, bildet neben den Meistern der
Ulmer Chorfenster eine eigentümliche Erscheinung. Er steht
auf dem Boden der großen Traditionen des Künstlers der Besserer-
kapelle und nimmt von seinen Kollegen, die mehr im Stil der
Nördlingen-Nürnberger Schule arbeiten, nur wenig an. Von ihm
hat sich im Münster zu Ulm nichts erhalten.
So sehr also diese Momente dafür sprechen, daß Hans Wild
Tafel 43
Detail aus einem Glasgemälde von Hans Wild im Ulmer Münster. Um 1480.
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Teil eines Glasgemäldes in der Stadtkirche zu Friedberg.
Ende des 15. Jahrhunderts.
Tafel 45
Rundscheibe in farbigem Hüttenglas. Schloß zu Erbach.
Ende des 15. Jahrhunderts.
Tafel 46
Schloß zu Erbach.
Ende des 15. Jahrhunderts.
Rundscheibe in farbigem Hüttenglas.
121
aus der Ulmer Glasmalerschule hervorgegangen ist und in einem
besonderen Verhältnis zu dem in Bern genannten „Hans von
Ulm“ steht, so lassen sich doch auch viele Gesichtspunkte fest-
stellen, die auf das Elsaß deuten. Vor allem ist der Einfluß
Schongauers und anderer oberrheinischer Ateliers auf Hans Wild
unverkennbar. Wild hat dort zu visieren und stilisieren gelernt,
wo der Sieg der deutschen Kirchengotik mit dem uns unter dem
Namen Spätgotik bekannten Resultat, über die Mischung deut-
scher Kirchengotik mit verzopftem Giottismus völlig entschieden
war. Man kann sich nun die Lernzeit Wilds zusammen reimen,
wie man will, jedenfalls steht fest, daß er in seinen technischen
Kunstgriffen an die Traditionen des Hans von Ulm anknüpft,
während er im Stil auf dem Boden der oberrheinischen Kunst-
richtung steht. Dabei mag unbeanstandet bleiben, daß Hans
Wild seine dauernde Werkstätte sehr frühzeitig in dem zentraler
gelegenen und große Aufgaben bietenden Ulm aufschlug.')
9. Die französische Glasmalerei im Zeitalter der Gotik.
Die zum erstenmal im Psalter Ludwigs des Heiligen ange-
wandte architektonische Überdachung der Einzelfigur hat für die
französische Gotik der Glasmalerei während zweier Jahrhunderte
das Leitmotiv gegeben. Sie ist, wie gezeigt, in weite Grebiete
Deutschlands eingedrungen, ohne allerdings selbständige Weiter-
bildungen zu veranlassen. Dem System der Kirchengotik blieb
Frankreich treu, selbst in dem Moment, als die Trecentomalerei
Oberitaliens für Süddeutschland und das benachbarte Elsaß neue
Ziele brachte, ja selbst in dem Moment, als die französische
Miniatur ihren Einfluß auf die deutsche Glasmalerei ausübte.
Das hängt damit zusammen, daß sich die kirchlichen Kreise
1) Mit der Auflösung des hebraisierenden Ornaments auf einem Gewandsaum
eines Hohenpriesters auf dem Scharfzandtfenster zu München in Wilt sind wir nicht
einverstanden. (Siehe Abb. 22 in dem Aufsatz Frankls in dem Jahrbuch der preußischen
Kunstsammlungen). Um zu diesem Leseresultat zu gelangen, muß das Wort verkehrt
und aus der Reihe heraus gelesen werden. Es ist zudem nicht einzuschen, warum
Wild seinen Namen mit Thau, das immer wie aspiriertes S gesprochen wurde, schrieb,
während ihm doch die richtigen Buchstaben Daleth und Thet zur Verfügung standen,
wenn er bzw. sein Gewährsmann je hebräisch konnten. Wir halten das Ganze für
einen neckischen Zufall eines völlig ornamentalen Zwecken dienenden Buchstabenspiels.
122
Abb.ıg. Chorfenster in der Kirche zu Evreux.
Zweites Viertel des I4. Jahrhunderts.
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Frankreichs um so weniger an
der französischen Hofkunst be-
teiligten, je mehr sie von den
einzelnenHöfen entfernt waren.
Die französische Glasmalerei
entwickelte sich daher gleich-
mäßig mit den Stilwandlungen
der Gotik. Den noch einfachen
gotischen Übergangsarbeiten
in Chälons-sur-Marne folgt die
Periode der französischen Früh-
gotik, vertreten durch das Bei-
spiel zu Esconnes, der Hoch-
gotik mit den Fenstern zu
Evreux, denen dieGlasgemälde
der Kathedralen zu Limoges
und Beauvais anzuschließen
sind (Taf. 47, Abb. 19, 20). Die
architektonische Umrahmung
und insbesondere Bekrönung
dieser Fenster entspricht zwar
Bau-
allein sie sind rein
flächig, zeichnerisch gehalten
und gleichen dem Aufriß eines
Baumeisters auf Pergament.
Gegen Ende des Jahrhunderts
aber wird der bekrönende
Flachbogenzum perspektivisch
festgehaltenen Baldachin. Die
Fläche weicht dem Räum-
lichen, dieeinerFederzeichnung:
ähnliche Konturierung breiter
Plastik und malerischer Behag-
lichkeit. Daß dies unter dem
direkten Einfluß der italieni-
schenTrecentomalereigeschah,
formen,
muß stark bezweifelt werden,
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Chorfenster in der Kirche zu Evreux.
Zweites Viertel des 14. Jahrhunderts.
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da die Giottisten ganz andere Ziele verfolgten als die franzö-
sischen Glasmaler. Wenn man sieht, wie selbst Broederlam
die giotteske Kleinarchitektur in die Kirchengotik umzusetzen
sucht, wie selbst Paul von Limburg in dem Federblatt „Heiliger
Hieronymus“ die perspektivische Behandlung der Kirchengotik
versucht, so muß man darin die starke Kraft der monumentalen
Glasmalerei erkennen, die sich nicht so leicht von der Kleinkunst
der Miniatur verdrängen ließ. Man darf sogar noch einen Schritt
weiter gehen und annehmen, daß die perspektivisch-plastische
Behandlung der Kirchengotik eine selbständige, unbeeinflußte
Entwicklung in den französischen Glasmalerateliers darstellt. Wohl
weist ein Blatt der Loipeauhandschrift in der Gestaltung des
Baldachins, der entgegen der trecentistischen Architektur im Stil
der französischen Kirchengotik gehalten ist, überraschende Ähnlich-
keit mit den eben geschilderten Glasmalereien auf. Allein in diesem
Fall ist nicht die Glasmalerei von der Miniatur, sondern die
Miniatur von der Glasmalerei beeinflußt. Die Beispiele aus
Ambierl& und Chailly mögen die perspektivisch-plastische Ge-
staltung der französischen Glasmalerei im 15. Jahrhundert zeigen.
Aus dem Jahre 1440 stammt ein Glasfenster in der Kirche zu
Egmoutiers, das die Kirchengotik der französischen Glasmalerei
mit den Idealen der höfischen Miniatur zu verbinden strebt. So
tief ist der kirchlichen Glasmalerei ihre ererbte Tradition ein-
gefleischt, daß sie von dem gotischen Architekturprinzip nicht
abgegangen ist. Nur der Fußboden bekam die perspektivische
Fliesenmusterung und die beiden Seitenpfeiler, die der Baldachin
zu tragen hatte, wurden in Kleinarchitektur mit Baldachinen auf-
gelöst, wie wir sie aus italienischen Bildern, italienischen und
französischen Miniaturen kennen. In ähnlicher Weise ist ein
Fenster gehalten, das sich in S. Maurice zu Lyon befindet, während
ein Fenster in der Kathedrale zu Tours die Verbindung der Fuß-
bodenperspektive mit der Kirchengotik zeigt. Die französischen
Glasmaler haben den architektonischen Gedanken der Glas-
malerei treuer bewahrt als die süddeutschen Meister, die sich
anitalienischen Malereien und französischen Miniaturen inspirierten.
Entgegen den mit vielen kleinen Szenen gefüllten Fenstern der
romanischen Periode liebt die französische Glasmalerei der go-
tischen Periode die Einzelfigur oder die Darstellung einer einzigen
über das ganze Fenster
verteilten Szene. Durch
den Holzschnitt und
Kupferstichkamdiesüd-
deutsche Grlasmalerei
immer mehr in das Sy-
stem der Legendenfen-
ster hinein, während
Frankreich nur den klei-
neren Teil seiner Fen-
ster in diesem System
komponierte. Beispiele
davon finden sich in
der Kirche zu Rosnay,
Berulles, St. Parre-les-
Vaudes, St. Julien-du-
Sault. Sämtliche Kir-
chen liegen wie das
Zentrum dieser Schule,
Troyes, in der Aube und
sind der burgundischen
Einwirkung am meisten
ausgesetzt. Dengenann-
ten Fenstern ist eigen-
tüumlich, daß sie für die
Darstellung der Szenen
entweder auf jede ar-
chitektonische Umrah-
mung verzichten oder
sich auf dürftige, sehr
flach gezogene Bogen
in fi A'EE beschränken.Imübrigen
geht die Zeichnung im
Stil der Kleinkunst, der
Buchmalerei. Die Mehr-
zahl der französischen
Glasmalereien des 15. Jahrhunderts setzt, wie gesagt, das System
der Kirchengotik fort. Mit dem Eindringen der italienischen
Abb. 20. Detail aus einem Glasfenster der
St. Chapelle zu Riom. Um 1350.
125
Renaissance suchte man den herkömmlichen Baldachin den neuen
Kunstformen anzupassen, wie noch ein sehr interessantes Glas-
gemälde aus dem Jahre 1551 in der Kathedrale von Beauvais zeigt
(angefertigt von dem Maler Nicolaus Lepot) (siehe Taf. 48—5 1).
Um vor Stagnation bewahrt zu werden, blieb der französischen
Glasmalerei nur der eine Weg, der einer Anleihe bei der Tafel-
malerei offen. Soweit die heimische Malerei nicht kräftig genug
war, ließ man das Ausland auf sich wirken und dabei kamen
besonders die Niederlande, der Mittelrhein und Süddeutschland
in Betracht. In Anvers befindet sich ein Glasgemälde mit den
beiden Johannes, das nach Vorlage eines Schülers van Eycks
ausgeführt wurde. Da die Holzschnitte und Kupferstiche leicht
zu transportieren waren, bildeten sie für die französische Glas-
malerei eine reiche Vorlagenquelle. In der Kirche zu Brou er-
strahlt die Stiftung Philipps des Schönen und der Margarethe
von Österreich in verschiedenen prachtvollen Fenstern. Auf
einem von ihnen ist als Hauptthema die Himmelfahrt Mariä dar-
gestellt, darüber ein triumphus Christ. Schon Nodet‘) hat er-
kannt, daß der Triumphzug auf Tizian zurückgeht. Ungefähr
1510 entwarf Tizian einen solchen triumphus Christus, der dann
von Nicollo Boldrini und Andrea Andreani in Holz geschnitten
wurde und als Holzschnitt den Glasmalern Jean Brachou, Jean
Orquois und Antoine Noisin, den Meistern der Fenster von Brou
als Vorlage diente. Das Hauptbild aber, die Himmelfahrt, be-
stimmte Nodet als Kopie eines Stiches von Albrecht Dürer und
zwar aus der I5Io entstandenen Holzschnittfolge des Lebens
der Jungfrau Maria°). Die Himmelfahrt war für den Helleraltar,
der durch Brand zugrunde gegangen ist, in Öl ausgeführt. Beim
Übertrag des Stiches auf das Glasgemälde wurde die frische
Kraft Dürers völlig verwischt und ins Weiche aufgelöst. Außer
diesem Stich verwendeten die Glasmaler noch zwei andere, naäm-
lich Christus und Magdalena, Christus als Gärtner, die im „Kupfer-
stichkabinet“ von Bartsch unter Nr. 46 und 47 aufgeführt sind.
1) Nodet, V. Un vitrail de l’Eglise de Brou, Gazette des Beaux Arts XXXV,
S. 096 ff.
?) Die Abbildungen siehe bei L. Begule, Les vitraux du Moyen-äge et de la
Renaissance dans la region Lyonnaise. Paris I9LI.
126
Was Nodet von Brou, das weist Lafond') von einem Glasgemälde
nach, das sich heute in der Kirche S. Romain zu Rouen befindet
und nach einem Stich Dürers aus der „Großen Passion“ (Bartsch
Nr. ıı) gezeichnet ist. Der Karton des Fensters in der Kapelle
Notre dame de Loretto der Kathedrale zu Beauvais wird
von Lasteyrie einem Kopisten Raphaels, zugeschrieben. Was
immer nach Stichen deutscher oder italienischer Meister an Glas-
gemälden entstanden ist, alles weist eine Umdeutung der kräftigen
Kontur in die weichen Formen der französischen Malerei auf,
die den ganzen Verlauf der französischen Glasmalerei des 16. Jahr-
hunderts nachhaltig beeinflußte. Die Glasmaler hießen in den
Rechnungsbüchern bezeichnender Weise fast stets peintre statt
verrier, was dem schon genannten Gelehrten, Jean Lafond, an-
fänglich Bedenken bereitet hat (S.6). Diese starke Abhängig-
keit der französischen Glasmalerei von der Tafelmalerei trug den
Keim vorzeitiger Auflösung der Glasmalerei in sich. Die wenigen
großen Meister des 16. Jahrhunderts, die ebenfalls mehr Maler
waren, Jean Lequier, Engrand le prince, Fauconnier, Pierre
Vilatte und Nicolas Froment zu Avignon, Nicolas Cordonnier zu
Troyes, Jean Barbe, Robert le Court, Guillaume le Vieil zu Rouen,
wurden mit Aufträgen überhäuft, so daß die kleineren immer
mehr zurückgedrängt waren. Wo man diesen noch einige Auf-
gaben zuwies, da hielt man sie an, die Großen zu kopieren, wie
Lafond an einem interessanten Beispiel aus der Normandie nach-
weist. Der Glasmaler Mausse Heurtault war laut eines noch vor-
handenen Kontraktes vom Jahre 1535 verpflichtet, für die Kirche
Saint-Ouen de Pont-Audemer Glasgemälde nach dem Vorbild
des Engrand le prince, des Haupts der Schule von Beauvais,
dem Lucien Magne in seinem Werke über die Glasmalereien zu
Montmorency ein Denkmal gesetzt hat, anzufertigen. Heurtault
hielt sich getreu an sein Vorbild und verzichtete nur einmal auf
Engrand, nämlich als er es für nötig erachtete, einen Stich des
Lukas von Leyden (Bartsch Nr. 40) sklavisch zu kopieren. Unter
solchen Umständen waren dem Einfluß auswärtiger Künstler
1) Lafond, J. Arnoult de la Pointe et les artistes etrangers ä Rouen, Bulletin
de la Societe des amis des monuments rouennais IgII. Un vitrail d’Engrand le
prince ebendort 1908.
Tafel 48
Teil eines Fensters in der Kirche zu Ambierle.
Stil der französischen Spätgotik.
127
immer mehr die Tore geöffnet. Nicht, daß man sich begnügt
hätte, fremde Stiche nachzumachen. Die Künstler wurden direkt
nach den Zentren der französischen kirchlichen Kunst gerufen.
Auf Grund einer gründlichen Untersuchung über „les peintres
sur verre“, „les artistes et les maitres de meties a Lyon du
XV. au XVlI. siecle* kommt Natalis Rondot zu dem Resultat,
daß zehn Prozent aller Künstler Ausländer sind, von denen ein
schwaches Drittel auf Italien, das übrige auf Holländer und
Deutsche trifft, die hauptsächlich aus Utrecht, Nimwegen, Leyden
Mainz und Köln kommen. So ist ein Hans von Wesel seit 1457 bis
zu seinem Tode dauernd in Rouen tätig, ferner ein Arnold von
Cronberg (Mainzer Gegend). Mit diesen urkundlichen Resultaten
stimmen die stilistischen Befunde völlig überein. Auf dem
Stephanusfenster in S. Romain zu Rouen, das aus S. Etienne-des-
Tonneliers stammt, ist zu lesen Arnoult de Niemeg peii... Es
ist derselbe Meister, der unter dem Namen Arnoult de la Pointe
als Meister des Stammbaumfensters in S. Godard (Rouen) in den
Rechnungen vorkommt (S. 7) und auf dem genannten Glas-
gemälde signiert hat. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts gerät
Frankreich immer mehr in die Abhängigkeit von den hollän-
dischen Glasmalern. Neue technische Mittel müssen über den
Mangel an Erfindung hinwegtäuschen, wie beispielsweise das
bekannte Rotbraun des Jean Cousin, das neuerdings wieder her-
gestellt wird.
Was die englische Glasmalerei betrifft, die stets im Zu-
sammenhang mit den französischen und besonders normannischen
Schulen zu behandeln ist, so läßt sich die Entwicklung in ähn-
licher Weise charakterisieren, wie sie eben für Frankreich fest-
gestellt worden ist. Die aus der ersten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts stammenden Glasgemälde zu Exeter, in der Beer Fer-
rers Church zu Devon gehen parallel mit den Glasgemälden zu
Evreux und Esconnes, während die Katharinenscheibe in der
Exeter Kathedrale (1389) den Stil der plastisch-breiten Kirchen-
gotik wiedergibt, den wir an vielen Glasgemälden Frankreichs
kennen gelernt haben (Siehe Taf. 32).
128
D) Die Vorherrschaft des Malerischen infolge Trennung
zwischen Visierer und Techniker.
10. Die kölnische und niederländischen Schulen.
Die Werkstatt des Hans Wild bildet den Ausklang eines
selbständigen Kunsthandwerks.. Wenn auch Wild nur einen
kleinen Teil der aus seiner Werkstatt hervorgegangenen Glas-
malereien persönlich ausgeführt hat, so hat er gleichwohl allem
den bestimmten und für immer kenntlichen Eigencharakter auf-
gedrückt, indem fast alle seine Glasmalereien von der gleichen
Hand, nämlich von dem Meister selbst visiert wurden. Wild
bedeutet daher das interessanteste Beispiel für die künstlerischen
Vorzüge einer organischen Verknüpfung von Visierer und Tech-
niker. Obwohl Wilds Stil aus einer maniriert entarteten Kunst,
die mit dem Meister E S beginnt, hervorgewachsen ist, obwohl
sein Stil alles Flächige verabschiedet und eher vom Holzbildhauer
gelernt hat, entstanden in seiner Werkstatt doch noch Arbeiten,
die sich in Riß und Ausführung ein großes Stück echten Glas-
malertums erhalten und daher den Glasmalern des 19. Jahr-
hunderts in besonderer Weise als Vorbild gedient haben. Außer
Wild ist keine andere Werkstätte bekannt geworden, die eine
derartig markante Stellung eingenommen hätte. Schon die sehr
bedeutende Hirsvogelwerkstatt ist keine stilistische Einheit mehr.
In ihr wird ausgeführt, was die großen Künstler am Platze vi-
siert haben.
Mit dieser Trennung des Visierers von der Werkstatt tritt
die Glasmalerei in eine völlige Abhängigkeit von der zeitgenös-
sischen Tafelmalerei. Die Glasmaler sehen sich gezwungen, die
feinen Modellierungen und Schattierungen auszuführen, die den
Ölgemälden der Visierer eigen sind. Nur der starke Nachhall
großer glasmalerischer Traditionen hat verhindert, daß die spe-
zifischen Eigenschaften der Ölmalerei als störende Mißklänge in
der ihnen an sich wesensfremden Glasmalerei erscheinen. Unter
dem Einfluß der Ölmalerei tritt auch für die Glasmalerei eine
besondere Betonung des Modells auf. Wenn auch schon auf
dem Franziskusfenster zu Königsfelden der gelungene Versuch
gemacht wurde, einen italienischen Prälatenkopf nach der Wirk-
lichkeit zu zeichnen, so tritt Porträt und Charakterkopf doch
Tafel 49
Detail eines Glasgemäldes in der Kirche zu Mont-
morency, im Stil der französischen Frührenaissance.
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Tafel 50
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Fenster im Dom zu Troyes. Anfang des 16. Jahrhunderts.
Nach einer Photographie von G. Lancelot.
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Tafel 51
Detail aus einem französischen Renaissancefenster.
Tafel 52
Glasgemälde aus einer englischen Kirche. ı5. Jahrhundert.
Mittelbild restauriert.
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Tafel 53
Teil eines Glasgemäldes im Dom zu Metz, von Valentin Busch.
Tafel 54
Teil eines Glasgemäldes im Dom zu Metz, von Valentin Busch.
Tafel 55
Detail aus einem Glasgemälde in der Kathedrale zu Chalons.
Ende des 15. Jahrhunderts.
Tafel 56
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“nos? nz wnasnwagisnaäjsuny wr 7272 “reIsuag uayasımaynaparı wow sne TTEIOC
CO NUN),
129
hinter den traditionellen Typen zurück, die nur deswegen keine
blutleeren Schemen sind, weil die gläubig-naive Zeit einen tiefen
Inhalt echten religiösen Empfindens in die Zeichnung zu gießen
hatte. Erst die Zeit des Humanismus und der Renaissance zieht
auch in der Glasmalerei die heiligen Gestalten aus den typischen
Höhen der Gottheit in die faßbare Nähe des Menschentums
herab und deutet dies schon äußerlich an, indem sie die meisten
heiligen und insbesondere nichtheiligen Personen in das Zeit-
kostüm kleide. Hand in Hand damit geht die Betonung des
Landschaftlichen und die Bezeichnung des Details.
Am frühesten hat sich die Kölner Glasmalerei der Abhängig-
keit von der Tafelmalerei ergeben und blieb bei diesem Prinzip,
weswegen allen Arbeiten die frische Unmittelbarkeit und eine ge-
wisse Rassigkeit mangeln. Zu Lochners Zeiten steckten die Kölner
noch voller Beziehungen zur französischen Kunst, und des Künst-
lers Einfluß auf die Glasmaler war gering. Bezeichnenderweise ist
es nicht die interessante höfische Miniatur, vielmehr die wulstige
Gotik der im vorigen Kapitel genannten Glasgemälde Frankreichs,
von denen Köln im Bann gehalten wird. Man vergleiche nur zum
Beispiel die Wechselbeziehungen zwischen einem Prophetenfenster
im Germanischen Museum zu Nürnberg, einer Geißelungsscheibe
in Gondorf, sowie einer Evascheibe im Kaiser-Friedrich-Museum
zu Berlin und andererseits dem Zyklus in Chälons-sur-Marne (Taf.
55, 56). Es ist dieselbe Architektur, dieselbe Zeichnung des Fuß-
bodens, derselbe Typus der Figuren. Auch die Einfügung
einzelner Szenen in rechteckig angelegte Architekturen (siehe z.B.
die Athaljascheibe, die Naamanscheibe im Kölner Kunstgewerbe-
museum) entbehrt nicht eines Gegenbildes auf französischem
Boden, wie eben die Darstellung des Lebens Jesu zu Chälons oder
der Julianuslegende in der Kirche zu S. Julien-du-Sault zeigt. Seit
der Mitte des Jahrhunderts werden die Zusammenhänge mit der
Tafelmalerei so eng, daß die Kölner Glasmalerei weit eher einen
Bestandteil der Tafelmalerei bildet, als daß sie in einer Darstellung
der Glasmalerei Anrecht auf breitere Behandlung hat. Im ein-
zelnen ist nun freilich nicht immer leicht, die erhaltenen Glas-
gemälde mit gewissen Tafelmalern zu identifizieren, da zu
viel verloren ist und eine so feste Gesamttradition herrscht, daß
man nur unter größtem Vorbehalt bestimmte Zuschreibungen
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. be)
130
machen kann. Im allgemeinen läßt sich folgender Entwicklungs-
gang feststellen: Die Glasmalerei Kölns verläßt nach Mitte des
Jahrhunderts die Bahnen einer Architekturkunst fast vollständig.
Der breite Anteil, den die gotischen Bauglieder auf den Fenstern
eingenommen, verschwindet wie mit einem Schlag (d. h. für unser
Erkennen, da zwischen dem System des Gondorfer Merodenfensters
und der Kreuzigung in der Hardenrathkapelle der Kirche S. Maria
im Kapitol, die man mit dem Meister des Marienlebens in Zu-
sammenhang bringt, vielleicht verschiedene uns heute nicht mehr
erkennbare Zwischenstufen liegen). Dafür erscheint die bühnen-
mäßig stilisierte Natur; die Szene nimmt womöglich das ganze
Fenster ein, wodurch manchmal sehr ungeschickte Überschnei-
dungen durch Steinrippen und Windeisen entstehen. Der Über-
gang von der Spätgotik in die Renaissance vollzieht sich daher
in kaum merklicher Weise. Als Vorlagen für Visierungen dienen
hauptsächlich der Sippenmeister, der Meister des hl. Bartholo-
mäus, der Meister von S. Severin, der dıe Kölner Frührenaissance
vertretende Bartholomäus Bruyn und der Meister der Kölner
Hochrenaissance Anton Woensam von Worms. Mit dem Sippen-
meister werden die drei mittleren Fenster der Nordwand des Köl-
ner Doms in Zusammenhang gebracht, die nach Merlos For-
schungen allem Anschein nach der Kölner Glasmaler Hermann
Pentelynck d. Ä. angefertigt haben dürfte. Auf Vorlagen des
Meisters von S. Severin wird ein Zyklus, Leben des hl. Bernhard,
zurückgeführt, der im Jahre 1505 für den Kreuzgang des Klosters
Altenberg gestiftet war. Reste befinden sich im Kölner und Ber-
liner Kunstgewerbemuseum. Bartel Bruyns Vorlagen sollen Fen-
ster im Chor von S. Peter in Köln ihre Anregung verdanken,
während die Hand des Anton Woensam von Worms in einigen
Scheiben des Berliner und Kölner Kunstgewerbemuseums erkannt
wird. Da Köln von den Wirren der Reformation verschont blieb,
erlitt die monumentale Glasmalerei daselbst keine Unterbrechung,
ein Zeichen, daß das Ende des monumentalen Stils in anderen
großen Glasmalerzentren (Ulm, Nürnberg) tatsächlich auf Rech-
nung der im Gefolge der Reformation befindlichen Unruhen zu
setzen Ist.
Der Eintritt der Renaissance in die Kölner Glasmalerei voll-
zog sich auf ähnliche Weise, wie die Entwicklung dieser Schule
Tafel 57
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Teil eines Fensters im Dome zu Köln. Anfang des 16. Jahrhunderts.
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während des Zeitalters der Hoch- und Spätgotik, nämlich in steter
Übereinstimmung mit den westlichen Nachbarn. Aber wiederum
ist es nicht die burgundische Hofkunst, die Anregung gibt, viel-
mehr das nordwestliche und nördliche Kunstgebiet. Im Gegenteil,
niederländische Künstler arbeiten im Dienste der burgundischen
Herzöge. Laborde führt ein Register auf, nach der ein Glasmaler
Joris van Pourse im Jahre 1467 Geld bekommt, „la somme de
100 livres en prest A luy fait sur les veyrieres que du commen-
dement de M. d. S. il fait presentement pour mettre en l’eglise
de Notre Dame de Bouloiogne‘‘. Dieser Joris van Pourse stammt
aus Brüssel und führt 1456 ein Glasgemälde für Notre Dame de
Gräce pres Bruxelles aus. Seit der zweiten Hälfte des ı5. Jahr-
hunderts werden die Niederländer Träger der glasmalerischen
Entwicklung. Sie, die in stetem Kontakt mit der italienischen
Renaissance sind, vollenden die Metamorphose der flächigen, im
zeichnerischen Zuschnitt gehaltenen Glasmalerei in einen Zweig
der Tafelmalerei. In Nordostfrankreich, am Niederrhein trifft man
allenthalben auf holländische Glasmalerei. Aus dem Gedenkbuch
Kaiser Maximilans I. erfahren wir, daß ein Jörg van Delft die
Fenster in der Kirche der Wiener Neustadt zu restaurieren und
zu ergänzen berufen war. Die Geschichte der kölnischen und
nıederrheinischen Glasmalerei seit der Spätgotik ist also ein Ab-
schnitt der Geschichte der Malerei. Immerhin haben die Fenster
der Kölner und Niederländer Glasmaler noch eine kräftige Tradi-
tion der Technik. Das rührt daher, daß neben den Visieren offen-
bar noch sehr tüchtige Glasmaler am Platze waren, wie z.B. die
schon genannten Pentenlyncks in Köln. So sehr die Glasmaler
den Anforderungen der Kartons in Farbton und Konturierung ge-
recht wurden, so stimmt doch der Gesamtcharakter der noch er-
haltenen Glasgemälde jener Periode so sehr überein, daß, speziell
in Köln, die Visierer aus den Kreisen der zünftigen Tafelmaler
in einer tüchtigen Glasmalereiwerkstätte ihren künstlerischen und
wirtschaftlichen Mittelpunkt haben mußten. Die damalige Zeit
hat eine gewisse Verwandtschaft mit dem bis zur Gegenwart ge-
übten System des Unternehmertums in der Glasmalerei. Kleinere
oder größere Werkstätten übernehmen der Kirchenfabrik gegen-
über den Auftrag und geben die Ausführung des Kartons an den
entsprechenden Künstler weiter, der dann in der Werkstätte des
or
132
Glasmalerunternehmers ausgeführt wird. So erklärt sich die all-
gemeine Werkstattübereinstimmung und andererseits die kolo-
ristische Eigenart der einzelnen Kölner Glasgemälde (Taf. 57—59)').
11. Die süddeutschen Meisterschulen.
Die großen Aufgaben, vor welche die Glasmalerei Süddeutsch-
lands in den letzten Dezennien des ı5. Jahrhunderts gestellt war,
fanden fast allgemein in Wildscher Art ihre Erledigung. Noch
1487 wird nach Frankl bei Hans Wild das Volkamerfenster der Lo-
renzkirche in Nürnberg bestellt. Und wenn, wie von Schinnerer
einleuchtend nachgewiesen wurde, auch die Wolgemutwerkstätte
mit Glasmalerentwürfen beschäftigt war, so gehen diese Arbeiten,
das Kaiserfenster ın S. Lorenz, in dem holzschnittmäßigen Stil,
der neuerdings etwas merkwürdig ‚der sandig-trockenen, von
Föhren spärlich bewachsenen Nürnberger Gegend“ zugeschrieben
wird, wobei ohne Berücksichtigung bleibt, daß dieser Stil in den
geckenhaften Moden der damaligen Zeit weit eher seine Er-
klärung findet. Würde sich die seltsame Notiz, daß im Jahre 1465
ein Maler Michel Wolgemut nach Wiener-Neustadt kommt und
sich als achtzehnjähriger Sohn”) der Hans Wolgemut und seiner
Frau Kristina ausweist, auf den Nürnberger Michel Wolgemut be-
ziehen, so wäre auch erklärt, warum gerade Wohlgemuts Werk-
stätte im Gegensatz zu Wild mit der Visierung zu einer Stiftung
Kaiser Friedrichs III. beauftragt war. Sowohl die Arbeiten der
Wildwerkstätte, als jene, die der Wohlgemutschule zuzuerkennen
sind, weisen den glasmalerischen Formenschatz der Spätgotik
in der Stilistik wie in der Technik auf. Das Glasgemälde ist
ein Architekturglied, ebenso mit der Logik der Gotik entworfen,
wie das Bauwerk selbst. Das Detail verschwindet in der Unter-
ordnung unter das Ganze, das hauptsächlich durch seine Farben
wirken soll. Man konnte lediglich in der Kombination der Farben,
in den Dimensionen der Komposition, bei der man aber von
!) Italien ist natürlich viel schneller, als irgend ein anderes Land dem be-
herrschenden Einfluß der Tafelmaler, seinen Quattrocentisten erlegen. (Siehe Taf. 60, 61).
Vgl. auch W. Bombe, Die Peruginer Glasmalerei vom 14. bis 16. Jahrhundert, Zeit-
schrift f. alte u. neue Glasmalerei 1914.
?) Darnach wäre Michel Wolgemut 1447 geboren, was der allerdings nicht
einwandfreien Inschrift auf dem Porträt, das Dürer auf den Meister gemalt hat, wider-
sprechen würde, die 1434 als Geburtsjahr angibt.
Tafel 58
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ar
Teil eines Glasgemäldes in der Kirche zu Xanten. Anfang des 16. Jahrhunderts.
133
dem Baumeister abhängig war, Steigerungen erzielen, die aller-
dings nicht zum Heil der Glasmalerei ausfielen und es ist be-
zeichnend, daß der Geschmack sich sofort jenen Meistern zu-
wandte, die eine Neuerung brachten und mochten sie auch so um-
stürzend sein, wie ein Baldung im Elsaß, ein Grünewald am Main,
ein Dürer in Nürnberg. Es verdient aber zunächst festgestellt zu
werden, daß der Umschwung sich lediglich auf den Karton bezieht -
und daß sich die Technik noch vollständig in den Bahnen der
alten Werkstätten bewegt. Dafür gibt es keine andere Erklärung
als die Annahme, daß die Glasmalerwerkstätten noch fest im
Kunstleben wurzelten und als gleichberechtigteFaktorengegenüber
den Visierern dastanden. Und in der Tat leuchtet trotz der spär-
lichen Nachrichten aus dem archivalischen Dunkel für jedes
Zentrum glasmalerischer Tätigkeit wenigstens ein großer Werk-
stattsinhaber auf, so die Pentenlyncks in Köln, die von Rapol-
stein (Ropstein) in Freiburg, die Hirsvogel in Nürnberg, und darum
ist auch die Annahme verfehlt, die glaubt, daß die Visierer
stets aktiv in die Ausführung ihres Entwurfs eingegriffen hätten.
Der große Sprung, den die Entwicklung der Glasmalerei
in Süddeutschland mit dem Auftreten Dürers macht, besteht in
der Verselbständigung des Glasgemäldes.. Die Szene ist um
ihrer selbstwillen da, sie bildet die Hauptsache, während, was
bisher die Hauptsache war, der architektonische Bestand wie
mit einem Ruck ins Nebensächliche gedrängt wird. Bereits die
im Städelschen Institut (Schmitz, Abbildung 230) befindliche
Visierung Dürers zeigt diesen kecken Eingriff in die Tradition,
der auch ein Hans Wild noch gläubig und gutmütig gefolgt war.
Vergleicht man diesen Riß mit den ziemlich zahlreichen Glas-
geemälden, die auf Grund der Arbeiten Schinnerers und Lossnitzers,
von Schmitz Dürer und seiner Schule zugeschrieben werden, so
findet man, daß keines der letzteren, auch nicht die von Schmitz
Dürer selbst zuerkannten drei Scheiben der Landauer Kapelle,
die sich jetzt im Berliner Kunstgewerbemuseum befinden, an die
ungeheure Kraft heranreichen, die in dem genannten Scheiben-
riß und den übrigen Dürerstichen zum Ausdruck kommt. Das
rührt davon her, daß, wie gesagt, die ausführende Werkstatt
auch ihren Anteil an den Glasgemälden hat. Schmitz ist zwar
geneigt, dem Künstler die Kenntnis der Glasmalpraxis zuzu-
134
billigen. „Daß Dürer von Glasmalerei etwas verstand, geht aus
seinen Beziehungen zu den Antwerpener Glasmalern, speziell zu
Dirick Vellert hervor, von dem er sich im Jahre 1520 eine rote
Farbe aus Ziegelsteinen, das Eisenrot, schenken ließ“ (S. 142).
Die Beziehungen zu den Antwerpener Glasmalern beweisen für
diese Frage nichts, da Dürer zu allen angesehenen Künstlern Be-
ziehungen hatte, und was die rote Farbe betrifft, so konnte dieser
Rötelstein auch zur Herstellung für eine zur Wandmalerei ver-
wendbaren Eisenrotfarbe dienen. Das aber darf als sicher gelten,
Dürer hat ihn zur Glasmalerei wohl ebensowenig benützt, wie
das Kesselbraun, das er in Antwerpen gekauft hat',, Seitdem
die Kunst Dürers Gemeingut des kunstaufnahmefähigen Publi-
kums geworden war, konnten sich die Nürnberger Glasmaler dem
Stil dieses Mannes nicht mehr entziehen. Wahrscheinlich haben "
Dürerschüler eine Reihe von Kartons im Sinne ihres Meisters
entworfen, die dann in den Werkstätten der Glasmaler ausgeführt
wurden. Darum sind die Arbeiten, die in Dürernachfolge ent-
standen, oft so ungleich. Zu den besten gehören die aus der
Lorenzkirche in die Sammlung der Veste Koburg verschleppten
Scheiben, die M. Lossnitzer in einer gründlichen Untersuchung
bekannt gemacht hat (Taf. 62, 63). Sie sind einer Gruppe zuzu-
teilen, die außerdem die Fenster der Kirche in Gründlach, die
sieben Tafelbilder aus dem Marienleben aus Wittenberg, jetzt in
der Dresdener Galerie, umfaßt. Lossnitzer stellt fest, daß sich
diese Gruppe mit dem sogen. Benediktmeister berührt, der sich
von Dürer abhebt und dessen Stil in einer Benediktuslegende
am deutlichsten erkennbar wird. Daß Dürers Vorlagen für Glas-
malereien sehr beliebt waren, zeigt der schwunghafte Handel,
der mit seinen Stichen getrieben wurde, so daß in Brou und
Rouen Glasgemälde nach Dürers Vorlagen entstanden. Auch
in der kunstgewerblichen Sammlung des Hofmuseums in Wien
befindet sich ein Glasgemälde, das nach der im Jahre 1650 fixierten
Tradition von Albrecht Dürer stammen soll. Glück, der die Arbeit
gesehen hat, erklärt dazu: „Daß diese Glastafel, eine Kreuzab-
nahme darstellend, nicht von Dürer herrühren kann, beweisen
trotz der sehr geschickten Nachahmung der Helldunkeltechnik
!) Siehe Geiges in den „Freiburger Münsterblättern‘‘ 1908, S. 68.
Tafel 59
Teil eines Fensters in der Wallfahrtskirche zu Wilsnack, im Stil der niederrheinischen
Spätgotik. Nach einer Aufnahme von Dr. ]J. Engel.
1195
des Meisters die Formen, die nur ganz allgemein Dürer folgen,
keineswegs aber in das Jahr 1504 passen würden. Doch steht
manches Dürers Empfinden so nahe, daß man eine verhältnis-
mäßig frühe Entstehung nicht sehr lange nach Dürers Tod an-
nehmen darf“.')
Nach allgemeiner Annahme ist der Meister, in dessen Hände
Dürer seine Entwürfe zur Ausführung gelegt hat, Veit Hirsvogel
oder genauer dessen Werkstatt. Ein absolut sicherer Beleg für
die Arbeiten dieser Werkstatt ist nur einmal vorhanden, aber
erst aus dem Jahre 1520, wie wir später sehen werden, und die
Vorsicht gebietet zu beachten, daß um die Jahrhundertwende
Martin Krinaberger, Johann Brechtl (1521) und Albrecht Glocken-
thon in der Pegnitzstadt als Glasmaler tätig waren. Auf den Glas-
gemälden der Imhofkapelle auf dem Rochusfriedhof, die un-
gefähr aus dem Jahre 1520 stammen, ist das Monogramm A.H.
(Augustin Hirsvogel) zu erkennen. Nun läßt sich aber, wie Karl
Friedrich mitteilt?), aus den Familienpapieren der Imhofs nach-
weisen, daß eine Reihe von Einträgen Veit Hirsvogel als Honorar-
empfänger für diese Fenster nennen. Man sieht also, gegenüber
der Zuschreibung an die Hirsvogelwerkstatt ist große Vorsicht
geboten, um so mehr, als sie kein untrügliches Kennzeichen an
sich trägt. Schmitz?) nennt zwar „markige Schwarzlotzeichnung
und meisterhaften Überfangausschliff“* untrügliche Kriterien, wo-
bei zu beachten ist, daß diese Eigenschaften auf allen Glasge-
mälden der ausklingenden Spätgotik und Frührenaissance zu be-
merken sind. Als Hauptarbeit wird von Schmitz nach Neudörfers
Vorgang die Reihe von drei Fenstern angegeben, die im
Jahre ı5sı4/1ı5 für den Chor von S. Sebald angefertigt wurden.
Bock‘) hat nachgewiesen, daß die Visierung zu dem von Mark-
graf Friedrich von Brandenburg gestifteten Fenster von Hans
von Kulmbach stammt, während für die beiden anderen, nament-
lich für das Pfinzingfenster Dürer mindestens die Oberleitung ge-
1) Jahrbuch der Kunstsammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses 28, S. 6.
2) Karl Friedrich, Augustin Hirsvogel als Töpfer; seine Entwürfe für Öfen und
Glasgemälde.
2824220. S. 147:
4) Zeichnungen von Hans von Kulmbach für ein Kaiserfenster, Monatshefte f.
Kunstw. 1909. S. 401.
136
habt haben soll. „Der Kaiser, der in diesen Jahren alle Auf-
träge an den größten Nürnberger Künstler gab, wird auch eine
‚ solch kostspielige Stiftung nicht an einen Gesellen Dürers, der
Kulmbach, was die Erfindung angeht, trotz seiner malerischen
Begabung blieb, vergeben haben“ (Schmitz, S. 149). Am 5. Februar
1514 schreibt Maximilian I. an den Rat der Stadt Nürnberg:
„nachdem unser vorfarn am reich, Romische Kaiser und khönig,
got zu lob ein venster in Sant Sebolt khirchen bei Euch zu
Nuremberg vor verschiner Zeit machen haben lassen, das aber
durch Alter etwas zerprochen und schadhaft worden sein soll;
dieweil wir nun geneigt sein, die gedechtnis unser und derselben
vorfaren zu meren und aufzuhalten, haben wir uns fur genommen,
bemalt venster wiederum machle zu lassen.“ Darum soll der
Rat sofort 200 Gulden an den Probst Melchior Pfintzing zahlen,
was ein Darlehen des Kaisers bei der Stadt bilden solle!) Von
Seiten des Kaisers war also über den Meister nichts bestimmt.
Uns will scheinen, daß Hans von Kulmbach die Visierung zu
allen drei Fenstern geliefert hat. Das Markgrafenfenster ist eine
„Kabinettscheibe“* großen Stils. In fünf Zeilen, also weitaus
dem Hauptteil, wiederholen sich fürstliche Persönlichkeiten mit
Wappenschilden, was eher der Befriedigung persönlichen Ehr-
geizes als der Erfüllung eines religiösen Zweckes diente. Dieses
Fenster hat zweifellos zu einem über 125 Jahre jüngeren Fenster,
nämlich zu dem Imhofschen Wappenfenster gleichfalls in Nürnberg
Veranlassung gegeben. Mit dem Beginn der Reformation hat
die kurze durch Dürer in höchste Blüte gebrachte Glasmalerei
sofort ihre Kelche für immer geschlossen. Von Köln abgesehen
ist Nürnberg die Stadt, in der die Glasmalerei am raschesten und
gründlichsten ihr Aussehen gewechselt hat. Die bedeutendste
Neuerung, die Dürer brachte, besteht in der Erweiterung der
Komposition auf große Fensterflächen, in dem Realismus der
Formen, in der Helldunkeltechnik und in der schweren Wucht
opaker Farben. Dürer zwang die Glasmalereiwerkstätten, ihm
mit allen Fortschritten auf dem Fuße zu folgen. Darum kann
man die letzte Periode der Nürnberger Monumentglasmalerei
1) Kreisarchiv zu Nürnberg. Jahrb. der Kunstsammlungen des allerhöchsten
Kaiserhauses Io, Regest 5797, 5798.
Tafel 60
Rundfenster im Dom zu Florenz. Nach einer Zeichnung von L. Ghiberti.
Tafel 61
Glasgemälde im Kloster S. Croce zu Florenz.
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I
Erste Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Hirsvogelwerkstatt.
Anfang des 16. Jahrhunderts.
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Tafel 62/63
Glasgemälde auf der Veste Koburg. Hirsvogelwerkstatt.
Anfang des 16. Jahrhunderts.
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Tafel 64
Detail aus einem Glasgemälde in der Schwanenritterkapelle zu Ansbach.
Dürer-Hirsvogelwerkstatt. 1520.
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137
mit vollem Recht die Periode Albrecht Dürers nennen, wenn-
gleich für kein einziges der erhaltenen Glasgemälde nachge-
wiesen werden kann, daß bei ihm mehr von Albrecht Dürer stammt,
als die Skizze, höchstens noch Korrektur einzelner Kartondetails,
in allem aber der auf die Schüler ausgegangene Geist des Meisters.
Nürnberg, Augsburg, Straßburg! -Für die Periode der
deutschen Frührenaissance bedeuten diese drei Namen die Mittel-
punkte jenes tatenfrohen Schaffens, das Deutschland seither nicht
wieder in dem Umfang gesehen hat. Das Bürgertum hatte sich
aus den Modetorheiten und den geckenhaften, von Westen
kommenden Sitten erholt und wie mit dem einen Ruf: „Wach
auf“ in eine Erregung versetzt, der Ulrich Hutten jubelnden
Ausdruck verlieh. Geradezu unvermittelt setzt sich an die Spät-
gotik diese herrliche, glanzvolle Zeit, die kaum ein Menschen-
alter dauernd, unter den zerstörenden Tendenzen der Glaubens-
spaltung für immer verschwand. Knüpft Dürer in seiner Sprache
auch zunächst noch an die Kunst der Vergangenheit an, deren
ungeheuren Kräfte er durch sein gewaltiges Genie zu einer letzten
großen Entfaltung bringt, so stehen Baldung und namentlich Grüne-
wald der gotischen Vergangenheit fern (Taf. 65, 66). Baldungs
Gestalten sind echte Menschen und weisen alle Stufen des seeli-
schen Affekts auf. Daher seine Neigung, die Köpfe der dar-
gestellten Heiligenfiguren durch Beiziehung des Porträts stark
zu individualisieren. Baldung hat die elsässische Glasmalerei in
ähnlicher Weise beeinflußt, wie Dürer die Glasmalereiwerkstätten
Nürnbergs. Er tritt in bewußten Gegensatz zu der Formensprache
und auch zu der Technik des Hans Wild. Selbst die frühesten
Arbeiten weichen aufs schärfste von der knittrigen, manirierten
Art der Wildschule ab. Baldung bildet, selbstverständlich un-
bewußt, eine Verschmelzung der Dürerischen Formenschärfe mit
Grünewaldischer Glut des Ausdrucks. Dem Aschaffenburger
Meister gleicht Baldung in der veristischen Kraft der Farben,
die sich durch ihr blendendes Feuer und durch ihre sichere Ver-
teilung von der akademischen und sehr oft unausgeglichenen
Art der Wildschule wesentlich abheben. Hans Baldung muß
zusammen mit seinen glasmalenden Mitarbeitern als der voll-
kommenste Ausdruck der Straßburger Kunst bezeichnet werden.
Durch die gründlichen Studien von H. A. Schmid, Terey und
138
insbesondere von Fritz Geiges ist der Anteil, den Baldung an
der Freiburger Glasmalerei hatte, ziemlich genau festgestellt. Der
Schreiber dieser Zeilen kann der Baldungschule noch fünf weitere
Scheiben zuweisen, die zum Teil auf Taf. 67—7ı abgebildet
sind. Professor Fritz Geiges‘) hat das Verdienst, die Zusammen-
hänge der Freiburger Glasmalerwerkstätte mit den elsässischen
Meistern dargelegt zu haben. Er macht in hohem Grade wahr-
scheinlich, daß eine aus Raperstein stammende Glasmalerfamilie
seit der zweiten Häifte des ı5. Jahrhunderts bis nach Mitte des
16. Jahrhunderts in Freiburg tätig war. Allerdings muß auch
hier bemerkt werden, daß außer dieser Werkstätte noch einige
andere Glasmaler in den Urkunden vorkommen. Da aber durch
eine von Geiges entdeckte Inschrift an einem Hochchorfenster
im Freiburger Münster des Meisters Hans von Ropstein (andere
Lesart für Raperstein) Stil authentisch bekannt ist, so hält es
nicht schwer eine Reihe von weiteren Arbeiten, die im Stil mit
jenem Hochchorfenster übereinstimmen, eben an diese Werk-
stätte anzugliedern. Äußerlich ist die Werkstatt schon an dem
breiten Damasthintergrund erkennbar, der in der Regel mit
einer Renaissanceguirlande gekrönt ist. Zum erstenmal tritt der
Baldungstil in den herrlichen Figurenscheiben auf, die im Jahr
1897 als Hauptbestandteil der Douglas’schen Sammlung ver- |
steigert worden sind. Lehmann hat nachgewiesen, daß diese
Scheiben nicht, wie der Bearbeiter des Katalogs F. J. Mone
glaubte, für die Carthause zu Basel, sondern jene bei Freiburg
angefertigt wurden. Die Scheiben stammen aus der Zeit gegen
1515 und zeigen bereits einen so fertigen Stil, daß nur ein ganz
großer Meister sie schaffen konnte. Für die Ropsteinsche Werk-
stätte war es nicht schwer, auf der Visierung stark modellierte
Köpfe in Glasmalerei zu übertragen; der Überschuß der Wild-
schen Modellierung war schon allein für ein rationelles Maß von
Durcharbeitung mehr wie hinreichend.
Die Männerköpfe gelingen weit besser als die weiblichen;
für sie muß Baldung ausgezeichnete Modelle gehabt haben.
Unter allen Scheiben ragt die prachtvolle Darstellung des Jo-
hannes des Täufers hervor; der Kopf ist ein Meisterwerk der
1) Freiburger Münsterblätter 1908, S. 41ff.
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139
Charakteristik. Johannes, der Asket der Wüste, mit den scharfen
Zügen und dem überquellenden Haupt- und Barthaar, hat wohl
selten eine so prägnante Darstellung seiner Persönlichkeit ge-
funden. An diese Scheibe reicht etwa noch die Darstellung des
hl. Georg heran. Als Wappenherold des Hauses Habsburg steht
dieser Heilige in voller Ausrüstung und Frisur der Georgsritter
da. Man hat in dem ausgezeichnet wiedergegebenen Kopf ein
Selbstporträt Baldungs erkennen wollen, wie dies auch für die
Jörg Ziegler, dem Meister von Meßkirch, zugeschriebene und
jetzt in Stuttgart befindliche Sankt Georgsscheibe angenommen
wird. Wie dem auch sei, beide Köpfe sind Kabinettstücke von
Porträtköpfen, denen die Köpfe der hl. Elisabeth und des hl.
| Ludwig (Douglas No. 21 und 22), die unverkennbar Porträts für
Kaiser Maximilian und seine Gemahlin, Maria von Burgund, dar-
stellen, zwar nahe aber nicht gleichkommen. Die größten Werke
von Baldungs Hand besitzt das Freiburger Münster. Ihre Pub-
likation durch die kunstverständige Feder des Herrn Professor
Fritz Geiges steht bevor. Eines von ihnen, das St. Annafenster
in der Alexanderkapelle, ist bereits veröffentlicht. Es stellt die
am Ausgang des Mittelalters hochverehrte hl. Anna im Kreis
ihrer gesamten Familie dar, ist also ein sogenanntes Sippenbild.
Geiges macht darauf aufmerksam, daß die Art der Stiftung, eine
Gabe der Gewerken der Todtnauer Silbergruben 1515, noch be-
sonders auf die Mutter Anna gewiesen hat, da die Heilige als
Patronin der Bergleute weithin Verehrung fand. Auch auf die-
sem Fenster begegnen wir den mit Renaissancegirlanden be-
krönten Damasthintergründen und der für die Baldungscheiben
charakteristischen Art der Schriftbandverschlingungen. Daran
wären drei Scheiben zu schließen, die sich in der königlichen
Residenz zu München befinden. Wiederum ist es ein Evangelist
Johannes mit der für Grünewald und Baldung so charakteristi-
schen Handbewegung, und ein Apostel Andreas. Die knienden
Stifterfiguren sind Heinrich von Handschuhsheim und Margarethe
von Staufenberg. Beide Geschlechter stammen aus Baden.
Handschuhsheim liegt in der Nähe von Heidelberg und Staufen-
berg in der Nähe von Oberkirch. Der Kopf des Andreas hat
am meisten Ähnlichkeit mit dem Kopf des Salomas aus dem
Annafenster. Auch die äußeren Kennzeichen, Damasthintergrund,
140
Renaissancegirlande und Schriftbandverschlingung deuten auf
die Baldungschule. Endlich sei auf die merkwürdige Eigentüm-
lichkeit hingewiesen, den Namen der beiden Heiligen im Nimbus
anzugeben. Diese Namensbeifügung hat, wie auch Geiges bemerkt,
rein dekorativen Wert, da über die einzelnen Persönlichkeiten
bei derartig groß beigefügten Attributen ein Zweifel nicht be-
stehen konnte. Auf dem einen Schriftband steht: Sant. andras.
bit. vir. vns, ihesum crist. dorum dz du sein erster iunger bist.,
auf dem anderen: Hilf. heliger . Johannes . baptist . von. frowen
kein.gröler..geborn.ist:. Durch diese Inschriften ist die Zu-
sammengehörigkeit der drei Scheiben außer Zweifel gestellt.
Wie verhält sich nun das ausführende Glasmaleratelier zu
den Entwürfen Baldungs? Schon Geiges hat für das Anna-
fenster nachgewiesen, daß der Glasmaler wohl nichts weiteres
als eine im kleinen Maßstabe hergestellte Skizze Baldungs vor
sich gehabt haben kann. Bei einem Vergleich der ehemaligen
Glasmalereien in der Magdalenenkirche zu Straßburg, mit den
Glasgemälden im Chor des Ulmer Münsters, konnte der Schrei-
ber dieser Zeilen feststellen, daß für beide Arbeiten derselbe
Entwurf vorlag‘). Trotz der Übereinstimmung im Ganzen, zeigten
sich in Einzelheiten zahlreiche Verschiedenheiten. Beidesmal
stand den Glasmalern nicht, wie dies heute der Fall ist, ein
genau ausgeführter Karton zur Verfügung, sondern eine in klei-
nem Maßstab entworfene Werkzeichnung. Das entsprach der
mittelalterlichen Meisterprüfung für Glasmalerei: Ein Geselle, der
Meister werden wollte, mußte imstande sein, ein Glasgemälde
selbständig zu reißen und auszuführen. Baldung hat also die
Entwürfe gezeichnet und die Ausführung anderen Kräften über-
lassen. Es mag dahingestellt bleiben, ob dies Schüler seiner
Werkstatt oder Angehörige des Glasmalerateliers waren. Es
ist auch nicht unwahrscheinlich, daß Baldung einzelne Teile, wie
gewisse Köpfe, selbst ausgeführt hat: Was nun die Technik
der Ropsteinwerkstatt betrifft, so sind als spezifische Eigen-
schaften angesprochen worden: „Die feurigen Gläser, roter Über-
fang mit Ausschliff, kräftig gestupfte Modellierung mit feiner
Nadel- und Federkielradierung, glänzende Silbergelbbehandlung
!) Siehe Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei 1913, S. 86.
Tafel 67
Glasgemälde aus der ehemaligen Kartause bei Freiburg.
Stil Hans Baldung Griens. Zwischen ı51o und 1520.
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der Haare.“') Diese Kennzeichen sind jedoch Gemeingut aller
Glasmalerschulen um 1500 am Oberrhein, wie an der Pegnitz,
in Mitteldeutschland, wie in Bayern. Dagegen unterscheidet
sich die Ropsteinwerkstatt in der Behandlung der Lichter. Ge-
meinsam ist um jene Zeit folgende Technik: Auf das blanke
Glas wird ein dünner Schwarzlotüberzug aufgetragen, darauf die
breite Schwarzlotkontur. Aus dem Überzug werden die höchsten
Lichter ausgewischt und stärkere Schatten in Strichelmanier
nachgegangen. Während nun die Nürnberger Glasmalereien die
kleineren Schatten mehr betonen, überhaupt mehr modellieren
und daher plastischer wirken, hat die Ropsteinwerkstatt größere
Lichtflächen und etwas sparsamere Modellierung. Auch sind die
Strichelchen nicht so holzschnittmäßig scharf, wie bei den Nürn-
berger Arbeiten.
Die südbayrische Schule’) hat in den Arbeiten für die
Münchener Frauen- und Salvatorkirche ihren Mittelpunkt. Der
jetzige weithinbekannte spätgotische Backsteinbau der Münchner
Kathedrale wurde im Jahre 1468 begonnen. Was in der alten
Frauenkirche an Glasgemälden vorhanden war, wurde in den
Neubau übetragen. Auf Seite 98ff. haben wir von einem Teil
dieser alten Glasgemälde gesprochen. Aus der Mitte des 15. Jahr-
hunderts stammen bedeutende Reste eines Lebens Jesu, die in
der Anbetung der Könige und der Szene: Der zwölfjährige Jesus
im Tempel ihre wichtigsten Teile haben. Diese Arbeiten hängen
mit der von uns bereits charakterisierten und der Einfachheit
halber Nördlinger Richtung genannten Schule zusammen. Da
diese Schule sich ebenso über frankisches, wie elsässisches Gebiet
erstreckt hat, darf man sich nicht wundern, daß die Münchener
Glasgemälde in Einzelheiten mit Arbeiten anderer Orte Ähn-
lichkeit haben, wie die gedrehten Säulen, das eigenartige Fliessen-
muster auf dem Hintergrund der Dreikönigsdarstellung verglichen
mit dem Eucharistiefenster zu Rothenburg ob der Tauber (Taf. 72).
Wie weit jenes Fenster beim Neubau der Frauenkirche gediehen
war, läßt sich nicht sagen. Um 1460 erscheint in den Steuer-
1) Schmitz a. a. O. S. 119.
2) Frankl, die Glasmalerei des XV. Jahrhunderts in Bayern und Schwaben,
Straßburg 1913.
142
büchern ein Meister Martin glaser, 1462 ein Franz glaser, 1465
ein Jörg Schaffer glaser. Dies ist ein Zeichen, daß für die alte
Frauenkirche noch viel gearbeitet wurde. Der Neubau brachte
eine Menge großer Aufgaben. Tatsächlich tauchen zahlreiche
Glasmaler in den Steuerbüchern auf, deren Namen von Herrn
Dr. Buchheit auf Grund des Studiums der Steuerlisten eruiert
worden sind. In höchst dankenswerter Weise hat der genannte
Kunsthistoriker jene Namen dem Schreiber dieser Zeilen mit-
geteilt. Wir geben im folgenden die ganze Reihe und lassen
sie bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts weitergehen. Daran wäre
die von R. Paulus in der „Zeitschrift für alte und neue Glas-
malerei“ 1913, S. I09 ff. gegebene Reihe ab 1550 zu knüpfen,
so daß wir für München eine einigermaßen vollständige Serie
der Glasmaler besitzen von dem Moment an, in dem die dortige
Glasmalerei als eigene Schule aufzutreten beginnt. Die den
folgenden Namen beigegebenen Zahlen sagen, daß der genannte
in dem betreffenden Jahr zum ersten- bzw. letztenmal vorkommt,
wobei zu beachten ist, daß die Jahrgänge 1510—152I, 1529,
1530, 153I, 1533—39 der Steuerbücher fehlen. Die Reihe lautet
folgendermaßen:
Martin glaser 1460 — 1480.
Franz Karlstatter 1462— 1479.
Jörg Schaffer 1465.
Hans Kaiserslauterer 1469.
Hans Winhart 1485 — 1539.
Hans Olein 1481— 1500 (es sind
wohl zwei dieses Namens).
Hans Klein 1481— 1484.
Hans Schmid 1486—1508.
Hanns Strawß 1490.
MichelSengenrieder 1486—- 1500.
Jakob Kistenfeger 1496—1532.
Contz Ässlinger 1496— 1509.
Friedrich Prunner 1496 —1521.
Jakob’ Prunner 1522 1553
Hans Herkommer 1524—1556.
Jörg Stöckl 1527— 1540.
Wolfgang Schöpl 15283—1529..
Ulrich Perchtold 1532.
Veit Hamer 1540.
Veit Winhart 1540.
Bastian Ostendorffer 1556 bis
1557-
Hans Hebenstreit 1556—-1558.
Hans Schweindl 1556.
Hans Märkl 1557.
Sighart (Geschichte der bildenden Künste in Bayern, S. 640)
sagt: „In München erscheinen als bedeutende Glasmaler des
15. Jahrhunderts Martin der glaser und Hanns Gleismüller Maler,
welche für den Chor der Benediktuskirche in Freising Glasgemälde
ausführten und dafür 14 Pfd. Münchener Pfennige erhielten im
Tafel 68
Glasgemälde in der Kgl. Residenz zu München. Stil Hans Baldung Griens.
Nach einer Photographie von Oskar Zettler, München.
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143
Jahre 1436‘). Ob der „Martin der glaser“ mit dem in unserer Liste
am Anfang genannten Martin identisch ist, erscheint an sich
möglich, ist jedoch nicht näher belegbar. Mit dem Jahre 1485
tritt Hans Winhart ein und steuert ununterbrochen bis zum Jahre
1504, in welchem Jahr er der Statglaser genannt wird. Neben
ihm ist Michel Sengenrieder, aber bei weitem nicht so stark,
besteuert. 1496 ist abermals ein besonderes Jahr. Es erscheinen
als neue Männer Jakob Kistenfeger, Contz Ässlinger und ins-
besondere fredrich pronner (iuravit 1496). Die beiden Jahre
1485 und 1496 bilden wichtige Ereignisse in der Münchener
Glasmalerei. Um den ersten Zeitpunkt fällt die Stiftung des
sogen. Herzogenfensters; das Jahr 1496 ist das Jahr der größeren
Aufträge für die Salvatorkirche, deren erstes Fenster aus dem
Jahre 1497 datiert ist. Bei der großen Anzahl von Glasmalern,
die seit 1460 in München tätig sind, muß es seltsam erscheinen,
daß man eine so umfangreiche Arbeit, wie das Scharfzandtfenster
nach auswärts (an Hans Wild in Ulm) übertragen haben soll.
Nach allem, was wir über den Betrieb der mittelalterlichen Glas-
malerei wissen, ist es unmöglich, daß eine einzige Werkstatt so
ungeheuer viel bewältigen konnte, wie man dies nach der Menge
von Arbeiten annehmen muß, die in Wilds Stil gehalten und
erhalten sind, wobei ganz außer Acht bleibt, daß sicher noch
ein mindestens ebenso großer Teil verloren gegangen ist. Viel-
leicht ist das Scharfzandtfenster von einem unter den genannten
Glasmalern enthaltenen Münchener Meister nach einer Werk-
zeichnung Hans Wilds ausgeführt worden. An sich erscheint
diese Tatsache ja belanglos, da es sich für uns im allgemeinen
nur darum handelt, bestimmte Stileinheiten zusammenzustellen.
Außer dem Stil Hans Wilds, der, wie wir bereits gesehen haben,
vom Oberrhein beeinflußt ist, tritt uns auf sehr beträchtlichen
Resten in der Frauenkirche eine andere ebenfalls vom Ober-
rhein ausgehende und im Weiterweg von Ulm angeregte Richtung
1) Wolter fand die handschriftliche Notiz im Reichsarchiv zu München: Meister
Martein der glaser und meister hanns der Gleißmüller der maler paid burger zu
münchen bekennen, daß) sie vom hochstift Freising für ihre Arbeiten in dem S. Benedikts-
chor 16 Pfund Münchener Pfenninge erhalten haben. Als Zeugen sind Hanns Sengen-
rieder und Jörg von Tall, beid burger zu München. Dieser Sengenrieder ist vielleicht
verwandt mit den später öfter genannten Glasmalern dieses Namens.
144
entgegen. Wir meinen den bzw. die Schöpfer des typologischen
Kreises 1480—90 (Taf. 73, 74). Frankl hat in seinem schon ge-
nannten Buch (S. 173 ff.) die noch vorhandenen Reste zusammen-
gestellt. Der Glasmaler war beiZusammenkomponierung der einzel-
nen Zeilen hauptsächlich von dem speculum humanae salvationis
inspiriert, was insofern nicht weiter verwunderlich ist, als in der
Heimat seines Stils, im Elsaß, das speculum von jeher besondere
Achtung genoß. Wenn Hans Wild auf München Einfluß nehmen
Abb. 21. Geburt Christi. Abb. 22. Geburt Christi.
Glasgemälde in der Frauenkirche zu Glasgemälde im Münster zu Ulm.
München. 1480—1490. Um 1420.
konnte, so spricht a priori nichts dagegen, daß auch ein anderer
vom Oberrhein ausgegangener und in Ulm tätig gewesener Meister
nach der bayrischen Herzogsstadt berufen wurde, um dort eines
der schönsten spätgotischen Legendenfenster zu schaffen, das
wir überhaupt kennen. Legendenfenster waren ja die Spezialität
der oberrheinisch-elsässischen Meister. Schlettstadt, Zabern, die
Werkstatt Isenmanns bieten eine Menge Analogien zum Meister
des Münchener typologischen Fensters. Es ist derselbe höfische
Geist, der mit peinlichster Sauberkeit die Manieren der glanz-
liebenden westlichen Dynasten, die neuen burgundischen Moden
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Heinrich von Handschuhsheim als Stifter. Glasgemälde in der ;
Kgl. Residenz zu München. Stil’Hans Baldung Griens. Nath
einer Photographie von Oskar Zettler, München.
Tafel 69/70
: Margarethe von Staufenberg als Stifterin. Glasgemälde in der
Kgl. Residenz zu München. Stil Hans Baldung Griens. Nach
einer Photographie von Oskar Zettler, München,
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Tafel 71
Detail aus einem Glasgemälde in dem Münster zu Freiburg ı. B.
Stil Hans Baldung Griens. Um ı5ı5. Nach einer Aufnahme von
Professor Fritz Geiges.
Tafel 72
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lasgemälde der Frauenkirche zu München.
Um die Mitte des ı5. Jahrhunderts.
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Tafel 73
gel aus einem typologischen Cyklus in der Frauenkirche
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1480 — 1490.
zu München.
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Tafel 74
Vier Flügel aus einem typologischen Cyklus in der Frauenkirche
zu München. 1480 —1490.
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Tafel 75
Bethlehemitischer Kindermord. Detail aus einem Glasgemälde in
der Frauenkirche zu München.
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145
registriert und sich in deren Darstellung gefällt. Auch an den
Bessererfenstern in Ulm hat er seine Studien gemacht (Abb.
21, 22), wie an jenen Werken, die dem Hans von Ulm zuzu-
schreiben sind und von denen wir heute nur mehr in Bern eine rechte
Probe haben. In der Komposition, in der Farbzusammenstellung,
wie in der Technik weist der Münchener Meister wichtige Ähn-
Abb. 23. Gemälde vom Münchener Petrialtar. Von Jan Pollack.
Bayrisches Nationalmuseum, München.
lichkeiten mit den genannten Schulen auf. Ob er unter den
oben genannten Glasmalern enthalten und insbesondere mit dem
Hans Kaiserslautrer identisch ist, muß dahingestellt bleiben;
Kaiserslautrer kommt in den Jahren 1469— 1486 vor; sein Namen,
als auf den Rhein deutend, könnte zu der eben genannten Ver-
mutung veranlassen.
Wie dem auch sei, jedenfalls kann von bodenständigem
Münchener Stil bei den bisher behandelten Glasgemälden nicht
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. Io
146
gesprochen werden. Das ändert sich mit einem Male, als es sich
darum handelt, die schon genannte herzogliche Stiftung und ins-
besondere die Fenster für die Salvatorkirche auszuführen. Nun-
mehr treten Meister auf, die zwar die ganze schwäbische und
oberrheinische Technik ihrer Zeitgenossen beherrschen, von dem
höfischen und kupferstichähnlichen Stil aber erheblich abweichen.
Abb. 24. Gemälde vom Münchener Petrialtar. Von Jan Pollack.
Bayrisches Nationalmuseum, München.
Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, daß den entscheidenden
Umschlag in der Stilistik der Münchener Glasmalerei kein anderer
bewirkt hat, als Jan Pollack, der Meister des Münchener Petri-
altares. Alles Höfische ist abgestreift, dafür ein kräftiger, über-
aus derber Realismus mit geradezu fanatischem Eifer durchgeführt.
Pollacks Raumgesetze und Perspektiven, die Bewegungen und
Gruppierung der handelnden Personen sind überall zu beobachten.
Ab und zu werden sogar Einzelheiten nachgeahmt, wie beispiels-
Tafel 76
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Detail aus einem Glasgemälde in der Frauenkirche zu München, um 1495.
147
weise die Säulen auf dem Glasgemälde des bethlehemitischen
Kindermords zeigen, die sich genau so auf der Szene Christus vor
Pilatus auf dem Petrialtar finden (Abb. 24, Taf. 75). Über Pollack
wird in Bälde der beste Kenner dieser Periode, Dr. H. Buchheit,
Abb. 25. Gemälde von einem Jan Pollack nahestehenden Meister:
Bayrisches Nationalmuseum, München.
umfassende Studien veröffentlichen. Es mochte bisher gewagt
erscheinen, Jan Pollack in diesem hohen Grad für die stilistische
Neuorientierung der Münchener Glasmalerei verantwortlich zu
machen: da fand vor kurzem Herr Dr. M. Hartig in einer
Scheyerner Handschrift folgende, mir durch Dr. H. Buchheit
10*
148
vermittelte Notiz: „Jan pollack pictor in monacho habet X fi.
a vitricis ecclie s. martinii.“ Jan Pollack bekommt also eine
Abb. 26. Scheibe mit der Meisterunterschrift des Mün-
chener Glasmalers Jakob Kistenfeger. 1496 —-1532.
Schloß Erdödy.
Zahlung für Glasge-
mälde gerade in dem
Jahr, in welchem der
Umschwung im Stil
der Münchener Glas-
malerei sich vollzieht.
Nun arbeitet alles,
was sich in München
„glaser“ nennt, im
Stile des Jan Pollack.
In der Handschrift-
dagegen macht sich
eine große Mannig-
faltigkeit geltend, die
eine Zusammenstel-
lung einzelner Grup-
pen bedeutend er-
schwert, was ja auch
mit der Existenz von
so vielen Glasmalern,
die wir oben ange-
führt haben, über-
einstimmt (siehe Ab-
bildung 23—25, Tafel
75). Auf ewers wer
hältnismäßig kleinen
Fläche, z. B. den Fen-
sterstiftungen der
Metzgerzunft, sind
mindestens zwei ver-
schiedene Hand-
schriften zu konsta-
tieren. Der eine der
Glasmaler konturiert an den Falten der Gewänder holzschnitt-
artig, der andere breit wie ein Bildhauer. Ähnlich verhält
es sich mit dem sehr gut erhaltenen Fenster der Verklärung
Mate
Allegorisches Fenster in der Salvatorkirche zu München. Um
Tafel 78
Um 1500.
München.
Oberteil eines Fensters in der Salvatorkirche zu
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149
und dem Fenster mit Geburt und Anbetung Christi, die von zwei
vollständig verschiedenen Meistern herrühren. Der eine modelliert
Licht und Schatten sorgfältig in Radier- und Strichmanier, führt
Heiligenscheine mit peinlicher Akribie aus, umsäumt Gewänder
mit Schriftbändern. Ganz verschieden ist der andere Meister.
Er vergißt alle Heiligenscheine und stellt in seiner Handschrift
eine leichte Rückerinnerung an den Formenschatz des Meisters
Abb. 27. Oberteil eines Glasgemäldes in der Salvatorkirche zu München. Um 1500.
dar, dem wir das typologische Fenster in der Frauenkirche zu-
schreiben müssen. Nur die Glasgemälde mit der Ölbergszene
und dem Verrat des Judas sind unter sich so verwandt, daß man
von einer gemeinsamen Werkstatt sprechen darf. In einen näheren
Zusammenhang gehören auch die Reste der Florians- und Se-
bastianslegende, sodann die Katharinenlegende und die Manna-
lese in der Salvatorkirche (Taf. 76). Von allen Glasmalern können
wir bis jetzt nur den Jakob Kistenfeger fassen, da von ihm eine
vollinschriftlich signierte Scheibe erhalten ist und zwar in dem
150
Schloß Erdödy in Ungarn (siehe Abb. 26). Am meisten berührt
sich der Stil des Kistenfeger mit dem allegorischen Fenster in
der Salvatorkirche (Taf. 77, 78; Abb. 27). Dieses allegorische
Fenster führt zu den bedeutsamen Glasgemälden weiter, die zu
Beginn des :6. Jahrhunderts für Landsberg a. L. entstanden sind
Abb. 28. Detail aus den Chorfenstern der Pfarrkirche zu Landsberg a.L.
Anfang des 16. Jahrhunderts.
(Taf. 79, Abb. 28). Auf dem Ärmel eines Schergen stehen die
wohl als Monogramm beabsichtigten Buchstaben K. H. T. und
E. A. T. Auch in Blutenburg ist ein Zyklus aus dem Leiden
Jesu, beginnend mit dem Einzug (die Verkündigungsszene ist neu)
erhalten (Taf. 80)!).
!) Die auf dem Lande zerstreuten Reste sind bei Sighart und teilweise auch
bei Frankl zusammengestellt.
Detail aus den Chorfenstern der Pfarrkirche zu Landsberg a.L.
Anfang des 16. Jahrhunderts.
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Eine sehr bedeutende Zentrale ist auch Landshut gewesen.
Leidinger führt ein aus Landshut verschwundenes Glasgemälde
an, das aus dem Jahre 1488 stammt’). Sighart sagt: „In Lands-
huter Urkunden wird genannt Arnold der Glaser 1400, Marx
Glaser, den im Jahre 1410 auch die Verbannung traf, besonders
aber Hanns Siber, der, ein Freund des Dombaumeisters Andreas
Egl in Regensburg, für die Frauenkirche zu Straubing im Jahre
1442 vierzehn gemalte Fenster lieferte, ferner Fenster für die
Kartause Prüll malte und wohl auch die zierlichen Fenster in
Jenkofen gemalt hat. Dazu kommen noch Jakob Strauß, Glaser
(1508), die Hofglaser Georg Bronner, Matthäus von Burghausen
(1503) und Georg Wieland, Glaser (1552). In Mallersdorf lebte
ein Mönch, Mathias Dirnhofer, welcher sich durch Glasmalereien
einen Namen erwarb°).“ Aus der Zeit, in der jenes verschwundene
Glasgemälde entstand, führt Buchheit einen Hanns weiler glaser
an (1493); ferner den Meister Jakob den glaser, der 1512—13
die Fenster in Moosburg malte, 1525 Hanns Glaser (erhält das
Bürgerrecht), 1526 den Peter Kreutzperger, 1529 Lorenntz Hern-
perger, 1536 Wolfgang Kreitzperger, 1546 Bartolome ÖObern-
dorffer glaser von Biburg. Im Bayrischen Nationalmuseum be-
finden sich zwei Scheiben mit Stiftern aus dem Hause der Baum-
gartner von Fraunstein. Es ist auf Grund von Urkunden fest-
gestellt, daß diese Scheiben von dem Maler Hans Wertinger,
genannt Schwabmaler, stammen‘). Mit ihnen gehören vier
Scheiben zusammen, die im Jahre ı515 für Fürstbischof Philipp
von Freising gemalt wurden und sich jetzt im Kgl. Kunstgewerbe-
museum zu Berlin befinden. Auf diese Scheiben bezieht sich
wohl folgende, jüngst gefundene Rechnung: „Maister Hanns
Schwab maler von Landshut hat meinem gn. Herren gemalt
ii geschmelzte Scheiben p. 6 fl.“ Mit Hans Wertinger ist der
Übergang zur Renaissance vollzogen. Über ihn vergleiche Hans
Buchheit, Der Maler Hans Wertinger, genannt Schwabmaler,
Leipzig 1907.
In Augsburg (Abb. 29) wird die Durchdringung der Glas-
malerei durch die führenden Tafelmaler in den Ateliers Burgk-
1) Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei 1913, S. 65.
Basar ©, 'S. 647.
®) SieheSchinnerer, Katalog der Glasgemälde desBayrischen Nationalmuseums,S. 37.
152
mairs, Holbeins, später Jörg Breus vollendet. Burgkmair bekommt
im Jahre 1515 ı5 Gulden „vmb visier zue glesern“, die dann der
Glasmaler Hans Braun für 24 Gulden in Glas schmelzt (der gleich-
zeitig genannte statglaser Hans Thoma scheint die einfache
Glaserarbeit gemacht zu haben). Während also in-diesem Fall
noch eine Arbeitsteilung zwischen Visierer und Ausführenden in
zwei gleichberechtigten Werkstätten vorhanden ist, hat Holbein
Abb. 29. Fragment eines Glasgemäldes im Bayrischen Nationalmuseum zu München.
Ende des 15. Jahrhunderts.
nach Dirrs Ausführungen!) ein eigenes Glasmaleratelier unter-
halten und damit den Sieg des Malerischen über das Glasmalerische
zu Ende geführt. Aus der Holbeinwerkstatt gingen unter anderem
hervor einige in Eichstätt erhaltene und mit dem vollen Namen
Holbeins signierte Glasgemälde, sodann die Glasgemälde in dem
1) Glasgemälde Hans Holbeins im „Münchener Jahrbuch‘ 1909.
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Tafel 82
Beispiel für den Über-
Detail aus einem Fenster in der Kirche zu Tölz.
1515.
1510
gang der Gotik in die Renaissance.
153
Pfarrhaus des Doms zu Augsburg (siehe Abb. 30, Taf. 81). Seinen
Einfluß findet man auch auf einigen Resten in der Kirche S. Ulrich
und Afra zu Augsburg. Im Unterschied zu der niederrheinischen
Einbeziehung der Glasmalerei in die Tafelmalerei muß bei den
süddeutschen Glasmalereien der Spätgotik und Frührenaissance
Abb. 30. Detail aus einer Scheibe mit Johannes Ev. Hans Hol-
bein d. Ä. Augsburg. Nach einer Photographie von Höfle-Augsburg.
konstatiert werden, daß sie sich weit mehr glasmalerische Eigenart
erhalten haben. Auch in der Provinz gab es während der Periode
der Spätgotik und Frührenaissance zahlreiche Glasmaler. Franz
Wolter fand in den Archivalien des Münchener Reichsarchivs
viele Notizen, die auf diese Perioden Bezug haben. So sitzt zu
154
Altenmarkt ein Glasmaler, der 1460— 1509 Bezahlungen für Glas-
gemälde vom Kloster Baumburg bekommt. Kloster Windberg
beschäftigt den Glasmaler Achatz, Niederviehbach den „maler von
Dingolfing“. Der rege Austausch zwischen Augsburg und Lands-
hut begünstigt das Anschwellen einer zahlreichen Renaissance-
künstlerschar von Glasmalern, was ebenso in den Archivalien
zum Ausdruck kommt, als in dem Befund alter Denkmale. Darum
ist es beispielsweise möglich, daß in der Karthause Prüll, wie in
der Kirche zu Tölz (Taf.
82) Glasgemälde ver-
wandten Charakterssich
finden, für die Lands-
hut gleichmäßig in der
Mitte liegt. Landshut
scheint Münchens Blüte
gleich nach Beginn des
16. Jahrhunderts über-
nommen zu haben. Der
Einfluß, den die Wir-
kungsstätte eines Hans
Wertinger, eines Hans
Leinberger auf die
nieder- und oberbayri-
sche Kunst der Früh-
renaissance genommen
hat, ist ganz bedeutend.
Abb. 31. Ungarisches Glasgemälde. Anfang des Wahrscheinlich hat
15. Jahrhunderts. Landshut die Führung
in der Glasmalerei der
bayrischen Lande bis gegen Mitte des 16. Jahrhunderts innegehabt.
Auch die außerdeutsche Glasmalerei machte den Übergang
in die Tafelmalermanier mit, da ja alle Länder, in denen noch
Glasmalereien gemacht wurden, von Frankreich, Holland und
Deutschland beeinflußt waren, so insbesondere Spanien, das seine
Glasmaler von den Niederlanden und der Kölner Gegend kommen
ließ‘). In Polen wirken die Einflüsse Prags noch nach, wie der
1) Vgl. darüber A. L. Merz, Die spanische Glasmalerei, Zeitschrift für alte und
neue Glasmalerei 1914.
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Gudule in Brüssel.
Fenster in der Kirche S.
155
Glasgemäldeschmuck in der Dominikanerkirche zu Krakau deut-
lich zeigt‘). Ungarn wurde von oberrheinischen und niederländi-
schen Meistern heimgesucht. Es scheint jedoch, daß Ungarn
wiederholt starke Ansätze zu einer nationalen Schule hatte. Laut
einer alten Chronik ließ der Erzbischof Esztergom, Csanäd Telegdy,
zwischen 1331—49 das Sanktuarium des hl. Adalbert „mit kunst-
reichen Fenstern“ ausstatten.
Vom 14. Jahrhundert an scheint
die Stadt Kassa in Oberungarn
eine hervorragende Rolle in
dieser Kunst gespielt zu haben:
1365 schließt Petrus, Probst
zu Lelesz, einen Vertrag mit
Nicolaus, Maler zu Kassa, wo-
nach dieser für die‘ Kirche
zusslEelesz vier, Klenster für
ı00o Goldgulden verfertigen
soll. Noch in den Jahren 1562
und 1565 ersucht der Erzbischof
von Eger (Ungarn) wiederholt
den Rat der Stadt Kassa, ihm
einen Meister, der fünf bis
sechs Fenster herstellen soll,
zu überlassen. Erhalten blieb,
bis aufdie wenigen Fragmente
in der Dreifaltigkeitskapelle zu
Pozsony-Szent-György, nichts
mehr. Die von Matthias Cor-
vinus, König von Ungarn, in
dem Schloß zu Ofen errichte-
ten Neubauten sollen laut Berichten von Zeitgenossen pracht-
volle Fenster geziertt haben. Um diese Zeit wird ein Mönch
Jacobus erwähnt, der in der Diözese von Szettesfehervar
mehrere Kirchen mit Fenstern von wunderbarer Schön-
heit schmückte. Der Glasmaler Johann Mikö wanderte um die
gleiche Zeit nach Österreich aus. Seine Arbeiten sind jetzt im
Abb. 32. Kartondetail zu den Glasgemälden
in Gouda. Lukas von Leyden?
2) Kopera, Alte polnische Glasgemälde, Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei
1913, S. 99ff.
156
Museum der Wiener Neustadt aufbewahrt. Eine besondere
Stellung nimmt die Kirche zu Aranyos-Maröt ein, deren größter
Bestandteil an Glasgemälden nunmehr allerdings in das Erdödy-
Schloß übertragen ist. An ihnen läßt sich der Entwicklungs-
gang der ungarischen Glasmalerei ablesen: Die Schulen des
14. Jahrhunderts scheinen von Heiligenkreuz beeinflußt zu sein,
während im 15. Jahrhundert der niederösterreichische Charakter
vorherrscht. Im Zeitalter der Spätgotik dringen deutsche und
niederländische Einflüsse ein!) (Abb. 31).
2. Die Kabinettsglasmalerei.
12. Die deutsche Kabinettsscheibe.
Der Begriff Kabinettsscheibe ist heute der Ausdruck für ein
von der monumentalen Glasmalerei verschiedenes kunstgewerb-
liches Gebiet. Sie hat sich wohl aus der Kirchenglasmalerei ent-
wickelt und verwendet nahezu bis zu ihrem Untergang eben-
falls farbige Hüttengläser, am längsten rot und grün; allein sie
folgt ganz anderen Stilgesetzen. Ein monumentales Glasgemälde
ist stets für Fernwirkung berechnet. Darum soll es eigentlich
nur aus Kontur und Wischen bestehen; alles Modellieren und
und alle Angaben von Details lassen ein Glasgemälde, wenn wir
auch nur ein paar Meter entfernt sind, bei durchfallendem Licht
verschwommen und unklar erscheinen. Die monumentale Glas-
malerei ist sonach gezwungen, auf eine realistische Behandlung
unter allen Umständen zu verzichten und daher das Figürliche
rein ornamental zu zeichnen. Anders die Kabinettsglasmalerei.
Sie ist eine Nahkunst. Auch unterscheidet sie sich von ihrer
größeren Schwester dadurch, daß das Glasgemälde eines Zimmers
außer Beziehung zu dem Bau stehen kann, um so mehr als
manches Zimmer überhaupt keinen spezifischen Charakter auf-
weist. Darum kann die Kabinettsscheibe Stilgesetzen folgen, die
der Eigenart der Monumentalglasmalerei direkt zuwiderlaufen.
Die Kabinettsscheibe konnte erst sich voll entwickeln, als
eine bedeutendere Nachfrage nach ihr vorhanden war, und das
hatte wieder zur Voraussetzung, daß die Fensterverschlüsse über-
1) Vgl. Lyka, Az Üvegfestes in Ratlıs „Az Iparmüvezet Könyve‘‘ 1905, S. 257 ff.
Tafel 84
Detail aus der Abbildung Tafel 83.
157
haupt aus Glas hergestellt wurden. Die Sitte, die Fenster von
einigermaßen wichtigen Räumen mit Fenster zu verschließen,
läßt sich seit der Karolingerzeit ununterbrochen verfolgen. Die
Fenster der Schreibstuben in St. Gallen waren, wie aus der Er-
zählung Ekkehards IV. hervorgeht, mit Glas verschlossen, was
schon viel früher französische Äbte in der Regel für Schlafsäle
anordneten. Die Zimmer und Säle der Gralsburg waren sogar
mit buntgläsernem Fensterschmuck versehen. Wenn auch die
Gralsburg im Land Utopia liegt, so muß die Fantasie des Dichters
doch durch irgendwelche wirkliche Vorbilder angeregt worden
sein. Die Dichter haben also auf jenen Burgen, die sie als Vor-
lage für die Schilderung Montsalvats nahmen, unter anderem
Schmuck auch bunte Glasfenster gesehen. Im Jahre 1340 be-
saßen die Handwerkerknechte der Grautücher und Rebleute im
Spital zu Basel eine Bettstelle mit einem Glasfenster darüber.
Wenn nun auch noch in der Mitte des 15. Jahrhunderts in einer,
jedem Kultur- und Kunstfortschritt so offen daliegenden Stadt
wie Basel, Teppiche und Papier zu Fensterschlüssen verwendet
werden, so mag das für wenig wichtigere Räume und für ärmere
Leute gegolten haben und ist ebensowenig ein Beweis gegen
die in Blüte gekommene Sitte der Fensterverglasung, wie die
Tatsache, daß noch heute in zahlreichen ärmeren Landgemeinden
Italiens Ölpapier als Fensterverschluß benützt wird, den gläsernen
Fensterverschluß auch im wärmeren Süden beeinträchtigt. Nach
Lehmanns gründlichen Forschungen kann man die Wende des
14. Jahrhunderts als die Zeit bezeichnen, in der der gläserne
Fensterverschluß bei den einigermaßen vermöglicheren Bürgern
in allgemeine Verwendung kam. Die Konzilien zu Konstanz
und Basel haben das Wachsen und Erstarken der Sitte be-
schleunigt, so daß am Öber- wie Niederrhein seit etwa 1420
jedes vornehme Haus mit gläsernem Fensterschmuck ausgestattet
sein mußte. Wie wir aus den Miniaturen und Kupferstichen zu
erkennen vermögen, waren die Fenster niemals mit kunstlosen,
quadratischen oder rechteckigen Scheiben verschlossen; sie be-
kamen vielmehr von Anfang an Musterung in Anlehnung an
die alte, dekorative Aufgabe des Glases. Am beliebtesten war
das Rautenmuster, das dem vertikalen Streben der gotischen
Bauart am besten entsprach.
158
Über die Anfänge der Kabinettsscheibe herrscht noch keine
völlige Klarheit. Denn die auf 1437 datierte Rundscheibe aus
Lindau, die sich nach Angabe von Schmitz im Besitze eines
Münchner Antiquars befinden soll, kann selbstverständlich nicht
als Kabinettsscheibe angesprochen werden, ebensowenig wie das
Medaillonfenster zu Altthann oder gar die Serie von Rund-
u
Abb. 33. Karton zu den Glasgemälden in Gouda.
Lukas von Leyden (?).
scheiben, die sich im
Schloß zu Erbach befin-
den. Diese Rundschei-
ben sind in monumen-
taler Arbeit hergestellt,
die ersteren im Cha-
rakter der Isenmann-
schule, dieletzterennach
Art Hans Wilds. Ihr
verhältnismäßig kleiner
Durchmesser (38 cm)
mag mit der Verkleine-
rung der Fenster in der
Spätgotik, insbesondere
für Landkirchen, zu-
sammenhängen. Die
Sujets der noch vor-
handenen nichtheraldi-
schen Kabinettsschei-
ben zeigen, daß dieSitte,
kleinere Räume mit
einer oder mehreren
Kabinettsscheiben zu
schmücken, über Sakri-
steien, Spitäler ud sonstige Semi Häuser ihren Weg
ins Bürgerhaus genommen hat. Die ungemein häufigen Wappen-
scheiben sind direkte Abkömmlinge der Stifterscheiben in großen
Kirchenfenstern.
Im Stil hat sich die Kabinettsglasmalerei im Kupferstich
gefunden. Die blühende Werkstatt, fast könnte man sagen,
Industrie, die am Oberrhein die zahlreichen Kupferstiche für
Einzelblätter und für Illustrationen von Büchern schuf, gab den
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Detail aus der Abbildung Tafel 83.
159
Glasmalern eine Menge von Vorlagen, die man mit geringen
Änderungen, ja manchmal direkt wörtlich auf Glas übertrug. Die
Erfindung der Schwemmfarben begünstigte die Entwicklung des
Kabinettsstils. Von der monumentalen Glasmalerei hatte man
das Schwarz- und Rotlot, das Silbergelb, den roten und blauen
Überfang übernommen. Damit konnte man bereits sehr viel
erreichen. Aber es war immer mühsam, den Überfang auszu-
schleifen, und zu Farbunterschieden bedurfte es der trennenden
Bleie, die für kleine Scheiben eine zu starke Kontur bildeten.
Die Schwemmfarben boten daher ein willkommenes Hilfsmittel.
Am Niederrhein verlor. sich auch die Kabinettsscheibe sehr bald
in völlige Abhängigkeit von der Tafelmalerei und bereits im
Anfang des ı6. Jahrhunderts trat daselbst eine solche Anarchie
der glasmalerischen Stilprinzipien ein, daß die niederländische
Glasmalerei nur mehr den Namen des Glasmalerischen hat. Für
die Geschichte der niederländischen Malerei bieten sie einen
nicht uninteressanten Beitrag, umsomehr als ihre Bestimmung
nach Meistern bei dem Zurücktreten des Glasmalers keinerlei
Schwierigkeiten macht. Auch können sie durch die lustigen
Farbenreize die Aufmerksamkeit fesseln, namentlich wenn es
sich um Arbeiten nach Goltzius handelt, der übrigens selbst
Glasmaler gewesen ist. Die Schweizer- und süddeutsche Kabinetts-
glasmalerei hat, trotzdem auch sie von den Kupferstichen und
Handzeichnungen berühmter Meister lebte, weit mehr glasmale-
risches Gefühl behalten, als die ebengenannten Niederländer.
Der Kupferstich und die Stifterscheibe in Kirchenfenstern
bilden also die Quellen für die Kabinettsglasmalerei. Darum
hat die vom Kupferstich beeinflußte Richtung am ehesten auf
die Verwendung von farbigem Hüttenglas verzichtet und sich
gerne auf Schwarzlot und Silbergelb beschränkt. Diese Rich-
tung hatte ja keine Resonanz in der monumentalen Glasmalerei
und sproßte als selbständiger Zweig am Baume der allgemeinen
Kunstentwicklung hervor. Jene Gruppe aber, die aus der Stifter-
scheibe entstanden ist, bewahrte bis ins 18. Jahrhundert ihren
Zusammenhang mit der monumentalen Glasmalerei, indem sie
für Rot, Blau und Rotviolett, Grün bei Architekturteilen fast
immer, bei Hintergründen in der Regel das farbige Hüttenglas
in Anwendung brachte. Die Kabinettsscheibe scheidet sich da-
160
her von selbst in zwei Teile, in die reine Kupferstichmanier, die
auf Grisaillen sich auswirkt, und in die monumentalisierende
Kabinettsscheibe, die zwar für die Oberlichten den Kupferstich
Abb. 34. Karton zu einem Glasgemälde
von W. Crabeth (1543— 1595).
beizieht, für den größeren Teil
der Scheibe aber aus dem
Formenvorrat der glasmaler-
ischen Tradition schöpft, die
selbstverständlich der Klein-
aufgabe, ein Zimmer, ein Kabi-
nettzu schmücken angepaßtist.
Die reine Kupferstichmanier
nimmtam Oberrhein ihren Aus-
gangspunkt. Der Meister E. S.,
Martin Schongauer, der Meister
des Hausbuchs und deren
Schulen sind die fruchtbarsten
Vorlagenwerke für die Glas-
maler geworden (Abb. 35, 36.)
Auf den Hausbuchmeister geht
vor allem ein System zurück,
das sich über ganz Süddeutsch-
land erstreckt und außerordent-
liche Verbreitung hat, namlich
die sogen. Vierpaßscheibe. Ob
der Hausbuchmeister diese sehr
schöne Form aus den Nieder-
landen bekommen hat, kann
nicht festgestellt werden. Um
1420 auf 1430 haben sich in
Basel verschiedene Meister mit
graphisch gehaltenen Visierun-
gen für Kabinettsscheiben be-
schäftigt. Paul Ganz hat die
einzelnen in Basel noch vor-
handenen Blätter publiziert!). Es ergibt sich daraus, daß der Haus-
buchmeister direkt an die oberrheinische Schule anknüpft. Das
!) Handzeichnungen schweizerischer Meister des 15. bis 18. Jahrhunderts, Base].
Tafel 86
Cleen.
ıeter von
Nürnberger Arbeit.
Vierpaßscheibe des Deutschmeisters D
Um 1328
161
System der Kabinettsrundscheibe scheint indes erst durch den Haus-
buchmeister in Blüte gebracht worden zu sein. Fast ein halbes Jahr-
hundert läßt sich sein Einfluß verfolgen; zu den frühesten Vier-
paßscheiben gehören zwei Scheiben der Schweizer Geschlechter
Dittlinger (Schweizerisches Landesmuseum zu Zürich), der Grafen
von Wartenberg (Schloß Erbach). Auch die Baldungwerkstatt
hat die Vierpaßscheibe, deren Beliebtheit jede Werkstatt zur
Kopie zwang, nicht vernachlässigt. In Nürnberg wurde sie von
Abb. 35. Scheibe mit dem Wappen von Matzenheim. Dem Hausbuch-
meister nahestehende oberrheinische Werkstatt. Um 1480,
der Dürerschule gepflegt, wie der reiche Bestand des Kgl. Kunst-
gewerbemuseums in Berlin an solchen Scheiben zeit InFeiner
großen süddeutschen Sammlung befinden sich zwei erlesene Vier-
paßscheiben der Ordenskomture und Meister des Deutschritter-
ordens Johann Adelmann von Adelmannsfelden (15I0— 1515) und
Dieter von Cleen (1515—1526). Die eine von ihnen haben wir
auf Tafel 86 abgebildet. Die andere wird in einer demnächst
erscheinenden Monographie über die betreffende Sammlung ver-
öffentlicht werden. Die beiden Scheiben gehören nach Franken,
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. Il
162
vermutlich in die Schule des H. S. Beham. Von dem Wappen
abgesehen, das wegen des Wappenbildes (rotes Kleeblatt in
weiß), Hüttenglas beiziehen muß, ist alles in Schwarzlot und
Silbergelb gehalten und zwar derart, daß die Umrisse der Figuren
nicht konturiert, sondern ausradiert sind. In Augsburg ver-
schmäht es auch ein Jörg Breu nicht, im Vierpaßsystem zu ent-
werfen. Der Schreiber dieser Zeilen konnte eine Wappenscheibe
des Bischofs Friedrich von Augsburg aus dem Hause der Hohen-
zollern bekannt machen (aus dem Jahre 1504), die sich in Schloß
Füssen befindet. Sie ist, wie leicht ersichtlich, in der Art Jörg
Breus gehalten. Jörg Breu hat im übrigen sein eigenes System
gebildet, die Szenen-Monolithscheibe mit Schwarzlot und Silber-
gelb mit ornamentiertem Rand aus farbigem Hüttenglas. Es
gab zwar schon vor Jörg Breu runde Monolithscheiben mit
farbigem Rand. Allein sie enthielten lediglich Einzel-(Heiligen-)
Figuren im Stil der Schongauerschule Auch könnte es den
Anschein erwecken, als sei Nürnberg mit dem System der
szenischen Rundscheibe vorangegangen, nachdem Professor
Becker!) eine Reihe von kleinen Scheibenrisen aus der
Nähe des Michel Wolgemut veröffentlicht hat. (Taf. 87).
Ob man es bei diesen Zeichnungen mit Visierungen in Origi-
nalgröße (Kartons), oder nur mit Werkzeichnungen (Skizzen)
zu tun hat, ist gerade bei diesen Arbeiten schwer zu ent-
scheiden. Professor Becker neigt in seiner verdienstvollen Publi-
kation offenbar der ersteren Annahme zu und stellt die Ab-
hängigkeit des Meisters dieser Visierungen vom Meister des
Hausbuches fest. Im ganzen sind es Io Risse, von denen zwei
weltlichen Inhalt: Aristoteles und Phyllis, ein Liebespaar, auf-
weisen. Durch die Publikation des Risses für eine Vierpaßscheibe
vom Meister des Hausbuchs hat Becker’) die Frühzeit der
Kabinettsrundscheiben graphischen Charakters wesentlich ge-
klärt. Vom Oberrhein (Basel) ging die Sitte aus, Szenen profanen
Inhalts im Stich und in dem von ihm abhängigen Scheibenriß
festzuhalten. Der Meister des Hausbuchs hat diese Sitte zur
größten Entfaltung gebracht. Von ihm ist der ganze Süden
1) Eine Folge großer Scheibenrisse aus der Nähe Wolgemuts. Zeitschrift für
alte und neue Glasmalerei I9I2. S. 95.
2) Zeitschrift für bildende Kunst, Juni Heft 1912.
Tafel 87
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Scheibenriß e
163
Deutschlands beeinflußt. Was der Hausbuchmeister in seinen
Vierpaßscheiben unternahm, das hat Jörg Breu auf der Monolith-
scheibe durchgeführt. Was in Nürnberg unter der Einwirkung
der oben genannten Scheibenrisse an Rundscheiben in der Art
Jörg Breus entstanden, ist jedenfalls verschwindend gegen die
Bedeutung, die das Werk Jörg Breus für die Monolithscheibe
profanen Inhalts hat. 1502 wurde Jörg Breu Meister und ar-
beitete so neben seinem Lehrer Hans Burgkmair. Denn auch
Abb. 36. Rundscheibe aus einer oberrheinischen Werkstatt um 1490.
dieser entwarf Visierungen für Glasmaler. Im Baumeisterbuch
der Stadt Augsburg heißt es zu dem Jahre ı515: „item ı5 Pfund
dem Burgkmaier maler umb Visier zue glesern“. Diese „gleser“
wurden zum Teil wohl von dem statglaser Hans Braun gemacht,
der im gleichen Jahre „24 Gulden umb die fünf gleser“ in die
„neuen Stuben des rats“ erhält. Aus dem Jahre 1504 stammt
die schon genannte Vierpaßscheibe für den Bischof von Augs-
burg. Nun treten im vorhandenen Material große Lücken auf.
Wir hören, daß Kaiser Maximilian I. im Jahre 1516 eine Anzahl
TOT
164
„geschmelzte Scheiben“ für sein Jagdschloß in Leermoos an der
bayrisch-tirolischen Grenze bei dem Hofmaler Hans Knoder be-
stell. Die Visierungen dazu hat, wie Stiaßny nachweist, Jörg
Breu gezeichnet. Hans Knoder, der Schwager des „Hoffmallers
Florian Gumpolt aus Augsburg“ war eigentlich Maler, stammte
wohl aus Tirol und war bis I522 in Augsburg. Er scheint es
weder als Maler noch als Glasmaler zu etwas gebracht zu haben.
Wenigstens beauftragt Maximilian seinen Rechnungsbeamten
Hans Bomgartner „seinem hofmaler hannsen Knoder 15 guldin
rheinisch und ain unserer Hofwinterclait zu geben, so wir ime
zu bezahlung seiner schulden und aus Gnaden verordnen“. Neben
Knoder sind Hans Thoma und Hans Braun in Augsburg tätig;
letzterer bekommt seit 1519 bis zum Jahre 1553 Zahlungen für
Glasgemälde und zwar für den neugebauten Saal in der Burg
zu Innsbruck (1539) und 224 fl. für „ız stugg geschmelzten glas
in die new erbaut khirchen im schlosz zu linz“. Man sieht die
weiten Beziehungen Augsburgs zu den tirolischen und öster-
reichischen Landen. Daher rührt es wohl auch, daß sich im
Museum zu Salzburg mehrere Scheiben befinden, die unverkenn-
bar Augsburger Ursprung verraten. Wenn die noch erhaltenen
Hauptarbeiten Jörg Breus, die 12 Scheiben aus der „Geschichte
Josefs“, die sich im Nationalmuseum zu München befinden, und
zum erstenmal von Joh. Schinnerer als Werke Jörg Breus er-
kannt worden sind!'), die vier Scheiben des Berliner Kunstgewerbe-
museums aus der letzten Zeit Breus stammen, so sind sie wohl von
Hans Braun ausgeführt worden (Tafel 88 u. 89). In den Räumen
des „Hist. Vereins für Schwaben und Neuburg“ zu Neuburg be-
finden sich ebenfalls noch einige Arbeiten im Stil Jörg Breus.
Unter der Einwirkung dieses Meisters hat sich in Augsburg die
an breiter Behaglichkeit und schwäbischer Erzählungslust reiche
Szenenmonolithscheibe entwickelt, die trotz der perspektivischen
Verschiebungen noch ein großes Maß Flächigkeit bewahrt und
darum, im Gegensatz zu den niederrheinischen Glasgemälden, den
Zusammenhang mit den alten Traditionen erhalten hat. Da-
durch, daß diese Rundscheiben vorwiegend en grisaille her-
1) Katalog der Glasgemälde des Bayr. Nationalmuseums München, S. 38. Scheiben-
risse von Jörg Breu, Zeitschr. f. alte und neue Glasmalerei 1912, S. 59.
Tafel 88
Rundscheibe nach einem Riß von Jörg Breu, vielleicht ausgeführt von dem
Glasmaler Hans Braun in Augsburg. München, Bayrisches Nationalmuseum.
165
gestellt wurden, blieb ihre Zeichnung wie Ausführung mehr
linear. Dieser Charakter erhält sich auch in dem überreichen
architektonischen Beiwerk, das, trotz seiner Perspektiven, niemals
dem Glasmalerischen zuwiderläuft. Was Jörg Breu vor seinen
Nürnberger Kollegen (siehe die Turnierscheibe M. M. 162 des
Germanischen Museums um 1510, zu der übrigens jüngst das
Pendant aufgetaucht sein soll) auszeichnet, ist die meisterhafte
Abb. 37. Rundscheibe mit der hl. Radegundis. Salzburg, datiert 1524.
Komposition, die ideale Verbindung des Figürlichen mit dem
Raum und die Füllung der ganzen Scheibe mit Inhalt. Dem-
gegenüber haben die Nürnberger große Vorder- und Hinter-
gründe, es gelingt ihnen nicht recht, den Hintergrund, überhaupt
den Schauplatz der Szene in lebendigen Zusammenhang mit den
handelnden Menschen zu bringen. Mit Jörg Breu hat die graphisch
gehaltene Rundscheibe ihren höchsten Stand erreicht, dem in
Augsburg niemand mehr, in Nürnberg nur die Scheibenfolgen
„Biblische Historien“ und die „Lebensalter“ nach Stichen Behams
166
bzw. Jost Ammans (beide Zyklen im Berliner Kunstgewerbemuseum)
gleichkommen. Von ebenfalls graphisch gehaltenen viereckigen
Monolithscheiben, die im Charakter der Zeichnung und Aus-
führung natürlich mit den Rundscheiben völlig übereinstimmen,
ist nicht mehr viel erhalten. Die vier Scheiben des Berliner
Kunstgewerbemuseums, die nach Behams Stichen gemalt wurden
(Schmitz, Taf. 44) sowie zwei Scheiben nach derselben Kupfer-
stichserie in Schloß Friedrichshafen, können als Beispiele gelten.
Wenn man sie mit den Rundscheiben der Alexiuslegende (Kölner
Arbeiten gegen 1520), mit den Rechteckscheiben des Jan Scoreel
von Utrecht um 1530 (Schmitz, Taf. 23, 25) vergleicht, fallt der
Unterschied zwischen Niederrhein und den süddeutschen Glas-
malereien deutlich in die Augen. Den Süddeutschen lag die
große glasmalerische Tradition im Blut, die sie das Verwandte
im Kupferstich fühlen und nachahmen ließ; die in Köln und den
Niederlanden überließen sich willig den Tafelmalern mit den
weichen Linien, schattierten und mattierten Tönen und runden
Formen.
Daß die zweite Gruppe von Kabinettsscheiben, die
Wappenscheiben, von der monumentalen Glasmalerei abstam-
men, beweist am besten eine Wappenscheibe des Abtes Adam
von S. Peter, auf dem Schwarzwald, aus dem Jahre 1544, die sich
in badischem Schloßbesitz befindet. Gleich auf den ersten
Blick erkennt man ihren Zusammenhang mit der Baldung-
Ropsteinwerkstatt in Straßburg-Freiburg. Nicht nur der Stil
beweist diesen Zusammenhang, sondern auch verschiedene Einzel-
heiten, so der stark damaszierte Hintergrund, die ornamentale
Umschrift und die Ausführung der Heiligenscheine. Das sind Tra-
ditionen der monumentalen Glasmalerei in der Baldung-Ropstein-
werkstatt. Auch die prachtvollen Wappenscheiben aus Heilig-
kreuzthal, die von P. Ansgar Pöllmann dem Meister von Meß-
kirch, Jerg Ziegler, zugeschrieben werden, sind ein deutlicher
Beweis. Aus der Baldung - Ropsteinwerkstatt sind nur mehr
wenige Scheiben bekannt. Das System der Wappenscheibe hat
sich vom Oberrhein und der Schweiz aus entwickelt: architek-
tonisches Grundprinzip (Schrifttafel als Basis, säulengetragener
Bogen, der als Fries ausgebaut wurde, großes zentrales Haupt-
feld gleich einem großartigen Portal) und Gliederung des Wap-
Tafel 89
Rundscheibe nach einem Riß von Jörg Breu, vielleicht ausgeführt von dem
Glasmaler Hans Braun in Augsburg. Salzburg, Museum.
167
pens sind von Anfang bis zu Ende gleich geblieben. An zahl-
reichen Orten taten sich Schulen und Werkstätten auf, die dem
großen Drang nach farbigen Scheiben Verwirklichung bringen
sollten. Mittelpunkte sind München, Landshut, Wasserburg (bay-
rische Gruppe), Reutlingen, Ulm, Bodenseestädte (schwäbische
Gruppe), Nürnberg, Würzburg (fränkische Gruppe). Dazu kommt
Nördlingen, aus dessen Kunstkreis P. A. Pöllmann') eine Reihe
von Glasmalern bekannt gemacht hat. Fast allenthalben lassen
sich Glasgemälde unterscheiden, die einem stärkeren Einfluß der
Schweizer Scheibe folgen und solche, die sich den führenden
lokalen Größen auf dem Gebiet der Malerei und teilweise Bild-
hauerei anschließen.
In München und Wasserburg, vielleicht auch Rosenheim
war der Schweizer Einfluß gering. Die Werkstätten Hebenstreit,
Prielmair, Pöndl, Peich, Loth sind im engen Anschluß an Sustris,
Wörle, Peter Candid zu nennen; sie bekamen gelegentlich schwä-
bische Gesellen. Darum stellen die noch erhaltenen Werke
durchaus originelle bayrische Arbeiten dar. Von Hebenstreit
stammen die Glasgemälde in der Michaelskirche zu München,
die trotz ihrer Größe völlig im Geist der Kabinettglasmalerei
gehalten sind. Dem Wolfgang Prielmair können wir ein Glas-
gemälde zuschreiben, das sich heute in Landsberg befindet und
die Familie des Herzogs Albrecht V. von Bayern darstellt.
Unter den alten Hofkammerprotokollen, welche im Kreis-
afchiv zu München verwahrt werden, findet sich unter dem 3.
Sept. 1561 folgendes Schreiben des Herzogs an den Bürger-
meister und den Rat der Stadt Landsberg: „Liebe Getreue!
Ihr habt euch zu erinnern, welchermaßen wir euch kurz ver-
schienener zeit das wider das Münzedikt verboten und verfallen
gelt zu reinem kirchenpau gnediglich folgen lassen, doch daß ihr
uns und unser Gemahel und Kindern in ein Fenster der Kirchen
ain gedechtnus machen lasset. So Ihr nun söllichs, als uns mit
zweifelt zu tun vorhabens, ist unser gnedig begehrn, ihr wöllet
dieselb Arbeit unseren Hofglaser alhie Wolfen Prielmair vor
anderen Ausländern machen lassen. Daran thuet Ir unseren
Gefallen in Gnaden erkennen.“ |]. Schober, der diesen Brief
1) Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei 1913. Heft 1, 3, 4.
168
Albrechts in den „Landsberger Geschichtsblättern“ veröffentlichte
(1909, Nr. 3 u. 4), fügt bei, daß im Jahre 1564 der Bürgermeister
an den Herzog berichtet, daß sein Wunsch nunmehr erfüllt sei.
Mit dem Glasgemälde Prielmairs ist ein etwas späterer Renais-
sanceflügelaltar in der Liebfrauenkirche zu Ingolstadt verwandt.
Auch von Hans Peich hat sich eine Scheibe erhalten. Der
Schreiber dieser Zeilen entdeckte endlich in Schloß Hohen-
schwangau zwei prächtige Wappenscheiben Herzog Albrechts
des Leuchtenbergers und seiner Gemahlin‘), die laut archiva-
lischer Notizen dem Paul Loth zuzuschreiben sind. Auf diesen
Scheiben erkennt man deutlich die enge Anlehnung der Visie-
rung an die führenden Männer, näherhin an Peter Candid. In
München waren die Glasmaler in der Zunft der Maler, was nicht
ohne Einfluß auf die Entwicklung des Stils blieb. Aus Wasser-
burg wird der Glasmaler Abraham Schneider bekannt, der im
Stil der Inntalmeister arbeitet und ebenfalls von Schweizer Ein-
flüssen frei ist. Dagegen haben sich in dem Gasteigkirchlein
zu München einige Scheibchen erhalten, die ganz den Geist der
Schweizer Scheibe atmen.
In Nürnberg wird die Wappenscheibe am stärksten von
dem Schweizer Schema losgelöst. Das architektonische Prinzip
weicht der Grundvorstellung des gerahmten Bildes. Darum
wird die mit Renaissanceornament reichgezierte Umrahmung
nicht selten in gleichen Maßen um das ganze Glasbild herum-
geführt. Dazu zeichnet Hans Springinklee seine reizenden und
in der Bewegung ausgezeichneten Frauen- und Engelsgestalten,
die das Wappen halten. Die stichartig gezeichneten Falten und
Gewandsäume, der in Strichmanier angedeutete Boden nähert
sich dem alten glasmalerischen Prinzip. Behams Kupferstiche
sind besonders beliebt, namentlich für Allianzamtsscheiben. So-
weit Rundscheiben in Betracht kommen, wird der mit Renais-
sanceornament reich verzierte Rahmen gern in ein ornamental
gehaltenes Girlandenmotiv aufgelöst. Wo immer Hüttenglas sich
einfügen ließ, wurde es bevorzugt. Mit der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts siegt der Schweizer Einfluß. Es sind zwar viele
1) Alte Glasgemälde im Schloß Hohenschwangau S. 2off., vgl. dazu R. Paulus,
der Münchener Glasmaler Paulus Loth, Zeitschr. f. alte u. neue Glasmaler. 1913 S. 3.
Tafel 90
Wappenscheibe aus dem Jahre 1598. Nürnberger. Arbeit.
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Glasmaler am Platze und es läßt sich sogar eine vollständige
Reihe aufstellen: Martin Krinaberger, Johann Brechtl 7 13521,
Sebald Hirsvogel 7 1589, Hans Taucher 1561, Gallus Wald,
Georg Wiedmann 1589, Hans Eß 1574. Allein der frische Zug
in der Werkstatt muß ebenso verflogen sein, wie die Begeiste-
Abb. 38. Rundscheibe mit den Wappen Welser und Schlüsselfelder.
Schloß Hohenschwangau. Um 1525. Nürnberger Arbeit (Hans Springinklee).
rung bei den Bestellern. Im Jahre 1603 wird vom Rat der
Stadt verordnet: „Hansen Jakob Reutter glaßmaler von Zürich,
welcher sich wider die glaser beschwert das ihne allhie nit wollen
arbeiten lassen, da er doch ihnen Handwercks halben keinen ein-
trag thue, soll man anweisen, umb das bürgerrecht anzusuchen,
weil dieser zeit wenig glasmaler alhie sein, und ime nichts desto-
weniger alhie zu arbeiten zu lassen, weil die glaser keine glas-
7
“
maler sein.)“ Es muß also recht schlecht ausgesehen haben,
wenn der Rat seinen Landsleuten ein so beschämendes Zeugnis
ausstell. Was seit der Mitte des 16. Jahrhunderts angefertigt
wurde, ist zwar in der Technik (vgl. die plastische Ausführung
der Säulen und sonstige Ornamente) lokale Werkstattradition,
allein im Stil sinkt fast alles auf das gewerbliche Niveau. Über-
raschend bleibt die Güte der Hüttengläser und der Geschmack
im Kolorismus. Als Beispiele für die beiden Arten geben wir
eine Wappenscheibe nach Hans Springinklee und eine Scheibe
des Gilg Ayrer, die im Charakter der von der Schweiz beein-
flußten Lokalschule gefertigt ist (Abb. 38, Taf. 90). Seit rund 1600
wurde der Bedarf an Scheiben von auswärts, in erster Linie
von Zürich bestellt. In diese Periode fallen die weltbekannten
Scheiben der Murerwerkstatt, die sich heute im Germanischen
Museum befinden. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts erhebt
sich noch eine kleine Nachblüte an lokalen Glasmalerwerkstätten.
Es tritt ein Georg Unverdorben auf den Plan, wohl in Schatten
gestellt von Johann Schaper. Schinnerer hat diese Persönlich-
keit in ein helles Licht gerückt, durch den großen Scheiben-
zyklus, der für die Karthause Prüll angefertigt wurde und sich
nunmehr im Bayrischen Nationalmuseum befindet. Von Schaper
stammt unter anderen Fragmenten sowie einer Scheibe im
Berliner Kunstgewerbemuseum, eine sehr interessante Ulmer Stadt-
scheibe, aus dem Jahre 1663, im Schloß Friedrichshafen. Sie ist
nur in Schwarzlot und Silbergelb gehalten (Taf. 91). Zum Kreis
Schapers gehörten Herm. Benkert, Keyll, Faber, Gutten-
berger f 1676, Abraham Helmhack 7 1724. Von letzterem Meister
ist in Münchener Privatbesitz ein signiertes Glasgemälde von
sehr guter Qualität bekannt geworden. Helmhacks Schüler war
Herbst, wie von Murr erzählt, Mesner an der Marienkirche und
letzter Glasmaler Nürnbergs.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hat sich die schwäbische
Adelswelt mit Bestellungen an schweizerische Werkstätten ge-
wandt. Aber schon nach Mitte des Jahrhunderts entstehen Lokal-
schulen und gegen Ende des Jahrhunderts haben verschiedene
1) Quellenschriften zur Kunstgeschichte Neue Folge ı2 S. 357, mitgeteilt von
Th. Hampe.
Tafel 91
Johann Schaper
von
1663,
Wappen der Stadt Ulm.
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Städte blühende Werkstätten, so Radolfzell, Rottweil, Reutlingen,
Ulm, Tuttlingen, Lindau. Infolge der Nähe der* Schweiz haben
die schwäbischen Schulen den Einfluß der Schweizer Scheibe in
besonderem Maße erlebt. Das äußere Anordnungssystem wird
übernommen, im Stil finden sich zahlreiche Anlehnungen und in
der Technik gehen alle Fortschritte der Schweizer Meister sofort
in die schwäbischen Werkstätten über. Am deutlichsten kann
man dies an dem kostbaren, weil sehr seltenen, Emailgrün be-
obachten, das sich auf den Scheiben der Reutlinger Maurer-
werkstatt in kaum übertroffener Schönheit findet. Nun aber
bildet dieses Grün eine besondere Feinheit auf einigen Scheiben
im Kreuzgang des Klosters Wettingen, die laut Signierung von
dem Glasmaler Christof Brandenberg aus Zug stammen. Dieser
Glasmaler, der auf seinen Wanderungen auch nach Reutlingen
kam, hat ein sehr interessantes Notizbuch hinterlassen, aus dem
wir zu erkennen vermögen, auf welche Weise sich Werkstatt-
spezialitäten weiter gepflanzt haben. Die Maurerwerkstatt, die
eine Reihe prachtvoller Scheiben im Dienst des herzoglich-
württembergischen Hauses geschaffen hat, zeigt den höchsten
Blütenstand der schwäbischen Glasmalerei. Außerordestlich far-
benprächtig, verfügen alle Glasgemälde über leuchtende Schwemm-
farben in Blau und Violett, über eine virtuose Anwendung des
Silbergelbs, über strahlendes rotes Hüttenglas. Manchmal wird
man an die bunte Lebhaftigkeit der Luzerner und Zuger Meister
erinnert. In der Zeichnung herrscht plastische Fülle und breite
Behaglichkeit vor. Die Säulen der architektonischen Umrah-
mungen sind fast regelmäßig mit allegorischen Figuren (der Ge-
rechtigkeit, Liebe, Sanftmut, Musik, Geometrie, Arithmetik) be-
legt, oder es treten Hermen an ihre Stelle. Dazu gesellt sich
reiches Kartuschenwerk und in der Mitte des Oberlichts gern
größere Masken. Als Oberlichtszenen werden allegorische, reli-
giöse und Jagdszenen bevorzugt. Ab und zu findet sich die
Lieblingsbeschäftigung der Bürger, Scheibenschießen, wiederge-
geben. Von großer Innigkeit und frischem Humor sind Berufs-
scheiben, von denen allerdings nicht mehr viele erhalten blieben.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verwässern die Farben,
bis man schließlich bei Schwarzlot und Silbergelb ankommt.
Aus dem Jahre 1752 stammt noch eine herzogliche Scheibe, ein
172
Zeichen, daß der Sinn für Glasmalerei im biederen Schwaben-
land sehr lange in Pflege stand.')
13. Die Schweizer Scheibe’).
(Siehe Taf. 92-99, Abb. 39—41).
Wer kennt und liebt sie nicht, die eigenartige und reizvolle
Schweizer Scheibe, die in keiner Sammlung fehlt, die immer
wieder auf dem Kunstmarkt erscheint? Mag sie auch manchmal
mehr durch ihre frischen Farben, als durch Gediegenheit der
Zeichnung erfreuen, mag das Gebiet des Sujets und ihrer Technik
eng umschrieben sein, stets ist sie ein Zeichen merkwürdiger
und außerhalb der Schweiz nirgends vorkommender Nationalsitte.
Daher sehen wir an ihrer Kenntnis und Erforschung ebenso den
Kulturhistoriker, wie den Mann der Kunstgeschichte interessiert.
In ihrer schlichten Eigenart ist sie nicht zu verkennen oder
zu verwechseln. Meistens erblicken wir auf ihr ein Wappen:
von Ständen, Zünften, Klöstern, Adeligen und Bürgern. Ab
und zu finden sich Szenen aus den schweizerischen Befreiungs-
kriegen, nicht selten auch Darstellungen aus der Bibel. „In dem
Schießhaus (dem Schützenhaus am Platz zu Zürich) sind der Eid-
genossen Siege mit den Wappen sehr schön in den Fenstern
mit Farben eingebrannt und abgemalt,“ sagt der berühmte Topo-
graph Merian (1642). Im allgemeinen überwiegt die einfache
Wappenscheibe.
Die Freude an buntgläsernem Fensterschmuck setzte bei
den Eidgenossen im Laufe des ı5. Jahrhunderts ein, erreichte
1) Über die schwäbische Glasmalerei vergleiche das demnächst erscheinende Buch
des Schreibers dieser Zeilen (Schwäbische Glasmalerei).
?2) Hermann Meyer, Die Schweizerische Sitte der Fenster- und Wappen-
schenkung vom 15. bis 17. Jahrhundert. Frauenfeld 1834. Wichtig Materialien ent-
halten Schmitz a. a. ©. S. ı73#.; Fischer, Alte Glasgemälde im Schloß Hohen-
schwangau. Beide Arbeiten fußen auf den bahnbrechenden Forschungen Hans Lehmanns,
der auf reiche Archivalien gestützt, zum erstenmal mit seinem Katalog der Sammlung
Sudeley, München 1912, das fast unübersehbare Material nach Meistern und Schulen
geordnet und die Grundlage für die weitere Forschung der Schweizer Scheibe ge-
schaffen hat. Von ihm ist in Bälde der Katalog der Scheiben des Schweizerischen
Landesmuseums zu erwarten, in dem die umfassende Behandlung der Schweizer Scheibe
enthalten sein wird.
Tafel 92
Wappenscheibe des Kantons Schwyz. Gegen I51o.
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während des 16. ihre höchste Steigerung, um dann im 17. ab-
zuflauen und zu erlöschen. Gleich bei ihrem Beginn erscheint
die Sitte in bestimmten Formen, die sich zwar ausgestalteten,
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Abb. 39. Wappenscheibe Wildenberg. Arbeit des Daniel Lindtmeyer
von Schaffhausen.
im wesentlichen aber bis zum Verschwinden der Sitte konstant
blieben. Die Wappenscheiben sind nur ausnahmsweise Besitz
derer gewesen, deren Wappen sie tragen. Sie sind fast immer
Schenkungen an Eidgenossen. Es schenkt die Tagsatzung, es
174
schenken Stände, Städte, Klöster, Adelige, Zünfte und Schützen-
gilden. Zunächst sind es öffentliche Gebäude, denen diese
Schenkungen zugute kommen: Rathäuser und Gemeindehäuser,
Zunft-, Trink-, Bade- und Wirtsstuben, und wie weitherzig man
bei der Auslegung des Wortes Wirtshaus war, zeigen verschie-
dene interessante Bittgesuche: „Gewirthet soll allerdings nicht
werden, aber der Hausherr ist ein so gastfreier Mann, dass wer
ihn mit einem Besuche beehrt, auch gelabt werden wird“, in
einem anderen steht zu lesen: „gewirthet zwar vorerst wieder
nicht, aber das Haus eignet sich ganz vorzüglich für eine Wirth-
schaft und der Eigentümer behält sich vor, später eine solche
darin zu betreiben.“ Für die Bittgesuche und für die Schenker
gibt es gewisse staatsrechtliche Gesichtspunkte, unter denen die
Schenkung erfolgt; so schenkt beispielsweise ein Kloster an ein
anderes, der Schirmherr an die von ihm beschirmte Anstalt, die
Zunft an die Schwesterzunft, der Rat des Standes in seinem
Territorium.
Es muß also erheblich mehr hinter einer solchen Schenkung
liegen, als was man gewöhnlich unter den Ausdrücken Geben
und Empfangen versteht. Hermann Meyer (Die schweizerische
Sitte der Fenster- und Wappenschenkung) hat an einer Reihe
von Beispielen gezeigt, daß in einer Wappenschenkung zwei
verschiedene Seiten auseinander zu halten sind. Der Beschenkte
bekommt erstens ein Wappen und zweitens eine Barzahlung
„für das Fenster“, im Durchschnitt 6 Pfund. Demnach liegt in
einer solchen Schenkung die doppelte Eigenschaft der Ehrung
und der Unterstützung. Dieses Reichnis von 6 Pfund muß keines-
wegs zu dem bestimmten Zweck von Glaserarbeiten verwendet
werden, sondern es ist schlechthin ein Bauschilling, den der
Schenker für den Neubau einer zu ihm in bestimmtem Verhältnis
stehenden Person oder Körperschaft leistet. Das andere Moment,
die Ehrung, besteht in dem Wappen des Schenkers. Geehrt ist
dadurch der Beschenkte wie der Schenker, der Schenker ob
seiner Freigebigkeit, der Beschenkte ob seinen guten Beziehungen
zum Donator. Es ist begreitlich, daß man sich daher bei allen
um ein Fenster bewarb, bei denen man nur im entferntesten
eine persönliche Beziehung zu entdecken vermochte. Das oder
die Wappen sagten also dem Beschauer, wer den Bau unter-
Tafel 93
Wappenscheibe Basel. Historisches Museum zu Basel.
Anfang des 16. Jahrhunderts.
175
stützt habe. Wenngleich so die Beisteuer zum Bau ein Haupt-
motiv bei Bittsteller wie Geber ist, ereignete es sich doch nicht
selten, daß bei dem einen oder andern Bittsteller lediglich der
Gesichtspunkt der Ehre in Betracht kommt, während er den
Gedanken der Unterstützungsbedürftigkeit von sich weist. So
lesen wir von einem Bittsteller, „als hablicher Mann bewerbe er
sich um die Schenkung von Ehren, nicht der Armut wegen“.
Er will also nur das Wappen, nicht auch das Fenstergeld. „In
Zürich, als die Schenkungen des Rates flott im Gange sind,
läßt sich derselbe die zu verschenkenden Züricher Standeswappen
von den dortigen Glasmalern partienweise im Vorrat machen.
Das Wappendepot befindet sich auf dem Rathause und wird
vom Grosswaibel oder Obristen verwaltet ‚als der solche Wappen
uff siner Herren Geheiss usszutheilen by Handen hat‘. Dort
liegen sie nun alle in verschiedenen Größen und Formaten, Ge-
viertete und Runde, anderthalb und zwei Bogen gross bis hin-
unter zu halbbogen und weggengrossen. Von Zeit zu Zeit werden
sie revidiert, zu Schaden gekommene ausgebessert, der unver-
wendet gebliebene Rest, soweit er Jahreszahlen trägt, bei Be-
ginn des neuen Jahres durch Aenderung des Datums au courant
gebracht“ (Meyer).
Ursprünglich sollte nur ein Neubau Anlaß für Bittgesuch
und Schenkung sein. Man war aber auch hier nicht engherzig
in der Auslegung. Jede größere bauliche Veränderung genügte,
um an einen Patron heranzutreten. Ja, wenn Feuersbrunst oder
sonstiger Schaden einen Bau zwei- dreimal hintereinander zer-
störten, jedesmal bewarben sich die Geschädigten mit Erfolg um
neue Wappen.
Am üppigsten blühte die Sitte der Wappenschenkung in
Zürich. Dort gab es zur Zeit der ausgedehntesten Schenkungen
in den Jahren 1580— 1600 allein 27 selbständige Glasmaler. Der
letzte Züricher Glasmaler war Hans Conrad Meyer, gest. 1766.
Von ihm sind nur einige wenige Wappenscheiben bekannt. Die
Nachfragen erloschen und Meyer sah sich genötigt, auf anderen
Gebieten Tätigkeit zu suchen. :
Fragen wir nach den letzten Wurzeln dieser eigentümlichen
Sitte, so kommen verschiedene Momente in Betracht. Meyer
meint: „Wenn die Scheibe, friedlichen oder kriegerischen Er-
176
werbungen auf dem Fuße folgend, in die Rathäuser des neuen
Bundesgliedes oder zugewandten Ortes, in die Gemeindehäuser
einer der Landschaft kürzlich einverleibten Herrschaft Einzug
hält, so stellt sie, in weit von einander gelegenen Gegenden
vorkommend, die Fülle der Macht und das steigende Gedeihen des
Gremeinwesens vor Augen
und verkündet das Lob
ihrer Herren, der Leiter
des Staates. Damit ent-
standen Denkmale, die
edler und sprechender die
nationale Macht und Ein-
heitzur Anschauungbrach-
ten und geeignet waren,
das Lob der Eidgenossen-
schaft und des einzelnen
Standes zu verkünden und
im Rathaus der Stände, an
den Sammelplätzen der
waffenfähigen und stimm-
berechtigten Mann-
schaften, den Schützen-
und Zunfthäusern und
Trinkstuben, ebenso auch
in der Grenzstadt und im
Wirtshause an belebter
Heer- und Handelsstraße
Platz zu finden. In dieser
Abb. 40. Wappenscheibe Sinner. 1719. Ausstattung mußten die
Historisches Museum zu Bern. Scheiben dem Besitzer ein
immer wertvolleres Zeug-
nis derZugehörigkeit zu dem Verbande, dessen Taten sie schilderten,
werden. Die ganze Stufenleiter der Gefühle vom wohlberechtigsten
Patriotismus bis zur Prahlsucht findet Nahrung im eigenen Be-
schauen wie im Vorweisen und in der Überzeugung, daß der Fremde
beim Anblick von Achtung und Neid bewegt werde. In der Schen-
kung an sich und als solcher liegt ein Moment von selbständiger
Bedeutung. Die Schenkung ist eine Huld- und Gunstbezeugung.“
Tafel 94
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Scheibe aus dem Cyklus: Der verlorene Sohn, von Chr. Murer.
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Tafel 96
Wappenscheibe Mülinen. Historisches Museum in Bern. Monogramm I1.B.
Tafel 97
Züricher Standesscheibe. Nüschelerwerkstatt, Zürich. 1628.
Tafel 98
Slichiushaide
Feldescheb
Wappenscheibe mit Fortuna. Nüschelerwerkstatt, Zürich. 1631.
Mare
Wappenscheibe Buecher 1719. Historisches Museum zu Bern.
177
Diese Ausführungen mögen hinreichen, um die einmal entstandene
Sitte in ihrer Entwicklung begreiflich zu machen, die letzte
psychologische und ästhetische Frage: Wie kommt gerade die
Glasmalerei dazu, Trägerin dieser Sitte zu werden? ist damit
noch nicht erklärt. Gewiß spielt dabei der Nachahmungstrieb
eine große Rolle. Ein oder mehrere angesehene Herren haben
sich den ursprünglich noch kostspieligen Luxus von Wappen-
scheiben geleistet. Dies fiel in die Zeit der größten politischen
Blüte der Eidgenossenschaft. Von selbst lenkte sich daher das
Interesse auf alles, was einer reicheren Raumausgestaltung diente,
vor allem auf die neue Mode buntgläsernen Fensterschmuckes.
Freude an dem munteren Spiel der Farbe, Aufnahmefähigkeit für
Kunst und Kunstgewerbe befinden sich ja immer im Gefolge
politischen oder wirtschaftlichen Aufschwunges. Und, daß schließ-
lich die gesamte Schweiz mit ganzer Macht und Zähigkeit sich
auf die Sitte warf, hängt mit dem frischen und unmittelbaren
Natursinn des Volkes zusammen, der durch die romantische
Schönheit des Landes immer von neuem belebt und genährt
wird. Es war eine hohe Stufe von Kultur und Kunstsinn, die
in der Sitte der Fensterschenkung sich kundgab, so hoch, wie
sie seither niemals mehr erreicht wurde.
Die weite Ausdehnung der Sitte hatte für die Qualität der
Scheiben zum Teil unerwünschte Folgen. Man war nicht über-
all und immer originell genug, um stets Neues zu schaffen. Be-
liebte Kartons wurden von Werkstatt zu Werkstatt verhandelt.
Ja berühmte Meister verschmähten es nicht, die Visierungen
anderer Glasmaler ihren eigenen Arbeiten zugrunde zu legen.
Nicht selten schnitt man von einer alten Wappenscheibe die
Schrifttafel ab, setzte eine neue Jahreszahl und eine neue Be-
schriftung darunter und fertig war die Stiftung des nachgeborenen
Herrn aus der ehemaligen Stifterfamilie. Umgekehrt legte man
in späterer Zeit Wert darauf, ein ganzes Geschlecht vollständig
vertreten zu haben und ergänzte etwa fehlende Wappenscheiben.
Auf diese zwei Anachromismen ist bei der stilkritischen Analyse
einer Schweizer Scheibe besonders zu achten. Überhaupt dürfte,
um dies gleich hier zu bemerken, eine stilistische Betrachtung
der Schweizer Scheibe vorderhand noch gar nicht möglich sein.
Die Archivforschung fördert außerordentlich reiche Resultate der
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. 12
178
Schweizer Glasmaler zu Tage; es ereignet sich dabei oft, daß
eine Zeile alten Urkundentextes ganze Abhandlungen stilkritischen
Inhalts von lückenloser Logik über den Haufen stößt.
Die Schweizer Scheibe zeichnet sich vor allen anderen
Kabinettsscheiben durch ihre starke ornamentale Kraft aus.
Nicht die ziselierte Kleinmalerei ist es, die den Schweizer reizt,
Abb. 41. Wappenscheibe Messerlin 1783. Historisches Museum in Bern.
vielmehr eine in den Maßen reduzierte monumentale Glasmalerei;
darum konnten die zierlichen Arbeiten, die am Oberrhein, in den
schwäbischen und fränkischen Glasmalerwerkstätten im Anschluß
an den Kupferstich des Meisters E. S., des Hausbuchmeisters, Martin
Schongauers im Bereich der Eidgenossen nie so recht Wurzel
fassen. Wohl brachten süddeutsche Glasmaler sogar Spezialitäten
wie die bekannten Vierpaßscheiben in die Schweiz. Lehmann nennt
fünf solche Scheiben, von denen er zwei dem in die Schweiz gewan-
Tafel 100
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Glasgemälde in der Certosa von Florenz. 1560. Giovanni da Udine.
179
derten Hans Hänle aus Reutlingen (Württ.) zuschreibt. Allein der
zierliche Stil der in Kupferstichmanier gehaltenen Kabinettsscheiben
fand in der Schweiz niemals wirkliche Gegenliebe. Es ist be-
zeichnend, daß die Schweizer Glasmalerei, die (speziell die Berner
Glasmalerei) bis Ende des 15. Jahrhunderts von den Werkstätten
des deutsch-alamannischen Völkergebiets abhängig ist, gleichwohl
eine spezifische schweizerische Kunst blieb, ohne ihren Grund-
charakter je gegen die oberrheinischen Manieren einzutauschen.
Im Lauf des letzten Jahrzehnts ist es dank der unermüd-
lichen Tätigkeit der Schweizer Archivare und Hans Lehmanns ge-
lungen eine Reihe von Glasmalern festzustellen und eine große
Anzahl von Glasgemälden bestimmten Meistern zuzuschreiben.
Indes ist dieses große Werk noch mitten in der Entwicklung.
Im Gegensatz zu der deutschen Kabinettsscheibe, die sich stets
nach der Qualität der Visierung beurteilen läßt, liegt bei der
Schweizer Scheibe das Wesentliche in dem Handwerklichen.
Dem Schreiber dieser Zeilen ist eine Paradiesesszene auf fünf ver-
schiedenen Scheiben zu Gesicht gekommen. Sämtliche Scheiben
gingen, wie leicht an Details zu erkennen war, auf denselben
Riß zurück; gleichwohl wiesen sie durchweg in der Handschrift
der Ausführung Verschiedenheiten auf, was auch durch die weit
auseinander liegenden Wohnorte der Besteller ohne weiteres ein-
leuchtend war. Wie soll man solchen Erscheinungen gegenüber
mit weitschweifigen Analysen des Stils etwas Sicheres erreichen!
Unlängst konnte man von einer „Sankt Gallener Schule“ lesen.
Nun steht fest, daß die reformierten S. Gallener Bürger ihre Be-
stellungen in Zürich, die katholischen in Wyl ausführen ließen.
Damit stimmt auch überein, daß in allen Archivalien nicht das
mindeste von einem S. Gallener Glasmaler zu finden ist. Der
auf einer Scheibe in Schloß Maihingen genannte Franz Fehr ist
lediglich Glaser und Stifter, nicht aber Anfertiger der betreffenden
Scheibe. Wir begnügen uns daher mit einem kurzen Abriß der
Schweizer Kabinettsglasmalerei und verweisen für die Details
auf P. Ganz, Handzeichnungen Schweizer Meister, H. Lehmann,
Katalog der Sammlung Sudely; die Berner Glasmalerei'), Fischer,
Alte Glasgemälde im Schloß Hohenschwangau.
!) Die Glasmalerei in Bern am Ende des 15. und Anfang des 16, Jahrhunderts,
Anz. für Schweiz. Altertumskunde, 1912, ff.
16235
180
Die Sitte der Fensterschenkung entwickelte sich seit der
zweiten Hälfte des ı5. Jahrhunderts und zwar noch nicht mit der
Kraft eines im Volke ruhenden Bewußtseins, als vielmehr mit der
Seltenheit der Laune der Bemittelten. Darum war der nationale
Charakter in diesen Anfängen noch keineswegs in festausgebil-
dete Formen gefaßt. Die am Oberrhein speziell in Basel aus-
gebildeten Kräfte wirken auch nach den Hauptstätten der eid-
genössischen Lande. Man vergleiche z. B. den Scheibenriß eines
Züricher Meisters aus dem 15. Jahrhundert, den Ganz auf Tafel
32 bekannt macht, oder die verschiedenen Visierungen des Am-
brosius Holbein. Die entscheidenden Momente sind das Auf-
treten des jungen Dürer 1492 in Basel und des jüngeren Holbein
Reise nach dem Süden. Diese beiden Ereignisse brachten der
Schweizer Glasmalerei die nötigsten Vorbedingungen, um der nun
in Blüte befindlichen Sitte gerecht werden zu können: eine im
Realismus begründete Bewegungsfreiheit in der Zeichnung und
eine diesem angepaßte architektonische Umrahmnng. Des jüngeren
Holbeins Risse sind Fundgruben für Renaissancearchitekturen,
die beim Meister durch ihre Originalität und ihren Formenreichtum
außerordentlich frisch und kräftig wirken, bei den Schülern und
Epigonen aber sehr bald von Formen zu Formeln werden und ins
Barocke übergehen. “Vergleiche die Gruppe Hans Bock, Hans
Jakob Plepp, sowie die sich durch handwerkliches Virtuosentum,
aber manchmalhausbackene Trockenheitcharakterisierende Gruppe
der Han, Ringler in Basel, Ägeri, Bluntschli und Ban in Zürich.
Am rassigsten blieb die Berner Glasmalerei, die mit Niclaus
Manuel Deutsch, Hans Funk vertreten war. Zürich stieg schon
mit der Murerwerkstatt zu seiner früheren Höhe herab, von der es
allmählich über die Nüscheler bis zu den rein handwerksmäßigen
Arbeiten und letzten Ausläufern, der Weber, Wolf und H. C.
Meyer sank. Die Scheiben der katholischen Kantone zeichnen sich
durch größere Buntheit der Schwemmfarben aus. Durch die Bei-
ziehung von Heiligen und Legenden bekommen diese Scheiben
mehr Abwechslung. Nebst Zürich ist die Glasmalerei Berns am
weitesten und charakteristischen entwickelt. Bern hat sich in
der Kabinettsglasmalerei am engsten an die Traditionen der
Monumentglasmalerei angelehnt. Darum waren kräftige, sattere,
der Zahl nach beschränkte Farben beliebt, im Gegensatz zu der
181
bunten, manchmal unruhigen Schwemmfarbenkarte Luzerns.
Außer Rotlot, Jean Cousin, Schwemmblau und den verschiedenen
Nuancen des Silbergelbs, das häufig als leuchtendes Braungelb
für den Hintergrund Verwendung findet, hat Bern nur ein paar-
mal das prachtvolle Emailgrün, das wir auf den Scheiben des
Chr. Brandenberger, der Maurer in Reutlingen so besonders
schön finden.
Während des ganzen 18. Jahrhunderts bleibt die Berner
Glasmalerei im Vollbesitz der glasmalerischen Mittel, eines er-
lesenen Geschmackes und Verständnisses, während beispielsweise
Zürich mit den Epigonen Weber, Wolf, Meyer seit Beginn des
18. Jahrhunderts einen völligen Niederbruch der Glasmalerei er-
lebte. Um 1680 arbeitet der Glasmaler Güder mit glanzvollem
roten Hüttenglas, stellt als Kontrast ein leuchtendes Blau da-
gegen, ganz nach dem alten glasmalerischen Grundprinzip und
zeichnet sich durch die vortreffliche Verwendung des Rotlots
und insbesondere des Silbergelbs aus. Zu derselben Zeit ent-
standen in Zug die Arbeiten der Müller, des Adam zum Bach,
deren Scheiben lediglich mit Schwemmfarben ausgeführt, einer
bunten Musterkarte von Farbflecken gleichen. Wenn nun auch
um die Wende des 17. und im Anfang des 18. Jahrhunderts in
gewissen Werkstätten der Sinn für die Farbwirkung zugleich mit
den Farbmitteln selbst verloren ging, so auf der Scheibe des
Abr. Tillier 1700, die außer Schwarzlot und Silbergelb nurmehr
ein stumpfes Graublau kennt, auf einer Scheibe der „ehrendten
Landschaft Interlaken 1714°, auf der ein sattes Rotlot und ein
schönes Jean Cousin und ein in verschiedenen Tönen erglänzen-
des Silbergelb verwendet sind, erstrahlt eine prachtvolle Scheibe,
entworfen von J. R. Huber, im schönsten Stil der Kabinetts-
glasmalerei. Die Scheibe aber stammt aus dem Jahre 1704.
Außer über einen satten roten Überfang, ein ebenso leuchten-
des Rotviolett, verfügt der Meister über prächtiges Schwemmblau,
und über das so seltene Emailgrün. Auch an den kleinsten
Stellen ist das Grün nicht in der bequemen Weise eines Silber-
gelbs auf Blau, sondern in der komplizierteren Art des Email-
grüns hergestellt. Eine ähnlich schöne Scheibe findet sich in
der historisch-antiquarischen Sammlung zu Schaffhausen. Aus
dem Jahre 1719 stammen eine Reihe von Scheiben, die sich im
182
Vollbesitz aller Schwemmfarben befinden. Mit dem dritten Jahr-
zehnt konzentriert sich die Technik auf die Anwendung des
Schwarz- und Rotlots, sowie des Silbergelbs. Das letztere ver-
schwindet im zweiten Dritte. Das vierte und fünfte Jahr-
zehnt kennt nur mehr das Schwarz- und Rotlot. Unter dem
Einfluß der damals besonders blühenden Trinkglasschleiferei ver-
ließ man die unfruchtbare Epigonenarbeit und versuchte sein
Wappen samt einer mehr oder weniger geistreichen Inschrift
statt auf Glas zu malen, in dasselbe schleifen zu lassen. Der
Stadtkaminfeger Emmanuel Schrötter von Bern scheint unter
den ersten gewesen zu sein, die ihr Wappen in lichtes Glas
setzen ließen. Seine Scheibe stammt aus dem Jahre ı751. Das
Berner Museum besitzt eine große Zahl solcher Weißscheiben,
deren jüngste aus dem Jahre 1816 stammt. Zwischenhinein fällt
die merkwürdige Scheibe des M. Messerlin aus dem Jahre 1783.
Sie kennt noch alle Schwemmfarben. Ihr Schmelz aber und
durchsichtiger Glanz ist verloren; ihr Auftrag gleicht in seinem
rußigen Ton eher einer Kohlenzeichnung als einem Glasgemälde.
Aber es ist charakteristisch für den starken Sinn des Schweizer
Volkes für die Glasmalerei, daß es auch in den Zeiten technischen
und stilistischen Niederganges nicht von der liebgewohnten Sitte
lassen wollte.
3. Die Kunstverglasung.
Nach unseren im ersten Kapitel gemachten Andeutungen
ist die Kunstverglasung nicht etwa ein Ableger der Glasmalerei.
Sie steht vielmehr am Anfang der Entwicklung des buntfarbigen
Fensterschmucks. Die noch erhaltenen ältesten Denkmale der
Glasmalerei, insbesondere auch der Reliquienschrein aus demo. Jahr-
hundert, der auf einem französischen Friedhof gefunden wurde,
beweisen diesen Satz mit unumstößlicher Sicherheit‘). Ursprüng-
lich waren die mit steinernen Rippen ausgestatteten Fenster mit
farbigem Glas gefüllt. Diese Rippen wurden schon während
des frühesten Mittelalters ornamental behandelt und zwar nach
Motiven, die aus dem Orient stammen. An den Fenstern des
1) Abgebildet bei Begule, les vitraux dans la region Lyonnaise, S. 3.
Tafel 101
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Domes zu Augsburg haben wir, im Vergleich mit den sassani-
disch-persischen Messinggefässen, Stoffen und Gläsern, erstmals
den Nachweis liefern können, daß der ornamentale Reichtum
der romanischen Glasmalerei aus dem Orient kommt. Nun ist
"vor Jahresfrist auf den Ruinenstätten Kairos ein außerordentlich
interessanter Fund gemacht worden, der unsere Feststellung
wesentlich stützt und sie insbesondere für die Kunstverglasung
belegt. J. Flury hat in seinem Buch: Die Ornamente der Hakim-
und Asharmoschee in Kairo, das reiche Material alter islamischer
Kunst publiziert. Unter den die Ornamente leitenden Motiven,
findet sich dekorative Ausgestaltung der zu ornamentalen Zwecken
außerordentlich geeigneten arabischen Schriftzeichen. Diese Orna-
mente haben durchweg etwas Gespreiztes und ermangeln der Mo-
numentalität und Frische. Daneben findet sich aber ein unver-
siegbarer Quell prächtiger Motive, deren Heimat ohne weiteres
als der oben genannte sassanidisch-persische Kunstkreis ange-
sprochen werden kann. Es sind die längst uns geläufigen Ganz-
und Halbpalmetten, Dreipässe, Ranken, ineinander geschlungene
doppeltprofilige Bandornamente, wie wir sie in dem Ornament-
schatz der Langobarden, der Gothen und Mauren in Spanien,
ebenfalls als aus dem Ornament mitgebrachte Traditionen ken-
nen. Unter jenen von Flury bekannt gegebenen Ornament-
mustern befindet sich eines, das mit einem Fenster im Kloster
Heiligenkreuz im Wiener Wald geradezu überraschende Ähn-
lichkeit aufweist (siehe die Taf. 101—ı103.) Das Bleinetz der
Kunstverglasung läßt sich direkt aus dem Steingerippe des
Moscheemotivs ableiten. Ursprünglich haben primitive und
doch unendlich reizvolle Motive dem Steinfenster seine charak-
teristische Note gegeben. Oft sind es nur Kreise oder kleine
geometrische Figuren, die aus dem Steinkörper ausgespart waren.
Man hat in der Wiederholung dieser Figuren das Symbol der
Unendlichkeit und Ewigkeit erblicken wollen, das ebenfalls im
Orient oft in diesem Sinne gebraucht wurde Wie dem auch
sei, jedenfalls ist der Hinweis auf den Orient für uns sehr wichtig.
Noch heute kann man übrigens derlei, sicher auf alte Traditionen
zurückgehende, Fensterverschlüsse mit den reizendsten Motiven
in einzelnen Tälern Steiermarks an Scheunen beobachten. Aus
den massigen Steingerippen wurden immer leichtere Gebilde,
184
zum Teil auch aus Holz, bis sie schließlich zur Karolingerzeit
im Bleinetz ihr letztes Stadium der Entwicklung fanden. Aus
der Periode vor der Bleiverwendung ist nichts auf uns gekom-
men. Dagegen können aber die Ornamentmuster der Hakim- und
Asharmoschee als Beispiele der Frühzeit gelten. Als die figür-
liche Glasmalerei in Übung gekommen war, versäumten die
Abb. 42.
Teppichmuster. Dom zu Regensburg.
14. Jahrhundert.
Künstler nicht, alte
Ornamente, wie sie
die Kunstverglasung
geschaffen hatte, in
die Umrahmungen
aufzunehmen. Es
scheint, als ob der
ornamentaleFormen-
reichtum hauptsäch-
lichüber Regensburg
nach dem Westen ge-
wandert wäre. Denn
auf den Fenstern der
bayrisch -alamanni-
schen Volksstaämme
hat sich der ornamen-
tale, teppichartige
Einschlag selbst in
Figurenfenstern am
längsten erhalten.
Auch die Ausgestal-
tung der alten und
die Erfindung neuer
Motive blühte gerade
in diesen Gebieten am schönsten. (Abb. 42.) Anstelle der exotischen
Palmette traten die Blätter und Zweige heimischer Pflanzen und
Bäume, die mit feinster Naturbeobachtung wiedergegeben wurden.
Das Verbot figürlichen, überhaupt buntfarbigen Fensterschmucks,
das von dem Zisterzienserkapitel im Jahre 1134 erlassen wurde,
brachte die Kunstverglasung en grisaille zu neuer Entwicklung.
Im allgemeinen blieb Belgien das Land, in dem die Grisaillekunst
lange Zeit und vereinzelt bis zur Gegenwart geübt wurde. An-
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185
dere Gebiete wandten sich dem buntfarbigen Ornamentfenster
zu. Seit Beginn des: ı5. Jahrhunderts bürgert sich in den Für-
stensitzen der burgundisch-französischen Dynasten die Sitte ein,
religiöse und profane Räume mit Rautenmuster zu verglasen.
Die Sitte wanderte den Rhein aufwärts, unterlag aber zumeist
der alamannischen Butzenverglasung.
Jahrhundertelang blieb die Butzenverglasung die einzige
lebendige, allerdings schwache Erinnerung an die Kunstvergla-
sung. Erst seit etwa 20 Jahren begann man wieder die Häuser,
insbesondere Treppenhäuser, Fluren, Dielen mit buntfarbiger
Kunstverglasung zu schmücken. Die Glasmalerei überließ diese
Aufgabe in bedenklicher Kurzsichtigkeit den einfachen Glasern,
die um so geschmackloseres Zeug einsetzten, je allgemeiner da-
mals der Mangel an feinem künstlerischem oder gar kunstge-
werblichem Empfinden war. Die Folgen dieser sogenannten
Kunstverglasungen zeigten sich in einer immer größeren Unlust
an Glasmalerei, da man gleichzeitig mit der Verachtung der
Entartungen auch den künstlerischen Schöpfungen auf dem Ge-
biete der Glasmalerei Mißtrauen und Vorurteil entgegenbrachte.
Erst in allerletzter Zeit hat die Kunstverglasung unter Führung
bedeutender Ornamentisten wieder einen Anlauf genommen und
nicht bloß nach alter Gewohnheit Blumen und Ornamente, son-
dern sogar Tiere und Menschen in ausschließlich ornamentaler
Auffassung als Kunstverglasung ausgeführt. Man darf somit
hoffen, daß die große Bedeutung der Kunstverglasung für die
vornehmsten, wie auch besonders für weniger gepflegte Räume
immer mehr erfaßt wird und zwar ebenso von Bestellern, wie
von ausführenden Künstlern).
4. Die Hinterglasmalerei.”
Die Hinter- oder Unterglasmalerei steht eigentlich nur in
sehr losem Zusammenhange mit der Glasmalerei. Denn die
Technik der Hinterglasmalerei läuft dem Wesen der Aufglas-
\) Siehe Fischer, Die Entwicklung der Kunstverglasung, Zeitschrift für alte und
neue Glasmalerei 1913, S. 37ff., 50 ff.
?) Wessels, Ernst, Hinterglasmalerei, Esslingen 1913; enthält die Anleitung zur
praktischen Betätigung der Hinterglasmalerei.
186
malerei direkt zuwider. Es wird nichts gebrannt und nichts
gebleit. Man konturiert auf die Hinterseite des Glases, laßt die
Konturen trocknen und trägt hernach die nötigen Lokaltöne
und Lasuren mittels einfacher Ölfarben auf. Die ältesten Bilder
hinterlegte man mit Quecksilber, so daß sie als Spiegelbilder
wirkten. Man konnte auch die Konturen gummieren, füllte sie
mit Blattgold aus und schwärzte die Hintergründe mit Ruß.
Auf diese Weise entstanden Hinterglasmalereien, die beim flüch-
tigen Blick wie Kabinettscheiben mit Schwarzlot und Silbergelb
aussahen. In neuerer Zeit hinterlegt man mit dünngewalztem
Zinn (Stanniol. Der Stanniolbogen wird auf der blanken Seite
mit stark verdünntem Malerleim befeuchtet und auf die Malerei
gelegt. Dieses Verfahren stammt aus Frankreich. Die Farben
werden lediglich der Luft zur Eintrocknung überlassen. Aller-
dings wird auch empfohlen, die Scheibe in einer Bratröhre auf
60° Celsius zu erhitzen, weil dadurch die Farben fester zu sitzen
kämen. Diese Praxis hat jedoch nichts mit dem Einbrennen des
Schwarzlots und sonstigen Farben der Aufglasmalerei zu tun.
Diese werden vielmehr infolge einer chemischen Verbindung des
leicht flüssig gemachten Glases fest mit der Oberfläche ver-
schmolzen.
Als ältestes Glasbild erscheint das im Stift Göttweig befind-
liche Brustbild eines älteren Mannes mit üppigem Nasenauswuchs.
Es trägt die Inschrift: Herr Gerhard Janssen, Kunstberühmter
Bürger, glaßmahler wie auch wohlerfahrener Meister der Ätz-
kunst wurde gebohren zu Utrecht Anno 1636 den 21. July ge-
storben zu Wien Anno 1725 den 3. Juny. Seines Alters 88 Jahr
ıo Monat 8 tag. Bezeichnet und gemahlt von A. D. Metzgern
von Speyer, gleichfalls in diesen Kunsten sich exelierenden Lieb-
habern, der Zeit anwesend zu Maria hilff bey Wien Anno 1725
den 9. July. Siehe die Abbildung dieser Scheibe in der „Öster-
reichischen Kunsttopographie“ I, S. 366. Ein ähnliches Glasbild
befindet sich in der Sammlung des Grafen Wilczek (abgebildet
im Monatsblatt des Wiener Altertums-Vereins 1896, S. 17). Jüngst
tauchte im Münchener Privatbesitz ein großes Hinterglasgemälde
auf, das auf Finke Bom zurückgehen soll. Die eigentliche Stätte
der Hinterglasmalerei ist das bayerische Gebirgsdorf; einst soll
die Kunst aus Italien gekommen sein. Hans Kysser berichtet:
187
darüber in einem Artikel: „Über eine sterbende Volkskunst“
(Berliner Tageblatt 6. 9. 12.).. „Aus einer alten Kunstgewerbs- und
Handwerksgeschichte Augsburgs erfährt man, daß sie auch in
Augsburg geübt worden ist, wie es auch im Württembergischen
solche Maler heute noch geben soll. Man sagt, daß Lenbachs
Vater, als er von Tirol nach Schrobenhausen kam, sich im Winter
mit dem Malen solcher Glasbilder beschäftigt haben soll. Als eine
Art Hausindustrie aber wurde sie seit der Mitte des vorigen Jahr-
hunderts in Murnau und dem benachbarten Fischerdörfchen See-
hausen am Staffelsee betrieben. Auf ihren Kraxen trugen Händler
die Bilder durch die bayerischen Dörfer, und schon für dreißig
Kreuzer konnte man ein Originalgemälde erwerben.
Heute muß man diese Bilder suchen, ihre kundigsten Meister
sind tot und die eigenen Landsleute haben sie vergessen. Möchte
man über Art und Herkunft dieser Glasmalereien Näheres er-
fahren, so muß man mit den letzten Malern über den Tisch weg,
muß die alten Kirchenbücher nachschlagen und Grabsteine fragen.
Obschon dieser Volkskunst eine schöne Anonymität anhaftet,
sie war doch die Arbeit von Menschenhänden mit ihren Fehlern
und Geheimnissen. Die Meister der ältesten und schönsten Bilder,
der Spiegelbilder, werden wohl immer unbekannt bleiben, und
man wird auch nicht erfahren, wer die schwarzen Madonnen ge-
malt oder die Christus- und Gottvaterköpfe, deren dunkler bis
zur freien Oberlippe spitz hinaufgezogener Vollbart dem Gesicht
einen so tiefen, schweren Ernst verleiht. Aber nennen wir hier
wenigstens einmal die Namen derer, über die uns noch Urkunden
zugänglich sind. Da schufen in Seehausen die Malerfamilien der
Kirchmeir, Gege und Noder. Eine Tochter oder die Witwe des
Michel Kirchmeir heiratete 1785 den Paulus Gege, der selbst ein
ausgezeichneter Glasmaler war, und im Hause Gege erbte sich
diese Kunstübung über den Sohn Aloys (1795— 1864), den Enkel
Sebastian (1822— 1889), bis zum Urenkel, dem heute noch leben-
den Joseph Gege (geboren 1866) fort. Man nannte auch die
Maler nach dem Namen ihres Hauses, und so findet man in den
'Malerfamilien der Noder den Matthias Noder „zum Unterweiß“
(1773— 1869), den Ignaz Noder „zum Lurger“ (1783— 1852), den
Sebastian Noder „zum Malerschneider“ (1786— 1845). In Murnau
aber malten etwa Ignaz Schmid (1802— 1833), Matthias Gast „zum
188
Schragl“ (1773—18321), Johann Gastl „zum Welsch“ (geboren
1790, gestorben ?), seine Tochter Karoline, Dominikus Gastl „zum
Nok“ (1763— 1844), Xaver Kistler „zum Schloßmaler“* (1836— 1883),
Jacob Geiger (1810— 1882), Johann Chrysostomus Geiger (1766
bis 1845) und dessen Sohn Florian.
Wäre diese Kunst nur Handwerk oder Spielerei, sie müßte,
in solcher Fülle dargeboten, den unbefangenen Blick mindestens
mehr ermüden als erfreuen. Sie wirkt aber überraschend, ein-
fach und groß. Unter vielen gleichgültigen Christusköpfen be-
gegnen manche, die durch eine beinahe schablonenhafte Kon-
vention der Zeichnung hindurch wirkliche Züge des Schmerzes,
mit einer harten Falte, einer versteinerten Starrheit des Auges,
Gequältheit, Bitternis, Zerknirschung offenbaren. Sie rufen ihre
toten Meister von den Toten und lassen durch die Masken der
heiligen Männer ihre persönlichen Weltgefühle auf uns strömen.
Dann bleibt der kalte Quecksilbergrund kein Spiegel; er wird
zur kühlen, eisig schimmernden Unendlichkeit. Wie oft findet
man ein Christuskind auf einem Bette liegend. Dornen um-
kränzen das Bett, und eine Krone liegt greifnah den Händen;
aber das ganz besondere milchbläuliche Weiß des Bettes, die
aufdringliche Schwärze der Dornen darauf, die anbetende Melodie,
nach der sie sich zum Kranze um das schimmernd geebettete
Kindlein fügen, der Ernst des wütend zusammengewürgten Dornen-
stranges vor dem kleinen Wesen, dazu der unbewegt einförmige
Hintergrund fangen an zu reden. Eine Komposition kann man
übernehmen, aber sie noch einmal in Farbe und Form kompo-
nieren, bis sie wieder Leben und Gegenwart wird, das kann nie-
mand übererben. Man erstaunt so bei den verschiedensten Mo-
tiven, wie eindeutig sicher die Farben durch das Bild zusammen-
klingen, bald durch die ganze Skala alle Formen erwärmend,
bald sie verdüsternd und- belastend. Mitunter ist das Bewußt-
sein des Könnens so stark geworden, daß aus dem Erstrahlen
der Farben immer neue Fabeln sich enthüllen. Es gibt in der
Krötzschen Sammlung zum Beispiel eine Magdalena in Tönen
von so sanfter Stärke und so gewollter Bestimmtheit der Wechsel-
wirkung, daß sie von einem modernen französischen Maler sein
könnte. Andere erinnern an älteste Holzschnitte und Miniaturen.
Und hat man seinen Blick erst einmal den einzelnen Malern be-
Tafel 104
Berner Standesscheibe aus dem Jahre 1576, erneuert im Jahre 1621
von dem Glasmaler Hans Rudolf Lando. Historisches Museum in Bern.
189
sonders hingegeben, so erkennt man sie leicht wieder: den an
den wunderbaren blauen Schatten, jenen an der feinen Zeichnung
der Hände und des Gesichtes, andere an der zackigen Starrheit
ders Bımien:
Dem billigen Farbendruck hat diese Kunst weichen müssen.
Man kaufte sich die neuen „schöneren* gedruckten Bilder und
warf die alten handgemalten auf den Kehricht. Die Maler aber
quälten sich ab, die Glätte und die Motive der Farbendrucke
nachzuahmen; so entstanden peinliche Werke, und niemand mochte
den Preis der mühevollen unfruchtbaren Arbeit bezahlen. Steigt
man heute von Murnau nach Seehausen in das Haus „Zum
Kramerl“ herab, wo der letzte Glasmaler aus der Familie der
Gege wohnt, so stellt sich ein kleiner, kräftiger, schwarzbärtiger
Mann vor, der freundlich-bitter seine Auskunft gibt. Man merkt
ihm an, daß es im wehe tut, ein Gewerbe, von Urgroßvaters Zeit
geübt, gänzlich aussterben zu sehen. Daß die schöne Kunst der
alten Glasmalerei in ihm selbst gestorben ist, weiß er nicht.
Seine Bilder scheinen peinlichst ausgeführte Kopien von schlech-
ten Farbendrucken. Sein Fleiß hat keinen Preis, sein Können
nicht die Kunst. In Murnau aber malt als einziger noch der
junge Heinrich Rambold: im Sommer streicht er Zäune und
Häuser an, im Winter lebt er seiner Glasmalerei. Alle seine
Farben lachen, und er weiß, worauf es ankommt: ein reines Rot
und Blau und herzhafte Striche. Das findet er bei den ältesten
Meistern, und auf sie greift er am liebsten zurück. Bei seinen
Heiligen, selbst wenn sie wie der heilige Dionys den Kopf in
der Hand halten, geht einem das Herz in Fröhlichkeit auf. In
ihm lebt noch eine helle Ahnung des Wesentlichen und des
Volkstümlichen. Aber ein einzelner kann das Sterben einer
Volkskunst nicht aufhalten.
UL
Die Wiederbelebung der monumentalen
Glasmalerei im 19. Jahrhundert.
Man ist allgemein der Überzeugung, daß mit der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts die Glasmalerei, soweit der monu-
mentale Stil in Betracht käme, auf lange Zeit in einen völligen,
ungestörten Schlaf versunken sei, aus dem sie erst der Nürn-
berger Porzellanmaler Sigismund Frank wieder erweckt habe.
Im Laufe des letzten Jahres sind jedoch drei Glasgemälde be-
kannt geworden, die beweisen, daß sich eine leise Tradition
durch alle Jahrhunderte erhalten haben muß. Zuerst tauchte
eine Scheibe mit Herz Jesu aus dem Kloster Maursmünster in
der Pfalz auf, die durchweg mit farbigen Hüttengläsern behan-
delt war. Laut Umschrift stammt sie von „Johann Adolf Danegger.
Civ. etscab. Argent. 1767“ (Abb. 43). Eine andere, Figurenscheibe,
entdeckte Hans Kunze') im Straßburger Münster und der Schreiber
dieserZeilen stieß in einem württembergischen Schloß auf eine große
in farbigem Hüttenglas ausgeführte Wappenscheibe mit der klein
eingeritzten Inschrift AD. Danegger. Argent. In der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts existierte also eine Glasmalerfamilie
Danegger in Straßburg, die noch im Vollbesitz der technischen
Ausdrucksmittel der monumentalen Glasmaler war. Knorr sagt
von dem einen, A. D. Danegger: er war Kupferstecher und hat
nach Strobl auch in Glas gemalt, „ohne jedoch ein hohen Gipfel
der Vollkommenheit zu erreichen“. Ein von ihm und einem
C. Seyfried auf Glas gemaltes Porträt befand sich ehedem auf
der Bibliothek zu Straßburg”). — Die letztgenannte Scheibe
1) Straßburger Münsterblätter 1913. S. 122.
?) Becker-Thieme Künstlerlexikon s. v. Danegger.
191
ist trotz der begreiflichen Befangenheit in der Zeichnung sehr
gewandt ausgeführt. Auch des Johann Adolf Danegger Glas-
gemälde zeigen eine Reihe von Vorzügen. Jedenfalls ist durch
die Glasgemälde der beiden Danegger der Nachweis erbracht,
daß die Kunst der Glasmalerei ebenso wenig völlig auch nur
kurze Zeit ausgestorben ist, wie das Rezept für Herstellung far-
biger Gläser. Darum muß auch das ästhetische Vorurteil, als
habe Barock und Ro-
koko selbst empfunden,
daß Glasmalerei nicht
für siepasse, weilabsolut
gar nichts in diesen Stil-
perioden geschaffen
worden sei, bedeutend
korrigiert werden.
Die Tätigkeit des
Nürnberger Porzellan-
malers Sigismund Frank
verliert durch diese Tat-
sachen indes nichts an
ihrer Bedeutung, da
Frank von den Glas-
malereien der Danegger
sicher nichts gewußt hat.
In einer Gelegenheits-
schrift haben wir 23 die Abb. 43. Glasgemälde in Maursmünster J. D. Danegger
Tätigkeit Franks naher aus Straßburg 1767.
untersucht(Vierzig Jahre
Glasmalkunst, S. 27). Als Resultat ergab sich folgendes Bild: Bereits
gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatte Sigmund Frank (geb. 1770,
gest. 1847) Versuche unternommen, die Glasmaltechnik wieder her-
zustellen; ihnen widmete Frank eine Zähigkeit und Festigkeit, die
über die vielen Mißerfolge hinweg doch schließlich zu einem
gewissen Ziel führten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gelang
es ihm, jene Farben wieder zu schaffen, die sich auf Glas ein-
brennen lassen. Franks erste Arbeiten waren Wappen, Porträts
und Landschaften. Seine fortgesetzten Versuche verschafften ihm
erst beim Fürsten Wallerstein, dann bei König Max I. eine feste
192
Stellung; dieser setzte ihm 300 Gulden Jahresgehalt aus und ließ
ihm unter Einverleibung in die kgl. Porzellanmanufaktur einen
Brennofen bauen. Franks Verfahren war folgendes: „Er nahm
einen Kupferstich oder eine Zeichnung und zeg die Umrisse auf
der weißen Glastafel nach, setzte dann mit Schmelzfarben auf
der Rückseite des Glases die Lokaltöne auf und schattierte auf
der Vorderseite die einzelnen Partien. Es waren also diese Bilder
einfach kolorierte Kupferstiche auf Glas. Das tadelte auch das
amtliche Gutachten vom 10. März 1820: ‚Die Behandlung der
Farben ist nicht eine malerische, sondern mehr die Illuminierung
eines Kupferstichs. Außerdem fehlt das Rubinrot der Alten und
ein kräftiges Grün noch ganz‘“ Franks größter Irrtum war der,
daß er vom weißen statt vom farbigen Hüttenglas ausging bzw.
stets an jenem haftete. Von seinen Kabinettsmalereien besitzt
beispielsweise das Bayerische Nationalmuseum sieben Stücke;
auch das Kgl. Kunstgewerbemuseum Berlin verwahrt einige Ar-
beiten. Diese Scheiben sind zum Teil aus farbigem Hüttenglas
geschnitten und mit Buntfarben, wie z. B. dem herrlichen Frank-
schen Rosarot, behandelt. Im Jahre 1853 hatte der große Philo-
soph Schelling als Präsident der Akademie der Wissenschaften
Anlaß genommen, einen offenen im Journal des debats 20. 12.
1838 abgedruckten Brief an Saint Marc Girardin in Paris zu
richten, in dem er dem Adressaten auf dessen Befragen offiziellen
Bescheid über die Entwicklung der neubelebten Glasmalerei gibt.
Darin heißt es von S. Frank: „Er war zu wenig Künstler, als
' daß von ihm der gewünschte Aufschwung der Glasmalerei hätte
ausgehen können.“ In diesem gewiß richtigen Satz kommt die
Anschauung jener an Öl- und Freskogemälden überreichen Zeit
zum Ausdruck, die im Glasgemälde zuerst den Karton suchte
und erst hernach die Technik, wenn überhaupt, so nebenbei be-
trachtete. Nachdem sich Frank mehr auf farbige Hüttengläser
(hergestellt in Benediktbeuren) konzentriert hatte, war er seinen
Zeitgenossen in der spezifischen Auffassung der Glasmalerei
sicher vorbildlich. Und als die Glasmalerei mit der Bestellung
der Fenster für den Dom zu Regensburg und Köln durch König
Ludwig I. von Bayern den ersten größeren Auftrag bekam, da
zeigte sich, daß die von Frank gemalten Fenster technisch weit
vollendeter waren, als die nach den Kartons von Schraudolph.
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Im Jahre 1827 errichtete Ludwig I. die Kgl. Glasmalerei, seit
ı837 mit Ainmüller als"technischem und Heinrich Heß als künst-
lerischem Leiter. Die bedeutendste Arbeit dieses Instituts sind
die neun Fenster für die
Mariahilfkirche in der
Münchener Vorstadt ZI
die 1832— 1846 nach Kar-
tons der beiden Cornelius-
schüler Christian Ruben
(1805—ı875) und Wiln.
Röckl (1804 bis 1843) und
besondersdes Heßschülers
Jos. Ant. Fischer (1811 bis
1859) ausgeführt wurden
(Abb. 44). Der bekannte
Kenner der Grlasmaler
M. A. Gessert rühmt von
ihnen: „Die Vorzüge be-
ziehen sich nicht allein auf
die Farbe und Farben-
wirkung, welche sinnlich
und geistig gesteigert und
einem Punkte nahege-
bracht ist, von dem es sich
kaum vorstellen laßt, daß
irgend noch darüber könne
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hinausgegangen werden,
sondern betreffen ebenso-
wohl und weit noch mehr
die Komposition, die
Durchdringung desGegen-
standes und zumal das tie- Abb, 44. Glasgemälde in der Mariahilfkirche zu
fere Eingehen und sich Münster, Karton von Josef Anton Fischer. 1838.
Einleben in jenen sym-
bolischen kirchlich höchsten Stil, durch welchen es der Glas-
malerei verliehen ist, vermöge einer wunderbaren, kühnen und
innigen Verbindung des Architektonischen, Bildlichen und Or-
namentalen in eine Region sich zu erheben, wohin die Malerei
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. 13
194
sonst auf keine Weise zu gelangen vermag“. Freilich befriedigen
die Fenster unsere moderne Auffassung von dem Wesen und
Reiz der Glasmalerei nicht. Die Fenster haben in ihrer Kom-
positionstechnik eine allzustarke Anleihe bei der Ölmalerei ge-
nommen. Die Konturen sind schwach, alles ist zu sehr auf die
Perspektive eingestellt. Zu wenig und zu schwache Bleie bilden
ein dürftiges Gerüste. Noch bedenklicher steht es mit den
Gläsern. Die Auer Fenster sind zum größten Teil aus dem
heute sog. französischen Glas hergestellt. Die Masse dieses
Glases ist vollständig rein, die Oberfläche spiegelglatt, die Durch-
sicht kristallhell. Bei auffallendem Sonnenlicht bricht der ganze
Farbenakkord zusammen, der an sich schon mangelhaft klingt.
So steht beispielsweise neben dem blendenden Schwefelgelb des
ungeheuer weitläufigen architektonischen Ornaments eine relativ
nicht minder große eintönige Fläche von Hellgrau, in der ein-
gezeichnete Köpfe wegen ihres ähnlichen Graus ebenfalls fließen.
Es ist klar, daß bei strahlender Sonne die Lichtfülle nahezu un-
behindert durchströmt und den Beschauer blendet. Umgekehrt
verliert ein opaker Akkord (blau-rot-grün) bei Wolkenhimmel
jede Leuchtkraft oft derart, daß die Zeichnung die genügende
Deutlichkeit einbüßt. Wären die großen Flächen der Hinter-
gründe, der Gewänder auch nur ein paarmal gebrochen, so
würden die sehr gut komponierten Fenster eine mächtige und
bereits echt glasmalerische Wirkung hervorrufen. Am besten
sind jene Fenster gelungen, die sich von einem Naturhintergrund
abheben; auf ihnen kommt die perspektivische Lichtwirkung am
fernen Horizont zu selten erreichtem Ausdruck. Die Reaktion
gegen dieses sog. französische Glas blieb nicht lange aus; sie
bereitete sich in England vor. England hat während der ersten
Hälfte des ı9. Jahrhunderts seinen Bedarf an gemalten Glas-
fenstern aus Deutschland, speziell aus München bezogen. Bekannt
sind die unter Ainmüllers Leitung in der kgl. Glasmalereianstalt
gefertigten Fenster für die Kathedrale zu,Glasgow, für die
Paulskirche in London, die Universitätskirche in Cambridge,
für den Vatikan in Rom. Im Jahre ı851ı war die Glasmalerei-
anstalt dem bisherigen Leiter Ainmüller auf seine Privat-
rechnung übertragen worden, während der Staat die Baukosten
deckte. Ainmüller führte sie in dem bereits dargelegten Sinne
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Glasgemälde, als Stiftung des Deutschen Kaisers, entworfen und ausgeführt
von Prof. C. de Bouche, München.
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und Stile bis zu seinem
am 12. Dezember 1870
erfolgten Tode weiter.
Neben München hat
sich die Werkstatt des
Ludwig Mittermaier in
Lauingen (1827 —1864)
hervorgetan. In Dresden
versuchten sich Mohn und
Wilhelm Voörtel; in
Meißen, wodieverwandte
Technik der Porzellan-
malerei von selbst zu Ver-
suchenreizte,beschäftigte
sich Scheinert mit Glas-
malereien. In Köln mach-
te ein humorvoller Markt-
schreier R. Birrenbach
sich anheischig, gegen
pränummerierte zehn
Karolinen pro Person das
verlorene Geheimnis „das
er wiedergefunden, ge-
meinnützig zu machen
und nicht mit ins Grab
zu nehmen“. In Berlin
ergaben sich Scheidt und
Frick einer primitiven
Glasmalerei und erregten
wenigstens das Interesse,
so daß sich das Terrain
für eine besondere Pflege-
statte der Grlasmalerei
ebnete. Kurz nach den
Erfolgen der Münchener
Anstalt wurde in Berlin
195
Abb. 45. Glasgemälde in der Kirche zu Lenne-
witz. Entworfen und ausgeführt von R. Linnemann,
Frankfurt.
im Jahre 1843 durch königliche Munificenz eine Anstalt ins Leben
gerufen, die 1833 reorganisiert, 1887 verstaatlichtund 1905, wie früher
x
15
196
das von König Ludwig geschaffene bayrische Schwesterinstitut, in
Ansehung der zu hoher Blüte gediehenen Privatindustrie auf aller-
höchsten Beschluß wieder aufgelöst wurde. Friedrich Wilhelm IV
war bekanntlich ein die Romantik liebender König; der geheim-
nisvolle Farbenzauber, die Glasmalereien der alten Dome reizten
ihn, und so gründete er, dem Vorgange des kunstbegeisterten
Bayernkönigs folgend, in seiner Hauptstadt zur Wiedererweckung
dieser schönen Kunst ein gleiches Institut, dessen Kosten er aus
seiner Privatschatulle bestritt: Das Königliche Institut für
Glasmalerei zu Berlin. Die Leitung dieser Anstalt wurde dem
General Vogel von Falckenstein übertragen, dessen Feldherrn-
talent sich mit entsprechenden künstlerischen Anlagen glücklich
vereinte. Unter dieser Führung wurden außer privaten Schöp-
fungen zahlreiche Kirchenfenster für die Dome in Cöln, Aachen,
Breslau, Stralsund und an vielen anderen Orten in der wie man
glaubte wieder neu gewonnenen Technik ausgeführt. Das letzte
Monumentalwerk dieser Anstalt und auch wohl die bedeutenste
Leistung war das Fenster in der Karthause zu Nürnberg. Nach
dem Tode des Generals wurde die Verwaltung des Instituts von
dessen Sohn als Erbe übernommen, und von Kaiser Wilhelm I.
bestätigt, führte dieser als damaliger Oberst das Regiment der
Kunstanstalt noch einige Jahre, bis von staatlicher Seite eine
der Schatullverwaltung der Kosten wegen auch wohl erwünschte
Art von Vergewaltigung stattfand, das Institut in die Verwaltung
des Staates überging und reorganisiert wurde. Zu diesem Be-
hufe wurde ein tüchtiger Glasmaler aus der Zettler'schen An-
stalt in München zum künstlerischen Leiter berufen. Die An-
stalt selbst wurde dem Ressort der Handels- und Gewerbever-
waltung zugeteilt. Im Staatshaushaltsetat war nun aber das Institut
von der Gnade der Abgeordneten abhängig und bildete durch
das jährlich ausgeübte Bewilligungsrecht seiner Betriebsmittel ein
geeignetes Streitobjekt, wodurch die Existenzfrage nicht wesent-
lich gefördert wurde. Ohne Zweifel wurde jedoch auf die Ent-
wicklung der Kunst insofern ein entscheidender Einfluß ausgeübt,
als durch die Verarbeitung des inzwischen auch von deutschen
Glashütten produzierten Antikglases der richtige Weg zur Ent-
faltung angebahnt und durch vielfache öffentliche Ausstellungen
solcher aus farbigem Hüttenglas hergestellten Werke die Ge-
Tafel 107
J. Drake, Exeter.
Glasgemälde von
197
schmacksrichtung wesentlich beeinflußt wurde. Leider vermochte
der leitende Künstler, der ein gelernter Porzellanmaler war, sich von
dieser in der Jugend und der späteren Praxis ausgeübten Technik
nicht ganz loszusagen und blieb
zeitlebens in einer bildmäßigen,
zum Naturalismus hinneigenden
Darstellungsweise befangen, so-
daß bei aller Korrektheit der an-
gewandten Technik und tech-
nischer Geschicklichkeit das In-
stitut nicht aus der Zeitströmung
herauszueinem wirklichen Höhen-
flug eigenen künstlerischen
Schaffens gehoben wurde. Da-
gegen war ihm in der Wieder-
herstellung alter Fenster eine
Aufgabe gestellt, der er in befrie-
digender Weise gerecht wurde.
Hier stand dem künstlerischen
Leiter in der Person des 1891
zum Direktionsassistenten ernann-
ten Maler Engel eine Kraft zur
Seite, die mit historischem Sinn
sich in die alten Darstellungen
zu vertiefen verstand und die
intuitive Veranlagung besaß, die
notwendigen Ergänzungen mit
Verständnis und Geschick in
ihrem logischen Zusammenhange
zu erkennen, sodaß eine Wieder-
geburt des verloren gegangenen
erfolgen und das Alte in seiner Ein-
heit wieder erstehen konnte. Seine
Abb. 46. Glasgemälde, entworfen und aus-
geführt von der Glasmalerei Binsfeld, Trier.
erste Arbeit war die Sichtung des vorhandenen alten Glasmalerei-
bestandes des Domes von Stendal, und mit der Verarbeitung und
Unterbringung der letzten vorhandenen Reste, die er nach dem
Ableben des Direktors Bernhard selbständig zu Ende führte, schloß
auch merkwürdigerweise seine Tätigkeit zugleich mit der des
198
Instituts. Im Auftrage des Kultusministers führte Engel die
Wiederherstellung der figürlichen Chorfenster der Elisabethkirche
in Marburg, die von Dr. Arthur Haseloff in einer großen Mono-
graphie herausgegeben wurden, aus. Haseloff rühmt dieser Arbeit
nach (a.a. O.S.7) „die alten und die erneuerten Teile stimmen
so völlig zu einander, daß es heute selbst für den Fachmann,
sei er Gelehrter, sei er Künstler, schwer sein dürfte, mit Be-
stimmtheit die alten Stücke von den Ergänzungen zu scheiden“.
An sämtlichen anderen Wiederherstellungsarbeiten alter Glas-
malereien ist aber Engel in einer besonderen Weise auch noch
dadurch beteiligt, daß er ein photographisches Archiv seiner
eigenen Aufnahmen dieser alten Glasmalereien anlegte, wodurch
es nun wenigstens ermöglicht ist, dieses Material der Kunst-
’Torschung und dem Kunststudium überhaupt zugänglich zu
machen.
Die nicht unerheblichen Schwierigkeiten der Zusammen-
gehörigkeit der Reste wurden von Engel, der zu diesem Behuf in
Ermangelung anderer Unterstützung in jener Zeit selbst umfassende
Studien auf dem Gebiete der christlichen Ikonographie und
Hagiologie machen mußte, in jeder Beziehung glücklich gelöst.
Es wurde ihm daher auch seitens der Regierung nahe gelegt,
die von ihm gesammelten Aufnahmen durch zweckgemäße Ver-
öffentlichung einem größeren Publikum zugängig zu machen.
Nach Einsichtnahme einiger uns eingesandter Stücke wäre dies
auch im hohen Maße wünschenswert, und wir hoffen, daß durch
bereitwillige Mitarbeiter und Herausgeber sich dieser Plan bald
verwirklichen lassen wird.
Außer den Glasmalereien des Doms in Stendal liegen an
Material vor: Die Chorfenster aus der Stiftskirche zu Ramelsloh
bei Lüneburg, dem Dom zu Wilsnack, der Johanneskirche zu
Werden, dem Dom zu Havelberg, der Kirche zu Kentz in Vor-
pommern, dem Dom zu Halberstadt, sechs Fenster aus dem
hohen Chor des Erfurter Doms, Fenster aus der Kirche des
Klosters Neuerdorf bei Gardelegen und aus der Kirche zu Uslar.
Von der Elisabethkirche zu Marburg besitzt Engel außer seinen
photographischen Aufnahmen auch noch eine Anzahl farbiger
Wiedergaben von Fenstern in natürlicher Größe, u. a. auch des
Medaillonfensters mit der Legende der hl. Elisabeth, von dem in
Tafel 108
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Detail aus einem Glasgemälde von C. E. Kempe, London.
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199
der Haseloff’schen Monographie nur eine minder glückliche farbige
Darstellung gebracht ist.
Seit Gründung des neuen Deutschen Reichs hat die Glas-
malerei in zwar langsamen aber stetigem Kurs eine Aufwärts-
bewegung genommen. Die Münchener Werkstätten waren insofern
führend, als sie unter großen Kosten mit der herrschenden Technik
und Stilistik, die sich am besten in den Fenstern der Mariahilf-
kirche in München-Au charakterisiert, brachen und die gesunden
2:
Abb. 47. Monolithscheibe in Schwarzlot und Silbergelb,
entworfen und ausgeführt von Glasmaler K. Gläsche, Stuttgart.
Prinzipien der Alten wieder in die Praxis einführten. Das bezog
sich vor allem auf das Glas. Mit rücksichtsloser Energie wurde
das sogen. französische Glas verrufen und als allein berechtigtes
Material das Antikglas zugelassen, soweit es sich um künstlerische
Arbeiten handelte. Der flächige Charakter der Glasmalerei kam
wieder zu Ehren und die technischen Grundprinzipien handhabte
man bald mit größter Virtuosität. Der Karton konnte im Anfang
freilich nicht sofort von aller Beeinflussung durch die Tafel-
malerei frei sein. Der herrschende Geschmack an italienisierenden,
200
gefühldurchtränkten Formen lag der Zeit noch so in den Adern,
daß es schwer war, sich ohne jede Mittelstufe mit einem Gewalt-
streich von ihm frei zu machen. Daß ein Tafelmaler wie Heinrich
' Hess, künstlerischer Leiter der kgl. Glasmalereianstalt in München,
war, erklärt am besten die langen und langsamen Befreiungs-
kämpfe in der Glasmalerei. Aus ihnen erklärt sich aber auch
der sogen. Münchener Stil, der verächtlich als Sentimentalität
gebrandmarkt wird‘). Wenngleich auch wir uns zu dem Grund-
satz bekennen, daß die Glasmalerei am meisten gibt, je weniger
sie an Detail hat, daß das Prinzip des bloßen Konturierens und
Wischens, wenn auch nicht alleinseligmachend, so doch die Sprache
höchster Kraft ist, so muß man doch so viel historischen Sinn
haben, um den sogen. Münchener Stil der achtziger und neunziger
Jahre zu begreifen und wenigstens zu wissen, daß zu der gleichen
Zeit, als im Norden überhaupt noch tiefe Nacht herrschte, München
schon seinen eigenen Stil hatte.
2) Vgl. das „Süßliche‘‘ in der Glasmalerei, Zeitschrift für alte und neue Glas-
malerei 1913, S. 133.
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Glasgemälde in der Westminsterabtei von J. N. Comper,
London.
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IV.
Die Technik.
A) Das Material.
Licht und Glas! Wer diese beiden Elemente richtig zu hand-
haben und ineinander zu stimmen weiß, der hat das Geheimnis
der Glasmalerei erfaßt. Wie oft haben die Alten große Un-
geschicklichkeiten, ja Fehler in der Zeichnung begangen, wie oft
haben sie flüchtig und schlecht gemalt, aber das alles verschwindet
gegen ihre Fähigkeit, Licht und Glas wie den Glanz von Edel-
steinen leuchten zu lassen. In keiner anderen Kunst greifen
Entwicklung des Stils und Entwicklung der Technik so ineinander,
wie in der Glasmalerei, und wenn der an sich wertlose Vergleich
zwischen beiden angestellt werden sollte, so muß man von einer
direkten Vorherrschaft des Materials sprechen. Darum haben
die Alten dem Material stets die größte Sorgfalt entgegengebracht.
Die Legende läßt die Phönizier im Erfinderruhm wie für
verschiedene andere wichtige Dinge, so auch für das Glas einher-
schreiten: „In Phönizien, am Fuße des Carmelgebirges, wo der Fluß
Belus bei Tolomaida ins Meer fällt, strandete ein Fahrzeug, an
dessen Bord sich Sodahändler befanden. Um eine Mahlzeit zu be-
reiten, legten sie in Ermangelung von Steinen Sodastücke unter ihre
Töpfe. Diese fingen nun durch die Hitze des Feuers zu glühen
an und vermengten sich mit dem reinen Flußsande zu einer durch-
sichtigen Masse, welche fortfloß — dem Glase!“ Der leicht-
gläubige Plinius und seine leichtgläubigen Leser hatten offenbar
keine Ahnung, daß zur Bereitung des Glases eine etwas größere
Hitze notwendig ist, als jene, die hinreicht, sich ein Stück Fleisch
zu rösten. Aber abgesehen von dieser sachlichen Unrichtigkeit,
hat die Legende des Plinius auch im allgemeinen jegliche Wahr-
202
scheinlichkeit gegen sich. Denn alle angeblich von Semiten ge-
machten Erfindungen haben sich als das geistige Eigentum anderer
Völkerstämme erwiesen. Den Semiten bleibt das einzige Ver-
dienst, die Erfindungen anderer Rassen gewinnbringend aus-
genützt und daher auf dem Handelsweg verbreitet zu haben.
Auch der schönen Legende des Plinius von glaserfindenden Phö-
niziern ist durch die Aus-
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er as grabungen ein Ende be-
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die ältesten Spuren des
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häufig überschätzt, indem
man annahm, daß bereits
im vierten vorchristlichen
Er EN Jahrtausend im Reich der
ARIN Pharaonen Glas bereitet
N worden sei. So erklärte
7 jüngst Professor Rathgen,
der Chemiker der Kgl.
Museen in Berlin, in einem
Vortrag, daß eine schwarze
Perle, jetzt im Museum zu
Oxford, aus einem Grabe
stamme, das der ersten
ägyptischen Königsdynas-
tie angehöre (um 3600 vor
Chr.) Auch deutete man
ein Relief, auf dem der Vorgang des Metallötens dargestellt war,
fälschlicher Weise als glasblasende ägyptische Sklaven. Nach den
Forschungen des berühmten englischen Ägyptologen W.M.Flinders
Petrie hat als ältestes gegossenes Glasstück zu gelten ein Glasauge
mit dem Namen AmenhotepslI,, za.1550 vor Christus; daran reiht sich
das Fragment eines inkrustierten Glasgefäßes aus der Zeit Ta-
hutmes Ill. In dieser Periode gebrauchte man schwarze Perlen
mit einem weißen Fleck auf zwei Seiten. Außerdem besitzt man
Abb. 48. Entwurf zu einer Kunstverglasung von
Prof. Julius Diez, München.
Tafel 110
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203
schwarze und weiße Schalen, die derselben Periode angehören.
Die Zahl der Farben wächst rapid und unter der Regierung der
Pharaonen Amernihoteps II. und IV. (bis zum Jahre 1410) lassen
sich nachweisen ein Violett, ein Preußischblau, ein Hellblau, ein
Grün, ein Gelb, ein Orange und ein (allerdings selten angewandtes)
Rot. Dazu kam weißes und schwarzes Glas. Da der Quarzsand
an den Ufern des Nils chemisch rein vorhanden ist, konnten die
Ägypter bereits im 16. vorchristlichen Jahrhundert farbloses Glas
herstellen. Außerderh war ihnen die entfärbende Kraft des Braun-
steins nicht unbekanint.
Bis zur römischen Zeit verwendeten die Ägypter das Glas
lediglich zu Gefäßen und Schmuckgegenständen. Da ihr Glas
nicht geblasen, sondern lediglich in handwarmem Zustand ge-
formt war, hatten sie auch keinen besonderen Anreiz zu deko-
rativer Verwendung des Glases. Erstmals laßt sich die Glas-
pfeife in der Zeit um Christi Geburt in syrischen Werkstätten
nachweisen, in denen die Glasfabrikation zu solch technischer
Höhe emporstieg, daß mit deren Erzeugnissen auf dem Markt
zu Rom geradezu unerhörte Preise erzielt wurden, die weit über
den Preis von echtem Kristall hinausgingen. Von Ägypten ver-
breitete sich die Kunst des Glasmachens über Indien, Persien,
Griechenland aus. Auf seinen Entdeckungsreisen im Innern
Afrikas traf Leo Frobenius auf Glasbereitung bei dem Stamm
der Massagas. Nach seinen Forschungen handelt es sich um eine
uralte, heilig gehaltene Tradition, nicht um Material- oder Rezept-
import aus Europa. Er sah, wie in Bilda, der Hauptstadt dieser
Massagas, Glas bereitet und gläserne Gegenstände geformt wurden
und macht dies in dem zweiten Band seines Werkes „Und Afrika
sprach“ 1912 bekannt mit dem Bemerken: „Ich erachte es für
einen wesentlichen Erfolg, daß ich dies hier angeben kann: auch
noch heute stellen die Massagas schwarzes und gelbes Glas selbst
her. Die Sache beruht also nicht auf einem Materialimport,
sondern auf einer fundamentalen Kenntnis der Glasbereitung.
Damit schaltet also die recht oberflächliche, aber herkömmliche
Behauptung aus, die Glasindustrie sei auf europäischen Material-
import begründet.“
Zu der Zeit, als das kaiserliche Rom das Herz für die ge-
samte Kulturwelt geworden war, suchte die Stadt alle Künste
204
und Industriezweige an sich zu ziehen. Im Jahre ı4 nach Christus
legten ägyptische Arbeiter an der Porta Cassena die älteste
römische Glashütte an und binnen kurzem hatte die römische
Glasindustrie der alexandrinischen und syrischen den Rang ab-
gelaufen. Insbesondere die Färbung des Glases entwickelte sich
neben der technischen Vervollkommnung in der Bereitung von
Glasgefäßen. In vornehmen Wohnhäusern wurde das Glas an der
Wand als opus musivum, das heißt geschmückt mit Goldplättchen
und vielfarbigen Glassteinen verwendet, welches Wort dann für
die Verwendung in Kirchenfenstern vorbildlich wurde und in dem
heute in der Bedeutung etwas veränderten Ausdrucke Glas-
mosaik und musivische Glasmalerei fortlebt.
Während des Mittelalters sind Glashütten, die sich mit der
Herstellung von Tafelglas beschäftigten, in der Nähe von Glas-
malerschulen angelegt worden. So wissen wir zum Beispiel, daß
das Kloster Tegernsee im Anfang mit großen Schwierigkeiten zu
kämpfen hatte, die nötige Menge Glases anzufertigen, da es zu
vielen anderen dringenden Arbeiten das Glas selbst machte, be-
ziehungsweise machen mußte. Nach Lehmann war in Hauterive
eine Glashütte, von der Erzeugnisse für die Zeit 1163 — 1181
nachgewiesen sind. Da man zur Glasbereitung von verschiedenen
Naturprodukten abhängig war, so von der Menge des Brenn-
materials und von dem Quarzsand, so lag die Entwicklung von
der Fabrikation des Eigenbedarfs zu Überproduktion und Handel
sehr nahe. Auch bildeten sich an einzelnen Orten sehr früh
Spezialitäten aus. So war das Rot von Rouen besonders beliebt.
Im übrigen erinnern noch zahlreiche Orte mit dem Namen Glas-
hütte an die einstige Tätigkeit daselbst. Seit der zweiten Hälfte
des Mittelalters war fast überall der Zusammenhang zwischen
Glasmalerstube und Glashütte gelöst. An die Stelle der Bedarfs-
produktion trat ein oft weithin ausgedehnter Handel, mit dem
sich Marktgesetze und Zunftverordnungen zu beschäftigen hatten.
Wie aus der ziemlich klar gelegten Geschichte der Glasshütte in
der Klus bei Solothurn hervorgeht, mußten die Glasbläser daselbst
zu den stärksten Mitteln des wirtschaftlichen Kampfes greifen,
um sich halten zu können. Dies ist zwar nur für das Ende des
15. Jahrhunderts bezeugt. Aber bei der stabilen Technik und
bei der örtlich allzeit beschränkten Herstellungsmöglichkeit dürfen
Tafel 111
Tempelburg,
entworfen von Becker-
,
Glasgemälde
ausgeführt von der Glasmalerei
Berlin.
,
G. Heinersdor
205
wir ähnliche Zustände auch für frühere und spätere Zeiten vor-
aussetzen.
Aus der Tatsache, daß sehr früh Spezialitäten einer Glas-
hütte auftauchten und das Hausieren mit Glastafeln weit verbreitet
war, ergibt sich, daß die Verwendung ein und derselben Glas-
sorte an verschiedenen Fenstern nur in sehr bedingter Weise
Kriterium der Zusammengehörigkeit von noch vorhandenen
Scheiben sein kann. Denn es lag in dem Geschmack des einzel-
nen Glasmalers, wie er sich zu den von Ort zu Ort verhausierten
Glassorten stellte. Dabei muß zugegeben werden, daß die Vor-
liebe für gewisse Gläser verschiedene Glasmalerkonkurrenten am
Platze verleiten konnte, bei demselben Händler zu kaufen, um
dadurch konkurrenzfähig zu bleiben. Das wissen wir z. B. von
den Zuger Glasmalern Adam zum Bach und M. Müller, die sich
in allem kopierten, um ja dem anderen keinen Vorsprung bei der
Kundschaft zu lassen. So hebt sich die Ulmer Schule des be-
ginnenden 15. Jahrhunderts durch ein charakteristisches Ziegelrot,
um die Mitte durch ein stumpfes Gelb und Grün scharf von den
benachbarten Zentren ab. Wohl steht in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts Hans Wild als greifbares Haupt der Schule da;
allein außer ihm lebten zu gleicher Zeit noch ein halb Dutzend
bekannter und vielleicht ein weiteres Dutzend unbekannter Glas-
maler in Ulm, die natürlich dem herrschenden Geschmack unter-
tan sein mußten. Darum ist es erklärlich, daß auf den Glasge-
maälden in Ulm und solchen, die ihrer Provenienz nach ebenfalls
auf Ulm weisen, jene Farben regelmäßig wiederkehren.
Über die Rohstoffe und deren Verarbeitung verordnet Rugerus
folgendes Rezept: „Schneide viel Buchenholz zusammen und laß
es trocknen. Hernach verbrenne es an einem reinen Ort und
sammle die Asche sorgfältig. Gib aber ja darauf acht, daß du
keine Erde oder Steine darunter bringst. Von dieser Asche
nimmst du zwei Teile und dazu einen Teil von Sand, wie du ihn
an Gewässern findest. Der Sand muß sorgfältig von Erde und
Steinen gereinigt sein. Menge die beiden Bestandteile tüchtig
untereinander. Hernach bring sie mit einem eisernen Löffel in
den kleineren Teil des Ofens auf den oberen Herd, damit sie an-
ziehen. Sobald das Gemenge warm wird, rühre es sofort um,
damit es nicht flüssig werde und zusammengehe. So mach es
206
einen Tag und eine Nacht. Hernach schöpfe die Masse in irdene
Gefaße und laß sie eine Nacht hindurch sehr stark kochen, da-
mit das aus Asche und Sand hervorgegangene Glas recht gut
geschmolzen werde.“ Die Gefäße, die aus weißem Ton geformt
waren, müssen nach des Rugerus Vorschrift unten eng, und oben
breit sein und an der Mündung einen kleinen nach innen ge-
bogenen Rand haben. Der in diesen Töpfen geschmolzene Glas-
fluß wird nunmehr geblasen, und zwar mittels der auch heute
noch gebrauchten Glaspfeife. Etwas phantastischer ist das Rezept
des Heraklius. Wer ist dieser Heraklius? Ebenfalls ein Mönch,
ebenfalls ein Techniker. Der Name Heraklius klebt als Autoren-
schild an einem Konvolut von Schriften und Rezepten, die weder
aus der gleichen Zeit, aus dem gleichen Land stammen, sondern
erst durch einen sehr spät lebenden Kompilator gesammelt und.
mit einer einheitlichen Etikette versehen wurden. Die ersten
zwei Bücher in Handwerkerpoesie scheinen im zehnten Jahr-
hundert verfaßt zu sein und enthalten Anweisungen für Glasuren,
Miniaturen und Edelsteintechnik. Das dritte Buch aber, das für
unser Thema allein in Betracht kommt, ist erst nach der Schedula
des Rugerus verfaßt und galt als ziemlich belanglos, da man die
Quellen, aus denen der Kompilator schöpfte, für sehr spät hielt.
Dazu kommt, daß die in diesem Buch enthaltenen Rezepte den
geheimnisvollen fast abergläubischen Einschlag ins Christentum
eingedrungener Gebräuche der nordischen Sagenwelt lieben. Da
aber die Zitate aus den verschiedensten antiken und karolingischen
Schriften entnommen sind, müßten erst sämtliche Kapitel auf
ihre primären Quellen untersucht werden, ehe ein abschließendes
Urteil über den Gesamtwert der Kompilation möglich ist. Für
den Kulturhistoriker würde dabei sehr interessantes Material ge-
funden werden, weniger jedoch für unsere Zwecke, da die Technik
der Glasmalerei in des Rugerus Buch eine ebenso frühe wie
präzise Fassung erhalten hat. Über dieGlasbereitung gibt Heraklius
folgendes Rezept: „Glas entsteht aus Asche, näherhin aus Farn-
kraut- und Feinasche (Buchenasche) von kleinen Bäumen, die im
Wald wachsen. Das Farnkraut wird vor dem Feste deshl. Johannes
des Täufers gepflückt, sehr gut getrocknet und hernach zu Asche
verbrannt. Ähnlich verfährt man mit dem Buchenholz. Beides
wird gemischt und zwar kommen auf zwei Teile Farnkrautasche
Tafel 112
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Glasgemälde, entworfen und ausgeführt von der Hofglasmalerei
F. X. Zettler, München
207
ein Teil Buchenholzasche.“ An dieses Rezept schließt Heraklius
wie Rugerus Vorschriften über den Bau des Ofens, der ein etwas
abweichendes System darstellt, vergißt aber den anderen Bestand-
teil zum Glasfluß, den Sand. Des Heraklius Rezept ist also nicht
eine bloße Kopie der Anweisung des Rugerus, sondern Tradition
einer anderen Hütte bzw. eines anderen Klosters. Ilg weist auf
die altnordische Sitte hin, auf Grund deren allenthalben am Tage
der Enthauptung des Täufers Johannes Farnkraut gesammelt
wurde. Trotz der gemeinsamen Technik, trotz der ähnlichen
Konstruktion der Werköfen stellen beide Quellen verschiedene
Hüttenpraktiken dar. Auch heute noch wird aus Buchenasche
und Kieselerde Glas bereitet, wenngleich sich die moderne
Industrie alle Fortschritte der exakten Chemie gegen die Hütten-
empirie der Alten dienstbar gemacht hat.
Nicht so beredt wie über Öfen und Fritte sind die beiden
Quellen über die Färbung des Glases. Rugerus kennt die Farben-
skala saffrangelb (croceum), purpurrot (purpureum), grün (viride),
blau (saphireum) und das sogen. Galien; bei Heraklius fehlt das
Blau. Über die Herstellung des Gelb sagen die Quellen:
Rugerus Heraklius
Wenn du siehst, daß irgend Saffrangelbes Glas entsteht
ein Gefäß eine Färbung ähnlich folgendermaßen: Nimm rohe
dem Saffran annehme, so lasse
es bis zur dritten Stunde schmel-
zen und du leichten Saffran be-
kommst, so arbeite du davon,
soviel du willst, auf die obige
Weise (des Blasens) aus. Wenn
du es noch drei Stundenlängen
kochen lassen willst, so be-
kommst du rötliches Saffrangelb.
Asche, wirf sie in den Mörser
und schmelze sie; gib ein wenig
Sand darunter und ziemlich we-
nig, wenn ich nicht irre, von
Kupferfeile, rühre es und es ent-
steht ein saffrangelbes Glas, das
wir Cerasin nennen.
Das Rezept für purpurfarbenes Glas lautet:
Rugerus
Wenn du bemerken solltest,
daß irgend ein Gefäß (mit Glas-
fluß) ins Rötliche spielt, dies dem
Fleische ähnlich ist, so nimm
dieses Glas für Hautfarbe und
Heraklius
Purpurnes und fleischfarbe-
nes Glas wird aus Buchenasche
bereitet und so wie die weiße
Asche gekocht, in einen Topf
gefaßt und so lange im Siede-
208
schöpfe so viel du willst. Das zustand erhalten bis es sich rot
übrige laß zwei weitere Stunden färbt. Während des Kochens
kochen und du bekommst leich- soll es oft gerührt werden, ge-
tes Purpurrot, bei noch drei rade wie anderes Glas; und wenn
Stunden Kochen erhältst du du siehst, daß der Glasfluß sich
einen gesättigten roten Purpur. rot färbt, so nimm beliebig viel
davon und verfahre weiter, bis
es sich in Membrun (Fleisch-
farbe) färbt.
Gelb und Rot sind die einzigen Farben, die Rugerus be-
spricht. Wohl war in der Urschrift des Buches auch Grün, Blau
und das sogen. Galien angeführt; allein diese Kapitel sind ver-
loren. Nur die Überschriften haben sich erhalten, während keine
der bekannten Handschriften Reste von jenen Kapiteln aufweist.
Unter diesen Umständen hat man bei Heraklius Rats geholt und
in dessen Rezepten für die Auszüge aus des Rugerus Anweisungen
Ersatz erhofft. Mit schlagender Kürze sagt Heraklius: „Willst
du, daß das Glas rot wird, solange der Fluß nicht völlig ausge-
schmolzen ist, so verfahre folgendermaßen: Nimm Kupferfeile
und brenne sie zu Pulver, wirf dieses in die Häfen und es ent-
steht ein rotes Glas, das wir Galienum nennen.“ Die Erzeugung
roten Glases durch Kupferfeile ist ein Verfahren, das bis zur
Gegenwart gebraucht wird. In der Natur kommt dieses Mittel
als Rotkupfererz vor, die moderne Glasindustrie verwendet es in
der Form des chemisch reinen Kupferoxyduls.. Dadurch ent-
steht das herrliche Rubinrot des Glases (Kupferrubin).
Man hat sich viel Kopfzerbrechen darüber gemacht, was der
Grund für das Fehlen gerade der wichtigsten Kapitel in des
Rugerus Schedula sein könnte. Die einen nehmen an, sie seien
als Rezepte ausgeliehen, andere glauben, sie seien durch einen
Mönch herausgerissen worden. An sich ist schon auffällig, daß
Rugerus die Entstehung des saffrangelben und purpurnen Glases
nur dem Zufall und der kürzeren oder längeren Dauer des Schmel-
zungsproßesses farbenlosen Glases überläßt. Sollte nicht schon
bei diesen Kapiteln das Farbmittel herausgestrichen worden sein?
Man weiß, wie geheim man in alter und neuerer Zeit die Rezepte
für Glasfärbung hielt. Wahrscheinlich wurden die fehlenden Ka-
pitel gleich von Anfang an herausgerissen, als ein Kloster um
Tafel 113
Kunstverglasung in Schwarzlot und Silbergelb, entworfen und ausgeführt
von der Hofglasmalerei Ostermann und Hartwein, München.
209
Überlassung des Buches gebeten hatte. Nach dem heutigen
Verfahren entstehen folgende Farben:
[ Eisenoxyd
| Schwefel
Gelb durch ? Ceroxyd
Uranoxyd
Silber
Kupferoxydul
Gold
Selen
Rot durch
Blau durch Bon
Eisenoxydul
Kupferoxyd
Chromoxyd
Uranoxyd
| Kupferoxyd (Kupferhammerschlag)
Grün durch |
Manganoxyd
v;
iolett durch | Manganoxyd mit wenig Kobalt
Man ersieht aus dieser Zusammenstellung, daß die Verbin-
dungen des Eisens und Kupfers den Hauptbestandteil der Färbe-
mittel bilden und daß die Mengen des Farbmittels und die Höhen
der Temperatur die einzelnen Farbtöne scheiden und schieden,
genau wie auch Rugerus angibt. Das bestätigt in uns die An-
nahme, daß aus den Kapiteln über die saffrangelben und pur-
purnen Gläser der das Färbmittel angebende Satz, samt den
weiteren Kapiteln entfernt worden ist und zwar aus Angst vor
Verbreitung eines im eigensten Interesse der Geheimhaltung be-
dürftigen Rezeptes. Gallienum nennt Heraklius das rote Glas;
auch Rugerus hat in einer der Überschriften diesen Namen..
Man erklärt ihn allgemein als Bezeichnung der Herkunft dieses
Glases von Gallien, also von Frankreich. Man kann diese Er-
kläarung doch nur als Verlegenheitsdeutung auffassen, denn die
Namen von Farben haben die verschiedensten Gründe; so führt
Heraklius unter den Namen Cerasin ein gelbes Glas an; Ilg leitet
dieses Wort von cera Wachs ab. Man muß beachten, daß die
klassischen Namen Gallia und Galli sehr früh den Namen Francia
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. 14
210
und Franci der mittelalterlichen Latinität Platz gemacht haben.
So sagt Rugerus selbst: Franci in hoc opere peritissimi.
Die Beschaffenheit des alten Glases können wir noch an
vielen Fenstern studieren. Meist sehr dick und massig, weist
es auf der Oberfläche zahlreiche kleine Bläschen und Schlieren
auf. Ähnlich war auch das Glas der alten Römer beschaffen.
Nur jene Zeit, die für das Wesen der Monumentalglasmalerei
kein Verständnis hatte, konnte an diesem Glas Anstoß nehmen.
Die Unregelmäßigkeiten erzeugen zahlreiche Lichtbrechungen und
dadurch ein munteres Oszillieren des Lichtes, einen eigenen Reiz
für das Auge, wie eine außerodentliche Unterstützung des künstle-
rischen Eindrucks. Darum war das Glas, das heute den Namen
Antikglas führt, auch während des Mittelalters die einzige Glas-
sorte, deren sich die Glasmalerei bediente. Sie wurde durch die
Kabinettsglasmalerei im ı6., 17. und 18. Jahrhundert mehr und
mehr verdrängt. Das rote Glas hielt sich am längsten. Ver-
einzelt blieb das Antikglas noch bis tief ins 13. Jahrhundert
herein in Übung. So befindet sich beispielsweise in dem Kloster
Maursmünster in der Pfalz wie wir schon gesehen haben, ein
Glasgemälde des Straßburger Meisters Danegger, das im Jahre
1763 angefertigt und durchweg mit farbigen Hüttenglas ausge-
führt worden ist. Als man zu Beginn des 19. Jahrhunderts an
verschiedenen Orten den Versuch machte, die Glasmalerei zu
neuem Leben zu erwecken, da verursachte die Herstellung der
Gläser besondere Schwierigkeiten, so große Schwierigkeiten, daß
man bei der Kabinettsmalerei statt bei der Monumentalglasmalerei
anzufangen für gut befunden hat.
Die Rezepte der Alten beruhen auf Empirie. Sowohl die
Gewichte der färbenden und Flußmittel, als auch deren Darstel-
lung, entbehren der chemischen Reinheit und Exaktheit. Es
scheint aber, daß dieser Mangel den alten Gläsern nichts ge-
schadet hat. Mit all ihrer Wissenschaft ist es den modernen
Glashütten noch nicht gelungen, jenes herrliche Rubinrot der
Alten wieder herzustellen‘). Daß außer dem Antikglas jede andere
Sorte nur in sehr bedingter Weise für die hehre Grlasmalerei
zugelassen werden darf, ist bei der strahlenden Überlegenheit
1) Das beste Rot erzeugen heute die Zwieseler Glashütten.
Tafel 114
"Detail aus der Abbildung Tafel rı2.
2
des Antikglases eigentlich selbstverständlich, ebenso selbstver-
ständlich wie die Konstatierung, daß das sogen. französische
Glas mit seiner spiegelglatten Fläche und vollends das nicht
einmal geblasene und nur mit hochtrabendem Namen ausge-
stattete Kathedralglas keine Berechtigung haben. Andererseits
hat man in letzter Zeit die verschiedenartigsten Gläser zur Er-
reichung bestimmter Wirkungen herangezogen. Bekannt ist die
eine Zeitlang hochmoderne Verwendung des Tiffanyglases, was
nun allerdings jetzt wieder ganz außer Übung ist. Auf der
Internationalen Baufachausstellung zu Leipzig waren verschie-
dene Fenster teils figürlichen Inhalts, teils ornamentalen Charak-
ters zu sehen, deren Entwürfe von Professor Seliger-Leipzig
stammten. Sie gelten dem Versuch des sogenannten Relief-
glases, dem an sich gar keine künstlerische Eigenschaft inne-
wohnt und sich mit seiner starren Gleichheit des Musters sonst
nur für Industriezwecke verwenden läßt, zu künstlerischen Zwecken
heranzuziehen, um so mehr als das Relief der Pressung des
Glases die Lichtzufuhr nicht mindert, sondern reizvoll zerstreut
und dadurch die besonders bei Profanbauten strengen Lichtfor-
derungen befriedigt. Durch die verschiedenen Strahlenbrechun-
gen, die bei Wechseln des Standpunktes und des Sonnenlichts
entstehen, ergeben sich zahlreiche Wirkungen. Dieses Glas ver-
tragt auch volle Sonne; in diesem Zustand glitzern die Scheiben
mild wie gefrorene Scheiben, die mit Diamanten besetzt sind.
Zur Bemalung eignen sich diese Gläser natürlich nicht, so daß
sie fast nur für Kunstverglasung in Betracht kommen können.
Eine andere, neuerdings sehr gebräuchliche Glassorte, ist end-
lich das von Puhl & Wagner erfundene Gold- und Silbermosaik-
glas. Bei diesem Glas ist zwischen zwei Schichten eine zarte
Schicht Gold oder Silber eingeschmolzen, die bei durchfallendem
Licht unsichtbar bleibt, bei auffallendem Licht aber leuchtet, so
daß Fenster, die aus solchem Glas hergestellt sind, sowohl bei
auffallendem, als durchfallendem Licht eine Farbwirkung äußern.
Besonders für Ornamente geeignet, sind diese Glassorten auch
zu größeren Werken ornamentalen Stils herangezogen worden.
So sehr wir den Fortschritt und das Streben nach neuen
Effekten anerkennen, so müssen wir doch konstatieren, daß der
höchste künstlerische Gehalt in der Glasmalerei nur von dem
14*
212
Antikglas ausgedrückt werden und daß es sich bei weitgehender
Verwendung anderer Glassorten lediglich um schlichte Zweck-
mäßigkeitsfenster oder Kunstverglasungen handeln kann.
B) Die Malfarben.
Das Schwarzlot. „Nimm dünn geschlagenes Kupfer, brenne
es in einer kleinen Schale völlig zu Pulver, nimm kleine Teile
von grünem Glas und griechischem Saphir; reibe jedes einzeln
zwischen zwei Porphyrsteinen. Diese drei Dinge werden gemischt,
je ein Drittel Pulver, Grün und Saphir. Zerreibe das Ganze auf
eben diesem Stein mit Wein oder Urin so sorgfältig wie mög-
lich. Das Gemengsel schütte in ein Eisen- oder Bleigefäß.*“ So
verordnet Rugerus über die Bereitung des Schwarzlots. Herak-
lius dagegen gibt das Rezept: „Nimm ein Grossinum (3—5 g)
Saphir und ein Drittel Grossinum Eisenhammerschlag, dazu füge
Bleiglas, sogenanntes Judenglas, vermische alles tüchtig auf Mar-
mor.“ Es sind also zwei verschiedene Traditionen, die während
des Mittelalters nebeneinander hergehen. Die französischen
Gläser weisen meistens und schon sehr früh, im 12. und 13. Jahr-
hundert, d. h. in der Entstehungszeit des III. Herakliusbuches,
Eisenschwarzlot auf. Heraklius vertritt also, wie öfter, die fran-
zösische Tradition, und Ilg erklärt den Verfasser des III. Buches
nicht mit Unrecht für einen Franzosen. Deutschland und Italien
tolgten mehr der Tradition des Rugerus, so Cennini, Antonio da
Pisa. Letzterer sagt: „nimm von jenen kleinen Paternoster-
kügelchen aus gelbem Glas, d. h. von jenen feinen venezianischen,
die dem gelben Bernstein ähnlich sind, und zerstoße sie gut.
Wenn sie fein pulverisiert und gemahlen sind, nimm ein Tiegel-
chen mit Kupferhammerschlag, der ganz rein und echt sein muß
und zwei Tiegelchen von dem eben genannten Glaspulver, menge
es und mahle es auf einem Porphyr sehr sorgfältig zusammen.
Und wenn du keine Paternosterkügelchen bekommen solltest,
nimm gelben Schmelz (smalto) und dazu etwas Kobalt.“ Der
Glasfluß kann also gelb oder grün sein, beides wird beim Brand
des bemalten Fensters schwarz. Der Name Schwarzlot läßt sich
erstmals bei Kunckel im ı8. Jahrhundert nachweisen. Wie
Kunckel zu diesem rätselhaften Namen gekommen ist, harrt
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Glasgemälde von Professor Josef Huber-Feldkirch, Düsseldorf.
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213
noch der Erklärung. Im Mittelalter und auch in der neueren
Zeit hieß das Schwarzlot schlechthin die Farbe, mit der man auf
Glas malt.
Das Silbergelb. Im Gegensatz zu Schwarzlot, das eine
eigene Malfarbe ist, stellt das Silbergelb lediglich eine Lasur
dar. Die Sage hat sich wie bei allen Erfindungen, auch um
die Entdeckung des Silbergelbs gerankt. Der im Jahre 1407 zu
Ulm geborene Kaufmannssohn Jakob Griesinger, der zu Bologna
in den Dominikanerorden eingetreten war, soll für ein Opfer
seines blinden Gehorsams gegen die geistlichen Oberen mit jener
Entdeckung belohnt worden sein. Während nämlich Jakobus
ein zum Brennen bereites Glas in den Ofen brachte, sei ein sil-
berner Knopf darauf gefallen. Im gleichen Augenblick vom
Prior abgerufen, habe er bei der Rückkunft den Knopf durch
das Feuer verzehrt, auf dem Glase oben einen gelben Fleck
gefunden. Diese Entdeckung verursachte die Erhebung des
Jakobus Alamanus zum Patron der Glasmaler. Lehmann ent-
deckte indes das Silbergelb bereits auf einem Fenster, das noch
dem letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts angehört. Das älteste
Rezept enthält die Schrift des Antonio da Pisa: „Wenn du gelb
machen willst, gib viel von gemahlenem Silber und wenn du es
kräftig an Farbe machen willst, so füge ein wenig Ocker bei,
wie dies die Maler gebrauchen.“ Genauer ist folgendes von
Stahl als „mittelalterlich“ bezeichnetes Rezept, das heute noch
zur Ausführung gelangt: Drei Teile dünngeschlagenes Silber
werden in Streifen geschnitten. Sodann pulverisiert man einen
Teil rohes Antimon und einen Teil Schwefel, mischt dieselben
und bedeckt mit der Mischung den Boden eines Schmelztiegels,
bringt eine Schicht Silber auf, bedeckt diese wieder mit dem
Gemenge und so fort, bis alles eingefüllt ist. Die oberste Schicht
muß Schwefelantimon sein. Man setzt nun den Tiegel ins Feuer
und wartet bis der Schwefel brennt, ein Zeichen, daß die Masse
in Fluß ist. Nun gießt man den Inhalt des Tiegels in Wasser,
trocknet ihn, vermischt ihn mit drei Teilen dunkelgebranntem
Ocker und verreibt alles recht fein.
Mit diesen beiden Farben kamen die Glasmaler während
des ganzen Mittelalters aus. Erst mit dem Auftreten der Kabi-
nettsmanier regte sich das Bedürfnis nach neuen Ausdrucksmitteln.
214
Man erfand während des 16. Jahrhunderts eine Reihe von Farben,
die auf Glas aufgetragen wurden und beim Brand durchsichtig
blieben. Sie sind unter dem Namen Schwemmfarben bekannt,
da sie, um zu wirken, nicht ängstlich aufgelegt werden durften,
sondern kräftig aufgeschwemmt wurden. Am schönsten gelangen
die blauen Flüsse, am wenigsten die roten, weswegen rotes Hüten-
glas am längsten im Gebrauch blieb. Die moderne Glasmalerei
arbeitet, wenn immer möglich mit farbigem Hüttenglas. Zudem
beziehen die modernen Glasmalereien etwa notwendige Malfarben
fertig von den Fabriken. Darum können wir die Aufzählung
aller Farbenrezepte übergehen und verweisen den Interessenten
auf die Kataloge der verschiedenen Glasfarbenfabriken.
C) Die Bearbeitung des Materials.
Man hört oft, es sei außerordenlich schwer, die Technik der
Glasmalerei gewandt und sicher zu beherrschen. Das mag für
jene Zeiten zugetroffen haben, in denen man die Glasmalerei für
nichts anderes ansah, als für die Übertragung eines Ölbildes
auf Glas. Darum haben auch alle Kenner der glasmalerischen
Entwicklung das Verdienst des Sigismund Frank so hoch einge-
schätzt, da er unter außerodentlichen Schwierigkeiten die be-
grabenen Geheimnisse der Technik wiedergefunden habe. Frank
begann mit dem Schwierigsten, der Kabinettsmanier, anstatt
mit der monumentalen Glasmalerei. Er und seine Zeitgenossen
lebten sich dadurch von vornherein in die Idee hinein, die Glas-
malerei sei so schwer, wie den Alchymisten die Goldbereitung,
verwechselten das Kunstwerk mit dem Kunststück. Wenn man
die auf Frank folgenden Arbeiten größeren Charakters z.B. in
Hohenschwangau oder aber gar die sogenannten monumentalen
Glasgemälde z. B. in der Mariahilfkirche der Au betrachtet, so
staunt man über die außerordentlich peinliche und ins Detail
gehende Arbeit, die einer besseren Sache würdig gewesen wäre.
Die Glasmalerei war auf falschem Wege und hätte ins Verderben
rennen müssen, wenn nicht wieder einmal die Technik sich stärker
gezeigt hätte, als der Mensch und im letzten Drittel des ver-
gangenen Jahrhunderts mit Macht auf die Manier der Alten zu-
rückgedrängt hätte. Gerade das Einfachste ist das Größte und
Tafel 116
Detail aus einem Glasgemälde von Professor Josef Huber-Feldkirch, Düsseldorf.
ws
275
das Älteste ist das Jüngste; daran erkennt man, daß die neue
Glasmalerei auf dem rechten Wege ist, wenn sie die Prinzipien
der Alten als oberste Richtschnur gelten laßt. Licht und Farben
sind diese beiden Prinzipien, die von den Alten, von den größten
Meistern bis zu den handwerksmäßig arbeitenden Glasmalern,
niemals außer Acht gelassen wurden. Hören wir zunächst die
alten Schriftsteller, was sie über die Technik zu sagen haben:
„Wenn du Glasfenster machen willst, so nimm eine ebene Holz-
tafel von der Breite und Länge, daß du jedes einzelne Fenster
darauf arbeiten kannst. Nimm Kreide und schabe von ihr mit
dem Messer über die ganze Tafel hin. Darauf sprenge Wasser
und verreibe alles mit einem Tuch. Reiss die Gemälde darauf
zunächst mit Blei oder Zinn, hernach mit roter oder schwarzer
Farbe; mach aber ja alle Linien recht sorgfältig, weil du hernach,
wenn du das Glas bemalst, nach dem Riss auf der Tafel Licht
und Schatten vereinigen mußt. Indem du hierauf die verschie-
denen Gewänder verteilst, notiere dir die Farbe eines jeden Teils
an seinem Ort und was du sonst bemalen willst, davon notiere
dir ebenfalls die Farbe mit einem Buchstaben. Mach in einem
Bleigefäß eine Mischung .von Wasser und Kreide und bereite
dir zwei bis drei Pinsel aus Haaren vom Schwanze des Marders
oder Grisiums, oder des Eichhörnchens oder der Katze oder aber
aus einer Eselsmähne. Nimm ein beliebiges Stück Glas, das
größer ist als die zu schaffende Fensterfläche, leg es auf die Tafel
und zeichne darauf die Konturen, die du durchschimmern siehst,
jedoch nur die äußeren, nach. Wenn das Glas zu dicht wäre,
daß du die Konturen nicht durchsehen würdest, so zeichne erst
auf ein weißes Glas und dann lege das dunklere gegen das Licht
darauf und zeichne die Kontur, wie du sie siehst. Auf dieselbe
Weise wirst du alle Gattungen des Glases für Gesichter, Ge-
wänder, Füsse, Ränder kurz alle Stellen, wo du Farben anbringen
willst, bezeichnen.“ Rugerus spricht also von dem noch heute
üblichen System der Pause, allerdings einem umständlicheren
Verfahren, indem die Werkzeichnug erst auf Holz und dann
auf geweißtes Glas übergetragen werden muß, während heute
nach dem Karton lediglich eine Schnittpause gemacht wird,
ähnlich wie bei dem Zuschneiden von Kleidungsstücken. Auf
den Pausen will Rugerus nur die „äußeren“ d.h. jene Konturen
270
angegeben wissen, die sich mit den Randlinen der zu verarbei-
tenden Farbengläser decken. Da Rugerus, überhaupt die mittel-
alterliche Technik nur das Schwartlot als Malfarbe kannten, können
‘die Ausdrücke „gemalt“ natürlich nur im übertragenem Sinn ge-
deutet werden als Anwendung verschiedenfarbigen Hüttenglases.
Heraklius berichtet über diesen Teil der Technik nichts. Des
Anonymus Angaben ruhen völlig auf der Vorschrift des Rugerus.
Daß Antonio da Pisa nichts davon berichtet, läßt die Vermutung
entstehen, zu seiner Zeit habe man sich nicht mehr mit der umständ-
lichen genau darzulegenden Weise der Werkzeichnung, sondern
mit dem einfacheren System der Pause beschäftigt. Denn daß
Antonio auf eine so komplizierte und schwere Sache wie die
Werkzeichnug war, einfach vergessen habe sollte, ist nicht an-
zunehmen, da er sonst alles mit größter Genauigkeit erzählt.
Sicher ist, daß wenige Jahrzehnte später Cennino Cennini das
heutige System der Pause genau kennt. Er sagt: „Der Maler
solle sich soviele Blätter Papier zusammenkleben als er nach dem
Maaßverhältnissen des Fensters braucht, darauf das Bild zuerst
mit Kohle, dann mit Tinte zeichnen und dann wie ein Tafel-
geemälde vollends schattieren. Die Zeichnung soll der Glasmaler
auf einem ebenen oder großen Tisch ausbreiten, um darnach
die Farbengläser stückweise zurechtzuschneiden.“
Diese Norm mußte im Mittelalter streng eingehalten werden,
sei es nun in der Form der umständlichen Werkzeichnung, sei
es in der bequemeren der Papierpause. Denn das Mittelalter
fertigte nur solche Fenster an, die für einen bestimmten Raum
bestellt waren, also feststehende Maaße hatten. Heute werden
indess verschiedene Glasgemälde nurmehr für die Bleikontur ge-
paust, im übrigen wird völlig frei verfahren. Die Arbeit der Werk-
zeichnung oder Schnittpause ist eine mehr handwerksmässige,
setzt aber immerhin eine gewisse Greeschicklichkeit voraus. Damit
sich die Zeichnung bei der Verbleiung nicht verschiebt, indem
der Bleikern das unmittebare Aneinandertreten der Glasteile
hindert, schneidet der Glaser bei Anfertigung der Schablonen,
mit einem Doppelmesser, dessen Schneiden paralell gehen und
in einen dem Bleikern entsprechenden Abstand sind, der Blei-
kontur folgend, gleichzeitig ein schmales Papierstreifchen eben
für den Bleikern aus.
Tafel 117
Detail aus einem Glasgemälde von Professor Josef Huber-Feldkirch, Düsseldorf.
27
Soweit kann also keinerlei Schwierigkeit bestehen. Die
Technik der alten ist geblieben, weil sie die zweckmäßige, die
richtige ist. Die nun folgende eigentliche Bemalung hat während
der vergangenen Zeiten die verschiedensten Wandlungen durch-
gemacht und hängt zum größten Teil von der Auffassung ab,
die eine Zeit von dem Wesen der Glasmalerei hat. Rugerus
beschränkt sich auf eine kleine Anzahl von Vorschriften: „Be-
male mit der Farbe (dem Schwarzlot) das Glas mit aller Vor-
sicht nach den Linien, die auf der Tafel stehen. Wenn du auf
dem Glase Buchstaben machen willst, so bedecke die betreffenden
Stellen ganz mit dieser Farbe, indem du mit dem Pinselstiel
hineinschreibst. Schatten und Lichter an Gewändern kannst du,
wenn du sorgfältig verfahren willst, genau so machen wie in der
gewöhnlichen Farbenmalerei, nämlich wenn du mit der oben er-
wähnten Farbe (dem Schwarzlot) die Konturen auf den Ge-
wändern aufgetragen hast, so vertreibe das Schwarzlot mit einem
Pinsel, so daß das Glas an der Stelle durchsichtig wird, wo in
der gewöhnlichen Malerei Lichter angebracht werden. Der Auf-
trag sei an einer Stelle dicht, an der anderen leichter, an einer
dritten noch feiner mit so viel Sorgfalt abwechselnd nuanciert,.
daß es den Anschein hat, als seien drei Farben aufgetragen.
Dieses Verfahren sollst du auch bei den Augenbrauen, den
Augen, der Nase, dem Kinn, jugendlichen Gesichtern, Füßen,
Händen und den übrigen Nacktpartien einhalten, und das Glas-
gemälde möge das Aussehen einer aus verschiedenen Farbtönen
zusammengesetzten Malerei bekommen. Außerdem habe das
Glasgemälde irgend ein Ornament, nämlich auf den Gewändern,
den Stühlen, den Hintergründen, auf Grün, Weiß, Blau und Hell-
purpur. Wenn die ersten Schatten auf derartigen Kleidern
trocken sind, so überziehe all den Rest des Glases mit einem
leichten Ton, der die Mitte zwischen dem zweiten und dritten
der oben genannten Töne hält. Wenn er trocken ist, so spare
mit dem Pinselstil neben den ersten Schatten beiderseits feine
Linien aus, so daß zwischen diesen Linien und den ersten Schatten
nur ganz leichte Töne sichtbar bleiben. Im übrigen mach Kreise
und Ranken und darin Blumen und Blätter auf dieselbe Art,
wie sie in gemalten Buchstaben gemacht werden. Die Felder,
die in gemalten Buchstaben mit Farben überzogen werden, sollst
218
du auf dem Glas mit sehr feinem Rankenwerk bemalen. In die
genannten Kreise kannst du auch kleine Tiere, Vögelchen oder
Würmchen und nackte Gestalten einfügen. Auf ähnliche Weise
kannst du Figuren vom glänzendsten Weiß abheben lassen und
sie mit Blau, Grün, Purpur und Rosa bekleiden. Umgekehrt
mach auf grünen und blauen, in der geschilderten Art bemalten
und unbemalt roten Hintergründen Kleider aus hellstem Weiß.
Denn. es gibt nichts Prächtigeres als derartige Gewänder. Mit
den drei Farbtönen kannst du auf Saumen Gerank und Blätter,
Blumen und Knoten auf die beschriebene Weise malen. Endlich
kannst du diese Tone auf Gesichtern, Handen und Nacktteilen
allgemein statt der im vorigen Buch genannten Farbe Posch ge-
brauchen (eine Farbe, die zur Buchillustration und zu Fresko-
malerei verwendet wird).“ Rugerus meint natürlich nur, daß der
geschilderte Schwarzlotton dort angewendet werden soll, wo in
anderen Techniken \las sogenannte Posch steht. Diese Farbe
könnte auf Glas selbstverständlich nicht gebraucht werden.
„Saffrangelbes Glas verwende für Gewänder, nicht nur für Kronen
und solche Teile, bei denen in der Malerei Gold verlangt wäre').“
1) Die Angaben des Rugerus werden von Geiges nicht in allem sehr gewertet, was
wohl damit zusammenhängt, daß er die Übersetzung des Rugerus von Ilg benützt hat.
Trotz großer Vorzüge weist die Übersetzung Ilgs zahlreiche Unverständlichkeiten auf,
da ihm die Technik der Glasmalerei nicht genügend bekannt war. Geiges sagt:
„Vollständig unklar ist namentlich im ersten Satz des XX. Kapitels die Stelle: Wenn
due: die Linien gemacht hast, so breite sie mit dem Pinsel aus ... und nicht
minder die allerdings eines sachlichen Wertes entbehrende Schlußbemerkung: und sei
diese Malerei in dem Reichtum der wechselnden Töne begründet. In Verbindung mit
den übrigen Textstellen vermag ich das Ausbreiten mit dem Pinsel nur in dem Sinne
zu verstehen, daß die nach der Visierung zunächst nur andeutungsweise aufgetragenen
Linien in Durchsicht auf ihre volle Breite gebracht wurden, denn nur bei dem Ar-
beiten in der Durchsicht war es möglich, dem Ton die beabsichtigte Tiefe zu geben.
Ob diese Auslegung die richtige ist, das ließe sich jedoch nur durch eine genauere
Untersuchung der wenigen in Betracht kommenden Originale des Iı. und 12, Jahr-
hunderts ermitteln, wozu sich mir bis jetzt keine ausreichende Gelegenheit bot.‘“ (S. 177.)
Was zunächst die erste Stelle betrifft, so lautet das Original: Cum feceris tractus in
vestimentis ex colore praedicto, sparge eum cum pincello ... Wenn du die Konturen
auf den Gewändern mittels der genannten Farbe, dem Schwarzlot gemacht hast, so
vertreibe sie mit dem Pinsel. Das „‚sie‘‘ bezieht sich also nicht auf die Konturen,
wie Geiges nach dem Wortlaut der Übersetzung annehmen konnte, sondern auf das
Schwarzlot. Wir übersetzen besser: so vertreibe von ihm (dem Schwarzlot).. Der
Sinn ist also ganz klar. Zuerst sollen die Konturen gemacht werden, hernach auf den
Tafel 118
Glasgemälde, entworfen und ausgeführt von Wilh. Pütz, Köln.
219
Außer diesen Vorschriften kennt Rugerus nichts, was er seinen
Schülern als Ausdrucksmittel für Glasmalerei zu bieten hätte.
Nur von einer kleinen Spielerei spricht er noch: wie man Edel-
steine auf gemaltes Glas setzen könne. „Wenn du bei den
Figuren auf Kreuzen, auf Büchern oder auf dem Schmuck der
Gewänder auf das gemalte Glas ohne Verbleiung Edelsteine
von einer anderen Farbe z. B. Hyazinth oder Smaragd aufsetzen
willst, so verfahre auf folgende Weise: Wenn du an den ent-
‚sprechenden Stellen, im Heiligenschein Gottes, sowie das Buch
oder die Zierraten auf Gewandsäumen gemacht hast, die in der
Malerei aus Gold oder einer goldähnlichen Farbe gemacht würden,
so mach dies bei Fenstern aus lauterem Saffrangelb. Wenn du
alles auf Goldschmiedsart gemacht hast, so wähle die Stellen,
an denen du Steine aufsetzen willst, nimm kleine hellblaue Glas-
stücke, bilde daraus Hyazinthe nach der Größe der für sie be-
stimmten Stellen. Für Smaragde nimm in entsprechender Weise
grünes Glas und ordne es so an, daß zwischen zwei Hyazinthe
immer ein Smaragd zu stehen kommt. Wenn sie an ihren Plätzen
verbunden und mittels eines provisorischen Bindemittels fest-
gemacht sind, so ziehe mit dem Pinsel einen dichten Schwarz-
lotkreis, damit nichts zwischen den beiden Gläsern ineinander-
fließt. So brenne sie mit den übrigen Stücken im Ofen und sie
werden hernach haften, daß sie nie mehr wegfallen.“ Es ist
mir von dieser Technik nie ein Stück alten Materials in die
Hände gekommen. Denn die einfachere Art ist die Einbleiung
solcher Zieraten in die Fläche. Der Vorgang beruht darauf, daß
"in der :Glut des Brandes das provisorische Bindemittel verflüch-
tigt und die beiden Gläser aneinander schmelzen.
Ich habe diese wichtigen Kapitel in ihrem Wortlaut beige-
geben und erneut übersetzt, da außer der manchmal etwas un-
klaren Übersetzung von Ilg keine Bearbeitung existiert, die
weiten Kreisen die Benützung dieser goldenen Sätze ermöglicht.
Gläsern Schwarzlot vertrieben werden, aus dem dann die Lichter herausgearbeitet
werden. Der letzte Satz aber lautet: Sitque species picturae composita colorum varie-
tate. Es entstehe der Schein eines Gemäldes, der durch die verschiedenen Farben
hervorgebracht ist. Das heißt das Glasgemälde soll durch den verschieden stark auf-
getragenen Ton des Schwarzlots das Aussehen eines aus verschiedenen Farben zu-
sammengesetzten Gemäldes bekommen.
220
Rugerus, der vortreffliche Kenner aller damals geübten kunst-
gewerblichen Techniken, gibt ein so allgemein gültiges Pro-
gramm für die monumentale GlasmalereiÄ, daß man nur zuzu-
greifen hätte, um die größten Wirkungen auch heute noch zu
erzielen. Denn des Rugerus Anweisungen beruhen auf einem
gründlichen Verständnis des wahren Wesens der Glasmalerei.
Wo sind bei ihm jene Düfteleien und minutiösen Ausarbeitungen
von plastischen Einzelheiten, die noch heute so manches Glas-
gemälde entstellen? Wo sind jene Weichheiten und Weichlich-
keiten in den zahlreichen Nuancen kräftiger Grundfarben, wo
jene kleinlichen Mittel, wie sie beispielsweise bei sogen. Porträten
zur schönsten Blüte gelangen? Breit und kräftig stehen seine
Vorschriften, wie die Kontur auf den Augsburger Fenstern. Un-
übertroffen rufen sie zur Nachahmung, als wären sie erst gestern
geschrieben. Die Technik, die Rugerus lehrt, drückt sich so un-
gewollt und so modern jedem echten Künstler in die Hand, daß
er neue Ideen am besten eben mit diesen alten Ausdrucksmitteln
zur Auswirkung bringt. Antonio, der schon das Silbergeib kennt,
legt ein besonderes Gewicht auf die Zusammenstimmung der
farbigen Hüttengläser. Nach ihm sollen die Hintergründe von
Figuren immer azurblau sein. „Wenn du eine Figur gelb oder
weiß kleidest, mach die Umschläge der Kleider rot, grau, grün
oder blau, vorausgesetzt daß das Blau nicht schon daneben als
Hintergrund steht. Du mußt außerdem im Besitz von grünem
Glas zum Abstücken sein und davon in deine Arbeiten setzen,
das wird dir Anerkennung bereiten. Auch vergiß nie, in deine
Arbeiten mindestens ein Drittel weißes Glas zu setzen, weil das
Weiß deine Arbeiten heiter und leuchtend macht. Nehmen wir
den Fall, man braucht ein Fenster, zu dem man hundert Teile
Glas bedarf, so nimm vollauf 3 Teile in weißem Glas und arbeite
in den angegebenen Verhältnissen. Merke übrigens, daß der
hl. Petrus immer mit gelbem Mantel und blauem Unterkleid ge-
malt sein will und die Umschläge rot oder grau. Im übrigen
geh in die Kirchen und sieh dir an, was von Malern gemacht ist
und ahme es nach, und wenn du nicht gut verstündest die
Farben zu verteilen, schau dich in Kirchen um, wo Arbeiten von
mir sind, dem 'mastro Antonio da Pisa, Meister in solcher Kunst
und verteile nach dieser Art und du wirst nicht fehlen.“ Für
Tafel 119
Glasgemälde, entworfen und ausgeführt von Wilh. Pütz, Köln.
221
einzelne Glasmalereien empfiehlt er noch folgendes: „Wenn du
einen Tabernakel (einen Baldachin) machen willst, so mach Basis
und Kapitelle aus gelbem Glas, die Säulen aus weißem, rotem
oder fleischfarbigem Glas und die Sockel aus weißem Glas in
Nachahmung des Marmors. Für Holzwerk wende immer gelbes
Glas von dem hellsten, das du haben kannst; um Backstein dar-
zustellen, nimm rotes Glas von hellerer Nuance. Bei der Dar-
stellung von großen Figuren achte darauf, daß du zu grünem
Kleid einen roten oder lackfarbigen Mantel und einen weißen
Mantelumschlag machst. Wenn du aber auf einem Gruppenbild
von den Figuren die eine in Grau, die andere in Rot oder Lack-
farbe kleidest, so setze zwischen diese beiden Farben hinein
stets eine weiß oder gelb gekleidete Figur; dadurch werden sich
die Figuren hervorheben. Wenn der Mantel oder das Kleid
azurblau sein sollte, mach den Hintergrund rot.“ So sehr also
Antonio den blauen Hintergrund bevorzugt, so läßt er den roten
doch auch gelten.
Die Modellierung, die Rugerus erlaubt, ist also äußerst be-
scheiden. Sie soll sich nach seinen Angaben nur auf das aller-
notwendigste beschränken. Wichtiger als alles erscheint die
Wahl und Zusammenstellung des farbigen Hüttenglases. Sie ist
nicht leicht, sagt uns Antonio, und erfordert großen Farbensinn
und gründliches Studium bewährter Meister. Aber elementare
Regeln, die auf ästhetischen Prinzipien beruhen, können diese
beiden Schriftsteller doch bieten. Sie stimmen darin überein,
daß die Farben möglichst kontrastreich nebeneinander zu stehen
kommen. Nur keine ineinander übergehende Töne. Am sichersten
klingt der Zweiklang blau-rot, indem der eine Ton den Hinter-
grund, der andere die Hauptfarbe der Darstellung vertritt. Da-
bei wird heute leider zu leicht übersehen, daß blau die Farbe
ist, die alles andere überstrahlt, also einen besonders starken
Überzug oder eine kräftige Damaszierung verlangt. Am ge-
lungensten ist nach der Meinung der Alten jenes Fenster, bei
dem der Glasmaler mit wenigen Farben auskommt und die
teppichartige flächige Wirkung durch eine ausgezeichnete Ver-
teilung der Farben und durch deren geschmackvolle Zusammen-
stimmung erreicht. Wir halten es nicht für einen Fortschritt,
daß die moderne Glasmalerei sich ihres reichen Materialschatzes
222
rühmt, überhaupt rühmen kann. Denn die zahlreichen Nuancen,
die heute in farbigem Hüttenglas zur Verfügung stehen, ver-
leiten unbedingt zu gebrochenen Tönen, zu Spielereien, zu stets
gefahrvollen Annäherungen an die Ölmalerei. Die monumentale
Glasmalerei muß stets auf Fernwirkung eingestellt werden, diese
aber verlangt satte, kräftige und darum kontrastreiche Farben.
Damit hängt zusammen, daß Rugerus und Antonio von jeder
Wirklichkeit abstrahieren. Was kann es den Glasmaler kümmern,
ob die Garderoben, die er seinen Figuren genehmigt, mit den
Triumphen der augenblicklichen Mode übereinstimmen, was kann
ihn der Ingrimm des Botanikers kümmern, wenn dieser zürnt,
daß alle seine Lehren am Glasmaler ergebnislos vorübergegangen
sind, und er zu seinem größten Verdruß sogar rote oder gelbe
Baume sehen muß? Tut ein roter Fleck in der Fläche not, so
mag der darzustellende Heilige sich roter Stiefel nicht schämen.
Wenn es daher einmal einem modernen Künstler gelingen sollte,
einen modisch gekleideten Stifter so zu stilisieren, daß er in ein
Glasgemälde Aufnahme finden kann, so möge er sich angelegen
sein lassen, auch die Farben des Gewandes zu stilisieren. Auf
der Ausstellung des Berliner Künstlerbundes sah ich vor einigen
Jahren Scheiben, die betitelt waren: rote Putten, blaue Putten.
Ganz im Einklang mit den oben angegebenen Grundsätzen der
Alten war es also den Künstlern, die jene Glasgemälde entworfen
haben, lediglich um ein Farbenexempel zu tun, das freilich die
beabsichtigte Wirkung deswegen nicht ganz erreichte, weil die
gewählten Farben Selbstzweck waren und nicht in innerer Be-
ziehung zu dem Gesamtarrangement der Scheiben standen.
Man liest weder bei Rugerus, noch bei Antonio, nach welchen
Vorlagen sie die Werkzeichnung auf dem Brett entwerfen ließen,
insbesondere fehlt jede Angabe über den Anhaltspunkt, den der
Glasmaler zur Bestimmung der Farben hatte. Die mit dem Blei-
netz zusammenfallenden Konturen, wie jene, die das Schwarzlot
auszuführen hat, sind sorgfältig angegeben, auch kargt Rugerus
nicht mit Licht und Schatten, aber welchen Orientierungen soll
denn der Glasmaler bei der Auswahl der Farben folgen? Man
hat gemeint, Rugerus habe dabei die allgemeinen Vorlagen im
Auge gehabt, die dem Fresko- und Handschriftenmaler ebenso
gedient hätten, wie dem Glasmaler. Das könnte nur für die
Tafel 120
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54
Ba
&
urn
Glasgemälde nach einem Entwurf von Thorn-Prikker,
ausgeführt von der Glasmalerei G. Heinersdorff, Berlin.
223
Zeichnung, nicht aber für die Farben gelten, da der Kolorismus
des Glasmalers ganz anderen Gesetzen untertan ist. Mir scheint,
daß der im Geiste des Rugerus arbeitende Glasmaler überhaupt
keinen farbigen Karton gebraucht hat. Waren die Umrisse
durch Schwarzzeichnung gegeben, so notierte sich der Glasmaler
erst die Farben, wobei ihm sein ererbter und in festen Traditionen
weitergegebener Farbensinn alles Notwendige sagte. Je einfacher
der dargestellte Gegenstand ist, desto größer die Möglichkeit,
mit wenigen Farben große Wirkungen zu erzielen. Wem es
nicht gegeben ist, aus einem Gefühl für glasmalerischen Kolo-
rismus Entwürfe zu skizzieren, der tut besser, eine Schwarz-
weißzeichnung anzufertigen und hiernach die Farben mit Ab-
straktur von der Wirklichkeit einzutragen. Das Antikglas hat
mit seinen Schlieren und Bläschen, mit seinen von selbst sich
ergebenden Nuancen auf einer Tafel soviel Abwechslung, daß
es unnötig ist, nach den zahlreichen Übergangstönen etc. zu
rufen. Gerade die Technik mit den ungezählten Nuancen ver-
teuert uns heute die Glasmalerei. Der Glasmaler ist gezwungen,
sich ein großes Lager zu halten, von dem er gewisse Töne viel-
leicht lange Zeit gar nicht braucht, hat großen Verschnitt usw.
Beides sind Spesen, die der Kunst gar nichts nützen und von
denen höchstens der Glashändler gewinnt. Je kleiner die Palette,
desto reiner und größer werden die Wirkungen einer Glas-
malerei. Da der Glasmaler in diesem Falle sich mit wenigen,
aber besonders kräftigen und gegensatzreichen Gläsern versehen
muß, bekommen alle seine Arbeiten einen monumentalen, viel-
leicht gar herben Charakter; hunderte von süßen Tönen werden
verschwinden. Zunächst mag sich der Glasmaler freilich beengt
fühlen, da er viele auf dem Karton vorgezeichnete Details nicht
ausführen kann. Die Beschränkung auf die ästhetisch allein zu-
lässige kleine Palette würde also vor allem auch eine Reform
der Zeichnung zur Folge haben, die sich endgültig und ohne
Vorbehalt aus den verlockenden Umarmungen der Tafelmalerei
befreien müßte. Die kleinste Konzession an die Ölmalerei sollte
den Freund der Glasmalerei veranlassen, die ganze Zeichnung
schon wegen dieser kleinen Liebelei zu verurteilen. Dabei klagen
die Glasmaler über die modernen Künstler, die die ganze Karton-
zeichnung an sich gerissen hätten und zu Tyrannen gegenüber
224
den ausführenden Glasmalern, wie der Glasmalerei als solcher .
geworden seien. Umgekehrt klagen die Kartonzeichner über
die Glasmaler, daß diese nicht imstande seien, ihre Absichten zu
verstehen und auf Glas zu übersetzen. Wir sind daher auch
durch diese Erfahrung zur Überzeugung gelangt, daß die Ver-
bindung von Kartonzeichner und Glasmaler in einer Person doch
das Ideal bildet. Dabei gestehen wir gerne zu, daß manchmal
sich Männer mit dürftigen Kenntnissen und noch dürftigerem
Geschmack, aber ungleich kräftiger Begabung für das Geschäft-
liche als fachkundig empfehlen, eine Zeit lang Vertrauen ge-
nießen, solange über den wahren Charakter der Glasmalerei Nebel
verbreitet sind, und währenddessen aber gewissermaßen eine
Glasmalerfabrik etabliert haben. In einer ‚solchen herrscht
Arbeitsteilung. Der eine macht nur Architekturen, der andere
nur Köpfe, wie in großen Konfektionshäusern der eine nur
Hosenschnallen, der andere nur Knöpfe. Solche Glasmaler-
unternehmer richten unter den künstlerischen Bestrebungen der
Glasmalerei das größte Unheil an.
Ebenso schädlich ist der noch immer nicht isses
oder eigentlich jetzt erst recht wieder lebendige Versuch, die
Glasmalerei aus ihrer Stellung als Kunstgewerbe in die Höhen
der absoluten Kunst zu forzieren. Man betrachte dagegen, wie
in allen mittelalterlichen und insbesondere Schweizer Glasgemälden
stets ein Hauptgewicht auf das echt Handwerkliche, Kunstgewerb-
liche in der Glasmalerei gelegt wurde. Die einzelnen Meister
schämten sich nicht, denselben Riß, den ein Konkurrent schon
einmal ausgeführt hatte, wiederum von neuem zu bearbeiten.
Auch sie schufen also manchmal nach fremden Zeichnungen; allein
der sichere Takt für das Glasmalerische bewahrte sie vor Aus-
wüchsen, die leider im 19. Jahrhundert nicht gerade selten waren.
Heute soll jedes Glasgemälde im Rang eines absoluten Kunst-
werks gehen, bei dem der Karton die Hauptsache ist. Das muß
die Glasmaler zwingen, wenn sie Aufträge bekommen und kon-
kurrenzfähig bleiben wollen, sich, wenn auch widerwillig, den
Wünschen der Kartonzeichner zu unterordnen und Farbennuancen
zu halten, die ein direktes Unglück für die Glasmalerei bilden
und den Geschmack des Publikums immer mehr verderben.
Darum Vereinfachung der Palette! Das ist die erste Reform,
Tafel 121
Details aus einem Glasgemälde, entworfen von Thorn-
Prikker, ausgeführt von der Glasmalerei G. Heinersdorff,
Berlin.
Re
4 u er
2235
die auf die Entwicklung der Technik, wie auf den Kartonzeichner
Wunder wirkt.
Nach erfolgter Auswahl der farbigen Hüttengläser schreitet
der Glasmaler zur eigentlichen Bemalung, wobei ihm ein in-
spirierender Blick in seinen Rugerus auch heute noch zu statten
käme. In der Regel werden zunächst die hauptsächlichsten
Konturen mit Schwarzlot aufgetragen. Zu diesem Zweck muß
diese Farbe eigens bereitet werden. Man macht das in Pulver-
form erhältliche Schwarzlot mit Wasser an und zerreibt es auf
einer Platte. Die Hauptsache, die bereits Rugerus betont, ist
die sorgfältige Zerreibung, damit nicht kleine Körnchen und
Klümpchen sich bei der Bemalung abheben. Meistens gibt man
Öl oder Sirup als Bindemittel bei, das dann beim Brand ver-
nichtet wird. Diese Bindemittel erschweren -jedoch die flotte
Arbeit. Öl wird schnell zäh und Sirup behindert das Überziehen.
Darum ist die einfache Wassermischung das beste und freieste
Verfahren. Viel wichtiger erscheint, daß der Glasmaler auf
absolute Reinlichkeit dem zu bemalenden Glas gegenüber hält,
denn jeder Fleck durch Berührung hemmt die beabsichtigte
Wirkung des Schwarzlots.
Man hat sich viel darüber den Kopf zerbrochen, welche
Bindemittel die Alten angewandt hätten, um das Schwarzlot fest
auf die Glasstücke anzuheften. Rugerus nennt nur Wein und
Harn als Zusatz beim Reiben des Gemenges. Diese beiden Flüssig-
keiten haben den Vorzug, daß das Pulver sehr fein darin zu
lösen ist. Im Gegensatz zu einer Reihe von Autoren glaubt
Geiges, daß Theophilus aus irgend einem Grund die Angabe des
Bindemittels unterlassen habe. Denn jene beiden Flüssigkeiten
hätten keinerlei bindende Kraft, ihre Anwendung sei vielmehr,
namentlich was den Harn betrifft, noch auf einem gewissen aber-
glaubisch-mystischen Erdreich gewachsen. - Wir geben Geiges in
diesem letzteren Punkte Recht; auch legen wir an sich keinen
Wert auf die Tatsache, daß Rugerus über das Bindemittel nichts
erwahnt. Denn man muß mit den beiden Möglichkeiten rechnen,
daß der Mönch absichtlich oder unabsichtlich das eine und andere
übergangen hat. Da aber auch Antonio da Pisa kein Bindemittel
angibt, will es uns scheinen, daß die Alten gar keines verwendet
haben. Denn dasselbe war nicht notwendig, da man leicht auch
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. I5
226
ohne Bindemittel arbeiten kann, wie wir eben sagten, und bei
komplizierten Stellen ein schönes und leichtes Mittel, nämlich den
Brand zur Verfügung hat. Nach des Rugerus Anweisung wurde
erst die Kontur aufgetragen und getrocknet. Er sagt im 21. Kapitel:
„Wenn die ersten Schatten trocken sind, so bedecke, was vom
Glase übrig bleibt, mit einem leichten Ton...“ Vielleicht wurde
nach der Konturierung zum erstenmal gebrannt, hernach die
Modellierung mit den drei Tönen ausgeführt und dann abermals
gebrannt. Genaue Studien an den Augsburger Fenstern haben
ergeben, daß das Schwarzlot sowohl als Kontur, wie auch als -
(dünn aufgetragener) Ton der Modellierung außerordentlich gut
und frisch noch heute auf dem Glase sitzt. Darum gewinnt der
Gedanke an Wahrscheinlichkeit, daß die ältesten Glasmalereien,
die dem Stand der Rugerustechnik entsprechen, wiederholt ge-
brannt sind. Aber auch ohne diese Annahme ist es keineswegs
notwendig, bei Rugerus die Kenntnis und Verwendung eines
Bindemittels für die Malfarbe (das Schwarzlot) vorauszusetzen.
Erst die Nürnberger Handschrift empfiehlt „Gummywasser zum
Anmachen des Schwarzlots“.
Der Auftrag des Schwarzlots soll breit und kräftig sein, muß
aber trotz aller Stilisierung in innerer Beziehung zum Objekt
stehen. Am reinsten und wirksamsten kommt die Zeichnung der
Schwarzlotkontur in der romanischen Zeit zum Ausdruck.
Nicht immer wird in der Technik mit dem Auftrag der
Schwarzlotkontur begonnen. Manchmal ist vielmehr der soge-
nannte Überzug das erste, das der Glasmaler an den zurecht-
geschnittenen Glasstücken vornimmt. Die ganze Glasfläche wird
dabei mit Schwarzlot überzogen und getrocknet. Aus dieser
Schicht wischt der Glasmaler die verschieden starken Lichter
heraus. Die Behandlung des Überzugs verlangt eine besonders
entwickelte Meisterschaft und ist dementsprechend bei den ver-
schiedenen Glasmalern verschieden. Vor allem muß sich der
Glasmaler eine genaue Kenntnis von den Lichtverhältnissen ver-
schaffen, in die das zukünftige Glasgemälde kommen soll. Denn
der Überzug ist ja nichts anderes als ein Spiel mit dem Licht,
als ein Mittel, eine das Auge erfreuende Abwechslung innerhalb
den Grenzen hell und dunkel. Mancher Überzug war im Atelier
des Glasmalers vortrefflich in der Wirkung. Im Bau eingesetzt
Tafel 122
Glasgemälde von
Stanislaus Wyspianski, Krakau.
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Josef Goller, Dresden.
Glasgemälde
227
fiel diese ab, und warum? Weil der Glasmaler übersehen hatte,
daß der Überzug an Dichtigkeit verliert und heller wird einmal
durch den Brand, namentlich wenn ein wiederholtes Brennen
vorgenommen wird, sodann durch das erweiterte Licht im Bau
und endlich durch das Bleinetz, das den Überzug heller er-
scheinen läßt. Auf diese drei Gesichtspunkte muß daher beson-
ders Rücksicht genommen und das Schwarzlot darf nicht gar
zu zaghaft aufgetragen werden. Grewisse Kunstgelehrte und
Praktiker nehmen prinzipiell gegen jeden Überzug Stellung, da
er eine beabsichtigte Täuschung darstelle, insofern er an dem
Körper des Glases Wirkungen hervorrufe, die nur durch die
Zeit geschaffen würden. Der Überzug sei also eine Art künst-
licher Patina und daher unter allen Umständen verwerflich.
Eine genaue Untersuchung der Augsburger Domfenster hat er-
geben, daß die ausführenden Glasmaler die Malfarbe lediglich
zur Angabe von zeichnerischen Umrissen und Schatten verwendeten
und daß sie jene Glasflächen, die keinerlei Zeichnungswerte
repräsentierten, vollständig blank ließen. Die Alten hatten so-
mit ihre Freude an dem neu Aussehenden; wenn wir heute die
Farbgläser ohne den Patinaüberzug, mit dem die Zeit Grelles
abgetönt, Kontrastreiches ausgeglichen hat, herstellen wollen, so
werden wir erstaunt sein, wie anders das Aussehen heute glühend
verehrter alter Glasgemälde einstens war. Die Alten richteten
die Farben und insbesondere die durch das Fenster durch-
gelassenen Lichtwerte nach der erstrebten Beleuchtung des
Raumes ein. Frisch eingesetzt war also das durchdringende
Licht für die kirchlichen Bedürfnisse hinreichend. Mit der Zeit
aber dunkelten die Fenster nach, überzogen sich mit edler Patina
und unedlem Schmutz; und wir begreifen bis zu einem gewissen
Grad, wenn die Domherrn in den Perioden der Aufklärung und
des 19. Jahrhunderts gegen die verdunkelnden Glasgemälde
wüteten, nachdem in jenen Zeiten kein künstlerisches Verständnis
oder gar Interesse den Sündern Verzeihung für ihre „dunkle
Seele“ vermittelte. Heute will man im allgemeinen nicht warten,
bis die Zeit ihr Patinierungswerk verrichtet. Was sollen erst
Enkel und Urenkel genießen, nachdem die Väter die Kosten
des Genusses getragen haben! Auch wollten manche Glasmalerei-
anstalten in früheren Zeiten überzeugend dartun, daß die Stim-
15*
228
mung ihrer Arbeiten durchaus nicht hinter dem mystischen Ein-
druck der Alten zurückbleibe. Aus dem Zusammenwirken dieser
Momente entstand in den neunziger Jahren des vorigen Jahr-
hunderts eine Richtung, die die schönsten Farbwerte in einer
Weise abdunkelte, daß von deren naivem Glanz kaum mehr eine
Spur blieb. Die gesunde Technik hat sich auch von diesen Ver-
irrungen wieder erholt und heute versucht man, die frischen
Farbwerte der Alten mit dem unvergleichlichen Reiz der echten
Patinierung mittels eines leichten Überzugs zusammenzustimmen.
Als oberstes Prinzip ist dabei zu berücksichtigen, daß der Über-
zug nie zu stark sein darf, da das Glasgemälde mit der Zeit von
selbst nachdunkelt. Lieber zu wenig als zu viel Überzug. Im
übrigen kommt es ganz darauf an, wie der Überzug aufgetragen
und behandelt wird. Für die Handhabung gerade dieses Aus-
drucksmittels ist eine besondere Fähigkeit notwendig‘). Es bietet
dem Glasmaler unzählige Nuancen, um bestimmte Zwecke zu
erreichen. Er kann vom Überzug Schlieren auswischen, um die
natürlichen Schlieren des Glases zu unterstützen, sie geradlinig,
wellenförmig oder wie immer hineinziehen, oder auch tupfen-
förmig den Hobel der Glasoberfläche unterstützen. Dabei be-
darf er keiner zahlreichen und weitläufigen Instrumente. Außer
dem Kontur-, dem Vertreiber-, Verwaschpinsel kann er für gewisse
Effekte mit großem Erfolge ein paar abgenutzte Dekorations-
pinsel benützen, die weit besser sind als die künstlich zurecht-
gemachten. Damaste, Schriften, Blumen und sonstige Ornamente
werden mit einem ‚Pinselstiel oder mit einer Nadel ausradiert.
So schreibt bereits Rugerus dieses Verfahren für Schriften vor.
Es war wahrend des Mittelalters so verbreitet, daß es als Bild
für dichterische Vergleiche diente. Beispielsweise führt Hartmann
von der Aue in seinem Erek (ca. 1195) einen solchen Vergleich
durch. Als die Heldin dieses Stückes ihren halbtoten Geliebten
erblickt, wird sie von Jammer und Verzweiflung ergriffen. Es
ist also gerade so, wie wenn ein lauteres Glas mit düsterem
Schwarz überzogen wird. Aber der Geliebte erholt sich von den
Wunden;-da
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1) vgl. "Das Schwarzlot als Kontur ünd Überzug in der’ a Zeitschrift
für alte und neue Glasmalerei | IR, 35 ff. 5 ’
Tafel 123
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Kunstverglasung: Die 6 Sommermonate; für die Berliner Kunstausstellung 1913.
Entworfen von Professor Rich. Böhland, ausgeführt von der Glasmalerei
J. Schmidt, Berlin.
verkerte sich dem wibe
ir herzen trüebe
als ein glas darz wol schüebe,
daz von schwarzer varwe
bestrichen wäre begarwe
sö diu farwe abe kaeme
sö wurde ez genaeme
und licht daz & vinster war.
sus war ir herze ein luter glas,
der erren sorgen beschaben
unde wol ze lichte erhaben
mit unvalscher vünne
sam sie nie leit gewünne.
(Es verwandelte sich dem Weibe: ihr trauriges Herz, wie
Glas, das zuvor mit schwarzer Farbe ganz bestrichen war, und
es nun einer so abschabt, daß die Farbe abgeht, so daß lieblich
und licht ist, was zuvor finster war, so war ihr Herz ein lauter
Glas, der früheren Sorgen entschabt und wohl ins Lichte gehoben
mit echter Wonne, als wenn sie nie Leid erfahren hätte.)
Trotz dieser allgemeinen Sitte, Schriften aus dem Schwarz-
lotauftrag heraus zu radieren, sind die Fälle nicht selten, in denen
die Schrift wie eine andere Kontur auf das Glas aufgetragen
wurde und also schwarz erscheint. Dieses letztere Verfahren
eignet sich sehr für die gotische Majuskel, während die Antiqua-
schrift am wirkungsvollsten ausradiert wird. Alle bis jetzt be-
schriebenen Bemalungen werden auf der Vorderseite (der dem
Beschauer zugekehrten Seite) angebracht. Auf der Rückseite
pflegt man nur leichte Töne zur Unterstützung der Zeichnung
auf der Vorderseite anzubringen. Immer aber muß das Silber-
gelb auf der Rückseite aufgetragen werden.
Im Gegensatz zum Schwarzlot, das als Mal- und Lasurfarbe
gebraucht wird, ist das Silbergelb eine reine Lasurfarbe. Wie
schon erwähnt, begegnet es uns erstmals auf einem Fenster in
der Schweiz und zwar näherhin auf einem Glasgemälde in der
Kirche zu Blumenstein im Kanton Bern. Dargestellt ist der hl.
Christophorus. In naiver Weise hat der Glasmaler das Wasser,
durch das der Heilige schreitet, an dessen Füßen durch schwim-
mende Fischlein angedeutet. Die Fischlein aber sind in Silber-
230
gelb ausgeführt. Diese eigenartige Anwendung des Silbergelbes
laßt darauf schließen, daß es mindestens schon ein bis zwei Jahr-
zehnte im Grebrauch war, bis man es so keck für Figürliches ge-
"brauchte. Seine hauptsächlichste Stelle hatte es an Nimben und
Heiligenscheinen, an Mandorlen und Gewandsäumen. Die großen
Effekte, die man mit dem Silbergelb vom Hellgelb bis zum
tiefsten Goldrot erzielen konnte, reizte die Glasmaler des 16. Jahr-
hunderts, sogenannte Monolithscheiben mit Schwarzlot und Sil-
bergelb auszuführen. Dieses System war namentlich in Süd-
deutschland, im Anschluß an die Blütezeit der graphischen
Künste beliebt. Prachtvoll ist die Wirkung des Silbergelbes,
wenn es sich gegen blau oder grün abhebt. Die Anwendung
des Silbergelbes in der Gegenwart hat sich gegen die früheren
Perioden nicht wesentlich verschoben. Höchstens versucht man
es viel weitläufiger zum Tonen eines farblosen Glases heranzu-
ziehen. Bereits den Alten war bekannt, daß man durch Hinter-
legung mit Silbergelb den Farbcharakter des Hüttenglases ver-
ändern kann, daß zum Beispiel mit Silbergelb hinterlegtes Blau
grün erscheint. Auch zu diesem Zweck wird das Silbergelb
heute noch viel verwendet.
Tafel 124
Glasgemälde von Professor Josef Goller, Dresden.
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Kunstverglasung für das Krematorium zu Breslau. Entwurf
von Wenzel Oswald, Wien, ausgeführt von J. Schmidt, Berlin.
V.
Die auf Glasgemälden dargestellten
Gegenstände.
Entsprechend dem Zweck, dem die Glasmalerei in alter und
neuer Zeit dient, hat sich die Darstellung des Gegenständlichen
verhältnismäßig wenig entwickelt. Wie in dem Kapitel „Der Schön-
heitsgedanke in der Glasmalerei“ näher ausgeführt ist, hatte die
Glasmalerei in alter Zeit ein dreifaches Amt, ein praktisches,
Abschluß gegen Wind und Wetter, ein ästhetisches, Vollendung
der Architektur, und ein didaktisches, Beispiel für die Gläubigen
zu sein. Die aus diesen drei Punkten resultierende Gemeinsame
charakterisiert Form und Inhalt der Glasmalerei. In den ersten
‚Zeiten des buntfarbigen Fensterschmucks überwog naturgemäß
das Ornament, wie wir bei der Entwicklung der Kunstverglasung
beobachtet haben. Pflanzenranken und geometrische Motive
waren das Thema, mit dem sich die Kunstverglasung beschäf-
tigte, und als sie langsam auf das Figürliche zusteuerte, war die
Einzelfigur das Zunächstliegende, weil am leichtesten ausführbar.
Man kann beobachten, daß die alamannisch-bayrische Schule mit
Vorliebe an der Einzelfigur festhält, was aus dem zeichnerisch-
monumentalen Stil dieser Schule ohne weiteres erklärt wird.
Als die Welle, die die Glasmalerei vom Osten nach Westen
trug, im 13. Jahrhundert über den Rhein zurückbrandete, brachte
sie ein festes System der Darstellungen mit'), das zwar allent-
halben Bewunderer, aber nur wenig Nachfolger fand. Frank-
reich war der dogmatischen Theologie mit ihren scharfen Sätzen
mehr zugänglich; es liebte das dramatisch ausgestaltete System
1) Mäle Emile, L’art religieux du XIII. siecle en France, Paris Ig1o.
232
der auf romanischem Boden hervorgesproßten Scholastik. Was
die ersten christlichen Schriftsteller mehr noch in lehrhafter und
moralisierender Absicht in ihre Bücher aufgenommen hatten,
‘wurde im Laufe des ı2. Jahrhunderts zu einem festen Kanon
geschlossen, der ebenso für den Prediger, wie für den Künstler
zwingend war. Die theologische Schule und spätere Universität
Paris bildete für das christliche Abendland das Beispiel, dem
man nachzueifern hatte. Der gelehrte Abt von Royaumont,
Vinzenz von Beauvais, hatte in seinem Speculum majus (ca. 1250)
alles zusammengefaßt, was die Theologie in Paris lehrte. Sein
Buch wurde die Vorlage für die gesamte Ikonographie; es um-
faßte vier Abteilungen, das speculum naturale, historiale, doctri-
nale, dem ein späterer Schriftsteller das speculum morale hinzu-
fügte. Für das speculum naturale hat Vinzenz als Hauptquelle
den Honorius von Autun benützt, der in seinem speculum eccle-
siae eine eigenartige Symbolik und Ikonographie bietet. Nach
diesem Speculum ecclesiae war außer dem Portal der Kathe-
drale von Laon, ein Fenster in der Kathedrale zu Lyon ausge-
führt mit folgendem System: |
Christus in der Mandorla
Maria und die Apostel
nach der Himmelfahrt
Der Kladrius Himmelfahrt Christi Junge Adler fliegen
zum Licht
Jonas ans Land Auferstehung Christi Die Löwin mit ihren
gespien Jungen
Isaaks Opfer Christus am Kreuz Eherne Schlange
Der brennende Dorn- Geburt Christi Gideons Vließ
busch
Isaias mit Schrif- Verkündigung der Das Einhorn
tafel Geburt Christi
Das Fenster stammt aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts.
Diese sehr alte Typologie der französischen Glasgemälde charak-
terisiert sich durch eine auffallende Bevorzugung der Beispiele
und Gleichnisse aus der Natur, näherhin aus dem Tierreich.
Auch bei jenen Szenen, die aus dem Alten Testament hergeholt
sind, macht sich diese Hinneigung zu den Wundern der Natur:
Eherne Schlange, Gideons Vließ, brennender Dornbusch, der
Tafel 125
Freya. Glasgemälde, entworfen von Horst-Schulze, aus-
geführt von der Glasmalerei Richter & Römer, Leipzig.
233
Fisch des Jonas, bemerkbar. Honorius hat sein Wissen aus dem
Physiologus geschöpft. Dieses seltsame Buch war bekanntlich
während der ersten Zeit der romanischen Periode sehr beliebt,
diente besonders als Quelle für Skulpturen an Portalen und in
Giebeln, an Friesen und Kapitellen. Während aber seine Er-
zählungen von den Bildhauern ohne Zutat aus den Evangelien
dargestellt wurden, hat ihn Honorius in ein festes System, in vor-
bildliche Beziehung zu wichtigen Lehren des Christentums gebracht.
Der Kladrius, oder wie er im Physiologus heißt, Charadius, ist ein
Vogel, der weiß, ob ein Kranker stirbt oder ob er genesen wird.
Muß der Patient sterben, so dreht der Vogel seinen Kopf weg,
wird er aber genesen, so heftet der Charadius seine Blicke fest
auf den Kranken und saugt die Krankheit ein. Hernach fliegt
er zur Sonne und atmet sie wieder aus. Vom Adler aber be-
richtet. der Physiologus: Wenn der Adler seine Jungen das
Fliegen lehrt, so hält er sich im Anfang über sie, damit sie
nicht allzusehr von der Sonne geblendet werden. Die Löwin
bringt nach den Darlegungen des Physiologus ihre Jungen tot-
geboren zur Welt. Nach drei Tagen aber werden sie durch
das Brüllen des Löwen zum Leben erweckt. Die anmutigste
aller Sagen ist jene vom Einhorn. Das Einhorn ist ein sehr
wildes Tier und um sich seiner zu bemächtigen, muß man seine
Zuflucht zu einer Jungfrau nehmen. Wenn das Tier eine Jung-
frau sieht, eilt es in deren Schoß und läßt sich fangen.
Trotz der großen Autorität des Honorius von Autun, trotz
der Beliebtheit des Physiologus hat sich doch das Lyoner System
nicht durchsetzen können. Vereinzelt finden sich noch Anklänge,
wie die Löwenszene auf einem Fenster zu Le Mans und zu
Bourges; allein der Norden rückt ziemlich energisch vom Physio-
logus ab und wendet sich der aus dem Alten und Neuen Testa-
ment gebildeten Typologie zu. Im übrigen aber schafft der
französische Kunstkreis durch den engeren Abschluß an des
Vinzenz’ Speculum völlig neue Sujets, die in sehr modifizierter
Form einige Dezennien später nach dem Westen wandern. Ganz
neu ist der Darstellungskreis, der sich auf das 2. Buch des
Speculums baut, des speculum scientiae, Spiegel des Wissens.
Unter Wissen ist nicht allein das abstrakte Wissen zu verstehen,
sondern in erster Linie das praktische Wissen, die Arbeit. Die
234
Arbeit ist ein göttliches Gesetz. Darum finden wir, wie z. B.
in Chartres die Darstellung der Handwerke einen so breiten
Raum einnimmt. Die verschiedenen Berufe sind in Fenster-
stiftungen vertreten, aber nicht mit einer einfachen Stiftungs-
inschrift, sondern mit der Darstellung eines genauen Vorgangs
der einzelnen Handwerkszweige. Der Handwerker ist in sein
Berufsgewand gekleidet und mit seinen Arbeitsgeräten ausge-
rüstet. Ja noch mehr, auf einem Glasgemälde in der Kirche
Notre-Dame au Semur ist die detaillierte Darstellung der Tuch-
fabrikation zu sehen, nicht etwa als Stifterscheibe, sondern eigens
für sich. Denn das Fenster enthält sonst nichts. In dieser Zer-
legung der Arbeit ist auch begründet, daß wir so viele
Kalenderdarstellungen finden, obwohl der Tierkreis dem
Heidentume entnommen ist. Solche Monatsbilder finden wir zum
Beispiel in ‘der Rosette der Kathedrale zu Lausanne, in dem
Museum zu Freiburg. Für das Wissen im engeren Sinne des
Wortes hat Vinzenz auf das Buch des afrikanischen Schulmeisters
Martianus Capella zurückgegriffen. Das Buch, Nuptiae Mercurii
et Philologiae betitelt, bringt unter dem anmutigen Bilde eines
philosophischen Hochzeitsgesprächs den gesamten Stoff des aller-
dings manchmal trockenen Wissens der ausgehenden Antike.
An sich ohne größeren literarischen Wert, ist,das Buch für die
Kunst- und Kulturgeschichte des Mittelalters von einschneiden-
der Bedeutung geworden, denn es hat Typen geschaffen, da-
durch daß Capella jeden einzelnen Teil des Wissens durch eine
von ihm geschaffene Figur vortragen läßt. Es sind jene Figuren,
die uns allen unter der Zusammenfassung der sieben freien Künste
des Quadriviums und des Triviums bekannt sind, die Grammatik,
die Dialektik, die Rhetorik, die Geometrie, die Arithmetik, die
Astronomie und die Musik. In der Tat finden wir auf franzö-
sischen Glasmalereien, z. B. in der Rosette zu Auxerre die Dar-
stellung dieser sieben freien Künste, und zwar sind es weibliche
Idealfiguren, die mit einem charakteristischen, allerdings nicht mehr
durchweg mit Capella übereinstimmenden Attribute, versehen sind,
So trägt die Grammatik eine Rute, die Dialektik hat eine Schlange,
die Rhetorik charakterisiert sich durch Rednergebärde, die Arith-
metik steht mit ausgestreckten Händen oder auch mit Rechen-
kugeln da, z. B. auf einem Glasgemälde zu Laon, die Astronomie hält
Tafel 126
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235
das bekannte Beobachtungsinstrument, während die Musik die Harfe
‘ schlägt, später aber mit einem Hammer an aufgehängten Glocken
verschiedenen Tons pocht, wie wir auf einem Glasgemälde zu
Laon bemerken können. Im weiteren Mittelalter kommt dazu
noch die Medizin. Während Capella sich auf weibliche Figuren
beschränkt, hat Vinzenz aus den großen Männern des klassischen
Altertums je einen Vertreter hinzugefügt. Obwohl uns nur mehr
bildhauerische Zeugen dieses Systems, z. B. an dem Chorgestühl
des Ulmer Münsters erhalten sind, so muß es doch einstens ver-
schiedenen Glasgemälden zum Vorwurf gedient haben. Wenigstens
sind aus dem englischen Kloster Sankt Alban Erinnerungen an derlei
Fenster auf uns gekommen. Wir wissen nicht sicher, aus welcher
Zeit die Glasgemälde von Sankt Alban stammen, vermutlich aber
gehören sie dem 14. Jahrhundert an. Sie sind nur mehr aus den
Inschriften unter jenen Fensterflügeln bekannt, die einst die oft
unverständlichen Szenen zu erläutern bestimmt waren. Man
sieht, nebenbei bemerkt, auch in diesem Punkt wieder, wie
groß die Abhängigkeit der englischen Glasmalerei von der
französischen ist. Die Inschriften müssen wir uns unmittelbar
unter die einzelnen Figuren gesetzt denken. Im ersten Fenster
war zu lesen:
I. Doctor eram minimus, docui magis ipse (..... )
Pastor et egregius rexi magis imo regendus,
Mitram deposui, libro studioque vacavi.
Ruffus eam sumpsi loca libris hae cque paravi.
In diesem Fenster war also Abt Ruffus dargestellt. Daran
schlossen sich
I. Die sieben freien Künste:
1. Grammatik:Donatus, Didymus von Alexandrien, Priscianus,
Hugucio.
Rhetorik: Cicero, Sallustius, und Poetik: Musäus, Orpheus.
Dialektik: Aristoteles, Phorphyrius, Plato, Pythagoras.
Arithmetik: Chrysippus, Nikomachus aus Gerasa.
Musik: Guido von Arrezzo.
Geometrie: Euklid, Archimedes.
Astronomie: Ptolemäus, Albumasar.
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ee ID
236
II. Theologie:
1. Jüdische:
a) des Alten Bundes: Moses, Aaron.
b) Talmudisten: Rabbi Moses, Rabbi Salomon.
2. Christliche: Petrus, Paulus, Athanasius, — —?
II. Jurisprudenz:
a) Bürgerliches und canonisches Recht: Justinian, Gra-
tianus, Accursius, Hugutius.
b) Klösterliche Legislatur: Benedict, Augustinus, Ber-
nardus Cassinensis, Nicolaus Trevet.
IV. Medizin: Hippokrates, Galenus, Guilelmus, Brunus.
V. Landwirtschaft: Palladius, Vergil, Petrus, Bartholomäus.
Diese trockene, nur aus der weltfremden, abstrakten Gelehr-
samkeit der Scholastik erklärbare Darstellung hat im Lande des
tiefen Gemüts, in dem Lande der Mystik, keine Gegenliebe ge-
funden; uns ist wenigstens auf deutschem Boden nichts bekannt,
was an den eben geschilderten Gedankenkreis anknüpfen würde.
Aber auch in der Darstellung des Alten und Neuen Testaments
scheidet sich die romanische von der germanischen Auffassung.
Die französische Typik ist weit mehr von der abstrakten Dogmatik
beeinflußt, als die deutsche. Die französischen Glasgemälde er-
regen Bewunderung und Überraschung, die deutschen ermahnen
in schlichter Größe zu christlichem Lebenswandel. Dabei soll
nicht verschwiegen werden, daß beide Gesichtspunkte auf sämt-
lichen erhaltenen Glasgemälden zu beobachten sind, daß sie sogar
manchmal ineinander fließen. Gleichwohl kann man konstatieren,
daß auf den französischen Glasgemälden die dramatisch-realistische,
in Deutschland die zeichnerisch schlichte Note vorherrscht. Als
Beispiel der eigenartigen Kombinationen möge ein Fenster der
Kathedrale in Bourges dienen. Es enthält in fünf großen
Rundmedaillons die Parabel vom barmherzigen Samariter. Die
Zwischenräume an den Rändern sind mit Halbkreisen ausge-
füllt, die Szenen aus dem Alten und Neuen Testament auf-
weisen. Diese Zusammenstellung ergibt folgendes höchst selt-
sames Bild:
Tafel 127
Glasgemälde für den Zirkus Sarasani; entworfen von
Ludwig Kainer, Berlin, ausgeführt von der Glasmalerei
Eckhardt, Charlottenburg.
Gott schafft Sonne und Mond.
Gott erschafft die Eva.
Gott zeigt den Menschen die
Bäume des Paradieses.
Gott hält den Menschen die
Sünde vor. Er trägt zwei
Gesetzestafeln.
Vertreibung aus dem Paradies.
Der brennende Dornbusch.
Die Jüdinnen bringen Ringe
zum Gußdesgoldenen Kalbes.
Christi Geißelung.
Der Mann von Jericho
“ zieht schwer beladen aus.
Die Räuber überfallen den
Wanderer.
Die Räuber ziehen dem
Verwundeten den Rock aus.
Priester und Levit vor dem
Verwundeten.
Der Samariter bringt den
237
Gott erschafft die Engel.
Gott erschafft den Adam.
Der Sündenfall.
Gott führt dem Adam die
Tiere des Gartens zu.
Ein Engel schließt den
Paradiesgarten.
Moses schlägt Wasser aus
dem Felsen.
Die Juden vor dem golde-
nen Kalb.
Christus am Kreuz.
Verwundeten zu einem Gast-
wirt.
Auch in den Darstellungen der marianischen und Heiligen-
fenster liebt die französische Lebhaftigkeit aufgeregte Szenen.
Insbesondere werden die Martyrien der Heiligen mit erschöpfender
Ausführlichkeit wiedergegeben, so z. B. das Martyrium des
hl. Gervasius und Protasius in Le Mans, die Stephanus-, Jakobus-,
Thomas-, Johanneslegenden in Bourges, Chartres und Lyon.
Während des 13. Jahrhunderts wurden diese Legenden neu be-
arbeitet von dem Dominikaner und Erzbischof von Genua,
Jacobus de Voragine (f 1298) in seinem weithin berühmt ge-
wordenen Buche Legenda 'aurea, Die deutsche Glasmalerei hat
sich dem Realismus der französischen Martyrerfenster nicht ge-
neigt erwiesen. Wir finden nur wenige Fenster, auf denen sich
ein Martyrium in einzelnen Szenen abspielt, z. B. das Katharinen-
fenster in Schlettstadt, Münnerstadt, Regensburg, das Martyrer-
fenster in Niederhaslach oder die Erzählung von Johannes dem
Täufer auf verschiedenen deutschen und Schweizer Fenstern.
In den ersten Jahrhunderten ihres Entstehens hat die deutsche
Glasmalerei die Einzelfigur der Szene vorgezogen. Ab und zu
mag wohl ein Legendenfenster im Anschluß an die Miniatur ge-
macht worden sein, wie z. B. im S. Ulrich zu Augsburg. Im
allgemeinen aber herrschte die Einzelfigur, was zu den ästhe-
238
tischen Anschauungen der deutschen Frühzeit über die Glas-
malerei vorzüglich paßte. Hauptsächlich sind es die Propheten
des Alten Testaments samt dem König David, Evangelisten,
Lokalheilige, Madonna mit Kind, oder Christus am Kreuz, unter
dem Johannes und Maria stehen. Wo die französische Kunst-
invasion sich geltend machte, bemerkt man auch Heilige, deren
Kult nur in Frankreich volkstümlich war, z. B. in Eßlingen die
hl. Rusticus, Marcel, Leodegar, Eleutherius und Thomas Becket.
Unter dem Einfluß der französischen Glasmalerei begann man
im 14. Jahrhundert auch am Rhein eine einzige Szene auf ein
ganzes Fenster zu verteilen, z. B. die Anbetung der drei Könige
oder die Kreuzesszene (Köln, Freiburg).
Die deutschen Legendenfenster kommen erst seit dem
14. Jahrhundert in Verbreitung; sie wandeln aber andere Bahnen.
Sofort mit ihrem ersten Auftreten sind sie von einem gebundenen
System beeinflußt, das ebenso absolut herrscht, wie das Speculum
des Vinzenz von Beauvais, und das in verschiedenen, zeitlich
einander sehr nahe stehenden Büchern fixiert worden ist. Diese
Bücher heißen Speculum humanae salvationis, Spiegel des mensch-
lichen Heils, biblia pauperum, Armenbibel, biblia picturata, Bilder-
bibel, concordantia caritatis, Übereinstimmung der Liebe. Trotz
der großen Literatur, die über diese wichtigen Bücher, die Vor-
lagen der gotischen Künstler besteht, ist noch wenig geklärt,
namentlich nicht das Verhältnis, in dem diese Bücher zu ein-
ander stehen. Für das älteste hält man insgemein die Biblia
pauperum, Armenbibel. Woher der Name Biblia pauperum
stammt, weiß man nicht genau. Er findet sich erstmals auf einer
Handschrift in Wolfenbüttel von einem späteren Benützer an-
gefügt. Der Titel kam also zu einer Zeit auf, in der der Inhalt
der Biblia bereits in Fenster- und andere Darstellungen. ge-
drungen war. Die Wolfenbütteler Handschrift kannte bereits
Lessing und er war der Meinung, der Name Biblia pauperum
sei auf das Verschulden des Bibliothekars Lauterbach zurück-
zuführen, der sich durch eine auf der Handschrift befindliche
spätere Bemerkung irreführen ließ. Der Inhalt der Armenbibeln
gibt auch keinen näheren Aufschluß über die Entstehung des
Namens. Aufgebaut auf dem erstmals von dem Verfasser des
Matthäusevangeliums systematisch durchgeführten Satz: Novum
Tafel 128
Glasgemälde nach einem Entwurf von J. Mehoffer, Krakau, ausgeführt von
der Glasmalerei Zelenski, Krakau.
meine neue
A
239
testamentum in vetere patet, vetus testamentum in novo patet,
enthält die Biblia pauperum die wichtigsten Ereignisse aus dem
Leben und der Lehre Jesu. Jeder Szene sind zwei Begeben-
heiten aus dem Alten Testament als Vorbilder beigegeben. Dazu
kommen Prophetensprüche, die Erklärungen spenden. Das
Speculum humanae salvationis kennt zu jeder Szene des Neuen
Testaments noch einen weiteren Typus aus dem Alten Testament,
während die concordantia caritatis den ganzen Apparat typo-
logischen Wissens spielen läßt. Das Speculum ist in der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden, und in einer großen
Anzahl von illustrierten Handschriften erhalten. Man nimmt an,
daß der Dominikaner Ludolff, Prediger in Straßburg, sein Ver-
fasser sei. Die Dominikaner wurden jedenfalls sehr frühe die
Führer des oberrheinischen Mystizismus, der mit Johannes Tauler
(1290— 1361) einen gewissen Höhepunkt erreichte. Aus der Blüte
der oberrheinischen Mystik ist der Geist des Heilsspiegels am
besten zu erklären. Vor allem weist die starke Betonung der
Marienlegende auf den Dominikanerorden, da dessen Stifter
eine besondere Neigung zur Marienverehrung seinem Orden als
Erbe hinterlassen hatte. Sodann macht sich in der Zusammen-
stellung der Vorbilder der den Mystikern eigene Zug geltend,
auch die Profangeschichte zu vergeistigen. Während die leb-
hafte Phantasie der Franzosen sich an den Phantasmen des
Physiologus berauschte, hat das deutsche Gremüt sein Augenmerk
auf ernstere Dinge, auf den göttlichen Plan der Weltgeschichte
gelenkt. Darum finden wir im Heilsspiegel die Einbeziehung
der alten Geschichte in den Vorbildsgedanken. Judentum und
Heidentum weisen, wenn auch im Grade verschieden, gleichmäßig
auf den Erlöser und dessen Reich hin. Wir geben zunächst das
System des Speculum humanae salvationis'):
I. Sturz Luzifers.
Erschaffung Evas. Gott führt dem Adam Versuchung Evas.
die Eva zu.
2. Sündanfall.
Vertreibung aus dem Adam und Eva auf Arche Noahs.
Paradies. der Erde.
!) Die in Kleindruck angegebenen Motive bilden die Vorbilder zu dem darge-
stellten (im Großdruck angegebenen) Hauptthema.
240
3. Verkündigung der Geburt Mariae.
Traim des Astyages, Der verschlossene Garten Balaams Esel
der sieht, wie vor seiner des Hohenliedes (4. Mos. 22)
Tochter Cyrus sproßt. (Kap. 4)
4. Mariae Geburt.
Die Wurzel Jesses. Die verschlossene Pforte Der Tempel Salomons
(Ezech. 44). (I. Kön.).
5. Mariae Darstellung im Tempel.
Der Fisch der Sonne, „ Das Opfer Jephthas Die Perserkönigin
der von Fischern ge- (Richter 11). schaut von einem über-
fangen, Apollo geweiht höhten Garten voll
wird. Heimweh nach ihrem
Vaterland.
6. Mariae Vermählung.
Tobias Vermählung. Der Turm Baris von Der Turm Davids, an
einem Makkabaer dem 1Iooo Schilde
erbaut. hängen (Hohelied 4).
7. Mariae Verkündigung.
Moses vor dem bren- Gedeons Vließ. Rebekka tränkt Eliezer,
-. nenden Dornbusch.
8. Geburt Christi.
Traum ‘von Pharaos Arons Stab. Oktavianus Augustus
Mundschenken. bei der Sibylle.
9. Die hl. 3 Könige.
Die Magier sehen den Die, tapferen Mannen Der Thron Salomons,
Stern in ihrer Heimat. Davids bringen ihm davor die Königin von
Wasser (1. Kön. 23). Saba.
10. Darstellung im Tempel.
Die Bundeslade. Der siebenarmige Darstellung Samuels
Leuchter. im Tempel.
11. Flucht nach Ägypten.
Die Ägypter machen Moses als Kind vor Das Traumbild des
ein Bild: Pharao, nimmt eine Nabuchodonosor.
Maria mit Kind, heiße Kohle in den Mund.
ı2. Taufe Jesu.
Das eherne Becken Heilung Naamaus des Die Arche wird’ durch
im Vorhof zu Jerusalem. Syrers. das trockene |Jordan-
bett getragen.
13. Christus vom Teufel versucht.
Daniel tötet den David tötet Goliath. David tötet Bären
Drachen. ‚ und Löwen.
ı4. Maria Magdalena zu Füßen Jesu.
König Manasses in Der verlorene Sohn. David und Nathan.
Ketten weinend i
(II. Chron. 33).
Tafel 129
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Deren
241
15. Jesus Einzug in Jerusalem.
Jeremias auf den David mit dem Haupt Heliodor für seine
Trümmern Jerusalems. Goliaths wird feierlich Tempelschändung
empfangen. gezüchtigt.
16. Das Abendmahl.
Der Mannaregen. Paschalamm. Das Opfer Melchisedeks.
17. Die Soldaten stürzen vor Jesus im Garten Gethsemane
nieder.
Schamgar tötet 600 Feinde
(Richter 3).
Samson tötet IOOO
Männer mit einem
Eselskinnbacken.
David tötet 800
Feinde.
18. Der Judaskuß.
Saul wirft die Lanze
nach David.
Joab tötet meuchlings Kains Brudermord.
den Amasa.
19. Christus wird verspottet.
Hur wird verspottet. Cham verspottet Noah. Samson wird geblendet.
20. Geißelung.
Lamech wird von seinen
Weibern geschlagen.
Achior auf Befehl des
Holofernes an einem
Baum gegeißelt
(Judith 6).
Job vom Satan und
seiner Frau ge-
schlagen.
21. Dornenkrönung.
Die Konkubine Davids
gibt dem König eine
Ohrfeige (2. Kön. 3).
Simei verspottet
David (2. Kön. 16),
König Amon entehrt
Davids Gesandte
(2. Kön. 10).
22. Christus trägt das Kreuz.
Isaak trägt das Holz.
Jubal und Tubalkain
schmieden Nägel.
Die Winzer töten den Sohn
des Herrn. (Matth. zr.)
23. Kreuzigung.
Jesaias wird zersägt.
Die Kundschafter
mit der Traube.
Der König von Moab
opfert seinen Sohn.
(2. Kön. 3.)
24. Christus zwischen den Schächern.
Traum Nabuchodonosors.
Michol verspottet David.
(II. Kön. 6.)
Jakob erhält Josefs Rock.
David hinter der Leiche
Abners.
Das Opfer des Kodrus.
25. Tod Jesu.
Tod Absalons.
26. Kreuzabnahme.
Adam und Eva beweinen
Abel.
27. Grablegung.
Josef wird in die Zysterne
geworfen.
Fischer, Handbuch der Glasmalerei.
Eleazar tötet einen über
ihn schreitenden Elefanten.
(t. Makk. 6.)
Evilmerodach tötet und
zerstückelt seinen Vater,
Noemis Totenklage.
Jonas vom Fisch ver-
schlungen.
16
242
.28. Christus in der Vorholle.
Die drei Jünglinge im Feuer- Daniel in der Löwengrube. Ein Strauß befreit sein in
ofen.
einem.Glas eingeschlossenes
Junges.
29. Christus tötet den Teufel.
Benajas tötet einen Löwen.
Samson tötet einen Löwen. Aioth tötet den König Eglon.
(Richt. 3.)
30. Maria zertritt den Teufel.
Judith tötet den Holofernes, Jabel tötet den Sisera.
Tomyris tötet den König
(Richter 4.) Cyrus.
31. Christus befreit die in der Vorhölle Gefangenen.
Moses führt die Israeliten Abraham von Jahve aus dem Loth zieht mit den
aus Agypten. Feuer der Chaldaer befreit. Seinigen aus Sodoma.
(Gen. 12.)
32. Auferstehung.
Samson trägt die Tore von Jonas ans Land gespieen.
Gaza.
Der Stein, den die Bauleute
- verwarfen.
33. Himmelfahrt.
Das wiedergefundene Schaf.
Jakobsleiter.
Des Elias Himmelfahrt.
34. Sendung des hl. Geistes.
Der babylonische Turm. Moses empfängt die Gesetzes-
Das Öl in den Krügen
tafeln.
& der Witwe von Sarepta.
35. Maria betrachtet das Leiden Christi.
Anna Tobias Gemahlin, trauert Die verlorene Drachme. Ptholiel weist trauernd die
über dessen Abwesenheit. Hand von Michol ab.
(I. Kön. 18.)
36. Mariae Krönung im Himmel.
David tanzt vor der Arche.
Das Weib im Sonnengewand.
Salomon setzt seine Mutter
(Apocalypsis 12.)
auf den Thron.
37. Maria die Mittlerin zwischen Christus und den Menschen.
Abigail versöhnt David. Thekuites versöhnt David.
(I. Kön. 25.)
Die weise Frau von Abela
(II. Kön. 14.) versöhnt David, indem sie
den Kopf des Aufrührers
Seba vor die Stadt wirft.
38. Schutzmantelbild.
Tarbis, dieäthiopische König-- Abimelech durch den
tochter, schaut auf den anstür-
David durch Sauls Tochter
Steinwurf eines Weibes
menden Moses.
Michol befreit. (I. Kön. XIX.)
getötet.
39. Christus zeigt dem Vater seine Wundmale.
Antipater zeigt dem Julius Maria zeigt dem Sohn ihre Esther bittet den Assuerus
Caesar seine Wunden. Brüste. für das Volk.
40. Das Weltgericht.
Die klugen und törichten Die Parabel von den
Jungfrauen. i Pfunden.
Die schreibende Hand ver
Belsazar in Babylon.
243
41. Die Hölle.
David peinigt seine Feinde. Gedeon straft seine Feinde. Pharao im Roten Meer ver-
(II. Kön. 12.) (Richt. 8.) ‚ senkt.
42. Die Freuden des Himmels.
Die Königin von Saba be-- Das Gastmahl des Königs Das Gastmahl der Söhne
sucht Salomon. Assuerus. Jobs.
Nach diesem Speculum sind z. B. die noch erhaltenen Glas-
malereien der S. Stephanskirche zu Mülhausen entworfen, wobei
freilich im äußeren Rahmen das System der Biblia pauperum,
das System der Dreiteilung eingehalten wurde, während das
Speculum mit seinen drei Vorbildern zu jeder neutestamentlichen
Szene Vierteilung kennt. Es ist bezeichnend, daß gerade wieder
eine elsäßische Stadt sich an das Speculum angelehnt hat. Wie
verhält sich nun aber die Armenbibel zu dem Heilsspiegel? Bis-
her nahm man allgemein an, daß der Heilsspiegel wie die Con-
cordantia caritatis Weiterbildungen der Armenbibel seien, was man
damit begründete, daß der Heilsspiegel drei Vorbilder an Stelle
der Zweizahl in der Armenbibel habe. Zeitlich laßt sich gar-
nichts für oder wider obige Meinung anführen, da die ältesten
Handschriften beider Werke ziemlich gleichzeitig nebeneinander
hergehen. An sich scheint ja bei der Vermehrung der Typen
im Heilsspiegel der Gedanke einer Weiterentwicklung berech-
tigt, da das Einfachere als das Anfängliche gilt. Allein mir will
scheinen, als liege in diesem Falle eine Ausnahme vor und als
sei der Heilsspiegel das Ursprüngliche. Bei seiner Entstehung
innerhalb des Dominikanerordens bekam er ein, weniger prak-
tische Gesichtspunkte betonendes, als unabhängig religiöses Aus-
sehen. Aus diesem üppig blühenden Blumenbeete entnahm eine
einfachere Richtung unter den Klerikern, soviel zu bestimmten
Zwecken nötig, wählte die für Buchschmuck, Wand- und Glas-
malerei geeignetere Dreiteilung. Diese einfachere Richtung
nannte sich pauperes, die Armen. Luttor weist in seiner Studie:
„Biblia pauperum“ daraufhin, „daß die Mönche des Benediktiner-
ordens sich ausdrücklich arm genannt hätten: ‚Arme Christi, arm
mit ihm, dem Armen‘, und daß die bisher bekannten ältesten
Exemplare der Armenbibel (auch die verwandten Glasgemälde)
aus den Benediktinerklöstern stammen. Außerdem ist zu be-
achten, daß die Autoren mystischer Bücher ihren Namen aus
16*
244
Demut verborgen haben.“ Die Pauperes wären also die armen
(demütigen) Mönche und Prediger aus dem Benediktinerorden.
Diese Anschauung Luttors wird durch einen Vers bestätigt, der
sich auf einer Handschrift des Heilsspiegels findet, die im Stift
Kremsmünster aufbewahrt wird und folgendermaßen lautet:
Praedictum proemium de contentis huius libri compilavi
Et propter pauperes praedicatores apponere curavi;
Quod si forte nequiverint totum librum comparare,
si sciunt historias, possunt ex ipso proemio praedicare.
„Das obige Vorwort habe ich aus dem Inhalt dieses Buches
ausgezogen und wegen der armen Prediger anfügen lassen. Wenn
sie das ganze Buch nicht erwerben können, so sind sie imstande,
aus eben diesem Vorwort zu predigen, vorausgesetzt, daß sie die
Geschichten wissen.“ Dieses Vorwort ist nun nichts anderes als
die Armenbibel, also eine Kompilation, ein Auszug aus dem
totus liber, aus dem Gesamtbuch, dem speculum humanae sal-
vationis. In dem Zusammenhang dieses Vorworts hat es nun
allerdings den Anschein, als sei pauper in seiner eigentlichen
Bedeutung arm, unbemittelt, aufzufassen. Wie dem auch sei, wir
können als feststehend erachten, daß die Armenbibel dem prak-
tischen Zweck der Predigt zu dienen hatte, während der Heils-
spiegel mehr ein Buch für den internen Gebrauch in Klöstern
und Schulen darstellte. Wir können an diesem Ort unsere An-
schauung, daß die Armenbibel aus dem Heilsspiegel entstanden
und nicht umgekehrt der Heilsspiegel eine Erweiterung der
Armenbibel sei, nicht im einzelnen dartun, mußten aber wenig-
stens soviel davon erwähnen, da die Armenbibel äußerst frucht-
bar auf die Ikonographie der Glasmalerei eingewirkt hat. In
ihrem Zweck, ein Buch der Predigt zu sein, traf die Armenbibel
mit der lehrhaften Tendenz der mittelalterlichen Glasmalerei zu-
sammen. Nicht in allen Kirchen konnte man den ganzen Zyklus
der Armenbibel festhalten; wo immer es aber ging, wählte man
größere oder kleinere Ausschnitte. Wenn das Wort des Predi-
gers auf der Kanzel verhallt war, so konnte sich das Volk durch
einen Blick auf die Glasgemälde den Inhalt derselben im Herzen
fortwirken lassen. Am vollkommensten war der Zyklus, der
einst das Kloster Hirsau im württembergischen Schwarzwald
zierte.e Abt Parsimonius hat ihn in einem noch erhaltenen, mit
245
vielen Miniaturen versehenen Kodex beschrieben. Zwar wird für
die Entstehung der Biblia von verschiedener Seite jene Typo-
logie als Vorstufe erklärt, auf der sich neben der neutestament-
lichen Szene nur eine alttestamentliche finde. Uns ist außer einer
Altartafel in Klosterneuburg nur ein Glasfenster bekannt, das
ein volles System aufweist, namlich das mittlere Chorfenster zu
Weißenburg i. E. Dieses Glasgemälde entstammt dem Ende des
13. Jahrhunderts, ist also wiederum ein Beweis, wie sehr sich
gerade das Elsaß in der Entwicklung der Typologie hervorgetan
hat. Das Fenster enthält folgende Szenen:
Christus im Himmel thronend. Maria mit Kind.
Christi Himmelfahrt. Des Elias Himmelfahrt.
Auferstehung. Jonas wird vom Fisch ans Land
gespieen.
Christus in der Vorhölle. Auszug aus Ägypten.
Christus am Kreuz. Isaaks Opfer.
Christus an der Geißelsäule. Amon verletzt den Gesandten
Davids.
Abendmahl. Abraham und Melchisedech.
Christus und dieEhebrecherin(?. Salomons Urteil.
Taufe. Durchzug der Ägypter durch
das Rote Meer.
Darstellung im Tempel. Aarons Stab.
Geburt Christi. Enochs Entrückung ().
Man kann an der Deutung der Szene Christus und die Ehe-
brecherin Anstoß nehmen, das unbestreitbare Vorbild Salomons
Urteil weist auf ein Gegenbild hin, in dem Christus den Juden
ebenfalls ein überraschendes Urteil abgibt. Dabei kann man an
das Urteil über die Ehebrecherin denken, das zwar stets das Ur-
teil Daniels im Susannaprozeß als Gegenbild hat. Ebenso ein-
leuchtend ist auch die Deutung: Christus und die Zinsmünze,
wozu Haltung der linken Hand und Geste des links von Christus
stehenden Juden stimmen würde. Wie dem auch sei, weder die
eine noch die andere Szene kommt in der Armenbibel vor und
die Ausarbeitung der einzelnen Szenen geht im Gegensatz zu
allen bekannten Miniaturen ganz eigene Wege. Wir können
daher dieses System als selbständige Äußerung (natürlich inner-
halb der allgemein geltenden Ikonographie) betrachten. Wir
246
geben im folgenden ein aus den verschiedensten uns bekannt
gewordenen Handschriften der Armenbibeln zusammengesetztes
Gesamtbild aller vorkommenden Typen.
ı. Mariä Geburt.
Jesses Stammbaum. Bileams Weissagung.
2. Mariä Vermählung.
Tobiths Vermählung. | Isaaks Vermählung.
3. Verkündigung der Geburt Jesu.
Eva und die Schlange. Gideons Vließ.
(Verheißung Isaaks).
4. Mariä Heimsuchung.
Jethro besucht Moses. Der Levit besucht seinen Schwiegervater.
5. Christi Geburt.
Der brennende Dornbusch. Aarons Stab.
(Geburt Obeds aus Ruth). Die Geburt Johannes des Täufers.
6. Beschneidung Christi.
Beschneidung Abrahams. Beschneidung Isaaks.
7. Die hl. drei Konige.
Abner vor David. Die Königin von Saba.
8. Darstellung im Tempel.
Aufopferung der jüdischen Erstgeburt. Samuels Aufopferung.
9. Flucht nach Ägypten.
Jakobs Flucht vor Esau. Davids Flucht durch Vermittlung Michols.
ı0. Aufenthalt in Ägypten und Zerstörung der Götterbilder.
Zerstörung des goldenen Kalbes. Dagons Sturz.
_ ıı. Der Kindermord des Herodes.
Saul tötet die Priester. Athalia tötet die königlichen Kinder.
12. Rückkehr aus Ägypten.
Rückkehr Davids nach Sauls Tod. Jakobs Heimkehr.
13. Taufe Christi.
Durchgang durch das Rote Meer. Die Kundschafter mit der Traube.
14. Versuchung Christi.
Esau verkauft die Erstgeburt. Sündenfall.
15. Auferweckung des Lazarus.
Elias erweckt den Sohn der Witwe. Elisa erweckt einen Toten.
16. Verklärung auf Tabor.
Abraham und die drei Engel. Die drei Jünglinge im Feuerofen.
17. Christus und Magdalena.
David und Nathan. Maria, die Schwester Mosis, von dem Aus-
satz gereinigt.
247
18. Jesus weint über Jerusalem.
Jesajas Klage. Jeremias Klage.
19. Einzug Jesu in Jerusalem.
Davids Siegeszug nach Goliaths Tötung. Die Prophetenschüler empfangen den Elias.
20. Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel.
Esdras baut den Tempel. Judas der Makkabäer reinigt den Tempel.
21. Judas verhandelt mit den Hohenpriestern.
Josefs Brüder beratschlagen. Absalon wiegelt das Volk gegen David
auf.
22. Judas empfängt die 30 Silberlinge.
Josef an die Ismaeliten verkauft. Josef an Potiphar verkauft.
Abimelech verkauft um 70 Silberlinge
seine Brüder und tötet sie.
23. Das Abendmahl.
Melchisedeks Opfer. Der Mannaregen,
24. Fußwaschung.
Des Moses Fürsprache für das Volk. Der demütige Job.
25. Jesus am Ölberg.
Michaeas vor Achab. Jorams Gesandter am Tore zertreten.
Ezechias betet für das Volk. Susanna betet um Rettung.
26. Verrat des Judas.
Die törichten Jungfrauen. Lucifers Fall.
27. Gefangennehmung Jesu.
Abner von Joab getötet. Tryphon sucht Jonathan zu fangen.
28. Christus vor dem Hohenpriester.
Jezabel tötet die Propheten. Daniel von den Vornehmen verklagt.
29. Verspottung Christi.
Cham verspottet den trunkenen Noah, Die Kinder verspotten den kahlköpfigen
Elisa.
(Onias wird verleumdet.) Hanon beschimpft die Boten Davids.
30. Ecce homo.
Das Volk verklagt den Judas Makkabäus Jonathan beim König verklagt.
bei Demetrius.
31. Geißelung Christi.
Lamech von seinen Frauen verachtet. Job vom Satan geschlagen.
(Abels Ermordung.) (Die Marter der makkabäischen Brüder.)
32. Dornenkrönung.
Die Buhlerin reißt dem König die Krone Simei verhöhnt David.
ab. Davids Verleumdung bei Achis
Samson, geschoren und geblendet. I. Kön. 29, 5.
33. Pilatus wäscht die Hände.
Jezabels Anschlag auf des Elias Leben. Die Babylonier verklagen David.
Phassus schlägt den Jeremias.
248
34. Pilatus’ Urteilsspruch.
Jezabel läßt den Naboth töten. ?
35. Kreuztragung.
Isaak trägt das Holz. Die Witwe von Sarepta mit zwei Hölzern.
36. Christus redet zu den weinenden Frauen.
Abschied Davids von Jonathan. Das Volk trauert üher Judiths Tod.
Jephtas Tochter.
37. Christus der Kleider beraubt.
O©za berührt die Bundeslade und stirbt. David entblößt sich vor der Bundeslade.
Josef seines Rockes entkleidet.
38. Kreuzigung.
Lamech und Tubalkain schmieden Nägel. Jesaja wird zersägt.
Arche Noahs. Jakobs Leiter.
39. Christus mit der Lanze durchbohrt.
Evas Erschaffung. Moses schlägt Wasser aus dem Felsen.
40. Abnahme vom Kreuze.
Josua läßt den König Hai vom Kreuz Davids Befehl, Sauls Söhne vom Kreuz
abnehmen. abzunehmen.
41. Christus auf Mariae Schoß.
Adam und Eva beweinen Abel. Noemi weint über ihre Söhne.
Klage des Volkes über Josias Tod. Klage der Juden auf Judas den Makkabäer.
42. Grablegung.
Josef in die Zisterne geworfen, Jonas vom Fisch verschlungen.
43. Christus in der Vorhölle.
David und Goliath. Samson erdrosselt den Löwen.
44. Auferstehung.
Samson trägt die Tore Gazas weg. Jonas ans Land gespieen.
45. Die Frauen am Grabe.
Ruben sucht Josef. Die Braut sucht den Bräutigam.
46. Christus erscheint der Magdalena.
Daniel aus der Löwengrube befreit. Die Braut findet den Bräutigam.
47. Gang nach Emaus.
Jakob empfängt von Isaak unerkannt des- Der Engel begleitet den Tobith.
sen Segen.
48. Jesus erscheint den Aposteln.
Der Engel spricht zu Gedeon. Jakob ringt mit dem Engel.
49. Christi Himmelfahrt.
Enoch wird entrückt. Des Elias Himmelfahrt.
50. Sendung des hl. Geistes.
Moses empfängt die Gesetzestafeln. Das Opfer des Elias.
51. Mariae Tod.
David und die Bundeslade. Abigail wird vor David berufen.
Tafel 130
Glasgemälde für das Kulturhaus in Marosvasarhely. Entworfen von Sandor Nagy,
ausgeführt von der Glasmalerei M. Roth, Budapest.
249
52. Krönung Mariae.
Salomon krönt seine Mutter. Assuerus und Esther.
53. Weltgericht.
Salomons Urteil. Asahel wird getötet.
54. Die Hölle.
Die Rotte Korahs. Brand Sodoms.
55. Der Himmel.
Gastmahl der Kinder Jobs. Jakobsleiter.
56. Die Belohnung der Auserwählten.
Die Tochter Zions findet ihren Bräutigam. Der Engel zu Johannes sprechend.
Heilsspiegel und Armenbibel sind die hauptsächlichsten
Quellen, aus denen die deutschen Glasmaler des 14. Jahrhunderts
ihre Stoffe geschöpft haben. Freilich konnte man nicht in allen
Kirchen das ganze System durchführen, sondern mußte sich ab
und zu mit Teilen begnügen. In England bildete sich ein eigenes
System aus, das uns durch einen günstigen Zufall wenigstens
der Beschreibung nach erhalten ist. Bei der großen Abhängig-
keit der englischen Glasmalerei von Frankreich, besonders von
der Gegend um Rouen, kann allerdings nicht von einer Eigen-
art im strengen Sinne des Wortes, sondern nur von einer natio-
nalen Weiterbildung fremder Elemente gesprochen werden. Wir
nannten oben alte Glasgemälde in dem englischen Kloster
S. Alban, die erklärende Unterschriften trugen. Diese Inschriften
sind uns bekannt und wir können uns wenigstens auf diese Weise
ein Bild von dem eigenartigen Glasgemäldeschmuck machen,
den einst der Kreuzgang von S. Alban besessen hat. Wie er aus
den Unterschriften rekonstruiert werden kann, so soll er im fol-
genden wiedergegeben werden:
Geburt Isaaks Geburt Christi Geburt Samuels
Einsturz der Mauern Einsturz des Friedens- Einsturz der Götzenbilder
Jerichos tempels bei der Geburt in Ägypten
Christi
Moses schlägt Wasser aus » Elias erbittet von der Witwe
dem Felsen einen Krug Wasser
Elisäus versüßt den bitteren Jesus verwandelt Wasser Moses gibt dem Volk
Quell durch eingeworfene in Wein Wasser in der Wüste
Holzstücke
Der heilende Quell zu Der wundertätige Teich
Nicopolis Siloah
250
Plötzlicher Tod Ozas, der
dieBundeslade unehrerbietig
berührte
Moses teilt das Rote Meer
Moses durchschreitet mit
dem Volke das Meer
Die keusche Susanna
Heilung des Tobias durch
Schwalbenmist
Jakob bereitet dem sterben-
den Isaak ein Essen
Elias erweckt den Sohn der
Witwe
Der Donnergott Javhe er-
schreckt die feindlichen
Völker
Stillstand der Sonne
während Josuas Kampf
List der Gibioniten
Buch Josua Kap. 9
Rat des Königs Ozochias
2. Chron. 20
Die blutflüssige Frau be-
rührt den Saum des Kleides
Christi
Christus gebietet dem Meer
und den Winden
_ Christus und Petrus auf
dem Meere wandelnd
Christus und die Ehe-
brecherin
Heilung des Blinden durch
Christi Speichel
Verklärung auf Tabor
Christus erweckt den Sohn
der Witwe
Die Krieger fallen im
Garten Gethsemane nieder,
als sie Jesum fangen
wollen
Sonnenfinsternis beim Tode
Jesu
Christus verstellt sich auf
dem Weg nach Emaus, als
wolle er weitergehen
Christus und Abgar
Die Hand des Königs
Jeroboam vertrocknet plötz-
lich, als er sie gegen einen
Propheten ausstreckt
Elias teilt den Jordan
Pharao von den Meeres-
wogen ergriffen
Salomons Urteil
Der barmherzige Samaritan
heilt durch reines Öl
Joseph gibt seinem Vater
Jakob in Agypten ein Mahl
Totenerweckung durch
Elisäus
Gott schreckt die Ägypter
durch die zehn Plagen
Dum rex fert signum se
traxit salque retrorsum
List des Achis
Heilung des Königs
Ezechias
Diesem in der mittelalterlichen Typologie wohl einzig da-
stehenden Bild liegt die nicht überall bekannte Erzählung des
Eusebius zu Grunde, daß Christus von dem syrischen Fürsten
Abgar von Edessa einen verehrungsvollen Brief erhalten habe,
den er auch in höflicher Form beantwortet hätte. Eusebius
führt den Briefwechsel im Wortlaut an. Obwohl dessen Erfin-
dung klar auf der Hand liegt, fand diese Korrespondenz bis ins
19. Jahrhundert ernsthafte Verteidiger.
Das Abendmahl
Der Verrat des Judas
Das Manna Das Opfer des Melchisedech
Basia perque doli fert
Amasa vulnera fratri. (Joab
tötet meuchlings den
Amasa?)
Saul will im Wahnsinn den
harfenspielenden David
ermorden
Samson wird geblendet Hur wird verspottet
Christus wird verspottet
David wird von Simei ver-
spottet
Lamech wird von seinen Christus wird gegeißelt
Frauen geschlagen
Die Geretteten tragen an Christus trägt sein Kreuz Isaak trägt das Holz
sich den Buchstaben Thau
Jeremias wird gesteinigt
Absalon bleibt am Baum
hängen
Jakob beweint den tot-
geglaubten Joseph
Joseph wird in die Zisterne
geworfen
Daniel in der Löwengrube
Gott erscheint dem Moses
im brennenden Dornbusch
Entrückung des Henoch
Gesetzgebung auf Sinai
Das Urteil Pharaos über
seinen Hofbäcker und Hof-
Christus am Kreuz
Christus mit der Lanze
durchbohrt
Maria beklagt den toten
Jesu
Grablegung Jesu
Christus in der Vorhölle
Christus erscheint der Maria
Himmelfahrt Jesu
Herabkunft des Heiligen
Geistes
Das jüngste Gericht
251
Jesaias wird zersägt
Eleasar im Heere des Judas
Makkabäus durchbohrt von
unten einen Elefanten des
syrischen Heeres
Abel wird von seinen Eltern
beklagt
Jonas vom Fisch ver-
schlungen
Die drei Jünglinge im
Feuerofen
Die drei Engel bei Abraham
Himmelfahrt des Elias
Verteilung der feurigen
Zungen
Heeresmusterung des
Nabuchodonosor
schenken
Mit dem Heilsspiegel und der Armenbibel sind nun freilich
nicht alle Quellen der Ikonographie erschöpft. Man findet viel-
mehr noch an manchen Orten Glasmalereien, die in keines der
beiden Systeme zu passen scheinen. Eine große Zahl von Glas-
gemälden ist auf den ikonographischen Gesichtspunkt hin noch
gar nicht untersucht, so daß es sich lohnen würde, wenn die
Forschungen an diesem Punkt einsetzen würde, da dadurch manches
Rätsel klar würde. Außerdem sind die meisten Fenster anläß-
lich der verschiedenen Restaurationen beim Wiedereinsetzen der
einzelnen Flügel in Unordnung gekommen, so daß man bei Kon-
servierungsarbeiten über die ursprüngliche Zusammengehörig-
keit im Zweifel ist; schließlich wäre es für unsere modernen Künstler
ein dankbares Feld, wenn sie den großen Ideenschatz, der in
den mystischen Ikonographien zum Ausdruck kommt, in neue
Formen leiten wollten. Wir haben uns daher der Mühe unter-
zogen, eine Reihe alter Handschriften zu durchforschen und alle
uns bekannt gewordenen Typologien zu einem Ganzen zu ver-
einen, das wir im folgenden wiedergeben, soweit Abweichungen
und Ergänzungen zu den im vorausgehenden angeführten Systemen
in Betracht kommen. Um das weitere Studium zu erleichtern,
haben wir die alttestamentlichen Bücher angegeben, aus denen
die Ikonographie geschöpft hat.
252
Verkündigung der Geburt Christi.
Verkündigung der Geburt Isaaks. I. Mos. 18.
Verkündigung der Geburt Samsons. Richt. 13.
Gideons Vließ. Richt. 6.
Die verschlossene Pforte. Ezech. 44.
Der elfenbeinerne Turm. 1. Kön. 10.
Das Manna in goldenen Gefäßen. I. Mos. 16.
Esther küßt das Scepter des Königs. Esth. 8.
Das Rhinozeros schläft im Schlosse der Jungfrau (Naturgesch.).
Mariä Heimsuchung. |
Moses und Aron küssen sich auf dem Berg. II. Mos. 4.
Zwei Cherubim küssen sich. II. Mos. 37.
Geburt Christi.
Jakob bekleidet seinen Sohn mit einem bunten Rock.
I. Mos. 37.
Assuerus gibt Esther einen mit seinem Siegelring gezeich-
neten Brief. Esth. 8.
Der Stein, der sich ohne Menschenhände vom Berge loslöst.
Dans.
Die Erscheinung des Engels bei den Hirten.
Raphael grüßt den Tobias. Tob. 5.
Ein Engel kündigt dem Daniel die Geburt Christi. Dan. 9.
Anbetung der drei Könige.
Die Boten des Königs von Babylon bringen dem Ezechias
Brief und Geschenke. II. Kor. 20.
Der Kindermord.
Pharao läßt die jüdischen Knaben ersäufen. I. Mos. ı.
Antiochus läßt zwei Frauen mit ihren Säuglingen über die
Stadtmauer stürzen. Il. Makk. 6.
Der zwölfjährige Jesus im Tempel.
Der Knabe Samuel zeigt dem Hely sein Traumgesicht an.
12Samg 3
Daniel unter den Weisen Babels. Dan. 2.
Josef weissagt dem Pharao. I. Mos. 41.
Die Taufe Jesu.
Moses wird in das Wasser ausgesetzt. II. Mos. 2.
Moses weiht den Aaron. II. Mos. 20.
253
Elisa gießt Wasser über die Hände des Elias. II. Kön. 3.
Ezechiel sieht Wasser von dem Tempel herausfließen.
Ezech. 47.
Das 4otägige Fasten.
Fasten des Moses, II. Mos. 24., des Elias, I. Kön. 19., des
Daniel, Dan. 13.
Die Versuchung Christi.
Schlangenszene im Paradies. I. Mos. 3.
Esau verkauft sein Erstgeburtsrecht. I. Mos. 29.
Der dürstende David gießt das dargebotene Wasser zu
Boden. II. Sam. 33.
Ezechias zeigt den Boten des Königs von Babylon seine
Schätze. Il. Kön. 2o.
Laban streitet mit Jakob auf dem Berg. I. Mos. 31.
Elisa verachtet die Reichtümer des Naaman. II. Kön. 5.
Die drei Jünglinge verweigern die Anbetung der Statue.
Dan. 3.
Die Verklärung auf Tabor.
Das strahlende Angesicht des Moses. II. Mos. 34.
Jesaja erblickt Gott in seiner Herrlichkeit. Jes. 6.
Die Berufung der Apostel.
Gott schafft die Vögel über den Wassern. I. Mos. 1.
Moses fordert den Elias auf, mit ihm ins verheißene Land
zu ziehen. IV. Mos. 10.
Elias beruft den Elisa vom Pflug weg. I. Kön. 10.
Heilung der Aussätzigen.
Mirjam, die Schwester des Moses wird vom Aussatz ge-
reinigt. IV. Mos. 12.
Heilung des Naaman. II. Kön. 5.
Jesus am Jakobsbrunnen.
Rebekka gibt dem Eilieser zu trinken. I. Mos. 24.
Jakob am Brunnen mit Rahel. I. Mos. 24.
Heilung des Sohnes des Hauptmanns von Kapernaum.
David bittet für seinen Sohn. II. Kön. 12.
Jeroboam schickt seine Frau zum Propheten. I. Kön. 14.
Ezechias wird von Jesaja geheilt. II. Kön. 20.
Abimelech wird geheilt. I. Mos. 20.
254
Stillung des Seesturms.
Die Sonne steht still vor Josua. Jos. Io.
Auf das Wort Samuels erschallen Stimmen vom Himmel.
ISSamaen2:
Elias schließt den Himmel auf. I. Kön. 17.
Die Heilung des Besessenen.
Das Rote Meer. II. Mos. 14. Die Rotte Korahs. IV. Mos. 16.
David vertreibt den bösen Geist von Saul. I. Sam.8. II. Sam. 10.
Die Heilung des Gichtbrüchigen.
Steh auf deine Füße. Ezech. 2.
Nabuchodonosor wird wieder zu der Königsherrlichkeit
erhoben. Dan. 4.
Gabriel richtet den gefallenen Daniel auf. Dan. 8.
Gastmahl bei Levi.
Jakob ißt mit Laban auf einem Stein. I. Mos. 31.
Die Raben bringen dem Elias Speise. I. Kön. ı7.
Habakuk bringt dem Daniel Nahrung. Dan. 14.
Heilung der trockenen Hand.
Heilung der trockenen Hand Jeroboams. I. Kön. 13.
Moses bestreicht den Aron mit Blut. HI. Mos. 8.
Heilung des Tauben.
Eliezer gibt der Rebekka goldene Ohrringe. I. Mos. 24.
Heilung des Stummen.
Die Lippen des Daniel werden gereinigt. Dan. 10.
Des Jesaja Lippen werden von einem Cherubim mit einer
glühenden Kohle gereinigt. Jes. 6.
Die Speisung der Fünftausend.
Elias lebt von dem Öl und Mehl der Witwe. I. Kön. ı7.
David ißt die Schaubrote. I. Sam. 21.
Christus auf den Wassern wandelnd.
Elias und Elisa gehen trockenen Fußes durch den Jordan.
II. Ion 2:
Heilung des Blinden.
Tobias wird durch Fischgalle von seiner Blindheit geheilt.
Tob. 10.
Jonathan kostet vom Honig und seine Augen werden er-
leuchtet. I. Sam. 14.
255
Auf das Gebet des Elias öffnen sich die des Knaben.
M. Kön. 6.
Einzug in Jerusalem.
David am Grabe Abners. II. Sam. 32.
Nehemias Einzug in die Stadt. Neh. 2.
Jephtas Ernennung zum Oberhaupt von Gilead. Richt. 11.
Jeremias auf Trümmern Jerusalems. Klagel. ı.
Die Hochrufe auf Salomon. I. Kön. ı
Triumphzug des Mardochaeus. Esth. 6.
Joseph auf dem Wagen Pharaos. I. Mos. 41.
Tempelreinigung.
.Heliodors Vertreibung aus dem Tempel. H. Makk. 3.
David treibt die Blinden und Lahmen aus der Burg Zion.
IN2Sam..s.
Vertreibung Adams aus dem Paradies. I. Mos. 3.
Athalias Vertreibung aus dem Tempel. II. Kön. ır.
Gott schließt die Tür an der Arche. I. Mos. 7.
Die Türhüter bewachen die Tempelpforte. I. Kön. 11.
Abendmahl.
David tanzt vor der Arche. II. Sam. 6.
Gastmahl des Assuerus. Esth. 1.
Gastmahl des Job. Job. 29.
Fußwaschung.
Abraham wäscht den drei Engeln die Füße. I. Mos. 18,
ebenso Lot I. Mos. 19.
Laban reicht Wasser zur Wacchung: der Kamelsfüße.
I. Mos. 24. i
Ölberg.
Elias auf dem Berge Karmel. I. Kön. 18.
David auf dem Ölberg. I. Sam. ı5.
Schlafende Jünger.
Abner wird von David geweckt und wegen seines Schlafens
gescholten. I. Sam. 16.
Elias wird von einem Engel geweckt. I. Kön. 16.
Jonas wird geweckt. Jon. 1.
256
Judaskuß.
Ein auf einen Baum sich stützender Elefant fällt ins Netz
der Jäger, nachdem der Ast heimlich abgeschnitten ist
(Naturgeschichte).
Fall der Soldaten vor Christus.
Sturz Lucifers. Jes. 14.
Die törichten Jungfrauen werden zurückgewiesen. Matth. 25.
Elias tötet die Feldherren des Ozochias durch Feuer.
II. Kön. ı.
Gefangennahme.
Josef von seinen Brüdern ergriffen. I. Mos. 37.
Samson wird ergriffen. Richt. 16.
Die Bundeslade wird gefangen genommen. I. Sam. 4.
Abraham bindet den Isaak. I. Mos. 22.
Christus vor dem Hohenpriester.
Potiphar verklagt den Josef. I. Mos. 39.
Micha wird von Sedechias auf die Wange geschlagen.
1aRom222>
Selbstmord des Judas.
Tod des Absalon. I. Sam. 17.
Selbstmord des Achitophel. II. Sam. 18.
Dornenkrönung.
Sacharjah läßt eine Krone anfertigen. Zach. 6.
Alchimus gibt dem König Ptolemaeus eine Krone. H.Makk. 14.
Kreuzigung.
Isaaks Opfer. I. Mos. 22.
Das Passahlamm. II. Mos. 12.
Opfer der roten Kuh. IV. Mos. 19.
Eherne Schlange. IV. Mos. 21.
Samson stirbt unter den Trümmern des Hauses. Richt. 16.
Eleasar opfert sich. IH. Makk. 6.
Gebet Jesu für seine Verfolger.
Samuel betet für Saul. I. Sam. 15.
Aron betet für das Volk. IV. Mos. 16.
Christus empfiehlt seine Mutter dem Johannes.
David empfiehlt seine Eltern dem König von Moab. I.Sam.22.
Tobias empfiehlt seinen Sohn der Mutter. Tob. 4.
Tafel 131
fenstern des Spandauer Rathauses
Entworfen und ausgeführt von R. Linnemann, Frankfurt.
Detail aus den Trausaal
ge
ee
Fe
rer
257
Auferstehung.
Der lebende Sperling fliegt ins freie Feld. IH. Mos. 14.
Daniel steigt aus der Löwengrube. Dan. 6.
Das Beil, das auf dem Jordan schwimmt. II. Kön. ©.
Jephta besiegt seine Feinde. Richt. 11.
Christus erscheint der Maria von Magcdala.
Moses verbietet den Berg Sinai zu berühren. II. Mos. 19.
Die Sunnaniterin wirft sich auf dem Berg Karmel zu Füßen
des Elisa. II. Kön. 4.
Christus erscheint den Jüngern.
Josef gibt sich zu erkennen. I. Mos. 45.
Rückkehr des verlorenen Sohnes. Luk. 25.
Christus und Thomas.
Abraham laßt den Knecht die Hand auf seine Leber legen.
I. Mos. 24.
Josef legt die Hand auf die Leber seines Vaters zum Schwur.
I. Mos. 47.
Isaak betastet die Hände Jakobs. I. Mos. 27.
Jakob ringt mit dem Engel. I. Mos. 32.
Gideon und der Engel. Richt. 6.
Himmelfahrt.
Moses geht auf den Berg Nebo um zu sterben. V. Mos. 34.
Der Sündenbock geht in die Wüste. II. Mos. 16.
Moses findet den Stab Arons. IV. Mos. 17.
Pharao setzt den Josef auf den königlichen Wagen. I. Mos. 41.
Sendung des Geistes.
Die Friedenstaube kommt an die Arche. I. Mos. 8.
Weltgericht.
Die Chaldäer werden von Flammen ergriffen. Dan. 3.
Josef gibt seinen Brüdern je ein Festkleid, dem Benjamin
aber fünf. I. Mos. 5.
Der apokalyptische Reiter. Öffbg. Joh. 19.
Der Menschensohn mit der Sichel. Offbg. Joh. 14.
Adam gibt den Tieren Namen. I. Moos. 2.
Josef entscheidet die Träume im Gefängnis. I. Mos. 40.
Moses verurteilt die Kalbanbeter. II. Mos. 32.
Himmel.
Simon zieht mit den Seinigen in die Burg ein. I. Makk. 13.
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. 17
258
Der Inhalt des dritten Buches des Speculum von Vincenz,
des Speculum morale, hat gleich starke Einwirkung auf die Glas-
maler ausgeübt, wie die übrigen und auch in Deutschland intensive
Nachahmung gefunden. Bis das Grundthema der Kampf des
Guten gegen das Böse, in die darstellende Kunst überging, hatte
es von Prudentius über Honorius bereits eine Entwicklung durch-
gemacht. In der Frühzeit war der Kampf selbst dargestellt, an
dessen Statt im ı2. Jahrhundert die Auffassung des Sieges trat.
Die Tugenden sind nicht mehr als streitende, lebhaft bewegte
Figuren wiedergegeben, sondern sie stehen in monumentaler
Haltung als Sieger in dem eben beendeten Kampfe. Namen und
Zahl der Tugenden wurde selbstverständlich von den Theologen
festgesetzt. Zwölf Tugenden sind es, denen ebensoviel Laster
entgegengesetzt wurden. So sind sie in die Fenster der West-
fassade von Notre Dame in Paris, in den Kathedralen zu Paris
und Lyon aufgenommen. Die Tugenden tragen charakteristische
Attribute. Die Laster dagegen sind handelnd dargestellt. Zu
den wichtigsten Paaren gehören zunächst die drei göttlichen
Tugenden und die vier Kardinaltugenden:
Glaube — trägt im Schild einen Götzendienst — Ein Mann betet
von einem Kreuz überragten
Kelch.
Hoffnung — im Schild ein Kreuz.
Liebe — im Schild ein Lamm.
Keuschheit — mit Phönix.
Klugheit — mit Schlange.
Demut — mit Taube.
Starke — gewappnete Frau mit
Löwen im Schild.
Geduld — Stier auf dem Schild.
Sanftmut — mit Lamm auf dem
Schild.
einen Affen an.
Verzweiflung — Selbstmord.
Geiz — wühlt in Schätzen,
Unkeuschheit — Kourtisane mit
Spiegel.
Narrheit — ein Mann mit einer
Keule, führt ein Stück Käse
zum Mund (Volkssitte).
Hochmut — Ritter stürzt mit
seinem Pferd in einen Graben.
Feigheit — Ergreifen des Hasen-
paniers.
Zorn — ein Laie ersticht einen
Kleriker.
Hartherzigkeit — eine Frau gibt
einem Diener, der ihr etwas
reicht, einen Fußtritt.
259
Eintracht — mit Ölzweig auf Zwietracht — häusliche Szene.
dem Schild.
Gehorsam — knieendes Kamel Rebellion — ein Mann erhebt die
auf dem Schild. Hand gegen einen Bischof.
Beharrlichkeit — Krone aufdem Unbeständigkeit — Entweichen-
Schild. der Mönch.
Zu den ältesten Darstellungen der Tugenden und Laster
in Deutschland gehören die Fenster im Westchor des Domes zu
Naumburg, die um das Jahr 1240 entstanden sind. Wiederum
haben wir es mit zwölf Paaren zu tun, allein nur neun Paare
sind mit den französischen Vorbildern identisch, die übrigen weisen
eine andere Vorlage auf. Außerdem kommt auf den Naumburger
Fenstern noch eine andere Eigentümlichkeit zur Wiedergabe.
Die Tugenden sind auf je einen Apostel als deren besonderes
Beispiel verteilt, und als abschreckende Exempel für die Laster
müssen gewisse Grestalten aus der alten Heidenwelt herhalten.
Die Beziehung der einzelnen Apostel und Heiden auf die ent-
sprechenden Tugenden bzw. Laster ist keineswegs von zwingender
Logik, jedenfalls aber geht die Anordnung auf eine, uns aller-
dings unbekannte Vorlage zurück. Es ergibt sich folgendes
System:
Mittleres Fenster Linkes Fenster.
Petrus Fides Perseverantia Paulus
Simon Magus Infidelitas Inconstantia Nero
Jacobus maior Mansuetudo Sapientia Simon
Herodes Insolentia Insipientia Zaroes
Johannes Caritas Pax Thaddaeus
Domitian Avaritia Discordia Arfaxat
Andreas Fortitudo Justitia Jacobus minor
Aegeus Timor Injuria 7
Rechtes Fenster
Philippus misericordia
? intolerantia
Bartholomäus benignitas
Astrages invidia
Matthaeus patientia
Hirtacus ira
Thomas spes
Mesdeus desperatio
Ta
260
Auch im Elsaß begegnen uns verschiedene Tugendfenster in
Mülhausen (um 1330)'!) und in Niederhaslach (um 1400). In
beiden Fällen weicht die Grundanlage von den französischen
"System ab und lehnt sich an die ursprüngliche Idee eines wirk-
lichen Kampfes. Die überlegenen Tugenden durchbohren mit
einer langen Lanze die bereits an den Boden geworfenen Laster.
Ohne Attribute sind die Tugenden dargestellt; darum sagt eine
beigegebene Inschrift, worum es sich bei jeder einzelnen Szene
handelt. Auch in der Auswahl der Tugenden weisen namentlich
die Niederhaslacher Fenster Abweichungen von dem französischen
wie Naumburger System auf.
In enger Verwandtschaft zu den Tugenden und Lastern steht
die Darstellung der Werke der Barmherzigkeit, wie sie ins-
besondere als Vorwurf der Fenster in der Elisabethkirche zu
Marburg und der Stephanskirche zu Mülhausen gedient hat.
Auch die Glasgemälde mit den klugen und törichten Jungfrauen
gehört in diese Kategorie, z. B. auf den Fenstern in Marburg
in S. Walpurgis bei Leoben und in S. Dionys zu Eßlingen. Den
Inbegriff des gesamten neutestamentlichen Geistes gegenüber
dem alten Testament bildet die uralte Gegenüberstellung der
ecclesia und der Synagoge. Ursprünglich waren die Personi-
fikationen dieser beiden Ideen als weibliche Figuren unter das
Kreuz gestellt. Rechts stand die mit Krone geschmückte ecclesia,
das aus der Seitenwunde ausströmende Blut in einen Kelch auf-
fangend, links aber stand die Synagoge mit zerbrochenem Scepter
in der Hand. Die Krone entfällt dem Haupt und eine Binde
bedeckt die Augen. So ist die Szene auf einem Glasgemälde
in der Kathedrale zu Bourges, in einem Fenster zu S. Kunibert
in Köln dargestellt. Öfters findet sich die Gegenüberstellung
auch ohne Kreuzigungsgruppe, z. B. in Le Mans, in Mülhausen,
im Dom zu Halberstadt.
Mit diesem Formenschatz ist die Glasmalerei bis zu ihrem
Niedergang überall ausgekommen. Ab und zu finden sich einige
Weiterbildungen oder kleinere Neuerungen, wie z. B. die Dar-
stellung der Io Gebote (Niederhaslach, Köln), der sieben Sakra-
mente (Augsburg), des Meßopfers und spät auch des Rosenkranzes
!) Davon abhängig die Fenster in Hall und Thüngenthal.
261
und der Kreuzwegstationen. Mit der Glaubensspaltung hat sich
auch eine Konfessionalisierung der Glasgemälde geltend gemacht,
insofern da und dort Reformatoren in Kirchenfenstern dar-
gestellt wurden, so z. B. Gustav Adolph. Da aber die protestan-
tische Konfession auf gemalte Darstellungen religiöser Personen
keinen Wert legte, kommt die Glasmalerei in protestantischen
Kirchen nicht mehr in Betracht. Selbstverständlich ist die Wahl
des Stoffes Sache der Besteller und Stifter, und in letzter Instanz
der kirchlichen Behörden gewesen, und so verhält sich die Sache
auch heute. Kein Künstler wird sich weigern, die von dem Auf-
traggeber gewünschte religiöse Szene in dessen Sinn auszuführen;
es wäre aber andererseits sehr zu wünschen, wenn die kirchlichen
Kreise den Glasmaler immer mehr von Aufgaben entbinden
würden, die nun einmal mit dem wahren Wesen der Glasmalerei
absolut nicht in Einklang zu bringen sind, z. B. die Darstellung
der Madonna von Lourdes, überhaupt süßlicher Szenen. Der
Ideenschatz unserer alten Theologen und Prediger ist, wie wir
gezeigt haben, so reich und fruchtbar, daß er noch unendlich
viele Benützer zur Arbeit einladet. Sumptus nec consumitur!
Die ersten Darstellungen weltlicher Stoffe auf Glasgemälden,
die nicht in Kirchen sich befinden, treffen wir in Frankreich,
wenn wir von den heraldischen Figuren auf oberrheinischen
Glasmalereien absehen. Zu den ältesten gehört ein Glasgemälde
auf Schloß Sassangy (Saöne-et-Loire). Es ist ein berühmtes Stück,
da man es als die Darstellung einer Familienszene aus der adeligen
Gesellschaft ansah: Herr Eduard von Beaujeu verführte beim
Schachspiel die Tochter eines Herrn de la Bessee. Diese Tat
vollzog sich um 1400, während das betreffende Glasgemälde
ca. 40 Jahre später entstanden ist. Nach den Ausführungen
Begules lag also kein Grund vor, in so später Zeit auf diese Tat
zurückzukommen, so daß es sich bei dem fraglichen Glasgemälde
lediglich um ein Genrebild, eine Schachbrettszene handelt. Mit
dem Aufblühen des Kupferstichs und des Holzschnitts drang der
ganze weltliche Gehalt der Kunst des ausgehenden Mittelalters
und der Renaissance in die Glasmalerei ein. Damit traf die
von Italien und den Niederlanden ausgehende Bewegung zu-
sammen, das weltliche Gebäude ebenfalls künstlerisch ausgestalten.
In der Butzenverglasung hatte man ein bequemes Feld für Ein-
262
setzen von einzelnen Scheiben. Die Reichhaltigkeit der von den
Glasmalern übernommenen Stoffe kann in diesem Zusammenhang
auch nicht einmal andeutungsweise wiedergegeben werden. Die
Stiche der großen und kleinen Graphiker sind teils in Kopien
auf einzelnen Scheiben in der Kabinettsmanier gemalt worden,
teils haben sie als Oberlichtsszenen die in ungeheurer Anzahl
hergestellten Wappenscheiben geziert. Dabei sind Szenen aus
der Vaterlandsgeschichte (vgl. dabei besonders die Schweizer
Scheiben) aus dem täglichen Leben, aus der Mythologie heran-
gezogen worden. Die moderne Glasmalerei greift ihre Stoffe
mit Vorliebe aus dem täglichen Leben. Sie paßt dieselben dem
Raume an, den das Glasgemälde schmücken soll. So finden wir
in Kinderzimmern die Darstellung der beliebtesten Volksmärchen,
in Boudoirs und größeren Zimmern stimmungsvolle Genres aus
der Natur, besonders auch dem Tierleben. Beruf und Sport,
Handel und Industrie, alle öffentlichen Interessen und Ämter hat
die Glasmalerei in den Dienst ihrer Darstellung gezogen und
auch von diesem Gesichtspunkt den Nachweis erbracht, daß sie durch
und durch eine im besten Sinn des Wortes moderne Kunst ist.
1.
Die gesellschaftliche und materielle Lage
des Glasmalers.
Wie alle anderen kunstgewerblichen Berufe ist auch das
Handwerk des Glasmalers aus der Tätigkeit der operaii, der
Hörigen in königlichen Pfalzen und Villen hervorgewachsen. Zu
einer Pfalz oder einem königlichen Meierhof gehörten außer den
Feldarbeitern die verschiedenen Handwerker, wie Sattler, Schuster,
Schmied, aber auch Waffen- und Edelschmied, kurz alle, die zur
Ausstattung einer königlichen Wohnung wie zur Verfeinerung
des täglichen Lebens beitragen konnten. Sie waren jenen, die
die den einfachsten Tagesbedürfnissen dienten, völlig gleich er-
achtet. Nach dem Muster des Königshofes richteten sich die
Klöster ein, jedoch mit dem besonderen Vorteil, daß sie ganz
unentbehrliche Kräfte in den geistlichen Verband aufnahmen,
um sie desto fester an das Kloster zu ketten. Wenn nun fast
alle Namen von Glasmalern der Frühzeit auf den Zusammenhang
mit den Klöstern weisen, so begreift sich dies aus der Tatsache,
daß die Kirchen in erster Linie die Tätigkeit der Glasmaler in
Anspruch nahmen. Eigentlich ist der Ausdruck Glasmaler in
diesem Zusammenhang sehr verfänglich. Die älteste Bezeichnung
lautet vitrearii oder vitriarii, Glaser. Zweifellos haben bereits in
den fränkischen und später karolingischen Pfalzen solche vitriarii
Glaser ihr Handwerk ausgeübt. So nennt eine Urkunde Karls
des Kahlen im Jahre 863 den vitrearius Baldricus und vitrearius
Ragerulfus mit Frau und Kindern. Diese vitrearii wurden gleich
den Goldschmieden und anderen, wie wir es heute nennen,
Handwerkern und Kunsthandwerkern als artifices bezeichnet.
Wenigstens heißt es von dem Abt Benedikt von Wiremouth
264
um 700, daß er sich aus Frankreich vitri factores, videlicet arti-
fices Britannis eatenus incognitos habe kommen lassen. Die
Glaser waren also in der Karolingerzeit Hörige der Klöster.
Solange es sich um die einfache Verglasung oder höchstens
Kunstverglasung handelte, lag kein Grund vor, ein besonderes
Augenmerk auf die vitrearii zu haben. Erst als die figürliche
Glasmalerei in Übung kam und man es dabei mit technischen,
diskret zu hehandelnden Kunststücken zu tun hatte, empfahl es
sich, die Mönche selbst für die Ausübung der Glasmalerei zu
interessieren. Von Ludwig dem Frommen wird gerühmt, seine
Freigebigkeit gegen die Alleruntersten sei so groß gewesen, daß
er dem vitrearius Stracholfus, dem Hörigen des hl. Gallus (des
Klosters S. Gallen), alle seine Kleider habe schenken lassen.
Stracholfus hat den König während des Aufenthalts in S. Gallen
bedient. Der vitrearius Stracholfus gehörte also zu den untersten
Klassen‘), Kaum war aber die Glasmalerei in die verschiedenen
Klöster eingedrungen, da änderte sich sofort die Lage der vitrearii.
An die Stelle der Hörigen traten Kleriker, Kloster- oder Welt-
geistliche. Aus den Akten des Klosters Le Mans teilt der Abt
Lottin mit: Wilhelm der Glaser, Kanonikus, habe sein eigens
Haus, das er sich durch die Arbeit seiner Hände hatte erbauen
können, verkaufen lassen, und im Martyrologium dieses Klosters
wurde sein Andenken bis zum Jahre 1790, dem Jahre der Saku-
larisation des Stiftes, mit den Worten weiter geführt: Eodem
die obiit Guillelmus vitriarius, istius ecclesiae canonicus (ca. 1100).
Dieser Glaser Wilhelm war also Kanoniker und unterschied sich
sehr wesentlich von dem Stande der Hörigen.’) Von dem Bischof
Gottfried von Auxerre (1052—1076) wird berichtet, er habe mit
dankbarer Zustimmung seines Kapitels verschiedene Männer zu
Ehrenkanonikern gemacht, nämlich einen berühmten Goldschmied,
einen geschickten Maler und einen ausgezeichneten Glaser.?) Wir
t) Pertz Mon. Germ. II, S. 763: Hludovici liberalitas usque ad infimos adeo
pervenit, adeo ut Stracholfo vitrearo, servo S. Galli, totam vestituram suam tunc sibi
servienti praeceperat dari.
*”) Hucher, Calques des vitraux peints de la cathedrale de Bourges 1864.
®) Dieser Bischof „vir providus et benignus excogitans ecclesiae suae quascum-
que poterat temporales et aeternas utilitates elegit etiam, cum laude et cum gratiarum
capituli sui actione, quosdam, quos gratis canonicos ad praefinitam oboedientiam con-
Tafel 132
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Glasgemälde, unter Verwendung antiker Motive entworfen und
ausgeführt von der Hofglasmalerei F. X. Zettler, München.
265
können im Zusammenhang damit die pueri, von denen im Briefe
des Abtes Gozbert von Tegernsee die Rede, als Scholaren, junge
Kleriker, ansprechen. Am Hofe des Bischofs Godehard von
Hildesheim lebte ein junger Künstler aus vornehmen Geschlecht,
der außer mit seinen Berufsgenossen sehr gerne mit „jenen ver-
kehrte, die Fenster machten“.!) Das ıı. und 12. Jahrhundert kennt
also in erster Linie angesehene Kleriker als Schöpfer von Glas-
malereien. Von dieser Tatsache fällt ein glänzendes Licht auf
die Hochschätzung, deren sich die Glasmalerei allenthalben er-
freute. Der Name vitrearius ist geblieben, aber seine Bedeutung
hat sich gehoben. Die Glasmaler werden meistens zusammen mit
den Malern genannt. Sie wohnten auch in vielen Klöstern mit
diesen in einem Trakt; so ist dies z. B. für das Kloster Salem
am Bodensee bezeugt. In Köln erscheint um die Mitte des
12. Jahrhunders der Name fenestrator, während der Abt Suger
von S. Denis die Glasmaler einfach magistri nennt. Beilaufig
bemerkt, ist nach den Worten Sugers die Glasmalerei eine so
bedeutende Sache, daß deren tüchtigste Meister weithin Ruf
genießen: „Wir haben die Glasfenster durch viele Meister aus
verschiedenen Nationen malen lassen.“ Die Betätigung der Glas-
malerei durch Weltgeistliche und Mönche dauerte durch das
ganze Mitteltalter, wenn auch mit verschiedenen Einschränkungen
und mit abnehmender Tendenz. Namentlich in Italien widmeten
sich Mönche der Glasmalerei. So glaubt u. a. Giusto”) annehmen
zu können, daß die ältesten Glasmalereien der Basilika zu Assisi
von Franziskanermönchen im 13. Jahrhundert ausgeführt worden
seien. Diese hatten zur Mitarbeit Laien, aus denen dann zahl-
reiche Glasmalerfamilien, namentlich in Venedig und Murano,
hervorgingen. Die Stiftung des hl. Franziskus kannte außer der
ersten und hauptsächlichsten Klasse noch einen sogenannten
dritten Orden, dem unter gewissen leichten Bedingungen Laien
beiden Geschlechts beitreten konnten. Es ist wiederholt bezeugt,
stituit, aurifabrum mirabilem, pictorem doctum, vitrearium sagacem alios necnon, qui
singuli prout cuique erat facultas, in officiis deservirent. (Labbe Nor. Bibliot.
MSS. I, 453.
2) Leibnitz, Script. vet. rer. Brunsvic. I, 500: interdum et pictoribus et eis qui
fenestras componebant, se admiscuit, inter quos etiam utiliter operosus exstitit.
2) Giusto le vetrate di S. Francesco d’Assisi 1912, S. 28ff.
266
daß diesem dritten Orden Glasmaler als „Brüder“ angehörten.
Die Tradition vererbte sich in Assisi außerordentlich lange. Noch
im Jahre 1812 wird ein Mönch erwähnt, der an den Glasmalereien
zu bessern hatte. Außer den Franziskanern widmeten sich auch
die Karmelitermönche der Glasmalerei. So erfahren wir, daß im
Jahre 1387 Giovanni Betti, monaco carmelitano, ein Fenster für
die Taufkapelle des Domes zu Pistoja ausführte. Während also
in Deutschland die Benediktiner sich um die Glasmalerei ver-
dient machten, waren es in Italien die Minoriten, die dieser
Kunst eine besondere Pflege entgegenbrachten. Weltgeistliche,
denen eine kleine Pfründe beschieden war, suchten nicht selten
ihre mageren Einkünfte durch Beschäftigung mit der Glasmalerei zu
erhöhen. So erfahren wir, daß der berühmte Glasmaler Barto-
lomeo di Tommaso Fiorentino (erste Hälfte des 15. Jahrhunderts),
der Meister verschiedener Fenster, z. B. zu Pistoja für S. Stefano
d’Empoli, Gutleutpriester in Valdarno inferiore, dann Pfarrer von
S. Croce sul Arno war. Laut einer Urkunde vom 21. März 1425
bekommt „Meister Thoman, der Glaser, pfarrer zu Hollabrunn,
ein Judenhaus als Lohn für ‚verglasen der Newn kapellen in
vnserer Burg zu Wien‘.“ Der Pfarrer Thoman, mit dem Familien-
namen Pawngarten, hatte ein Haus in Wien, wahrscheinlich als
Werkstätte, und arbeitete mit Gesellen. Nicht überall hat man
sich die Arbeit der Glasmaler geistlichen Standes gefallen lassen,
sondern sie da und dort als Konkurrenz gegen die Tätigkeit
der Laien bekämpft. So ist in einer Glasmalerordnung der Stadt
Freiburg i. Br. vom Jahre 1484 bestimmt: „Priester mögen wol
in selbs (d. h. für sich selbst, für eigenen Gebrauch) glaswerck
machen, doch niemen anderen.“ Diese Bestimmung wurde im
Jahre 1513 verschärft. Auf die Klage der Glaser verordnete
der Rat: „wenn hinfür die glaser, so sie seßhaft sint und zünftig,
alweg in erfarung haben, und wo sy erfunden, das die geisch-
lichen umb lon ouch usserhalb irer closter und heusser glasent,
so solend sy die selben einem ersamen rat anbringen, so wils
ein rat nach sinen vermogen abstellen.“') Auch die Bestimmung
des Züricher Rates im Jahre 1516 hatte eine scharfe Spitze gegen
die geistliche Konkurrenz: „weder geistlich noch weltlich mach
I5Geigestar 2102852088
267
kein gebrennt schyben noch ruten werch er habe es dann ge-
lernt... welicher priester oder geistlicher (Mönch) wölle glasen,
derselb solle kein knecht anstellen.“!')
Diese zielbewußten Kämpfe treten verhältnismäßig spät auf.
Das hängt damit zusammen, daß sich die Glasmaler erst spät
nach Zunftart organisieren konnten, weil ihr Gewerbe stets unter
einer gewissen Beschränkung auf zahlkräftige Kreise litt. Die
Glasmaler haben sich nie große Vermögen zu erwerben ver-
standen. Darum neigten sie von Anfang zu dem Streben, sich
irgend einen Nebenberuf zu sichern, wenn sie sich nicht der
Existenzsicherung wegen von vornherein an gewisse Personen
verdingten. So hat sich obengenannter Fulko in den Dienst des
Konventes von S. Albin zu Anvers gestellt: „Eines Tags kam
ein Mann, namens Fulko, ausgerüstet mit der Kunst des Malens,
in das Kapitel zu S. Albin und schloß folgenden Vertrag. Er
muß das ganze Kloster ausmalen und die gläsernen Fenster
machen. Er wurde Bruder und außerdem als freier Mann des
Abtes erklärt. Mönche und Abt gaben ihm einen Weinberg als
. Lohn und ein Haus unter der Bestimmung, daß er es während
seiner Lebzeiten benutzen und daß es nach seinem Tode an das
Kloster zurückfallen solle, es sei denn, daß er einen Sohn habe,
der die Kunst seines Vaters handhaben und so dem hl. Albinus
dienen könne.“ Das Lehen, das Fulko bekam, war also ge-
wissermaßen ein Berufslehen, das an dem Beruf des Malers und
Glasers hing. Man sieht, wie langsam der Betrieb der Glasmalerei
vonstatten ging. Die Notiz über diesen Fulko ist auch das älteste
‘ Beispiel für die Verbindung von Malerei und Glasmalerei
in einer Person. Der Meister Nicklas in Augsburg wird eben-
falls Maler genannt (1373),?) ferner der Glasmaler „Michael pictor
de civitate Zwettl“ (f 1337). In Breslau hat „Magister Conrad
der Maler globit den Monchen czum Brige ı2 Tafeln Glaswerchs.“
In den Hüttenbüchern des Ulmer Münsters stehen folgende be-
merkenswerte Einträge: „1417 maister Jakoben dem mauler geben
20 Gulden von dz fenster wegen. Item 4 Pfund dem Mauler
Lukas (Moser?) von gleser ze machen in dz hus.“°) 1419 malt
!) Meyer, Die schweizerische Sitte der Fenster-- und Wappenstiftungen, S. 334.
?) Bruno Bucher, Geschichte der technischen Künste I, S. 74.
3) Repertorium für Kunstwissenschaft 1910, S. 416.
268
„maister Simon der maler“ ein Fenster für S. Michael zu Wien;
ebenso 1451 „Caspar der Maler“. 1480 pessert „maister Hanns
Red der Maler“ die Gläser im Rathaus zu Wien.‘) Gegen Ende
des 15. und während des 16. Jahrhunderts mehren sich die Fälle,
in denen die Glasmalerei Nebenberuf des Malers ist. Das hängt,
wie wir an anderem Ort gezeigt haben, zum großen Teil mit
der Entwicklung der rein kunstgewerblichen zur künstlerischen
Glasmalerei zusammen.
Außer glaser, maister tragen die mittelalterlichen Glasmaler
den Namen „schiltaere“; so z. B. in den Dichtungen Wolframs von
Eschenbach.°) Schiltäre sind vom Maler geistlicher Stoffe ver-
schiedene Künstler, die Glas- und Wappenschilder bemalten. Ver-
gleiche zum Beispiel die Neuordnung „von der schilter, geistlicher
Maler, glaser etc.“ zu Wien im Jahre ı410. In dieser Neuordnung
werden zum erstenmal die verschiedenen kunstgewerblichen Ge-
biete auseinander gehalten. Es heißt daselbst: „Von der schilter,
geistlicher maler, von glasern, von goldslahern (Goldschmiede) und
auch von denen, die nur slechts (schlichtes, einfaches) glaswerch
kunnen und nicht geprants ...“. Im 13. und 14. Jahrhundert
also faßte man diejenigen, die weltliche Stoffe auf Glas malten,
unter die schiltere zusammen, während die Meister großer kirch-
licher Aufgaben den Namen glaser führten.
Zu einer Standesorganisation konnten die Glasmaler nur
sehr langsam gelangen, da an einem, wenn auch größeren Ort,
die Aufgaben nicht so reichlich waren, um eine Mehrheit von
Glasmalermeistern sicher zu ernähren. Mit dem Aufblühen der
Zünfte lag es auch im Interesse der Glasmaler, einer bestimmten .
Zunft angegliedert zu sein. Von selbst empfahl sich dabei die
Zunft der Schilter, in der die Maler saßen, und die schon wegen
des Zusammenhangs der Glaser mit den Schiltern am ehesten
in Betracht kam. Dieser Verzunftungsprozeß muß sich im Laufe
des 14. Jahrhunderts vollzegen haben. Das 14. Jahrhundert war
DEReill 22220 SE 25r
2) Der tjoste venster was gesniten
mit der Glawine wit
alsus malet der strit:
wer gultes den Schiltären
ob ihr farwe alsus wären!
269
die nie mehr in dieser Ausdehnung wiedergekehrte Blütezeit des
Handwerks. Die mächtig sich entfaltenden Städte hatten alles
Interesse an einem möglichst kräftigen Handwerkerstand. Sie
begünstigten die Bildung von handwerklichen Großbetrieben,
die sich während des ı5. Jahrhunderts zu Unternehmerfirmen
ausdehnten. Darum unterstützten die Städte alle zünftig orga-
nisierten Handwerker gegen wandernde Meister, gegen jede Art
unlauteren Wettbewerbs und machten bei ihrem Kampf nicht
einmal bei den in einer Vorzugsstellung befindlichen Geistlichen
Halt. Wir haben daher verschiedene scharfe Bestimmungen der
Stadträte, die den Glasmalern das Fortkommen erleichtern sollten.
Die älteste uns bekannte Ordnung ist die Glaser- und Glasmaler-
ordnung von 1410 der Stadt Wien: „Von der schilter, geistliche
maler, von glasern, goldslahern wegen uns auch von die nur
slechts glaswerch kunnen und nicht geprants usw.“ Darin wird
bestimmt: Der Glasmaler solle zur Erprobung seiner Meister-
schaft „machen ain stuckh ainer kaufellen lankch und glaswerch
mit pilden, das sol darjn geprant sein und das mit sein selbs
hant, das sol er tun in vir wochen“. Alle jene, die „slechts glas-
werch arbaittend vnd geprants werch nicht kennen“, sollen be-
weisen, daß sie „des slechten Glaswerch Maister“ sein konnten.
In „der newordnung der maler, schilter, glaser“ usw. vom 20. Juli
1446 wird beigefügt: Der um die Meisterschaft sich bewerbende
soll „entwerffen und malen ein pild von Glaswerch ain Kaufellen
lanckh, das sol darein geprant sein“'). Offenbar wurde die erste
Ordnung von einigen Prüflingen dadurch umgangen, daß sie
sich die Visierung durch jemand anderen anfertigen ließen, wo-
mit der Wiener Rat gar nicht einverstanden war und daher aus-
drücklich verfügte, wer Meister werden wolle, müsse beides ver-
stehen, das „entwerffen und malen“. Wir können das Milieu, aus
dem diese Verordnungen erwachsen sind, leicht und sicher ergänzen.
Nur wer die Meisterschaft auf rechtem Weg erworben hat, darf
das Gewerbe ausüben. Zur Meisterschaft führt der Befähigungs-
nachweis für „entwerfen und malen“. Trotz solcher scharfen
Bestimmungen sind die Glasmaler erst spät bestimmten Zünften
angeschlossen worden. In Zürich war die Zahl der Glasmaler
DERerlaa na OST
270
im Jahre 1471 noch so klein, daß sie vom Zunftzwang ausgenommen
waren‘). Zur Zeit der höchsten Blüte der Glasmalerei in der
Schweiz traten die Glasmaler mit Vorliebe in die Zunft ein, der
die Maler angehörten. Auch in München traten die Glasmaler
bis ins 17. Jahrhundert in die Zunft der Maler. Je mehr seit
dem 16. Jahrhundert die Bedeutung der Zünfte gegen die Stellung
der Fürsten in den Hintergrund trat, desto mehr empfahl sich
für die bedeutenderen Glasmaler, in den Dienst der Fürsten zu
treten. Bereits im Jahre 1516 bekommt der Augsburger Meister
Hans Knoder „der Hofmaller“ von Kaiser Maximilian I. glas-
malerische Aufträge. Besonders lehrreich ist in dieser Beziehung
die Verhandlung König Ferdinands I. mit seinem „Hofglaser“
Urban Telchinger und Paul Dax, dem Hofmaler wegen eines
Auftrags für die Burg zu Innsbruck®. Am Hofe Wilhelms V.
von Bayern wirkte seit 1574 der „fürstliche Hofglaßer Hans Höben-
streyt“, spater der „fürstliche Hofglaßer Georgus Hobenstreyt“.
Als zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die Glasmalerei zu neuem
Leben erweckt wurde, da zog der bayrische König Maximilian I.
den Mann, der sich um jene Neubelebung besonders verdient
gemacht, Sigismund Frank, an seinen Hof. Bis um das Jahr 1870
blieb die Glasmalereianstalt eine königliche Sache. Ähnlich war
es auch an anderen fürstlichen Residenzen. In neuerer Zeit fand
die Glasmalerei ihre Pflege in größeren oder kleineren Instituten.
Nicht immer war der Leiter einer solchen Anstalt künstlerisch
oder technisch vorgebildet. Gleichwohl muß konstatiert werden,
daß die Gegenwart der Glasmalerei eben auf jenem wagemutigen
Unternehmertum der achtziger Jahre beruht. Ihm haben wir zweier-
lei zu danken. Es hat, ohne auf die Ungunst der Verhältnisse zu
achten, die Liebe zur Glasmalerei in weitere Kreise getragen, und,
was uns fast noch wichtiger erscheint, in eben den Künstlerkreisen
das Verständnis für die Eigenart der Glasmalerei wachgerufen.
Das letztere will sehr viel heißen. Denn wer weiß, mit welchem
Starrsinn die ungesunde Bevormundung des Kartons durch die
Tafelmalerei gerade in führenden Künstlerkreisen festgehalten
’) Lehmann a. a. ©. S. 221. Über die Zünfte in anderen Städten siehe
W. Wackernagel, Geschichte der Glasmalerei S. 66.
2) Siehe Fischer, Die Beziehungen der Augsburger Glasmaler und Rißzeichner
zum Hause Kaiser Maximilians I. Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei I, S. 96, 108fl.
wurde, der muß es jenen Leitern von Glasmalereianstalten danken,
daß sie mit Zähigkeit und von besserer Einsicht geleitet ihre
Glasmaler auf die Gerüste vor die Werke der Alten gestellt
haben, damit sie von dort die rechte Stilistik und Technik mit-
brachten; und sie haben sie mitgebracht. Die Unternehmer
jener Zeiten sind die Väter der modernen Glasmalerei. Nun
lehnen sich, wie es ja immer ist, die jüngeren gegen die älteren.
Mit großer Schnelligkeit hat sich das Verhältnis umgedreht.
Während bisher die Anstalten, die mit Aufträgen bedacht wurden,
sich je nach deren Eigenart die Künstler herausgesucht haben,
ergeht in der Gregenwart der Ruf vom Bauherrn bezw. Bauleiter
häufig direkt an einen bestimmten Künstler, daß er Kartons
entwerfe und ‘dort ausführen lasse, wo es nach seiner Meinung
am besten geschieht. Der Inhaber einer Glasmalerei tritt gegen
den entwerfenden und bisweilen auch ausführenden Künstler
zurück. Dadurch sinkt die Bedeutung des Inhabers immer mehr
und zwar um so gründlicher, je weniger derselbe ein aktives
Verhältnis zur Glasmalerei hat, vielmehr kaufmännisch arbeitender
Leiter des Materialwesens und Malpersonals ist. Auf derartige
Verhältnisse drängt der gegenwärtige Stand der Entwicklung.
Begreiflicherweise setzen sich jene Glasmalereianstalten, deren
Inhaber und Leiter selbst Künstler sind, einem solchen Prozeß
gegenüber zur Wehr und verteidigen jenen Zustand als Ideal,
indem der entwerfende Künstler sein eigener Glasmaler ist. Wir
geben ohne weiteres zu, daß auch wir nach wie vor die Ver-
bindung von Künstler und Techniker in einer Person für das
von Ort und Zeit unabhängige Ideal in der Glasmalerei halten.
Allein wir bringen auch jenen Anstalten Verständnis entgegen,
die mit keinem anderen Anspruch auftreten, als getreue Ver-
mittler der Intentionen eines Künstlers zu sein‘). Wir wenden
uns nur gegen solche Glasmalereiinstitute, die auch noch heute
im reinen Unternehmertum stecken geblieben sind, die die
Glasmalerei einer Fabrikware gleich erachten, bei der das Prinzip
der Arbeitsteilung Gewinne abwerfen muß, um die gerade für solche
Anstalten hohe Spesen zu decken. Binnen kurzem werden sich
!) Vergleich dazu den Meinungsaustausch Heinersdorff-Linnemann in der Zeit-
schrift für alte und neue Glasmalerei I, S. 126, 138.
272
größere oder kleinere Künstlergruppen eine eigene Glasmalerei
halten, zunächst noch auf den Namen und die Rechnung eines
selbständigen Besitzers, hernach aber auf eigene Regie. Der
Kunstfreund kann bei diesem Entwicklungsprozeß nur den einen
Wunsch haben, daß derselbe zum Heil und zur Blüte der Glas-
malerei gereicht.
Wir haben oben bemerkt, daß es den allerwenigsten Glas-
malern und zwar aller Zeiten gelungen ist, sich aus ihrer Tätig-
keit Reichtümer zu erwerben. Die Materialkosten sind zu groß.
Dazu kommt der große Verschnitt, die oft nötige Wiederholung
des Brandes und dergleichen mehr. Solange die Glasmaler dem
Kloster inkorporiert waren, mußte selbstverständlich nur das
Material bezahlt werden, während der um Gottes Lohn arbeitende
Mönch vom Kloster lediglich seinen Lebensunterhalt bekam.
Schon sehr früh ereignete sich, daß Glasmaler, die nicht in
direktem Klosterverband standen, mit einer Pauschalsumme oder
einem Lehen für eine längere Zeit abgefunden wurden. So erhielt
der Glasmaler Fulko einen Weinberg als Lehen, sowie ein Haus,
damit er zeitlebens dem Kloster seine Dienste leiste. Waren
die Glasmaler Geistliche, so gab man ihnen Pfründen und Ehren-
kanonikate. Dagegen scheint sich der Glasmaler Wilhelm (um 1100)
in Le Mans bereit sein eigenes Haus durch Glasmalerei erarbeitet
zu haben. Zu einer eigentlichen Tarifentwicklung konnte es erst
kommen, als sich selbständige Laien mit der Betätigung der
Glasmalerei befaßten. Wir haben nun eine ungeheuere Zahl von
Preisnotizen aus allen Jahrhunderten; allein da wir die Werke, die
um die genannte Summe hergestellt wurden, regelmäßig nicht
kennen, so ist nur sehr selten eine bestimmte Rechnung zu
ermitteln. Bezahlt wurde Jahrundertlang nur die rein handwerk-
liche Arbeit und das Material, nicht aber die künstlerische Idee.
Darum finden wir verhältnismäßig wenig Preisdifferenzen bei
Konkurrenzen. Man kann auf einem Quadratmeter oft 500 bis
600 Stückchen Glas zählen. Vergegenwärtigen wir uns noch
einmal die Technik: Die einzelnen Stücke wurden nicht wie
heute mit dem Diamant geschnitten, sondern mit dem Eisen
abgestoßen und geriffelt. Die Bleie wurden gegossen und mit
dem Hobel sorgfältig bearbeitet. Nur der Zeitaufwand, viel
größer als heute, der Hände Arbeit wurde bezahlt, was damit
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F. X. Zettler, München.
273
übereinstimmt, daß die Glasmaler nichts anderes waren, als
Handwerker. Ein charakteristisches Beispiel dafür, wie die künst-
lerische Seite an der Glasmalerei eingeschätzt wurde, bildet der
Streit zwischen Paul Dax und dem Hofglaser Urban Telchinger
im Jahre 1538 wegen der Glaser- und Glasmalerarbeiten für die
köngliche Burg zu Innsbruck. Der Arbeits- und Materialwert
wurde von den Baumeistern auf 430 Gulden geschätzt. Im
Lauf der Verhandlungen wurde Dax beauftragt, in Originalgröße
die Visierungen herzustellen. Da sich die Wappen wiederholten,
fertigte er „vier gemalte pletter auf zwo langen Zetln“ an.
Für diese Arbeit bekam er „5; Gulden zu seiner ergötzlichkeit“
das heißt za. ı5 Mark Trinkgeld und dies auch nur, weil der Ge-
samtauftrag von 430 Gulden geteilt wurde. Als relativ arme
Leute hatten die Glasmaler sehr häufig Schulden. Soweit sie in
höfischen Dienst waren, bezahlte der Fürst die Schulden, wofür
Glasgmälde als Gegenleistung geboten wurden. So erhielt
der Hofmaler Hanns Knoder von Augsburg, der die Scheiben
von Leermoos anfertigte, „I5 rheinisch guldin zur bezalung seiner
Schulden sowie ein Hofwinterclait.“ In ähnlicher Weise hatte
einst (1425) der Pfarrer von Holabrunn und Glasmaler Thomen
Pawngartner, um seine Schuld von 8 Gulden an das Stift
S. Florian, ein „tauel gemacht, was derselb gemacht wert ist.“
„Caspar der Maler und Margreth sein haussvrau haben ihr haus
versatzt dem kirchenmaister vnser frawn kapellen auf der stetten
zu Wienn, das Caspar der maler alle gleser in derselben Capellen
Es sey Im kor oder in der kirchen on abslag der versetzten
zwai und dreyßig ph. Jerlichen machen vnd pessern sol nach Iren
notdurften Ausgenomen ob icht von weters wegen oder von
prunst ob ob icht phosten indergingen, das sol von der kirchen
gut widergemacht werden.“ Es handelt sich also um eine Art
Sicherheitshypothek, die bei der Kirchenpflege auf die Summe
von 32 Pfund eingetragen, und deren Verzinsung in Form von
Reparaturarbeit geleistet wurde. Da die Aufträge nicht immer
reichlich flossen, nahmen die Glasmaler zu verschiedenen Machi-
nationen ihre Zuflucht. So fertigten sie auf Geradewohl Scheiben
an, schenkten sie an Korporationen oder begüterte Privatpersonen,
auf deren Noblesse pochend und in der Hoffnung, daß ein Gegen-
geschenk baldmöglichst erfolge. Meistens begriffen die Be-
Fischer, Handbuch der Glasmalerei, 18
274
schenkten sehr schnell und sie zahlten den normalen Preis als
Schenkung: So bekam eines Tages die Kammer zu Innsbruck
ein „geschmelzt glas“ geschenkt; schon tags darauf wurde in
den Kammerrechnungen gebucht: „Dem Maler... für ein ge-
schmelzt glas das er den Herren der Kammer geschenkt, 6 Gulden
zu seiner Verehrung.“ Man sollte meinen, daß die Blüte der
Schweizer Kabinettsglasmalerei den Meistern reichere Einnahmen
gebracht hätte. Indes ist gerade das Gegenteil der Fall. Selbst
die angesehensten und am meisten beschäftigten Meister taten
sich stets nach einem Gemeindeamt um, da sie sich von den
Einnahmen aus ihrem Beruf nicht nähren konnten. Starb ein
Glasmaler, bevor er ein solches Amt erlangt hatte, so mußte die
Gemeinde Witwe und Kinder unterstützen, z. B. den Berner
Glasmaler Samson Stark. |
Aus den Fällen, in denen wir Rechnung und Glasgemälde
identifizieren können, wollen wir drei charkteristische Fälle anführen.
Um das Jahr 1372 wurden einem Glasmaler Jakobus für Figuren-
fenster 10 Mark bezahlt. Nach P. Stephan Beissel war um 1372
die rheinische Stiftsmark gleich za. 3 Mark heutiger Währung,
so daß für die ganze Arbeit ungefähr 80 Mark bezahlt wurden für
eine Arbeit, die heute beläufig mindestens auf 3000 Mark zu
stehen käme!). Im Jahre 1521 wurde in Lübeck ein Glasge-
mälde mit der Krönung Mariae eingesetzt. Einstens war es in der
Sängerkapelle, während es sich jetzt über dem Westportal befindet.
Nach den noch vorhandenen Rechnungen kostete das Fenster
!) Für diese und die folgenden Rechnungen möge eine kurze Skizzierung des
Münzsystems angefügt werden. Das Wort Mark bedeutete in alter Zeit ein bestimmtes
Gewicht, das je nach dem Ort, an dem es gebraucht war, verschiedene Schwere hatte.
Am beliebtesten war die kölnische Mark mit ungefähr 233 Gramm. Aus dieser
kölnischen Mark Feinsilber wurden mit einem Münzfuß von za. 930 Feinheit 240 Pfennige
oder ein Pfund Pfennige ausgebracht, so daß also in der Numismatik das Wort Pfund
nicht ein Gewicht, sondern eine Zahl nämlich 240 bedeutet. Solange man aus einer Mark
Gewicht 240 Pfennige ausprägte, stimmte die Gewichtsmark mit der Zählmark gleich
einem Pfund überein. _ Allein aus begreiflichen Gründen verschlechterte sich stets das
Geld, so daß um das Jahr 1300 bereits über 700 Pfennige, also drei Zählmarken
a 240 Pfennige aus einer Gewichtsmark geprägt wurden. Im 16. Jahrhundert (1559)
wurde der Guldentaler (Gulden) als Einheit festgestellt mit 60 Kreuzern a 4 Pfennig,
sodaß also der Gulden 240 Pfennige hatte und einem Zählpfund gleich kam. Ein
Pfund des 16. Jahrhunderts ist also soviel wie ein Gulden.
275
ı5so Mark und außerdem wurden für das Einsetzen nochmals
32 Mark bezahlt, also im ganzen belief sich die Rechnung auf
ı82 Mark gleich nicht ganz 500 Mark heutiger Währung. In
Hohenschwangau befinden sich zwei Scheiben, die ich auf Grund
stilistischer und archivalischer Gesichtspunkte dem Münchener Glas-
maler Paulus Loth zuweisen konnte. Für diese beiden Scheiben
bekam Loth 20 Gulden. Sie haben zusammen einen Flächeninhalt
von ungefähr einem halben Quadratmeter.
Um bei diesen sehr mäßigen Preisen ein auskömmliches Ver-
dienst zu haben, mußten die Glasmaler alle Mittel anwenden,
um einen Auftrag zu bekommen. Daß es dabei nicht ohne
scharfen Konkurrenzkampf abging, ist selbstverständlich. Vor
allem wehrten die Glasmaler alle nicht zunftgemäße Konkurrenz
und zwar fast überall mit Erfolg ab. Durchziehende Glasmaler
mußten Bürgerrecht und Zunftgerechtigkeit erwerben, ehe sie in
der betreffenden Stadt das Glasmalerhandwerk ausüben durften.
Man hoffte sie durch die hohen Gebühren und sonstige kleine
Boshaftigkeiten weiterzuekeln. Nur wenn an einem Ort das Glas-
malergewerbe sehr darniederlag, glaubte der Rat fremden Meistern
die Ansiedelung erleichtern zu müssen, so z. B. der Rat von
Nürnberg dem Glasmaler Reuter im Jahre 1607. Unter den
gleichberechtigten Zunftgenossen begann oft eine wilde Jagd
nach Aufträgen. Man kopierte sich gegenseitig bis auf die un-
bedeutendsten Kleinigkeiten, imitierte jede Neuheit, um unter
allen Umständen konkurrenzfähig zu bleiben. Das wissen wir
z. B. von den Zuger Glasmalern Müller und Adam zum Bach.
Risse wurden kopiert, verhandelt und verarbeitet. Die traurigsten
Auswüchse der Konkurrenz läßt uns eine Glasmalerordnung der
Stadt Zürich aus dem Jahre 1569 blicken. Züricher einheimische
Glasmaler hatten sich beschwerdeführend an den Rat gewandt
wegen unlauteren Bewerbs aus den Reihen von Kollegen, die
aufs Gerüst stiegen, um die Baumeister „für sich zu gewinnen“,
wegen der Konkurrenz auswärtiger Glasmaler und insbesondere
wegen der allzu großen Ausdehnung des Lehrlingswesens.
Der Rat von Zürich gab auf die Beschwerden folgenden
Bescheid:
„Wann nun wir genannte meister glasmaler und glaser inn
irem muntlichen fürbringen sambt ihren schriftlichen vor uns
ns
DO
ingelegten Suplicationen der lenge unnd notturpft nach gehördt,
unnd die gestaltsame jetziger zyt unnd läuffen eigentlichen be-
trachtent und erwägen, was inen inn die Hand zu geben syge,
haben wir uns uf ob ingelybten ir der meister glasmalern und
glasern uns für getragne artickel gesetzt unnd geordnet:
Erstlichen, das kein meister glasmaler oder glaserhandtwerchs
dem anderen, wie dann bisher geschechen, um arbeit vorlouffen,
nach den andren mit gelt zu den büwen ald sunst ze lychen
hinderenn. Ouch weder zimberlüth noch steinmetzen von den
glaseren geschenk nemmen, einen umb arbeit mer dann den
anndern ze förderen, sunder einem jeden, der buwen hat, oder
buwen wil, synen frygen willen lassen, ein glasmaler oder glaser
synnes gfallens zu nemen. Und sy die meister ouch ein anndern
der billigkeit nach betrachten, mit der erlütherung, wo einer
oder mer hin für wider diss ansehen einem oder dem andern gelt uf
einen buw, damit ime zu glasen werde, lychen, das der so das gelt
empfacht nit schuldig syn sölle, ime das uf das angesetzt zil wider
zu gebenn. Sonder er ime das gelt auf versicherung an einer
gült stan lassen, und die losung an des empfachers willen stann.
Zudem wo sy erfarenn, das einer also gelt geben hatte, oder dem
andern gfarlich vorglouffen were, ald zimberlüth oder steinmetzen
hiewider gehandlet, sömlichs unns fürzubringen, dieselben wir
nach der gebür straffen.
Fürs annder möginnd die unnseren, es sygen allhie burger
ald landlüth, ouch bürger uf der landschaft wol stören und glasen,
wie inen das zukompt, doch das sy gute werschaft machen, aber
sonnst kein hindersäss in unser statt für sich sölbs anndern glasen,
es gescheche dann einem meister des handwerchs dienstwyse.
Wann aber frömbde ussländische personen uf unser landschaft
glasent und stören wollten, das ein jeder undervogt wo inen das
vonn den meisteren dis handwerchs klagt wirt, dieselben frömb-
den hinwegwysen, damit unsere burger und die heimbschen mit
frembden destminder beschwert werden.
Fürs drit, der leerknabenn halb, lassen wir zu, dass jeder
meister allein ein leerknaben haben, ein glasmaler denselben drü
jar und ein glaser den so im verdinget wirt, zwei jar lang leeren
solle und keinen anndern anzenemen gwalt (habin solle), der
ander habe dann anderthalb jar lang gelernet. Und das aber
277
kein leerknab dem handtwerch nüt ze geben schuldig syn, und
wer sölliches übersehe, würden wir die ungehorsamen strafen.
Und als jetz ein zyt har mit den Eerenwapen und fenstern
so wir verschänken dem alten bruch zuwider auch etwas vortheils
gebrucht sin möchte, ist zu fürkomung desselben von uns an-
gesehen. So wir hinnfür also wapen und fenster verschänken,
sölle unser oberister knecht, wer der je zu zyten sin wirt, acht
haben dasselb under den glasmaleren und glaseren umbgan
zlassen. Dergstalt welicher maalen und glasen kan, und gute
subere werschaft macht, denselben wapen und fenster machen ze
lassen. Welcher aber nit maalen kann und die Kere an im ist,
demsölben das fennster zu machen zustellen, um etwan ein an-
derem vlyssigem maaler das wapen machen lassen. Oder aber
ab dem Rathus eines daryn ordnen. Und also uffs glychist
ustheilen, damit etwan die armen ouch einen pfenning gewünnen,
doch das maaler und glaser flyssige und gute werschaft machend.
Ouch das ein jeder unser Buwmeister gmeiner unser Statt büwen
glaserwerch nach billigkeyt und gstalt der sachen ze machen
ustheilen, wie dann ein jeder hierinn die bescheidenheyt ze haben
wol wüssen wirt.
Und wellicher under inen, den meisteren glasmaleren und
glaseren diser artigklen einen oder mer übersehe und uns ge-
leidet würde, den wollent wir zu gmeiner unnser statt handen
gebürlich strafen. Doch mit dem vorbehalt söllichs alles je zu
zyten nach gstalt der sachen und louffen widerumb zu endern,
zu mindern unnd zu meeren als unns bedünkt die notturft das
erfordern werde. Und das alles zu waarem urkundt so haben
wir unser statt Zürich secret insigel uf ir der meister glasmaler
und glaser handwerchs begeren offenlich gehennkt an diesen
Brief, der geben ist Samstags den sten hornung nach der gepurt
christi gezalt fünfzehn hundert sechzig und nün jar.“!) „Leider“
haben die Alten die herrliche Einrichtung des Submissionswesens
nicht gekannt, sonst wäre der Ring aller Konkurrenzblüten von
heute geschlossen. Ur:
In den modernen Betrieb der Glasmalerei hat das Sub-
missionswesen schweres Unkraut gesät. An sich ist die Glas-
DMeyera, a. 0.2 Seitenz31541.
278
malerei als Kunstgewerbe überhaupt kein Gegenstand für Sub-
missionen. Sie wäre es, wenn auch heute bloß die handwerk-
liche Arbeitsleistung und das Rohmaterial bezahlt würde. Und
selbst in diesen Punkten ist eine so große Spannung möglich,
daß Schwankungen zwischen dem ein- und sechsfachen vorkommen.
Mit der fortschreitenden Kartellierung der Glashütten wird das
Material in der Kalkulation und daher in dem Angebot aller-
dings immer weniger einen nennenswerten Faktor bilden, aber
selbstverständlich vorausgesetzt, daß sämtliche Konkurrenten nur
erstklassiges Glas verwenden. Mehr Verschiebungen können die
Spesen bringen, die bei den verschiedenen Anstalten sehr von
einander abweichen. Von ausschlaggebender Bedeutung müßte
eigentlich allein die künstlerische Qualität eines Fensters sein.
Jeder Bauherr oder Bauleiter, überhaupt jeder Besteller sollte
wissen, daß die Honorare für eine wirkliche gute Sache so hoch
sind, daß man um wenig Geld nichts Wertvolles mehr bekommen
kann. Mir sind Submissionsspannungen zwischen 2000 und
16000 Mark bekannt geworden und dabei hat jene Anstalt, die
um 2000 Mark sich anheischig machte, eine sehr gute Skizze
eingereicht. Das ist für viele Auftraggeber verfänglich, da sie
über gute und zugleich billige Skizzen gegenüber von guten und
teuren Skizzen zu entscheiden haben. Auf den Moment, in dem
Entwürfe zu Glasgemälden eingeliefert werden können, harren
die Glasmalereianstalten meist in großer Zahl. Bei einem mäßigen
Auftrag wurden einmal über 60 Angebote gezählt. Die einge-
sandten Skizzen sind fast durchweg gut, so daß der Preis den
Ausschlag gibt, da niemand einsieht, warum ein gleich guter
Entwurf nicht dem zur Ausführung übertragen werden soll, der
ihn um ein billigeres liefern will. Denn daß in der Ausführung
‚ein gewaltiger Unterschied herrscht, ist eine Erfahrung, die bei
den allerwenigsten Auftraggebern vorausgesetzt werden kann.
Das weiß auch der alles unterbietende Unternehmer und auf
diese Unkenntnis seiner Kunden baut er seine Absicht auf. Ist
ihm das Fenster zugeschlagen, so führt er es innerhalb der von
dem geringen Preis gezogenen Leistungsgrenze auf, liefert ab,
setzt ein, bekommt sein Geld und geht. Nicht selten werden
die geringen Angebote mit hochklingenden Phrasen garniert:
Es sei dem Glasmaler mehr um die Ehre zu tun, für einen
279
bestimmten Bau ein Glasgemälde ausführen zu dürfen, und er
trage nur die Selbstkosten. Es darf rühmend anerkannt werden,
daß der Widerstand gegen derartige Submissionsblüten aus den
Kreisen der ernst und ehrlich denkenden Glasmaler organisiert
wird. Auf seinen Hauptversammlungen hat sich der Verband
deutscher Glasmalereien wiederholt mit der Frage beschäftigt,
wie man der Hydra des Submissionswesen am schnellsten und
gründlichsten Herr wird. Übereinstimmend mit anderen kunst-
gewerblichen Korporationen, die unter demselben Übel zu leiden
haben, erkennt der Verband deutscher Glasmalereien die einzigen
Mittel zur Abhilfe in der unausgesetzten Aufklärung des Publikums
und in der Aufstellung von Sachverständigen. Aus diesem Grund,
der Aufklärung des Publikums, haben auch wir an diesem Ort
eingehend zu der Frage Stellung genommen, indem wir gleich-
zeitig berücksichtigten, daß ohne die grundsätzliche Lösung des
Problems die stetige Fortentwicklung des Kunstgewerbes ständig
bedroht ist. Darum hat sich bereits das preußische Abgeordneten-
haus und dann auch der Hansabund eingehend mit Besserungs-
vorschlägen beschäftigt, die auf dem im Sommer 1912 abgehaltenen
Delegiertentag des Verbandes deutscher Kunstgewerbevereine
von Professor Dr. Haupt-Hannover einer eingehenden Würdigung
unterzogen wurden. Seine Vorschläge faßte er in die von dem
Delegiertentag einstimmig angenommene Resolution zusammen:
„der Delegiertentag begrüßt die von Regierungen, Behörden und
Vereinigungen unternommen Schritte, die Übelstände zu beseitigen,
die dem öffentlichen Verdingungswesen bis jetzt anhaften. Der
Delegiertentag sieht darin eine gebieterische Notwendigkeit, daß
dies Ziel baldmöglichst erreicht werde, in der Überzeugung, daß
das zukünftige Gedeihen des Handwerks und damit des Kunst-
gewerbes in erheblichem Maße von dieser Regelung abhängen
wird. Als wichtigste Punkte betrachtet der Delegiertentag, daß
kunstgewerbliche Arbeiten nur der beschränkten Submission oder
auch der freihändigen Vergebung unterliegen, daß in der Aus-
schreibung, Übertragung und Abnahme von Arbeiten, die das
Kunstgewerbe herstellt, Sachverständige wirksam sind, daß der
Zuschlag keineswegs ausschließlich an den Mindestbietenden,
sondern nur an solche erfolgt, die die Gewähr für eine preis-
werte und gediegene Arbeit leisten, daß die Regelung des öffent-
280
lichen Verdingungswesens durch Reichsgesetz und, falls dies
nicht möglich ist, durch Landesgesetze veranlaßt wird. Bei be-
schränkten Ausschreibungen sind die Selbstkostenpreise für
Modelle,. Skizzen usw. nach besonderen Taxen von Sachverstan-
digen von den Ausschreibern zu bezahlen. Die Überwachungs-
amter sollen die richtige Handhabung des Verdingungswesens be-
aufsichtigen.“ Bis zur gesetzlichen Regelung des Submissions-
verfahrens möge sich der Auftraggeber an folgende praktische
Winke halten: Die eingelieferte Skizze darf nicht allein, ja nicht
einmal in erster Linie entscheiden. Darum beschränke man die
Zahl der zugelassenen Skizzen, ich meine, der etwa bestellten
Skizzen. Letztere müssen übrigens laut der Eisenacher Ordnung, die
von den Gerichten schon wiederholt für Entscheidungen als bindend
angesehen wurde, nach einer bestimmten Taxe bezahlt werden.
Die Eigenart eines Auftrags verengt von vornherein den Kreis
der in Betracht kommenden Glasmaler. Es gibt zwar Institute,
die schlechthin alles machen; gleichwohl lehrt die Beobachtung,
daß sich auch unter den Glasmalern gewisse Spezialitäten aus-
gebildet haben. Eine genaue Norm, nach der man den Preis
für Glasmalereien tarifmäaßig festlegen könnte, ist freilich nicht
möglich, immerhin aber kann man unter den heutigen. Verhält-
nissen ein gewisses Preisminimum definieren, unter dem eine
künstlerisch und technisch solide Arbeit einfach unmöglich ist.
Dieses Minimum beträgt für den Quadratmeter einfach figürlicher
Glasmalerei ı50 Mark, wobei die Versendung und Einsetzung
nicht gerechnet sind. Wer schon einmal der schönen Sitte bunt-
farbigen Fensterschmucks Eintritt in sein Haus verschafft, der
lasse ihr wenigstens die Möglichkeit, in ihrem echten strahlenden
Feierkleid zu erscheinen. Wenn kein Bauleiter mehr die Hand zu
einem Fenster bietet, das unter dem genannten Preisminimum
hergestellt werden soll, wird Pfuscherarbeit sehr schnell ver-
schwinden. Für die meisten Auftraggeber ist es sehr schwer,
zu kontrollieren, ob ein Fenster jene techniche Vollkommenheit
besitzt, die man von jeder Arbeit verlangen müßte. Darum über-
gehe man unter allen Umständen unterbietende Firmen und wähle
solche Glasmaler, von denen man die Garantie hat, daß sie solide
Arbeit liefern. Die moderne Konkurrenz hat den Erfahrungssatz
geprägt: Weitaus die meisten Geschäftsleute geben mit ihren
Tafel 134
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Glasgemälde, entworfen von Karl Kernstock, ausgeführt von
Gedeon Walther in Budapest.
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281
Kostenanschlägen die unterste Grenze, unter die sie nicht mehr
herunter können, wenn sie einerseits gute Qualitäten liefern und
anderseits den bescheidensten Verdienst haben wollen. Genau
so verhält es sich mit der Glasmalerei, bei der, wie immer wieder
betont werden soll, doch künstlerische Gesichtspunkte den Aus-
schlag geben müssen. Wer auf dem Gebiete der Technik nicht
Bescheid weiß, ziehe einen Sachverständigen bei, der nicht selbst
ausübender Glasmaler ist, damit er sicher gehen kann, ein von
nichts beeinflußtes Urteil zu bekommen. Zum Beweis für die
Wichtigkeit des Preisminimums möchte ich nochmals unseren
alten Bekannten und Fachmann reden lassen, den Maestro Antonio
da Pisa. Er weiß „über die Art sich bezahlen zu lassen“ folgendes
zu berichten: „Ich will dich über die Art der Bezahlung von
Glasfenstern unterrichten und zwar in dreierlei Form. Wenn
du ein Figurenfenster ausführen willst, so beherzige dies: Berechne
was das Glas kostet, die Bemalung, die Bleie, Eisen und alle
Spesen, die dazu gehören. Soviel Geld bring für deine Person
in Anrechnung, als die Gesamtausgaben betragen. Über-
nimm nie, wenn du auskommen willst (si te vuoi salvare), für
weniger als 4 Gulden die florentinische Elle, wenn es sich um
ein großes Figurenfenster handelt. Für Einzelfiguren ist das
allerwenigste 3'/, Gulden, Gruppen aber werden mit 5 Gulden
berechnet, (zum allermindesten 4'/, Gulden. Wenn du billiger
arbeiten wolltest, so würdest du nichts verdienen. Zwei Gulden
pro Elle müssen berechnet werden, wenn der Auftraggeber alle
Ausgaben trägt für Blei, Eisen und Netz (das netzartig geschnittene
Glas, also kurz) das Glas und die Gerüste zur Ausführung der
Arbeit.“ Der Quadratmeter figürlicher Glasmalerei kostet darnach
160—200 Mark. Antonio mahnt schon zur Vereinfachung der
Spesen: „In dem Ort, wo du arbeitest, arbeite stark und bleibe
an jenem Ort als Arbeiter und reise nicht, wenn du verdienen
willst, sonst würdest du nichts erübrigen, und wenn dir doch
eine große Arbeit von Nutzen unter die Hände käme,
außerhalb des Ortes, an dem du dich niedergelassen hast, so
gehe und mache sie und dann kehre zurück an deinen Wohn-
ort und schnell. Wenn man Ehre von der Kunst haben will
und die Kunst gut ausüben, muß man ansässig bleiben.
Und mache dich nicht über die Kunst der Gasmalerei lustig,
282
welche dich gut ernährt, guten Profit bringt und Nutzen und
Eihres
Wenn so bereits Antonio für eine Mindestbezahlung eintritt,
so gilt dies um so mehr für unsere Zeit, die Zeit des einseitigsten
Submissionswesens. Antonio setzt für reinen Werklohn pro Elle
— 0,25 Quadratmeter 2 Gulden fest, sodaß sich Material und Ar-
beit in gleichem Wertverhältnis bewegen. Dieses Verhältnis kann
heute nicht mehr aufrecht erhalten werden, auch ist für den Mindest-
preis von 160 bis 200 Mark nur eine zwar gute und solide, aber
keineswegs außergewöhnliche Arbeit zu erwarten. Wo besondere
künstlerische Qualitäten verlangt werden, muß das in der Regel
nicht kleine Honorar für den Karton eigens bezahlt werden.
Die Geldquellen, aus denen man die Kosten für ein Fenster
bestritt, waren im Mittelalter verschiedener Art, soweit die außere
Form in Betracht kommt. Denn, vom äußeren entkleidet, war
es schließlich nur eine Quelle, nämlich die Mildtätigkeit der
Gläubigen. Diese floß entweder direkt als Stiftung für ein be-
stimmtes Fenster, oder aber der Glasmaler wurde aus dem Säckel
der Kirchenfabrik bezahlt. An Fensterstiftungen beteiligte sich
Hoch und Nieder, Einzelpersonen und Korporationen. In Chartres
stifteten Metzger, Bäcker, Sattler, Zimmerleute, ja sogar die Geld-
wechsler und Münzknechte, je ein Fenster, aus der Ulmer Münster-
geschichte kennen wir das Marner- und Kramerfenster. Es ver-
dient hervorgehoben zu werden, daß die Fenster nicht wie heute
nach Vollendung des Baus, sondern schon während desselben
gestiftet und ausgeführt wurden. Sehr häufig wendete man im
Mittelalter Geldstrafen der Anfertigung von Glasfenstern zu. So
wurde beispielsweise die Baronin de Heese im Jahre 1436 von
der Stadt Brüssel verurteilt, 100 ryders d’or für ein Glasgemälde
zu bezahlen. Eine solche Buße wäre auch heute von großem
Vorteil für die Glasmalerei, da die Stiftungen und staatlichen
Geldmittel äußerst spärlich fließen. Doch scheint die Zeit nicht
mehr ferne zu sein, daß, für öffentliche Bauten wenigstens, die
Glasmalerei als integrierender Bestandteil des Bauprogramms
angesehen wird. Wenn das erreicht ist, werden die Kosten der
Glasmalerei, wie die für ein anderes Bau- und Ausstattungsglied,
von vornherein in den Baufond hinein kalkuliert, wie einstens
bei den großen Bauten des Mittelalters.
NIT.
Das Glasgemälde als Sammelobjekt.
Echt und falsch.
Viel später als sich das Augenmerk kunstliebender Fürsten
auf den Erwerb guter Tafelgemälde oder auf Werke der Gold-
schmiedekunst gerichtet hat, begann man mit dem planmäßigen
Sammeln von Glasmalereien. Es war auch nicht so leicht, die
nötigen Fensteröffnungen zu finden, die einer auch nur einiger-
maßen bedeutenden Sammlung Raum boten. Mehr wie bei allen
andern Gebieten der Kunst gab in der Sammlung von Glasmalereien
das praktische Bedürfnis den Ausschlag. Man wollte in der guten
alten Zeit, die zu wenig fruchtbar war, um Neues zu schaffen,
gleichwohl nicht auf die Stimmung verzichten, die buntfarbiger
Fensterschmuck dem Raume gab. So erwarb man, und wahr-
lich um billiges Geld, was gemeinhin als wertlose Ware, ja als
Spielzeug für Kinder, umher lag. Es ist darum nicht merkwürdig,
daß die Anfänge des Sammelns von Glasmalereien mit jener Zeit
zusammen fällt, in der die schöpferische Tätigkeit auf dem Ge-
biete des Glasmalens aufhörte. Zu den frühesten systematischen
Sammlern gehört Fürst Leopold Friedrich von Anhalt-Dessau,
der in den Jahren 1780—90 mit Hilfe Lavaters eine große Samm-
lung anlegte, die heute das Gotische Haus zu Wörlitz ziert. Außer
vielen Schweizer Scheiben, unter denen die Serie vom verlorenen
Sohne aus der Murerwerkstatt in Zürich zum Schönsten gehört,
besitzt das gotische Haus bedeutende süddeutsche Arbeiten aus
der spätgotischen Zeit. Einen ähnlichen kompilatorischen Charakter
trägt die Sammlung des Fürsten zu Oettingen-Wallerstein
in Maihingen. In 14 Spitzbogenfenstern finden sich allerhand
Scheiben teilweise in verstümmeltem Zustande, der durch den
284
Unverstand des die Einglasung besorgenden Handwerkers manch-
mal geradezu barbarisch wirkt. Zwei Fenster enthalten je zwei
Rundscheiben im Frührenaissancecharakter, die nach einer, aller-
dings unverbürgten Tradition aus Regensburg stammen. Unter
den deutschen Kabinettsscheiben ragen eine prachtvolle Volckamer-
scheibe, eine Scheibe des Bischofs Christof von Eichstätt (1536),
eine Oettingen-Wappenscheibe im Charakter des Nürnberger
Frühbarocks und zahlreiche Rundscheiben aus der Spenglerwerk-
statt in Konstanz hervor. Von den Schweizerscheiben stammen
zwei aus der Murerwerkstatt, zwei weisen auf Niklaus Bluntschli,
zwei stammen von Melchior Schmitter aus Wyl, vier aus dem
Kreise der Nüscheler. Außerdem ist ein bisher unbekannter
Meister vertreten, namlich der Glasmaler Marx Grimm aus
Schaffhausen mit einer Scheibe aus dem Jahre 1599. Dieser
Werkstatt ist auch, nebenbei bemerkt, die Scheibe des Conrad
Baldenhofen 1603 zuzuweisen, die sich im Bayrischen National-
museum befindet (vgl. Schinnerer, Katalog No. 226)').
In der Sammlung zu Hohenschwangau?), die König
Maximilian II., als bayrischer Kronprinz unter Mithilfe des Rektors
Beyschlag von Augsburg im Anfang des 19. Jahrhunderts an-
gelegt hat, überwiegen ebenfalls die Schweizer Scheiben. Unter
ihnen heben wir die prachtvollen Scheiben aus der Parabel vom
verlorenen Sohn (Murerwerkstatt), eine große Serie von Arbeiten
des Hans Jegly aus Zürich hervor, ferner besonders schöne Glas-
gemälde aus der Werkstatt der Nüscheler, dem Atelier des Daniel
Lindtmeyer aus Schaffhausen. Die deutschen Arbeiten sind zwar
an der Zahl bedeutend geringer, aber desto wichtiger für die
Geschichte der Glasmalere. Durch archivalische Forschung
ließen sich zwei Scheiben des Hofglasers Paul Loth, dem Vater
des bekannten Malers Ulrich Loth feststellen, die im Jahre 1614
als herzogliche Stiftung für das Kloster Einsiedeln entstanden
sind. Kronprinz Maximilian hat die Sammlung aus der reinen
Zuneigung zu dem Schönheitsgehalt der Glasmalerei und deren
dekorativen Kraft angelegt. Darum ließ er nichts restaurieren
!) Fischer, Zwei Scheiben der Schaffhausener Glasmalerfamilie Grimm. Zeitschr.
t. alte und neue Glasmalerei 1913, S. I2If.
2) Fischer-Zettler, Alte Glasgemälde im Schloß Hohenschwangau. 1912.
285
oder auffrisieren, sondern in ihrer unbefleckten Schönheit und
Wirkung in die einzelnen Fensterflügel einsetzen. Im Schloß
verteilt bilden sie dessen schönsten Schmuck, an den die Farben
der Maler um König Ludwig I. nicht heranreichen.
In dem gräflichen Schloß zu Erbach ist seit einem Jahr-
hundert eine Sammlung untergebracht, die zwar kein geschlos-
senes Gesamtbild irgend eines Gebietes der Glasmalerei gibt
wie die Sammlungen zu Friedrichshafen und Heiligenberg, durch
die Qualität der einzelnen Scheiben aber zu den bedeutendsten
Sammlungen gehört. Eine Serie spätgotischer Rundscheiben,
die der Schule des Hans Wild zugeschrieben wird, eine Gruppe
von frühgotischen Glasgemälden, die aus Wimpfen stammend, jene
Stufe der monumentalen Glasmalerei darstellend, die das System
der französischen Glasmalerei um 1300 wahrscheinlich durch
Vermittlung der Bettelorden nach Deutschland verpflanzt, eine
Anzahl deutscher und schweizerischer Kabinettsscheiben, meist
in sehr gutem Zustand, bilden den Grundstock der Sammlung.
Von ihr wird, wie von der Sammlung auf Schloß Heiligenberg
in Bälde eine Monographie erscheinen.')
Diese Sammlungen werden als Fideikommißgüter für langere
Zeit beieinander bleiben. Da sie sämtlich unter gewissen Be-
dingungen dem Studium zugänglich sind, geben sie nicht nur
ein wertvolles Material für das kunstwissenschaftliche Studium,
sondern vor allem für das Verständnis der Farbenmystik und
des wahren Wesens der Glasmalerei. In den meisten Samm-
lungen sind Restaurationen in größerem Stil nicht vorgenommen
worden und darum bieten sie auch für das Studium von echt
und falsch die gediegensten Beispiele.
Das auf dem Markt vorhandene Material echter Glasmale-
reien ist gering. Zwei Drittel davon dürfte in den Händen
privater Sammler vorübergehend aufgespeichert sein. Am größten
war der Besitz des Lord Sudeley, der vor zwei Jahren in München
zur Versteigerung kam. Zuvor hatte der beste Kenner der
!) Wir haben bei Aufzählung der Sammlungen von den Sammlungen des Staates
und einzelner Städte abgesehen, da die größeren bereits in Bearbeitungen und
Katalogen bekannt sind. Auch von jenen haben wir Abstand genommen, die bereits ver-
steigert wurden (z. der Sammlung des Fürsten Wolfegg-Zeil, versteigert 1913 in
München, der Sammlung Oppenheim usw.).
286
Schweizerscheibe Hans Lehmann die Sammlung in einem für
die künftige Erforschung der Schweizer Kabinettsscheibe grund-
legenden Katalog dem Studium zugänglich gemacht. Im übrigen
mag die Zahl der bedeutenderen Privatsammlungen sich auf ein
Dutzend belaufen, von denen zwei in der Kölner Gegend, zwei
in Salzburg, eine in Wien demnächst eine wissenschaftliche Be-
arbeitung erfahren sollen. Die staatlichen und städtischen Samm-
lungen ‘bieten nur in ihrem Gesamtbild halbwegs geschlossene
Reihen irgend einer Periode der Glasmalereien; wenn auch der
Grundstock einer jeden Sammlung aus der näheren und ent-
fernteren Umgebung stammt, so befinden sich daneben zahl-
reiche, vereinzelte Fremdlinge aus allen Himmelsrichtungen.
An sich wäre ja das Ideale, wenn die museale Sammeltätigkeit
auf die Vervollständigung des Gebietes beschränkt bliebe, das
man billiger Weise nach den Tendenzen des Museums erwarten
darf. Im Interesse geschlossener Reihen müßte man sogar einem
Austausch der entsprechenden Stücke — unter den einzelnen
Museen — das Wort reden, was freilich durch andere Gesichts-
punkte unmöglich gemacht wird. Immerhin laßt sich durch die
allmählich sich ausbreitende Praxis wissenschaftlicher Kataloge
eine große Vollständigkeit in der Nutzbarmachung des noch vor-
handenen Materials erreichen. Eine Reihe wertvoller Kataloge
sind in den letzten Jahren erschienen, so über die Sammlung
des Germanischen Museums zu Nürnberg, der Vaterländischen
Altertimer zu Stuttgart, des Bayrischen Nationalmuseums zu
München, des königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin, der
Schweizerscheiben des Louvremuseums in Paris. Über die lite-
rarische Bedeutung dieser Arbeiten findet sich das Nähere in
dem Kapitel: Die Glasmalerei als Gegenstand der wissenschaft-
lichen Forschung.
In der Gegenwart ist das Sammeln alter Glasmalereien wohl
das Zeichen erlesenen Geschmacks und großen Verständnisses.
Allein die Seltenheit guter alter Scheiben erschwert das einfache
Sammeln. Denn die auch auf dem Gebiet der Glasmalerei in
unerhörtem Schwung befindliche Fälschung ist nur durch lange
Übung mit Sicherheit von echten Stücken zu unterscheiden.
Darum geht das hauptsächliche Bestreben des Sammlers dahin,
die Glasgemälde nicht mehr um ihrer selbst willen zu erwerben,
287
als vielmehr in der Absicht, ihre mit den Mitteln vergangener
Zeiten ausgestatteten Räume durch ein paar schöne, alte Scheiben
stimmungsvoll zu machen und zu vervollkommnen. Es wird ja
der Tag kommen, an dem erste Qualität von Scheiben zu einiger-
maßen erschwinglichen Preisen nicht mehr zu haben ist und es
sich darum frägt, ob man nicht viel eher erste Qualität moderner
Scheiben erwerben soll. —
Die außerordentlich hohen Preise, die für gute Glasgemälde
bezahlt werden, halten schon seit mehreren Jahrzehnten gewisse
Fälschergruppen in Arbeit, die um so rentabler ist, als der tat-
sächliche Bestand an gutem altem Material sehr knapp ist. Dazu
kommt, daß gerade bei Glasgemälden die Unterscheidung zwi-
schen echt und falsch große Schwierigkeiten bereitet. Denn es
gibt nicht gerade wenig Glasmaler, die „Kopieen“ alter Glas-
‚gemälde verblüffend gut herstellen können. Da die meisten
Glasgemälde im Laufe der Jahrhunderte ein- oder mehreremal
neu verbleit wurden, bietet also das Bleinetz von vornherein
keinen Anhaltspunkt. Nur in den seltensten Fällen werden
Anachronismen der Technik das Geheimnis des Fälschers ent-
larven, z. B. die Verwendung des Silbergelbs auf romanischen
Glasgemälden, Ätzungen (statt Ausschliffe), andere Glassorten
als Antikglas, Diamantschnitt, obwohl ich sämtliche Fehler sogar
auf Scheiben renommierter Sammlungen beobachtet habe. Da-
gegen bildet dünnes, ebenes Hüttenglas stets Anlaß zu ernsten
Bedenken. Das Glas der Alten war dick, massig, uneben, stark-
schlierig; trotz aller Fortschritte der Modernen, kann das Glas
der Alten mit seiner naiven Empirie nicht erreicht werden, ob-
wohl oder vielmehr weil die moderne Technik mit den Rezepten
der exakten Chemie an die Bereitung des Glases geht. Das ist
nun kein Tadel der modernen Glashütten. Je weniger im Gegen-
teil die Glashütten das alte Glas zu kopieren trachten, desto
größere Dienste leisten sie der modernen Glasmalerei und desto
mehr verderben sie:der Fälschung das Handwerk. Man wende
dagegen nicht ein, die möglichst getreue Kopie alten Glases sei
zur Restaurierung alter Glasgemälde erforderlich. Auch der-
jenige, der für das System der Restaurationen das weiteste Herz
hat, verzichtet gern auf jede erstrebte sklavische Übereinstim-
mung mit den Zufälligkeiten des Materials, des Brandes, der
288
Handschrift, jene Übereinstimmung, die dem alten Teil des Kunst-
werkes gegenüber immer etwas Unmoralisches an sich hat. Die
Beschaffenheit des Glases bildet also ein nicht zu unterschätzen-
des Kriterium für das Alter eines Glasgemäldes. Nur muß man
beachten, daß gerissene Fälscher das Glas durch mehrmaliges
Brennen „verbessern“, daß sie echtes altes Glas verwenden. Es
ist sogar schon vorgekommen, daß von einer schwarzgelben
Scheibe minderer Qualität die Kontur der Vorderseite weggeätzt
und das Silber der Rückseite gelassen wurde. Die Ränder der
geätzten Stellen waren so stark mit Schwarzlot bestrichen, daß
es nicht leicht war, die Fälschung zu bemerken. In den selten-
sten Fällen ist an einer als alt im Handel befindlichen Scheibe
alles neu. Fast stets finden sich alte Teile darin, auf die dann
mit der Bemerkung hingewiesen wird, die Scheibe sei natürlich
ergänzt und restauriert, aber man könne nicht alle neuen Stücke
genau angeben. Eine solche Scheibe ist gar nie des Erwerbens
wert, da in der Regel auch an den echten Teilen herumgear-
beitet ist und meistens ein Nachbrand stattgefunden hat. Bei
Kabinettsscheiben bilden die Schwemmfarben einen sehr wichti-
tigen Betrachtungspunkt. Man übe das Auge an echten Schei-
ben, insbesondere auf das eigentümliche kristallklare Blau, dessen
Nachahmung bei Kabinettsscheiben in der Regel zum Verräter
wird.
Bei Führung des Schwarzlots, bei der Art der Radierung
haben sich in den alten Werkstätten Traditionen ausgebildet,
die auch der gewiegteste Fälscher nicht nachahmen kann. Die
Kenntnis dieser Eigenschaften kann aber nur durch das Studium
an Originalen erworben werden. Selbst die beste Kopie ist im
Detail stets befangen, unsicher; ein einigermaßen geübtes Auge
sieht in der Kopie stets das echte Spiegelbild. Die größte Vor-
sicht ist bei Scheiben geboten, die sogenannten Überzug haben.
Auch die Provenienz bildet kein absolut sicheres Kriterium.
Denn es ist wiederholt vorgekommen, daß anstelle der echten
alten Scheiben, die zum Ausbessern weggegeben wurden, Kopien
zurückkamen, die der Besitzer von den Originalen gar nicht zu
unterscheiden vermochte, sich dazu auch keine Mühe gab, da
er keine Zweifel hegte. Wenn nun von ernsthaften Glasmale-
reien in dieser Hinsicht nichts zu befürchten ist, so hat doch die
ZN
Vu
Tafel 135
23
NYRAAE
Entworfen und ausgeführt
von H. Mühlenbein, Hannover.
AL
Ornamentscheibe.
Entworfen und ausgeführt von der Glasmalerei Zentner,
Wiesbaden.
Ornamentfenster.
289
Vergangenheit verschiedene traurige Fälle gezeitigt. So waren
vor einigen Jahren die Scheiben aus einem Schloß, in dem sie
sich nach den Inventaren seit uralter Zeit befanden, zum Angebot
gelangt. Eine nähere Prüfung ergab ihre Unechtheit und es
gelang auch festzustellen, daß die Originale nach verschiedenen
Irrwegen nun in einem Museum ihre letzte Ruhestätte gefunden
haben. Lichtscheue Fälscher machen dabei manchmal die son-
derbarsten Mätzchen. So waren mir einst Scheiben zur Begut-
achtung zugesandt, an denen alle Damasthintergründe entfernt
waren. An deren Stelle stand teils ordinäres Fensterglas, teils aber
Gläser, auf die ein Damast gebrannt, hernach wieder weg geätzt
war. Gingen Zeichnungen über den Damast, so waren diese in
Kaltmalerei mit absichtlicher Schlechtigkeit nachgeführt. Es
sollte also der Anschein erweckt werden, als sei die Scheibe
einem schlechten Restaurator in die Hände gefallen und die
Ersetzung der farbigen Damasthintergründe durch Blankvergla-
sung sollte außerdem noch auf die Meinung bringen, der Besitzer
habe sich lichte Blicke ins Freie verschaffen wollen. Natürlich
war die Scheibe im obigen Sinne gefälscht, daß ein paar
alte Stücke, aus anderen Scheiben, wie Inseln in dem weiten
Meer der Neuheiten saßen. Noch mehr wie bei anderen Alter-
tümern gilt: Man kaufe nur dann, wenn die äußeren Bedingungen
des Verkäufers eine Fälschung für ausgeschlossen erscheinen
lassen. Der sicherste Prüfstein der Echtheit liegt in den Finger-
spitzen. Die Gläser bekommen durch die Zeit etwas Eigen-
artiges, das trotz aller Kniffe nicht zu kopieren ist, auch nicht
durch wiederholten Brand. |
Fischer, Handbuch der Glasmalerei. IQ
VII.
Die Erhaltung und Wiederinstandsetzung
alter Glasgemälde.
Die sprichwörtliche Vergänglichkeit von Glück und Glas hat
nicht jenen Grad von Vorsicht veranlaßt, den man hätte erwarten
müssen, um die auch in vergangenen Zeiten hochgeschätzten
Glasgemälde vor Zerstörung zu schützen. Steinwurf, Sturm,
Hagelschlag sind die gefährlichsten äußeren Feinde, die schon
oft traurige Verheerungen unter den ehrwürdigen Arbeiten
unserer alten Meister angerichtet haben. Man hat zwar schon
in den frühesten Zeiten sich mit breiten Sturmbändern gegen
des Wetters Unbill zu schützen versucht, allein noch heute gibt
es Kirchen, die über ihre Kostbarkeiten nicht einmal ein siche-
rungbietendes Schutzgitter gebreitet haben. Windeisen, Schutz-
gitter, tadellose Verbleiung reichen im allgemeinen hin, um allen
außeren Feinden erfolgreich Trotz zu bieten. Darum haben jene,
deren Beruf es ist, über anvertraute Glasgemälde zu wachen,
die strenge Pflicht, Windeisen und Schutzgitter von Zeit zu Zeit
auf ihre Solidität zu prüfen, da diese gerne rosten oder sonst
sich lockern können. Auch das Bleinetz müßte erneuert werden,
sobald die Scheibe nicht mehr den festen Zusammenhalt hat,
den ihm eine gute Verbleiung gibt. Kunstgeschichtliche Beden-
ken können nicht maßgebend sein, da das Bleinetz als rein tech-
nisches Hilfsmittel nur solange Recht auf Konservierung hat,
als es seinen Zweck zu halten und festzufügen, erfüllt.
Außer von Wind und Steinwurf drohen den Glasgemälden
noch ernstere Gefahren, die auf Farbe und Zeichnung zielen.
Nicht alles alte Glas hat der zersetzenden Verwitterung stand
291
zu halten vermocht. Wir reden nicht von jenem Belag, der als
Patina den Glasgemälden die stille und geheimnisvolle Stimmung
gibt; es handelt sich vielmehr um jene Gläser, deren Oberfläche
langsam verwittert. Auch das Schwarzlot steht nicht mit abso-
luter Haltbarkeit da. Wir sehen von jenen Fällen aber, die auf
schlechten Brand und sonstige Sorglosigkeit der alten Glasmaler
zurückzuführen sind. Auch das Mittelalter mußte eben die
Mischung von solider und oberflächlicher Arbeit erleben. Wäh-
rend auf den einen Fenstern das Schwarzlot noch fest auf dem
Grund steht, kann es auf anderen Fenstern von dem unschuldigen
Besen eines Fegers in seiner Existenz bedroht werden. Infolge der
Einwirkung säurehaltiger Luft, insbesondere solcher, die mit schwef-
liger Säure gemischt ist, entsteht durch die Zersetzung ein dicker
weißer Belag, der die Durchsichtigkeit des Glases aufhebt. Orte,
die starke Industrie aufweisen, sind solcher Zerstörung besonders
gefährlich. Am meisten haben die Fenster der S. Sebaldkirche
in Nürnberg gelitten, offenbar durch die reichlich in die Luft
gewanderte schweflige Säure, die sich beim Schwefeln des Hop-
fens entwickelt. Darum hat man sich eifrig mit der Frage be-
schäftigt, ob diesem Zerstörungsprozeß Einhalt getan und ob
vielleicht das Vernichtete erneuert werden kann. Bei besonders
hart mitgenommenen Stücken war die Durchsicht völlig aufge-
hoben, ohne eine Spur farbiger Wirkung. Der verwitterte Belag
war lose auf dem Untergrund, hatte ein poröses, blasiges Aus-
sehen und konnte leicht abfallen. Auf der Innenseite waren die
Konturen nicht nur größtenteils verschwunden, sondern auch die
wenigen Reste durch den Zerstörungsprozeß losgelöst und eben-
falls stark verwittert. Man stellte nun in der Hofglasmalerei
F. X. Zettler zu München umfassende Regenerierungsversuche
an, die sich hauptsächlich auf die Möglichkeit des Wiederan-
schmelzens der los gewordenen Bemalung bezogen. Es wurde
daher der Gedanke einer Überglasung zu verwirklichen gesucht.
Da sich das Glas zu einem neuerlichen Brand geeignet erwies,
wurde an die Herstellung eines geeigneten Glasflusses geschritten.
Die Proben führten zu einem guten Resultat, nachdem es auch
gelungen war, das Ausscheiden des restigen Schwefelsäurekalkes
aus dem verwitterten Glase beim Brand zu erzielen. Das Glas
erhielt durch dieses Verfahren wieder seine frische Farbe und
19*
292
Bemalung, sofern es unter der Farbe nicht auch zerstört war.
Selbst die Patina kam wieder zu ihrer alten Befestigung am
Glasspiegel. Dieses. Verfahren ist von den Fachleuten auf seine
chemisch-physikalische Gediegenheit geprüft und als sehr geeignet
für Konservierung des Glases befunden worden. Auch derjenige,
dem alles an der tadellosen Instandhaltung der künstlerischen
Form liegt, kann gegen diese Konservierungsmethode keinen
Einwand erheben, da sie alles unverändert läßt, nichts hinweg-
nimmt und nichts hinzutut. | |
Über die Frage der Wiederinstandsetzung beschädigter Glas-
gemälde herrscht in den in Betracht kommenden Kreisen erheb-
liche Meinungsverschiedenheit. Man kann einerseits von der
Tatsache ausgehen, daß die Glasgemälde, wie alle anderen kirch-
lichen Gegenstände, einem religiösen Ziele, ebenso wie der ästhe-
tischen und praktischen Aufgabe, dienen. Die Absicht der
Stifter sei dahin gegangen, daß die einzelne Stiftung „ewig“ an
seinem bestimmten Platze bleibe und im Falle einer Beschädi-
gung gebessert werde. Es liege daher nicht im Sinne jener
frommen Wohltäter, das zu Schaden gekommene Fenster einfach
in ein Museum wandern und sie dann modernen Kopien Platz
machen zu lassen. Die Fenster würden doch ihren beabsich-
tigten Zweck nur dann erfüllen, wenn Löcher und sonstige
Schäden völlig restauriert werden. Darum sei gegen eine sach-
verständige Wiederinstandsetzung nicht nur nichts einzuwenden.
Man müsse sie vielmehr direkt verlangen; es bleibe nur die Frage
offen, wie man für spätere Geschlechter die Restauration kennt-
lich machen wolle Zur Stütze dieses Prinzips kann man auf
die zahlreichen Ausbesserungen hinweisen, die im Lauf der Jahr-
hunderte an noch vorhandenen alten Glasgemälden vorgenommen
wurden. Dies geschah nicht nur an Kirchenfenstern, die unter
allen Umständen unversehrt sein müssen, sondern auch Kabinetts-
scheiben wurden ausgebessert, obwohl das Bedürfnis nicht so
dringend, wie bei der kirchlichen Glasmalerei, war. Verschiedene
Glasmaler haben ihre bessernde Tätigkeit ausdrücklich vermerkt.
Im Historischen Museum zu Bern befinden sich zwei Scheiben, die
in dieser Beziehung sehr lehrreich sind. Auf einer von ihnen, einer
Berner Standesscheibe des Jahres 1576 steht zu lesen „erneuwert
ANO 1621 HRL“ (Taf. 104); auf der anderen, einer‘,Scheibe
293
der Stadt Biel, aus dem Jahre 1576 sind gleich zwei derartige
Vermerke: „Das Wapen ward ernüwrett gar (ganz) Im 1621.
jar“, auf einem späteren Flickstück: „Diß stuek ward erneuwert
1665 per HHL“. Die Alten trugen also keine Bedenken zu
bessern, wo es nötig war. Allerdings beziehen sich derartige
Restaurationen nur auf kleinere Teile und auf solche Schäden,
die durch Unfälle entstanden waren. Was die Zeit abnutzte,
wurde nie aufgefrischt oder nachgegangen. Wenn man die
Restaurationen betrachtet, die mehr als die Hälfte des vorhan-
denen Fragments neu geschaffen haben, wenn man vollends die
sogenannten „Wiederinstandsetzungen“ aus den Jahren 1840 bis
1890 mustert, so wird man wohl begreifen können, daß sich eine
starke prinzipiell gegen jede Restaurierung sich wendende Richtung
entwickelt hat. Sie will an deren Stelle andere Methoden an-
gewandt wissen. Bei großen Schäden soll das Fragment in die
schützenden Hallen eines Museums wandern, wo auch Fragmente
ihre ästhetische und kunstgeschichtliche Bedeutung behalten.
Eine gelungene Kopie, wenn die Gemeinde sich unter keinen
Umständen von dem Gewohnten trennen wolle, besser aber eine
im Stil der Gegenwart hergestellte Neuschöpfung möge den Platz
des Fragments einnehmen. Bei kleineren Schäden möge man
die Lücken mit dem entsprechenden Farbton aus Antikglas ver-
schließen, das aber keinerlei Zeichnung bekommen dürfe Nur
ganz unbedeutende Mackelkönne man dem Glasmaler zur Wieder-
instandsetzung anvertrauen, was dieser aber in unauffälliger
Weise auf den Scheiben anzumerken habe. Diese strenge Rich-
tung ist zweifellos das Ideal, dem der Kunsthistoriker unter allen
Umständen seine Zustimmung geben muß. Freilich stößt es, wie
alle Ideale, auf die vielen Hemmnisse der Wirklichkeit. Vor
allem wird für die Kopie oder Neuschöpfung nicht immer die
nötige Summe bereitstehen und die Stimmen derer werden nicht
leiser, die neben dem kunstgeschichtlichen Standpunkt auch noch
den religiösen und die Pietät auf die Stifter gewahrt wissen
wollen. In solchen Fällen wird es wohl am Ende stets zu Kom-
promissen kommen, die dadurch nicht unbedenklicher werden,
daß sie der Staat, wenn ihm der Unterhalt einer Kirche obliegt,
gewissermaßen sanktioniert, indem er einfach nach den jeweils
herrschenden Grundanschauungen der Konservatorien den Auf-
294
trag zur Restauration erteilt. Wenn wir uns in den unmittelbaren
Eindruck versenken, den eine solche „restaurationsbedürftige“
Kirche, wie etwa die Frauenkirche zu München macht, so werden
wir zunächst gar nicht merken, daß die Fenster restaurations-
bedürftig sind. Die Darstellungen sind so klein und so stark
mit Patina überzogen, daß wir längere Zeit brauchen, um zu
sichten und zu entdecken, was eigentlich dargestellt ist. Allein
der Wohllaut der Farbe, die Symphonie der herrlichsten Akkorde
laßt das für Farbenästhetik empfindliche Gemüt gar nicht aus
und ehe man sich ans logische Zergliedern macht, hat man den
schönsten Genuß im Beschauen, im Versenken in die tiefe Mystik
der Farben, in das geheimnisvolle Dämmern des Raums. Gerade
das logisch am klarsten Gegliederte, dem Betrachter ohne Mühe
sein Thema verratende Fenster, das dem Hans Wild zugeschrieben
wird, macht weitaus den schwächsten Eindruck. Was soll nun
an den Fenstern dieser Kirche geschehen? Daß Zusammen-
gehörendes wieder vereint wird, dagegen gibt es wohl keine
Erinnerung. Sollen etwa entstehende größere Lücken mit neuen
Szenen und Scheiben ausgefüllt werden? Wir müssen davon
abraten. Setze man zusammen, was sich ohne ästhetische und
inhaltliche Bedenken an einander reihen läßt. Kleine Lücken
fülle man mit dem zugehörigen Farbton, der mit einem leichten
Überzug versehen, die Wirkung nicht stören wird. Was den
äußeren Belag betrifft, so hat man mit der sogenannten Reinigung
die allerschlechtesten Erfahrungen gemacht. Nicht selten weisen
gereinigte Stellen Mängel an der Zeichnung auf, die dann nach-
gebessert werden, was doch sicher nicht dem Ideal einer ziel-
bewußten Denkmalspflege entspricht.
Wo eine Glasscheibe nicht unbedingt zum Abschluß eines
Fensterraums zu dienen hat, vielmehr gegen Fensterglas
hängt oder gehängt werden kann, verbietet sich eine weiter-
gehende Restaurationsarbeit von selbst. Denn für sie kann
gar kein praktischer oder religiöser Gesichtspunkt geltend ge-
macht werden. Bei einer größeren Wiederinstandsetzung sind
neue Kompositionen größerer oder kleinerer Gebiete notwendig,
bei jeder Ergänzung eines Torso muß die kombinierende Phantasie
ins Mittel treten und bei der Ausführung ist der Glasmaler ge-
nötigt, fremde Handschriften zu kopieren. Das sind lauter
295
Momente, bei denen auch der fähigste und geübteste Glasmaler
großen Gefahren ausgesetzt ist. Man hat Thorwaldsen den nach-
geborenen Griechen genannt, und es gab wohl keinen Würdigeren,
dem man die Ergänzung der Äginetentorsi anvertrauen konnte.
Und doch sind die Stimmen nicht verstummt, die an Thorwaldsens
Ergänzungen unter Vorlegung sehr gewichtigen Materials ener-
gischen Anstoß nehmen. Dabei wird Thorwaldsens Können natür-
lich nicht geschmälert, so wenig in dieser Debatte verkannt
und vergessen sein soll, daß von den vielen Restaurationen, die
bisher an alten Glasgemälden vorgenommen worden sind, der
größere Teil ein sehr beträchtliches Maß von der Kunst „sich
in der Zeiten Geist zu versetzen“ aufweist. Allein trotzdem kann
der Tag kommen, an dem man über die heute als sehr gelungen
anerkannten Restaurationen anders urteilt, da vielleicht ein ver-
staubter Riß, eine verschollene Visierung aus dem langen Schlaf
eines Archivs hervorgezogen wird und so ganz anders über das
ursprüngliche Aussehen eines ergänzten Glasgemäldes lehrt. Darum
ist das Sicherste, daraufhin zuarbeiten, daß alle Glasgemälde
überhaupt nicht in größerem Maß restaurationsbedürftig werden.
Wir wissen wohl, daß sich die Mehrzahl der Menschen an
jedem Torso stößt, an ihm nur das sieht, was nicht da ist und
darum Ergänzungen an Glasgemälden verwerfen wird, die ohne
Kontur und Bemalung, lediglich den Farbton wiedergeben. Für
die kunstverständigen Vorsteher der Kirchengemeinde ergibt
sich so ein arges Dilemma, das sie nicht selten gegen ihren Willen,
aber nach dem Wunsch der Mehrheit in dem Sinne einer durch-
greifenden Restauration zu lösen sich für verpflichtet halten.
Um dieser nicht ungefährlichen Praxis erfolgreich entgegenzutre-
ten, bedarf es allseitiger Aufklärungsarbeit. Miteinigenguten Willen
ließe sich folgende Praxis allmählich einbürgern: Bei kleinen
Schäden begnüge man sich mit Ersetzung des Farbtons oder wo
nur geringe Konturen, über deren Verlauf ein Zweifel nicht be-
stehen kann, zu ergänzen wäre, mögen sie von einem kundigen
Glasmaler ausgebessert werden. Solange der Schöpfer des Glas-
gemäldes auf seiner Arbeit noch vollständig allein herrscht und
der Nachgeborene keinerlei geistiges Eigentum von sich hinzu-
gibt, kann gegen eine Ausbesserung der Zeichnung nichts ein-
gewendet werden; sobald aber z. B. ganze Köpfe fehlen, geht
296
es ohne Eigenarbeit der Restauratoren nicht mehr ab. Wir
hielten in diesem Falle für das Idealere, wenn die Lücken mit
dem Lokalton ausgebessert würden. Bei größeren Defekten, die
eine geordnete Betrachtung unmöglich machen oder wenigstens
sehr erschweren, empfiehlt sich eine völlige Ersetzung durch
moderne Arbeiten. Die alten Teile können entweder in einem
Fenster gegen weitere Zerstörung geschützt, oder aber in einem
Museum Unterkunft finden. In allen Fällen gelte als oberstes
Prinzip: Das Eigene des alten Meisters bleibe unter allen Um-
ständen unangetastet!
IX.
Die Glasmalerei als Gegenstand der
kunstwissenschaftlichen Forschung.
Wem es Pflicht oder persönliche Neigung zur Aufgabe gemacht
hat, alles was in den letzten Zeiten über Glasmalerei geschrieben und
geredet wurde zu verfolgen, der wird beobachtet haben, daß fast
allgemein mit einer bewegten Klage über die mangelhafte Pflege
der Glasmalerei als Forschungsgebiet eingeleitet werde Dem
ist aber nicht so: Es gab eine Zeit, in der Werke von unge-
heurer Kostspieligkeit über Glasmalerei verfaßt und ausgestattet
wurden. Die erste Periode der Literatur über Glasmalerei brachte
eine große Anzahl französicher Werke hervor, die in den Jahren
1840— 1870 entstanden sind. Unter ihnen steht an der Spitze
die monumentale Arbeit von Martin et Cahier, Les vitraux peints
de Saint-Etienne de Bourges. Recherche detachee d’ une mono-
graphie de cette cathedrale. Paris 1841—1844. Auf 72 kolorierten
Steindrucktafeln wird in diesen Riesenwerk eine sehr gelehrte
Abhandlung über die frühromanischen Glasmalereien Frankreichs
geboten, die nun zwar in mehr deskriptiver Weise das hagio-
logische der Fenster beschreibt, aber schon recht bemerkens-
werte Anläufe zu kritischer Forschung über den Kunstkreis und
die Künstler der romanischen Zeit macht. Um dieses große
Werk gruppieren sich zahlreiche kleinere Sonnen und Sterne,
auf denen man zerstreut eine größere oder geringere Fülle
Materials findet, je nach dem Standpunkt, von dem aus die Glas-
malerei betrachtet wird. Aus den zahlreichen Tafeln, die den
einzelnen Werken beigegeben sind, läßt sich wohl die Kompo-
sition und Farbzusammenstellung ersehen, der Stil und die
Technik aber bleiben nicht nur völlig unbekannt, sondern man
298
bekommt, da.alles auf Zeichnungen beruht, manchmal etwas ganz
anders. Darum hat die umfangreiche Literatur nicht den nach-
haltigen Einfluß auf die Verbreitung der Kenntnis und weiteren
Forschung der Glasmalerei ausgeübt, den man eigentlich hätte
erwarten sollen.
Die zweite Periode der glasmalerischen Schriftstellerei setzte
vor ungefähr 15—20 Jahren ein. Man kann sie kurz die Publi-
kationsperiode nennen. Die Fortschritte auf dem Gebiet der
Photographie, des Lichtdrucks und der übrigen Illustrationsmöglich-
keiten veranlaßte einen neuen Gang in die überreichen Gefilde
glasmalerischer Schönheiten. Konnte man die Farben auch nur
in den seltensten Fällen wiedergeben, so gelang es andererseits,
die Zeichnung und die Technik im Bilde völlig getreu festzuhalten.
Der begleitende Text begnügte sich vorerst, die Farben usw.
zu schildern, machte aber vor der kunstwissenschaftlichen For-
schung bewußt oder unbewußt Halt. Auch haben nur wenige
Gelehrte und Ästheten versucht, der dem Raumbild dienenden
Stellung der Glasmalerei gerecht zu werden. Viollet le duc
scheint der einzige gewesen zu sein, der die Glasmalerei über
ihre Besonderheit als kunstgewerbliche Erscheinung hinaus im
Zusammenhang mit dem Bau betrachtet hat. Dieser zweiten
Periode ist in dem jüngst verstorbenen rheinischen Schriftsteller
über Glasmalerei, H. Oidtmann ihr fruchtbarster Vertreter-
erstanden.
Mit ganz unzureichenden Hilfs- und Vergleichsmitteln hat
der Verfasser des Glasgemäldekatalogs des Germanischen Muse-
ums zu Nürnberg die deskriptive Methode in das Gebiet der
kritischen Forschung vorgeschoben.) Bewundernswert bleibt
diese Leistung, auch wenn sie in einem Katalog niedergelegt
ist, der nur denen etwas sagt, die bereits eine tiefere Kenntnis
der Glasmalerei besitzen. Der Verfasser gruppiert das reiche
Material nach bestimmten Gruppen und Meistern, wobei sehr
häufig Resultate festgestellt werden, die man auch mit besseren
Hilfsmitteln wohl ergänzen, aber nicht wesentlich erweitern kann.
Nun loderte allmählich an verschiedenen Orten das Feuer der
!) Der Verfasser ist der jüngst verstorbene Direktor des Bayrischen National-
museums in München, Dr. Hans Stegmann.
299
kritischen Methode auf. Man suchte einzelne Glasgemälde mit
bestimmten Meistern und Schulen in Verbindung zu setzen,
reihte die Glasmalerei in das Gebiet der allgemeinen Entwicklung
der Kunst. Dabei ergaben sich schon sehr bald überraschende
Resultate. In Einzeluntersuchungen stellten Geiges die Beziehung
Baldungs zur Glasmalerei fest, Schinnerer und Hofmann klärten
die Nürnberger Glasmalerei um 1500, Dirr entdeckte Holbeins
Tätigkeit zu Gunsten der Glasmalerei; man fand Jörg Breu, Jost
Amman auf Glasmalereien wieder, Pöllmann erkannte die Be-
deutung Jerg Zieglers für die Glasmalerei und jüngst traf der
Schreiber dieser Zeilen auch Matthias Grünewald unter denen, die
für die Gestaltung des Kartons von Einfluß waren. In groß-
artiger Weise wurde von H. Lehmann das Gebiet der Schweizer
Glasmalerei behandelt, das zum erstenmal die archivalische und
stilkritische Methode mit einander verband. Swarzenski hatte
auf die Untersuchung der Beziehungen aufmerksam gemacht,
die zwischen der Miniatur und der Glasmalerei bestehen, was
später Girodie für das i5. Jahrhundert unternahm. Frankl er-
forschte das Atelier des Glasmalers Hans Wild und ordnete das
Material, das aus dem 15. Jahrhundert in Bayern und Schwaben
noch erhalten ist, nach bestimmten Gruppen. Die Bearbeitung
von Glasgemäldekatalogen erweiterte sich allmählich zu kunst-
kritischen Abhandlungen, so Schinnerers Katalog der Glasge-
mälde im Bayrischen Nationalmuseum, während die ähnliche
Aufgabe, die Leo Balet für die Glasgemälde der Vaterländischen
Altertümer in Stuttgart unternahm, der Durcharbeitung und Ein-
ordnung in die allgemeine Entwicklung der Glasmalerei ent-
behrt. Zuletzt hat H. Schmitz, unterstützt von den reichen
Mitteln der Orlopstiftung alle bisherigen Vorarbeiten zusammen-
gefaßt und in seinem Katalog der Berliner Glasgemäldesammlung
zu einer Geschichte der deutschen Glasmalerei erweitert, stets
unter dem von seinem Leher OÖ. v. Falke vertretenen Gesichts-
punkt der entwicklungsgeschichtlichen Erfassung der Zusammen-
hänge der Glasmalerei mit den übrigen Künsten. Der Berliner
Katalog ist somit das umfassendste Werk, das unter Verzicht
auf die deskriptive Methode in stilkritischer Analyse das vor-
handene Material sichtet und lediglich vom kunstgeschichtlichen
Standpunkt aus behandelt.
300
Im Ausland hat die wissenschaftliche Behandlung der Glas-
malerei ebenfalls einen Aufschwung erlebt. Im vorigen Jahr ist
aus der kundigen und für die Schönheit der Glasmalerei be-
geisterten Feder des englischen Glasmalers Maurice Drake ein
Buch über the History of the English Glass-painting erschienen,
das an vornehmer Ausstattung und Reichhaltigkeit des Materials
alles hinter sich läßt, was über diese Materie in England je ge-
schrieben worden ist. Aus Drakes Abhandlung ergibt sich die
Bestätigung dessen, was auch wir im Verlauf unserer Unter-
suchung wiederholt konstantiert haben, daß nämlich die englische
Glasmalerei ihre Anregungen immer wieder von Frankreich
bekommen und nur unbedeutend und vorübergehend auf
einige Gebiete des Festlands Einfluß genommen hat.
Die kunstwissenschaftliche, stilkritische Erforschung der Glas-
malerei ist somit im schönsten Fluß. Zu einer zusammenfassenden
Arbeit in großem Umfang ist jedoch noch ein weiter Schritt.
Viele Glasgemälde, die anläßlich einer Restaurierung photo-
graphiert wurden, stehen nun, vielleicht auf viele Jahrzehnte,
wieder an ihrem Ort, an dem sie nur schwer aufzunehmen sind.
Die Vorbedingung für eine großzügige Erforschung und Publikation
der Glasmalerei, zunächst deutschen Glasmalerei, dürfte nach
unserem Ermessen in der Anlage einer Photographiezentrale
bestehen. Dem Schreiber Zeilen standen zur Abfassung seines
Handbuches mehr wie tausend Photographien alter Glasgemälde
zum Vergleich, und doch bildet diese an und für sich vielleicht
große Zahl einen verschwindenden Bruchteil von dem bereits
photographierten und unphotographierten Material. Es wäre
leicht möglich, eine solche Zentrale zu schaffen, da sich eine
große Reihe von Photographien in den Händen von Privaten
finden, deren Zusammenarbeit nur Sache einer energischen Per-
sönlichkeit ist. Neben dieser Sammeltätigkeit müßte die Zu-
sammentragung aller Archivalien, die in großer Zahl veröffent-
licht sind, hergehen. Nirgends ist die rein stilkritische Methode
größeren Gefahren ausgesetzt als gerade in der Glasmalerei.
So sehr die Publikation einzelner Sammlungen Lob und Aner-
kennung verdient, so wenig können wir in der Veröffentlichung
lokaler Arbeiten eine durchweg erfreuliche Erscheinung erblicken,
da der allseitige Vergleich mit dem vorhandenen Material gar
301
nicht möglich ist und so das Wichtigste, die Darstellung des
Stilzusammenhangs mit der übrigen Glasmalerei und Kunst über-
haupt mangelhaft bleiben muß. Alle Mittel sollten daher zen-
tralisiert werden, um ein einheitliches System der Forschung im
angegebenen Sinn zu befolgen.
Wir haben die wichtigste Literatur über die Glasmalerei
zusammengetragen, um die Detailforschung möglichst zu fördern
und zu erleichtern.
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Volkamerfenster in S. Lorenz zu Nürnberg.
Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei, zugleich Organ des Verbandes deutscher
Glasmalereien; erscheint seit 1912.
Register.
Die Ortsnamen bedeuten, daß an den genannten Orten Glasgemälde sich befinden, die
an der betreffenden Stelle des Buches besprochen sind.
Gl. = Glaser.
A.
Achatz, Gm. 154.
Acker, Gm. 112, IIgf.
Adelmann (Vierpaßscheibe) 161.
Ägeri, Gm. 180.
Ainmüller, Gm. 193.
Alpirsbacher Rundscheibe, jetzt in der
Sammlung zu Stuttgart 56.
Altenberg 80.
Altötting, Tillykapelle 114.
Ambierle 123.
Angers 64.
Anhalt, Leop. Friedr. von, Sammler 2, 233.
Anonymus über Glasmalerei 216.
Antikglas 204ff.
Antonio da Pisa 220ff., 281ff.
Anvers 125.
Arnold von Cronberg 127.
Arnold der Glaser I5I.
Arnold von Nimwegen 127.
Asharmoschee 183.
Assisi 83.
Ässlinger, Contz, Gm. 142f.
Augsburg, Domfenster 12, 45ff., 119.
Augsburg, Dompfarrei 153.
Augsburg, S. Ulrich 49ff., 57.
B.
Baldricus vitrarius 263.
Baldung, 137ff., 161, 166.
Ban, Gm. 180.
Baumburg 154.
Gm. — Glasmaler.
Bartolomeo di Tommaso, Gm. 266.
Bayr. Nationalmuseum:
Andreasscheibe 72.
Zyklus aus Seligenthal 73.
Zyklus aus Regensburg 93ff.
Medaillonscheibe 98.
Wertingerscheiben 152.
Breuscheiben 164.
Beauvais 122, 125, 232.
Beham I65, 168.
Benediktiner, Pflege der Glasmalerei 41.
Benkert, H., Gm. 170.
Berlin, Kunstgewerbemuseum:
Kreuzigungsgruppe 64ff.
Wertingerscheiben 152.
Bern, Münster, Dreikönigsfenster 98.
Bern, Passionsfenster im Münster IIQf.,I5I.
Bertha, Äbtissin in Zürich 5, 40.
Berulles 124.
Betti, Giov., Gm. 266.
Biblia pauperum 238ff., 243 ff.
Biel 116.
Bindemittel 225.
Birrenbach 195.
Bluntschli, Gm. 180, 284.
Blutenburg 150.
Bock, H., Gm. 180.
Bourges 236f., 260.
Bouts, Dierick II5.
Branca von Savoyen, Gebetbuch 93, Io2.
Brandenberg, Gm. 17I, I81.
Braun, Hans, Gm. 152, 162, 164.
Brechtl, Joh., Gm. 169.
Breu, Jörg 152, 162ff.
Broederlam 104.
Bronner, Gg., Gl. 157.
Brou 125.
Bruyn, Bartholomäus 170.
Bülach, Glasgemälde daselbst 1.
Burkmaier, H. 152, 162.
Byzantinischer Kunstkreis, Verhältnis zur
Glasmalerei 60, 67.
c.
Cambridge 194.
Candid, P. 168.
Cappenberg 64 ff.
Caspar der Maler, Gm. 268, 273.
Cennini 216.
Chälons sur Marne, Kathedrale 13, 63,
122, 20),
Chailly 123.
Champ (Isere), Glasgemälde 26.
Chartres 17, 58ff., 80, 237.
Cimabue 83.
Cleen (Vierpaßscheibe) 161.
Concordantia caritatis 243.
Cöln, allgemeines 78.
Cöln, Dom 79, Königsreihe 79.
Cöln, Dom, kleine Glasgemälde 192.
Cöln, Stephanskapelle im Dom 32.
Cöln, S. Kunibert 68, 70, 260.
Crabeth, W. 160.
D.
Daig ıı2f.
Danegger, Gm. 190f.
Dax, P., Gm. 270, 273.
Deckinger ı12, I1gf.
Deutsch,. N. M., Gm. 180.
Devon 127. |
Dirnhofer, M., Gl. 151.
Douglas’sche Scheiben 178.
Dürer ı25f., 133ff.
E.
Eberhard, Glasmaler 69.
Egmoutiers 123.
Emailfarben 2131.
313
Engel, Julius 197.
Erbach 158, 284.
Erdödy 156.
Erfurt, Dom 114.
Eriskirch 106.
Esconnes 122.
Ess, H., Gm. 169.
Eßlingen 77, 81, 97, 107, 238, 260.
Evangeliar aus Hardehausen 65.
Evangeliar des Heriman 65.
Evreux 122,
Exeter 127.
F.
Faber, Gm. 170.
Farbenzusammenstellung 220ff.
Fischer, Jos. A. 193.
Flums, Glasgemälde, jetzt im Schweiz.
Landesmuseum 55.
Frank 190ff., 270.
Frankfurt, Historisches Museum, Scheibe
mit Christus an der Geißelsäule 70.
Franziskaner, ihr Verhältnis zur Glas-
malerei 265.
Franz glaser, Gm. 142.
Frater Theutonicus 83.
Frauenfeld 77, 80.
Freiburg i. B. 77, 104, 139.
Freie Künste 234.
Freising 95f., 142.
Freyhart, Math., Gm. 113.
Fulko, Gm. 267.
Funk, H., Gm. 180.
G.
Garmisch 99. s
Genf, Nationalmuseum 99.
Gerlach, Maler 66.
Giotto Io4ff.
Glasbereitung im Altertum 201 ff.
ss im Mittelalter 204 ff.
5 in der Neuzeit 209.
Glaser Hanns, G). 152.
Glaser Ulrich 112.
Glasgow 194.
Glasmalereianstalt, Kgl.
zu Berlin 195 ff.
314
Glasmalereianstalt, Kgl.
zu München 193ff.
Glasmalerordnungen 266, 269, 275.
Glasverschleiße 157.
' Goethe über Glasmalerei 1.
Goldschmiedekunst, Verhältnis zur Glas-
malerei 9, 59, 108.
Goltzius 159.
Gondorf 129.
Gozbert, Abt von Tegernsee 42ff.
Gralsburg, Glasgemälde 4.
Grimm, M., Gm. 284.
Grünewald, M. 299, Taf. 65/66.
Guillelmus vitrearius 264.
H.
Hakimmoschee 183.
Hall 81.
Hamer, V., Gm. 142.
Hänle, Hans, Gm. 179.
Hans v. Kulmbach 13;.
Hans von Ropstein 138, 166.
Hans von Ulm, Gm. II6, I1gf., 145.
Hans von Wesel 127.
Hausbuchmeister 160, 162, 178.
Hebenstreit, Gm. I42, 167, 270.
Heiligenberg 77, 8I, 113, 285.
Heiligenkreuz 69.
Heiligkreuzthaler Scheiben (jetzt in Stutt-
gart) 113.
Heine über Glasmalerei 1.
Helmhack, A., Gm. 170.
Heraklius 206 u. a. vielen Orten.
Herbst, Gm. 170.
Herkommer, H., Gm. 142.
Hermann von Münster 8o.
Hernperger, L., Gl. 152.
Hess, H. 193.
Heurtault, M., Gm. 126.
Hirsvogel 135, 169.
Hohenschwangau 284.
Holbein, H. d. Ä. 153.
Holbein, H. d. J. 180.
I.
Isenmann, Kaspar II5, 144.
Italien 82 £.
J.
Jacobus, Gm. 274.
Jacobus, Alamanus.
Jacobus, vitrifex, Köln 80.
Jacob der mauler (Ulm) 103, 267.
Jegly, Gm. 258.
Jenkofen 151.
Jorg van Delft 131.
Joris van Pourse 131.
Jork 63.
K.
Kaiserlautrer, H., Gm. 142, 1435.
Kappel 77.
Kassa 155.
Karlsruhe, Großh. Museum 77.
Karlstatter, J., Gm. 142.
Karthaus Prüll 150, 170.
Kathedralglas 211.
Keyll, Gm. 170.
Kistenfeger, Jac., Gm. 142, 149.
Klein, H., Gm. 142.
Knoder, Hans, Gm. 164, 273.
Koburg 134.
Koniz 77.
Konstanz, Dominikanerkloster 78, 81.
Krakau 155.
Kreutzperger, P. u. W. 152.
Krinaberger, M., Gm. 169.
L.
Lactantius 38.
Lambrecht, Pfaffe 4.
Landsberg a. L. 150, 167.
Landshut 151.
Leermoos 164.
Legenda aurea 237.
Lebez 155.
Le Mans, Kathedrale 13, 63, 237, 249,
264.
Leön 83.
Limburg a. d. L. 82.
Limoges 122.
Lindtmeyer, Dan., Gm. 173.
Livres d’heures, Verhältnis zur Glasmalerei
2A SLO2E
Lohne 67.
London 194.
Loth, Paul, Gm. 167, 284.
Ludwig der Bayer, Gebetbuch 94.
Ludwig der Heilige, Psalter 19, 76f.
Lukas von Leyden 127, 155.
Lübeck 274.
Lüneburg, Rathaus 105.
Lyon 123, 232, 237.
M.
Magister, Conrad, Gm. 267.
Maler von Dingolfing 154.
Marburg 71.
Marienburg 95.
Märkl, H., Gm. 142.
Markterlbach 108.
Martin glaser, Gm. 142f.
Marx Glaser 151.
Mathaeus v. Burghausen, Gl. 151.
Mauler Lukas (Ulm) 103, 267.
Maurer, Gm. 171, 181.
Mayingen 233.
Mayinger, Conntz, Gl. 113.
Medaillonmeister 9I, 95.
Meister des hl. Bartholomäus 130.
Meister Nicklas, Gm. 267.
Meister Hanns Red der Maler, Gm. 268.
Meister von S. Severin 130.
Meister E. S. I15, 128, 160, 178.
Meister Thoman der Glaser 266.
Meister Simon der Maler, Gm. 268.
Metz, Dom 80.
Metz, S. Segolena 641.
Meyer, Gm. ISIf.
Michael pictor, Gm. 267.
Mikö6, Gm. 155.
Miniatur, Verhältnis zur Glasmalerei 13,
53, 85fl., 237.
Mittenmaier 195.
Mohn 195.
Moosburg 152.
Mosaik, Verhältnis zur Glasmalerei 8.
Moser Lukas Io2.
Mühlhausen i. Th. 32.
Mülhausen i. E. 81, 90, 97, 260.
3145
Mülhofer, M., Gl. 113.
Müller, Gm. 131.
Müller, L., Gl. 113.
Multscher 103.
München, Frauenkirche, Mariologisches
Fenster 99.
München, Frauenkirche 95ff., 98, 141#f.
München, Frauenkirche, Scharfzandtfenster
TLLO 127.
München, Mariahilfkirche 194.
München, Michaelskirche 167.
München, Salvatorkirche 143 ft.
Münnerstadt 114.
Murer, Gm. 170, 284.
N.
Narbonne, Altardecke 93.
Naumburg 67, 69, 259f.
Neuburg 164.
Neuweiler, Timotheusfenster jetzt im Cluny-
museum 55.
Niclaus, Gm. 116.
Niederhaslach 80, 92, 237, 260.
Noll, Gm. 116.
Nuptiae Mercurii des Martianus Capella 234.
Nürnberg, Germanisches Museum,
Prophetenscheibe 129.
Nürnberg, S. Lorenz, Volkamerfenster II19,
132, 284.
Nürnberg, S. Sebald 2gr.
Nürnberg, Markgrafenfenster 136.
Nüscheler, Gm. 284.
0.
Oberndorffer, B., Gl. 152.
Olein, H., Gm. 142.
Ostendorffer, B., Gm. 142.
Öttingen-Wallerstein 283.
Otto, Fenestrator in Köln 57.
Br:
Paul v. Limburg 108, 123.
Paris Ste Chapelle 85.
Peich, H. 167.
Pentelinck 130.
Peterslahr 64.
Physiologus 233.
316
Pisano Giov. 99.
Pistoja 93.
Plepp, Jak., Gm. 180.
Poitiers 64.
Polen 95, 155.
Pollack, Jon, 146 ff.
Pöndl 167.
Pont-Audemer 126.
Porträt 66, 128.
Preise für Glasgemälde 272.
Prag (Karlstein) 93f, ı1o, ı13f.
Prielmair, W., Gm. 167.
Primitive, französische, ihr Verhältnis zur
Glasmalerei 85.
Primitive, italienische 85.
Pronner (Bronner), Gm. 142.
Prudentius 2.
R.
Radiertechnik 217, 228f.
Ragerulfus vitrearius 263.
Raphael, S. als Vorlage 126.
Raynold 80.
Ravensburg, Pfarrkirche 107.
Dom 69, 192.
Katharinenfenster I14.
Regensburg, Schreibstube 60.
Reichenau (Mittelzell) 30, 113.
Reliefglas 211.
Reutter, H., Gm. 169, 275.
Ringler, Gm. 180.
Röckl 193.
Rosenweiler 96.
Rosray 124.
Regensburg,
Regensburg,
Rothenburg III, II4.
Rouen 126, 134.
Ruben 193.
Rugerus 204 ff.
S.
Sankt Alban 235, 249.
Saint Denis 62ff, 69.
Saint-Ouen I26.
St. Julien-du-Sault 124, 129.
St. Parre-les-Vaudes 124.
Salzburg, Miniaturen, Verhältnis zur Glas-
malerei 59 ff.
Salzburg, Museum 164.
Salzburg, Schule ıı2, 119.
Sassanidisch-persischer Kunstkreis, sein Ver-
hältnis zur Glasmalerei. Die Frühzeit 54.
Schaffer, J., Gm. 142.
Schaffhausen I81.
Schaper, ]J., Gm. 170.
Schäuffeleinschule 113.
Scheinert 195.
Schlettstadt 1O6f, IISf, 237.
Schmid, H., Gm. 147.
Schmitter, M., Gm. 234.
Schnitzer, B., Gl. 113.
Schneider, A., Gm. 168.
Schongauer 160, 162, 178.
Schöpl, J., Gm. 142.
Schraudolph 192.
Schwarzlot 2ı2f.
Schweindl, K., Gm. 142.
Seligenthal 73.
Sengenrieder, Gm. I42f.
Sery-les-Mezieres, Reliquienschrein 39.
Siber, Hanns, Gm. 151.
Silbergelb 213.
Sippenmeister 130.
Spanien 83.
Speculum humanae salvationis 239ff.
Spengler, Gm. 284.
Springinklee, H. 163, 170.
Staufberg II6.
Stendal IIO.
Stöckl, J., Gm. 142.
Stracholfus vitrearius 57, 264.
Straßburg, Königsreihe im Münster 74 ff, 81.
Straßburg, :
Straßburg,
Laurentiuskapelle 97.
Magdalenenkirche 119.
Straßburg, S. Wilhelm 90, 116.
Straßburg, Salomofenster im Münster 17.
Hochschiffenster in Münster 73 ff.
Straubing IOogf, 151.
Strauß, Jac., Gl. 151.
Strawß, H., Gm. 147.
Submissionswesen 277 ff.
Sugerus, Abt von St. Denis 63.
T.
Taucher, H., Gm. 169.
Tegernsee, Glasmaler daselbst 42ff., 56, 72.
Telchinger, U., Gm. 270, 273.
Thann 95, 98, Io2, IO5, III, II6.
Theoderich Maler 94.
Thophilus siehe Rugerus.
Thoma, Hans, Gm. 152, 164, 273.
Thomas von Modena 94, III, I14.
Tieffenthal, Hans 105, 107, IIS.
Tiffanyglas 211.
Tizian, als Vorlage 125.
Tölz 154.
Troyes 124.
Tübingen, Stiftskirche 119.
Tugenden und Laster 258.
U.
Überzug 226.
Ulm, Münster g95f., 109, IIof., II4, IIQ.
Ulm, Bessererfenster 103, 145.
Ungarn 155.
Unverdorben, G., Gm. 170.
Urach 118.
Urspring 113,
Uta-Evangeliar 5off.
V.
Vendöme 64.
Vicenza Tympanonfries 96, III, 114.
Vierpaßscheiben I60 ff.
Vennd, Balt., Gl. 113.
Vörtel 195.
W.
Walburg 115.
Wald, G., Gm. 169.
37]
Walter, Friedr., Glasmaler 112.
Wattenhofer, L., Gm. 113.
Weber, Gm. I8trf.
Weiler, Hanns, Gl. 152,
Weißenburg 81, 82, 245.
Weltliche Sujets 261f.
Werden 40.
Werder, Urs 116.
Werkzeichnung 215.
Wertinger, Hans 152.
Westhofen 80,
Wiedmann, G., Gm. 169.
Wieland, M., Gl. 151.
Wien, Hofmuseum, Dürerfälschung 134.
Wiener Neustadt 131.
Wild, Hans, Gm. Iı17ff., 128, 143, 285.
Winhart, H. u. V., Gm. 142f.
Witz Io2, IO5, IIS.
Woensam, Anton 130.
Wolf, Gm. I8tf.
Wolfram von Eschenbach 4.
Wolgemut 132, 162.
Wörle, Gm. 167.
Wörlitz, Gotisches Haus 2, 283.
Wurmser, Nicolaus 94.
RE
Xanten, Viktorskirche 80, 82.
Z.
Zabern II5, II7.
Ziegler, Jerg Iı2, 113, 166.
Zisterzienserkapitel 1134 4, 22, 57, 185.
Zumbach, Gm. 181.
Zunft und Glasmalerei 269f.
Zürich, Glasgemälde des Kleinmünsters
5, 40.
318
Unter den photographischen Vorlagen sind dem Verfasser zur Verfügung ge-
stellt worden von
Hofglasmalerei Zettler, München, die Vorlagen für Tafel I—4, 16—18, 30, 33, 41,
42, 64, 72—79, 82. Abb. 27, 23.
Verlag Riehn & Tietze, München, für Tafel 6, 25—29, 80, 88. Abb. 8, 29.
Glasmalerei Linnemann, Frankfurt, für Tafel 12, 34—36, 40, 44—46, 56—58, 65,
83—8;5. Abb. 6, 7, IO, 32, 33.
Schweizerisches Landesmuseum (Direktor H. Lehmann) für Tafel 18—20, 93, 96, 99,
104. Abb. 40, 41.
Dr. Julius Engel, Magdeburg, für Tafel 36, 39.
Glasmaler Statsberger, München, für Tafel 37—38, 102—103.
Hofglasmalerei de Bouche, München, für Tafel 53, 54.
Dr. Lossnitzer, Dresden, für Tafel 62/63.
Hofglasmalereibesitzer Oscar Zettler für Tafel 68—70, 92, 94—95, 98.
Dr. Haupolder, Salzburg, für Tafel 89. Abb. 37.
Delphinverlag, München, für Abb. 2.
Bayr. Nationalmuseum, München (Prof. Halm), fir Abb. 23—25.
Hofphotograph Höfle, Augsburg, für Abb. 30.
Hofphotograph Kratt, Karlsruhe, Tafel 14. Abb. 39.
KARL W. HIERSEMANN, LEIPZIG, KÖNIGSTR. 29
Band
Band
Band
Band
Band
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Hiersemanns Handbücher:
I. W. J. Anderson und R. Ph. Spiers, Die Architektur von
Griechenland und Rom. Eine Skizze ihrer historischen Ent-
wickelung. Autorisierte Übersetzung aus dem Englischen von Konrad
Burger. Groß-Oktav. 375 Seiten, 185 Abbildungen. Leipzig 1905.
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I. Einst Kiesling, Wesen und Technik der Malerei. Ein
Handbuch für Künstler und Kunstfreunde. Oktav. 165 Seiten.
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zur Ausbildung für die Kunst nebst einem Anhang zur Nachhilfe
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mäler als Geschichtsquelle. Groß-Oktav. XV, 414 Seiten Text
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Jean Mielot (448). Die Quellen des Speculums und seine Bedeu-
tung in der Ikonographie, besonders in der elsässischen Kunst des
XIV. Jahrhunderts. Mit der Wiedergabe in Lichtdruck auf 140 Tafeln
der Schlettstadter Handschrift, ferner sämtlicher alten Mülhauser
Glasmalereien, sowie einiger Scheiben aus Colmar, Weißenburg usw.
von J. Lutz und P. Perdrizet. 2 Bände. Gr.-4. XX, 351 S. Text
u. 140 Tafeln. Leipzig 1907—0g. M. 140.—
Essenwein, Dr. August Ritter von, Die farbige Ausstattung des
zehneckigen Schiffes der Pfarrkirche zum Heiligen Gereon in
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Farben- und Schwarzdruck darunter zur Hälfte Wiedergaben der
Fenster. Großfolioformat (30X64 cm). Frankfurt a. M. (Leipzig)
1891. In Mappe. M. 160.—
Zeller, Adolf, Die Stiftskirche St. Peter zu Wimpfen im Tal. Bau-
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Leipzig 1903. In Mappe. M. 48.—
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